Mierda Alemanes

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Schreiben auch Sie uns Ihre Erfahrungen, die Sie auf der Insel gemacht haben! Auf Wunsch unter Pseudonym, an: michaelvoss100@gmx.de

„Adios… Mallorca!“ oder: „Ein

Blick hinter die Fassade“

Geschichten von Insel-Insidern, gesammelt und niedergeschrieben von: Michael Voss

(10/2012)

Ein Glas Rotwein in der Hand und ein Stück leckeren Käse aus Mahon auf einem Holzbrett serviert und die Welt ist schon wieder in Ordnung. Es ist schon fast herbstlich, obwohl wir erst den zwanzigsten September haben. Die Wetterkarte für Deutschland zeigt Regen und die üblichen Herbststürme. Gestern haben sie einen Orkan für die Nordsee angekündigt. Muss man das haben? Heute ist Donnerstag, unser Jourfix Tag. Jeden zweiten Donnerstag im Monat treffen wir uns bei einem der Teilnehmer aus der Runde. Aus dem Hintergrund ruft Felix, „Dann treffen wir uns das nächste Mal am 4ten, ist doch richtig?“ Betti gibt ihm sofort raus: „Jeden zweiten Donnerstag im Monat, was weiß ich, wann das ist…oder ob es zufällig der 4te. ist.“ Unsere Teilnehmer treffen alle so pö á pö ein. Rainer ist schon da. Er hat es sich wie immer in der gemütlichen Besucherecke bequem gemacht. Stellt sich gerade sein Pfeifchen ein. Befüllt es mit einer neuen Mischung. Das Rezept verrät er uns natürlich nicht. Nur eines sagt er, dass es von der Insel stammt. Rainer pflegt einen engen Kontakt zu einigen einheimischen Bauern. Das liegt vor allem daran, dass er sich sein Heu für die Pferde dort holt. Natürlich bekommt er es geschenkt. Ehrensache, die Mallorquiner lieben ihn.


2 So mancher von ihnen behauptet, dass Rainer eigentlich ein Mallorquiner ist, sicher wurde er bei der Geburt vertauscht. Der Storch hat sich in der Richtung geirrt, ist versehentlich in München gelandet statt in Palma. Rainer entzündet die kleine Flamme und wartet nun, bis das Gebräu zu brodeln beginnt. Das Mundstück seiner Pfeife hätte einiges zu erzählen, aber es kann nichts sagen, da es bereits in Rainers Mund verschwunden ist. Wir wenden uns nun von Rainers Vorbereitungen ab, da gerade Herbert die Toreinfahrt passiert. Schon von weitem hörte man das Winseln seines Döschwos. Herbert schwört auf seinen Döschwo aus dem Jahr 1969. Da gibt es nur ein Problem und das ist der Tüv, oder wie man hier sagt der ITV. In zwei Monaten muss er wieder vorfahren. Aber da hat er einen Fan bei der Behörde, der diesen Typ Auto liebt. Inzwischen muss Herbert jedes Jahr vorfahren. Das schafft eine enge Verbindung, die so leicht nicht mehr zu lösen ist. Dass Prozedere ist immer das gleiche. Herbert fährt auf die Bühne, reicht ganz zufällig seinen „Sobre“ hinüber, und der Prüfer meint: „Das sieht ja gut aus. Das Loch im Fahrzeugboden hat sich nur wenig verändert.“ Trotzdem rät Jaime, es doch bis zum nächsten Tüv zu schließen. Herbert erhält seinen Aufkleber und dann sehen wir uns nächstes Jahr wieder, meint er zuversichtlich zu Jaime. Schon bei unserem letzten Treffen oder nennen wir es wie es ist, bei unserem letzten Jourfix wollte er schon seine Geschichte loswerden. Es gehört zur Tradition, dass bei jedem Jourfix eine Person eine Geschichte von Mallorca zum Besten geben muss. Herbert beginnt zu erzählen… „Über eines muss man sich im Klaren sein, falls man sich für einen Daueraufenthalt auf den Balearen entscheidet, wird das Leben ganz schön herumgewirbelt. Nichts ist so, wie es einmal war, erzählt uns Herbert. Er hat sein Domizil in Santany aufgeschlagen und trägt mit seiner Geschichte etwas zum Thema „Adios Mallorca“ bei. Was wir noch nicht wussten, ist folgendes… Vor einigen Tagen hat die Regierung in Madrid angekündigt, dass die Renten für Residenten nur noch bezahlt werden, wenn sich der Rentner für einen Lebensabend in Spanien entscheidet. Sollte die Entscheidung so ausfallen, dass der Rentner nach Deutschland zurückgeht, dann verliert er seine einbezahlte Summe. Wir wären nicht in Spanien, wenn es da nicht einen Trick gäbe, aber wissen darf es natürlich niemand.


3 Aber eines sollte man auch noch wissen. Das Sozialsystem in welches man sich bettet, ist vorzüglich. Mit einer Europakarte für die Krankenbehandlung ist man bestens versorgt. Sind sie mal in Deutschland und müssen einen Arzt aufsuchen, so zeigen sie nur ihre Euro-Gesundheitskarte vor. (Ist natürlich nur in Kliniken zugelassen und ein Notfall muss vorliegen). Also sagen wir es mal so, die soziale Vorsorge ist einmalig. So müssen sie sich nur rechtzeitig nach einem Häuschen oder einer passenden Wohnung umsehen. Da sollten sie nicht bis zum letzten Moment warten. Ob Miete oder Kauf, alles muss bedacht werden. In der Regel zahlt man als Mieter alle Kosten. Fällt mal der Wasserboiler aus, so haben sie selbst dafür zu sorgen, dass er getauscht wird. Telefonanschlüsse, sind nicht immer selbstverständlich. Gerade auf dem Land, kann es durchaus sein, dass es keine Leitungen gibt. Eine schnuckelige Finca sollte einen Stromanschluss haben und lasst euch nicht irreführen, wenn der Besitzer behauptet, dass kommt in den nächsten vierzehn Tagen. Wenn es nicht da ist, wird es auch nicht kommen!“ Herbert spricht wohl aus Erfahrung? So berichtet er weiter, aber vorher füllt er nochmals sein Glas mit einem köstlichen Rotwein von der Insel. Seine Farbe so dunkel wie Stierblut, sein Alkoholgehalt so stark, dass man es schon nach dem zweiten Glas spürt. Im Abgang, wie es Herbert nennt, kommt die Ernüchterung. Der Heimweg, eine einzige Katastrophe, aber der Döschwo kennt seinen Weg. Das beruhigt Herbert und so fährt er mit seiner Erzählung fort. Als Neuankömmling sieht man vieles in rosarotem Licht. Nach drei Wochen folgt dann meist die Ernüchterung. Wie sagte mal ein deutscher Anwalt, „Wenn meine Klienten über das Meer fliegen, verlieren sie auf dem Weg ihren Verstand!“ Die Begeisterung nach der Landung, ist groß. Mit dem Mietwagen in das reservierte Hotel, einen Drink bestellt und von der Terrasse aus die Weite genießen. Da kommt schnell der Wunsch nach einem eigenen Domizil. Die eifrigen Immobilien Verkäufer stehen auch schon bereit. Sie haben große Ohren und schnappen sie ein Wort wie „Kaufen“ auf, weichen sie nicht mehr von ihrer Seite. Die Augen der Verkäufer verändern sich in der Richtung, dass sie sich als Dollarzeichen darstellen. Nach wenigen Stunden fühlt man sich schon wie ein Insider. Man hört die Begriffe wie „A“ und „B“ Geld und weiß sofort, dass „B“ immer das Schwarzgeld ist.


4 Kaum ein Verkauf geht ohne den dazugehörigen „SOBRE“ ein Kuvert mit dem Schmiergeld, damit auch alles so läuft wie sie es sich erträumen. Leider platzen so manche Träume ziemlich kurz nach dem Notartermin. Da stellt sich plötzlich heraus, dass das erworbene Objekt keine Baugenehmigung hat oder ein Durchfahrtsrecht für den Bauern von Nebenan besteht. Er wird zukünftig, wenn sie gerade ihren Frühstückstisch decken mit seinem stinkendem Diesel Trecker vorbei rattern. Wenn sie dann wieder klare Sicht haben, müssen sie feststellen, dass das Grundstück, das sie als das ihrige vermuteten, gar nicht ihnen gehört. Sie suchen einen Rechtsanwalt auf, der ihnen dringend zu einem großen Prozess rät. Seine Worte klingen in etwa so: „Denen steigen wir aufs Dach. Wir werden sie alle verklagen und Schadenersatz bekommen sie natürlich auch. Lassen sie mich nur machen, ich bin für solche Fälle ein Spezialist.“ Sie unterschreiben einige Papiere und ziehen beruhigt wieder ab. Zuerst wundern sie sich, warum er nichts von der Streitsumme gesagt hat, und…warum hat er sein Honorar nicht erwähnt? Sagte er nicht „Kein Problem, machen sie sich keine Sorgen!“ Spätestens bei dieser Aussage sollten alle Alarmglocken läuten. Was sie noch nicht wissen, ist, dass sie ihm bei den geleisteten Unterschriften eine Generalvollmacht unterschrieben haben. Er wird es mit der Rechnung nicht eilig haben. Er wird sich die Vollmacht beim befreundeten Notar, als Generalvollmacht bestätigen lassen und mit Sicherheit wird sie in das Grundbuch eingetragen. Sagen wir wie es ist. Er kann nun mit ihrem Grundstück zukünftig machen was er will. Das Zauberwort heißt „PODER“. Eigentlich sind sie jetzt nur noch auf ihrem bezahlten Grund geduldet. Der Herr Anwalt hat das Sagen und wird entsprechend handeln. Hilfe für den Klienten ohne Ende. Er hat sogar die Berechtigung ein Darlehen auf ihren Namen zu beantragen. Dass er für sich ein Konto einrichtet, brauchen wir nicht erwähnen. Dafür hat er eine befreundete Bank. So gibt es auch keine Diskussion wegen des Honorars. Natürlich wissen sie von all diesen Vorgängen nichts, noch sind sie ein unbedarfter Neuankömmling und werden von jedem Insider als ein solcher sofort erkannt. Allein ihre Fragestellung verrät sie. Sie rufen ihn an und er wird ihnen bestätigen, dass alles bestens läuft. „Ihre Sorgen sind die Seinen!“, versichert er nochmals.


5 Und wie gesagt, er ist der beste Spezialist für diese Dinge auf Mallorca. Sein Rat, „Machen sie alles, was sie sich vorgenommen haben, beginnen sie mit dem Einrichten. Wenn sie Hilfe benötigen, rufen sie einfach an!“ So bestellen sie die Handwerker, eine neue Küche, ein kleiner Anbau. Eine Genehmigung? Müssen sie hier in Spanien nicht haben, das machen wir so. Der Bürgermeister ist ein „Muy bueno Amigo!“ Es wird gebaggert, neue Rohre verlegt, denn so ganz nebenbei haben sie erfahren, dass es kein Wasser gibt. Sie brauchen eine Zisterne, ach ja, auch ein Schwimmbad, kein Problem, dass machen wir alles für sie. „Eine Anzahlung?“ „Ach, wenn sie zufällig fünfzigtausend dabei haben, muss aber nicht sein, bringen sie es halt bei ihrem nächsten Besuch mit, aber bitte in bar, sonst kommt die IVA hinzu, und dass wollen wir uns doch ersparen!“ Nach vier Wochen kommen sie zu einem erneuten Besuch auf ihre Finca und stellen fest, dass die neuen Rohrleitungen bereits angeliefert sind. Verlegt werden sie bald… Endlich sitzen sie auf ihrer neuen Frühstücksterrasse. Sie führen die Tasse zu ihrem Mund, ein Gefühl von Freiheit begleitet sie. Sie trinken den ersten Schluck aus der neuen Espressomaschine. Lecker…und die Ruhe! Einfach ein Traum, es war doch eine gute Entscheidung. Auch wenn inzwischen ein weiterer Kredit auf den Besitz in Deutschland aufgenommen werden musste. Die angefallenen Kosten waren halt doch etwas höher wie eigentlich gedacht. Aber dafür gibt es ja bald ein Schwimmbad. Apropo Schwimmbad, wollten sie nicht letzte Woche damit anfangen. Sagte der Rechtsanwalt nicht am Telefon, sie hätten die Grube dafür schon ausgehoben. Wo ist sie denn? Sie rufen den Anwalt ihres Vertrauens und erfahren, dass etwas dazwischen gekommen ist. Der Baggerfahrer hat sich den Arm gebrochen, nun wird es halt etwas später fertig. Eigentlich wollten sie noch fragen: „Gibt es denn nur einen Baggerfahrer?“, aber sie ersparen sich diesen Einwand. Sie wollen ja nicht als Sklaventreiber auftreten. Für vier Uhr hat sich unser Anwalt angekündigt. Der Anwalt ihres Vertrauens. Sie suchen nach seiner Visitenkarte und finden sie erst nach langem Suchen in ihrer Brieftasche. Sie betrachten sich die Karte und stellen fest, dass hier nur etwas von „Rechtsberatung“ steht. Sie können es kaum glauben, von weitem hören sie seinen Wagen heranbrausen. So ein großer Motor bleibt nicht unbeachtet.


6 Aber dann steht er vor ihnen. Er stellt fest, der Weg war lang, ob es wohl irgendwo einen Kaffee geben könnte. „Haben sie auch Croisantes?“, Kaffee ohne Croisantes, dass ist für unseren Anwalt nicht akzeptabel. Aber okay, dann eben nicht. Sie erkundigen sich, warum auf seiner Karte nicht „Abogado“ steht. Er zeigt ihnen, dass er es nicht mag, wenn ein Klient misstrauisch ist. „Wenn sie mich nicht wollen, dann eben nicht!“, mehr sagt er nicht. Eine Drohgebärde schiebt er empört nach. Er lässt sie deutlich spüren, dass er jetzt beleidigt ist, das wollten sie doch auf keinen Fall. Um ihn gnädig zu stimmen, laden sie ihn und seine Frau zum Abendessen ein. „Wie ist es denn mit den Kindern?“, fragt er sie höflich. „Okay, dann bringen sie ihre die Kinder auch mit. Ach, die Cousine? Klar, kein Problem. Sie bestellen einen Tisch bei Umberto? Dass ist aber toll, wir hätten gar nicht gewusst, wo wir mit ihnen hingehen sollen. Schließlich sind wir ja noch fremd auf der Insel.“ Ihr Abogado, ist er nun einer oder nicht? Heute werden sie mit ihm Tacheles reden, meint der Familienvorstand laut und deutlich. Seine Ehefrau sieht das zwar anders, aber dann lass uns mal hingehen. Pünktlich um halb neun, stehen sie vor dem Restaurant. Von unserem Abogado keine Spur. „Na dann lass uns schon mal reingehen, zischen wir ein Bier vorab“, meint der frisch gekürte Fincabesitzer. Inzwischen hat er auch die Besitzurkunde mit der Post erhalten. Nur eines lässt ihn rätseln, warum steht hier der Name des Abogados mit in der Urkunde? Dann endlich, mit halbstündlicher Verspätung zieht die Karawane ein. Ach, die Oma, die hatten wir vergessen. Schnell füllt sich der Tisch. Wie gut, dass unser Abogado einen so großen Tisch vorbestellt hat. Die Essensbestellung übernimmt der Fachmann gleich selbst. „Überlassen sie das mir!“, meint unser Rechtsbeistand. Er bestellt reichlich und sehr lecker. Ein Genuss! Nach dreieinhalb Stunden erkennt der frisch gebackene Grundeigentümer das Ende des Festschmauses. Noch einen Espresso, dann noch ein Chubito, ohne geht hier gar nichts, das müssen sie wissen. Ein Hierbas, einfach köstlich. Die Rechnung wird dann diskret zum Gastgeber weiter gereicht. Auf diesen Schock, braucht unser Gastgeber gleich noch einen weiteren Chubito. Sicher ist das die Rechnung der letzten vierzehn Tage für seine gesamte Familie inklusive der Cousine.


7 Aber man ist ja Gentleman, da steckt man so eine Lappalie einfach weg, aber wegwerfen wird sie unser Neuankömmling nicht, er wird sie einrahmen! Da ist er sich sicher. Beim Verlassen des Lokals meint dann der Grande noch, „Ach, morgen kommen die Bagger für das Schwimmbad!“ Der Ehefrau des vermeintlichen Gastgebers drückt er einen dicken Schmatzer auf die Backe. Die Ehefrau des Abogados kommt nun auf den Gastgeber zu, als wolle sie ihm die Brille von der Nase reißen. Aber sie hält ihrem Zahlemann nur ihr speckiges Antlitz vor den Mund und erwartet umgehend ebenfalls einen Schmatzer. Als das Ehepaar völlig fertig zu Bett geht, stellen sie gemeinsam fest, dass die Fenster immer noch nicht schließen. Hatten sie den Schreiner nicht schon im Voraus bezahlt? Der Raum hat sich mit tausenden von bissigen Moskitos gefüllt. Die neue Hausherrin hat vergessen, dass Licht im Badezimmer zu löschen. Sie träumen gerade von einem herrlichen Frühstück, als sie durch lautes Getöse geweckt werden. „Ach ja, die Bagger für den Pool! Oh Gott, sie kommen tatsächlich!“ An diesem Morgen fällt die Entscheidung, dass Frühstück in Puerto Portals einzunehmen. Bei einer Brise frischer Meeresluft. „Ist das nicht eine Luft… und ein Himmel ohne Wolken, nicht wahr Liebling?“, sagt der unbedarfte Neuankömmling und fühlt sich bestätigt, dass er hier sein Erspartes gut angelegt hat. Sie haben sich einen Tisch direkt an der Mole ausgesucht. Der Service des Lokals ist hervorragend und berühmt. Angeblich geht hier auch der König zum Frühstücken… angeblich, vielleicht kommt er ja noch? Was gerade ankommt, sind drei Burschen eines ansässigen Boots-Serviceses. Sie schleppen etliche Kübel mit Putzwolle und Giftspray heran. „Ach sieh mal Heiner, die putzen die Schiffe!“, stellt eine freundliche junge Dame am Nebentisch fest. Woher hat sie nur diesen seltsamen Dialekt. Ist sie aus Deutschland? Oder der Schweiz? Oder gar aus Österreich? Aber bevor sie zu putzen beginnen, geht ein wohl sehr wichtiger, gut aussehender, braun gebrannter, Bursche auf das Deck um sich dem Publikum zu präsentieren um dann umgehend den Motor des Monsters zu starten. Das ihm das richtig Freude bereitet, lässt sich gut erkennen. Er lässt es einige Male richtig laut krachen und eines ist nun klar, tausend PS machen auch richtig Lärm.


8 An unserem Tisch zieht eine dicke Rauchwolke vorbei. Eine Verständigung fällt hiermit flach, die Idee hier das Frühstücken zu genießen, verfliegt im Geruch der Abgase. Die junge hübsche Dame vom Nebentisch ruft nach einem Kellner, in dem sie etwas hysterisch und laut herumkreischt, und jetzt ganz klar mit sächsischem Dialekt, ach ja, nicht Österreich, sondern Sachsen Anhalt! Sie schimpft auf den Kellner ein und verlangt, die umgehende Einstellung dieser Lärmbelästigung und der Arbeiten. Der Kellner zuckt mit der Schulter und meint freundlich lächelnd und in sehr gutem Deutsch: „Leute arbeiten müssen! Besitzer gleich kommen!“ Die meisten Gäste bezahlen und gehen, so hatte sich das niemand vorgestellt. Was passiert eigentlich, wenn zufällig der König anwesend ist? Machen sie dann auch den obligatorischen Motortest? Oder ist es gar seine Yacht? Von einem Hartz 4 Empfänger ist sie sicherlich nicht. Als nun die Frischlinge zurück zu ihrem Anwesen kommen herrscht angenehme Ruhe. „Wollte heute nicht die Baufirma kommen und das Fundament für den Pool vorbereiten?“, fragt sich Frau Frischling. „Na ja, das Material haben sie ja schon mal angeliefert, tröstet sie ihren Mann. Als sie jedoch feststellten, dass wir gehen, haben sie wohl entschieden, dass es sich nicht lohnt, am Samstag zu arbeiten, ist ja nur ein halber Tag“, grübelt die Hausherrin weiter. „Bist du sicher, dass er heute sagte?“, meint Ihr Schatz. Da sie nur über das Wochenende hier sind, entschließen sie sich zu einem zweiten Frühstück, vielleicht klappt es ja diesmal… oder gibt es hier irgendwo einen Störenfried? Sie rutschen gerade den Tisch in die Richtung der Sonnenstrahlen, da erstarren sie vor Schreck. Mit lautem Getöse sehen und hören sie einen übergroßen Geländewagen, der sich ihrem Tisch auf der Wiese nähert. Einen Meter vor Frau Frischling, die gerade an ihrem Orangensaft nippen wollte, kommt er zum stehen. Eine Staubwolke zieht über den frisch gedeckten Frühstückstisch. „Ach, der Rechtsverdreher!“, scherzt die Gattin. Sein Lächeln lässt sie nichts Gutes erahnen. „Nur eine Unterschrift!“, schreit er durch das halb geöffnete Fenster. Sie verstehen ihn kaum, da der Motor immer noch laut dröhnend läuft. „Achtzylinder“, erklärt ihr Abogado, laut rufend. Der neue Besitzer will gerade aufstehen, da meint der Abogado: „Auf einen Kaffee setze ich mich gerne zu ihnen!“


9 Er vergaß die Formulare zu zählen, aber er schätzt, dass er mindestens für zwanzig vorgelegte Formulare Unterschriften leistete. Der Unterschreibende wagte dann noch zu fragen, für was die vielen Unterschriften sind, aber darauf erhält er nur die kurze Erklärung: „Lassen sie nur, das ist alles spanische Bürokratie!“ Er bleibt dann den halben Vormittag wie angewurzelt am Tisch des Gastgebers kleben. Eigentlich wollte sich die Ehefrau etwas in die Sonne legen. „Etwas Wärme tanken!“, wie sie immer sagt, wenn sie in Deutschland von ihrem neuen Besitz erzählt. Dann endlich haben sie das Gefühl, er will sich verabschieden. Der Besitzer steht schon mal auf um die Sache zu beschleunigen, da meint der Abogado mit einem breiten sehr höflichen Lächeln, „Sie haben nicht zufällig einen Scheck dabei, aber ich muss zugeben Bargeld wäre mir lieber!“ Vorsichtig fragt unser Hausbesitzer: „Wieviel brauchen sie denn?“ Er lässt sich zu einem Scherz hinreißen und meint: „Geben sie mir einfach zwanzigtausend!“ Kreidebleich und erschrocken ist nun der Blick des Hausbesitzers. Hat er nicht kürzlich aus Deutschland fünfzigtausend angewiesen? Er wird umgehend darüber aufgeklärt, dass die Kosten in Spanien enorm sind, wenn es um einen Illegalen Bau geht. „Ach, das war gar kein Scherz!“ Bringt der Besitzer noch stotternd heraus. Der Abogado will es tatsächlich kassieren. Nun war sein mitgebrachtes Schwarzgeld dahin. So schnell verpufft, dass hatte er nicht erwartet. Zögerlich mit zusammengekniffenen Lippen übergibt er die Summe in bar. „Könnte ich dafür ein Quittung bekommen?“, fragt er eingeschüchtert. „Quittung? Dann kommt die IVA hinzu. Ich wollte sie ihnen eigentlich ersparen!“ Er hat dann keine Quittung über den Betrag ausgestellt. Die Gattin meint lächelnd: „Der hat dich ja ganz schön überrumpelt, Liebling.“ An diesem Tag ist dann eigentlich nichts wichtiges mehr passiert. Ein Nachbar schaut vorbei, starrt bei dieser Gelegenheit der Ehefrau auf den freigelegten Busen. Wie lange er da schon gestanden hat, wissen die Götter. Er wollte sich nur vorstellen mit den Worten: „Ich bin der Pepé! Ihr Nachbar.“ Leicht erschrocken erwidern die Herrschaften seinen Gruß und werden das Gefühl nicht los, als wolle er ihnen etwas mitteilen. Die Ehefrau kratzt alle ihre spanischen Wortfetzen zusammen um ihn nach seinem Anliegen zu fragen.


10 Er zuckt mit den Schultern und meint nur, dass da, wo gerade der Pool geplant ist, eigentlich seine Viehweide für seine Schafe ist. Aber er könnte sie auch verkaufen, dann würde er seine Schafe wo anderes hinbringen. Aber neues Land kostet viel Geld, meint er ziemlich klar und deutlich. Das zeigt er mit einer reibenden Bewegung seines Daumens mit dem Zeigefinger. Der Bauherr sieht ihn erschrocken an und dann hat der gute Nachbar auch schon seinen Grundstücksplan in der Tasche. Er breitet ihn auf dem Tisch aus, indem er das Geschirr vorsichtig beiseite schiebt und zeigt mit seinem Zeigefinger auf das ausgewiesene Grundstück. Tatsächlich, sein Grundstück grenzt ohne Abstand an das gerade erworbene Haus. Der neue Pool würde tatsächlich auf seinem Grund und Boden stehen. Die Schafe könnten ihn als Tränke nutzen. Sofort macht sich der neue Besitzer auf den Weg zu seinem Plan, der ihm beim Notar vorgelegt wurde. Er deutet erregt auf die Grundstücksgrenze seines Planes. Ein breites Grinsen überzieht das des Bauern und Nachbarn. Er zeigt auf das Datum. So stellt der Grunderwerber fest, dass das gekaufte Grundstück nur halb so groß ist, wie es beim Notar ausgewiesen wurde. Daher auch das Durchfahrtsrecht. Jetzt ist alles klar! Der Nachbar hat ein Schriftstück dabei, wenn man so dazu sagen kann. Eigentlich ist es die Rückseite einer alten Stromrechnung. So liest der Neuankömmling einen Betrag von zweihunderttausend. Er meint: „Du bezahlen, dann alles dein! Du Pool bauen, nix Proplemas!“ Jetzt reichts, stöhnt der frischgebackene Fincabesitzer und hat nur noch einen Wunsch, „Abreisen, den Bau einstellen und Mallorca verlassen.“ Der gute Nachbar erkennt, dass er wohl jetzt besser verschwindet. Er dreht sich dann nochmals um und murmelt etwas von „Abogado!“ Ein Anruf bei dem Rechtsbeistand, bleibt erfolglos. Er geht nicht ans Telefon. Vielleicht wusste er über alles Bescheid, so schnell wird es keiner erfahren und es wird sehr teuer werden, das lässt sich nun erkennen. Wie die Angelegenheit ausging, haben wir nicht mehr erfahren. Vielleicht war es ja nur ein Alptraum? Oder nur eine ganz normale Geschichte? Kann so etwas tatsächlich passieren? Die Geschichte erzählte Herbert, er wohnt hier schon über dreißig Jahre. Herbert kennt sich aus, ganz klar. Es muss sich wohl so zugetragen haben.


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Meine Frau und ich sitzen an einem großen runden Tisch in einer illustren Runde. Zwischenzeitlich sind alle Teilnehmer eingetroffen. Einige machen einen Spaziergang über das Grundstück, andere sitzen gemütlich im Schatten und erzählen sich die neuesten Nachrichten. Nachdem Herbert seine Story losgeworden ist erhebe ich mein Glas, und denke zurück, wie es eigentlich bei mir und meiner Familie war. Es ist solange her, um es genau zu sagen, es sind vierundzwanzig Jahre vergangen, als wir auf Mallorca strandeten. Aber nun meine Geschichte, wie alles 1987 begann…

Wir schreiben das Jahr 1987 und ich komme soeben von einem Arbeitsaufenthalt von der Algarve zurück. Als ich dort abreiste, war die Stimmung ziemlich getrübt. Es fand ein Treffen der Hausbesitzer eines bekannten Ferienclubs statt. Grund für die Zusammenkunft war der Anlass, dass die Portugiesische Regierung an das Deutsche Finanzministerium die Daten von deutschen Hausbesitzern samt ihren dazugehörigen Bankdaten und Kontonummern herausgab. Die unausbleibliche Folge war, dass in Deutschland zu einer Jagd auf diese Ferienresidenten in Portugal geblasen wurde. Das Jagdhorn klang schrill und es war von Steuerbetrug in Milliardenhöhe die Rede. Hauptsächlich traf es die Wohlhabenden, wie etwa einen Münchener Arzt oder einen bekannten Rechtsanwalt. Es war überhaupt interessant, warum ausgerechnet so viele Münchener unter den Algarvefans gefunden wurden. Die meisten dieser Fans waren meine Kunden. Sie wurden von mir betreut und in einigen Fällen sogar angeworben. Wie gut, dass ich mit dem finanziellen Teil des Geschäfts nichts zu tun hatte. Ich erhielt eine Provision für jeden Kaufabschluss und dieser wiederum wurde über mein Reisebüro ganz offiziell abgerechnet und versteuert. Manchmal bedauerte ich dies, aber jetzt war ich froh, dass ich alles offen legte. Meine Frau wollte natürlich meinen Bericht hören und ich erzählte alles, was ich in Portugal zu hören bekam. Schließlich traf es auch einen unserer guten Freunde. Er berichtete einige Tage später, dass er eine Selbstanzeige einreichte.


12 Später hörte ich, dass er trotz allem froh war, da er mit einer Nachzahlung und Strafe von sechshunderttausend Mark davon kam. Er behielt sein Ferienhaus und schwor sich für die Zukunft alles anzumelden. Sein Verlangen nach Schwarzgeld ließ deutlich nach. Mein Besuch an der Algarve war einer der Letzten. Ich erkannte die Zeichen der Zeit und konzentrierte mich auf meine Fernreisen nach Fernost, sie waren schließlich das wichtigste Standbein seit dem Aufbau der Firma im Jahr 1972. Dies alles nur vorab, damit Sie verstehen, warum mich das Angebot nach Mallorca zu gehen, tatsächlich interessierte und reizte. Drei Tage nach meiner Rückkehr von der Algarve stand plötzlich mein guter Freund Peter Cross in meinem Reisebüro. Er wollte mit mir eine Idee besprechen. So muss ich aber noch erklären, dass Peter Cross an der Algarve einer der Finanzberater war. Er kannte sich mit Auslandsinvestitionen aus, wusste wo der Markt angeschlagen war und wo er gut florierte. Er hatte eine geldige Nase, wie man so sagt. Er roch das Geld und erkannte schnell in welche Richtung es gerade unterwegs war. Von Beruf war er an der Börse. Seine Mutter eine Deutsche, sein Vater ein Engländer. Die Kombination war wohl für das Geld genau die Richtige. Wir saßen fast eine Stunde beisammen und plauderten über Vergangenes, bevor er dann endlich mit seiner Idee herausrückte. Seine Idee formulierte er sehr vorsichtig und machte den Vorschlag, dass ich doch mit meiner Frau zu unserem Hochzeitstag nach Mallorca kommen sollen. „Ich lade euch ein, meine Idee soll eine Überraschung sein“. Mit dieser Schilderung machte er mich natürlich neugierig und so beschlossen wir tatsächlich unseren Hochzeitstag am 19. Oktober 1987 auf Mallorca zu verbringen. Wir reservierten unsere Flüge und Peter versprach uns abzuholen. Ein Hotelzimmer brauchen wir nicht, da wir auf seiner Finca wohnen werden. „Aha, Finca! Seit wann hat Peter eine Finca auf Mallorca?“, meinte meine Frau neugierig. Pünktlich zu unserem Hochzeitstag trafen wir mit einer Frühmaschine auf Mallorca ein. Peter stand mit seinem angemieteten kleinen Fiesta bereit, um uns die Insel schmackhaft zu machen. So kurvten wir erstmal zu einem so genannten „Inlokal“, wie Peter es ausdrückte.


13 Hier gibt es Frühstück für die oberen Zehntausend, wie er uns erklärte. Als wir das Bistro betraten, waren wir enttäuscht. Das einzige was hier für die oberen Zehntausend gedacht war, bestand aus einem einfachen runden Tisch aus Plastik. Außer uns gab es noch einen weiteren Gast, der wohl dem Handwerk eines Elektrikers nachging. Zumindest wies seine Ausrüstung darauf hin. Peter erklärte uns, dass Mallorca seine Schätze im Verborgenen hat. Es seien die Croisantes, die hier von der Dienerschaft für die bessere Gesellschaft abgeholt werden. Wir schlürften etwa eine halbe Stunde an unserem „Café con Leche“, dann sollte die Fahrt fortgesetzt werden. Peter hatte es plötzlich eilig. Peter nahm eine schmale Straße in Richtung Esporlas. Nach etwa fünfzehn Minuten Fahrt, hält er an und zeigte uns eine mit Gras bewachsene Pompöse Treppe. Wir erfahren, dass es ein berühmtes Anwesen ist und den Namen „Canet“ trägt. Die Treppe tatsächlich betreten zu müssen, davon verschont er uns. Wir nehmen die offizielle Zufahrt. Eine Art Feldweg, der uns direkt vor das Anwesen führt. Peter parkte sein Gefährt direkt vor einem gewaltigen Holztor. Es bestand aus zwei großen Türflügeln. Hoch und breit genug um mit einen Lastwagen, samt einem Anhänger hindurch fahren zu können. Da es aber seit geraumer Zeit nicht mehr geöffnet wurde, steigen wir durch eine kleinere Türe, die sich in einem der beiden großen Türflügel befand. Vorsichtig steigen wir über eine Querlatte. Suchen uns einen Weg in das Innere des Anwesens. Die Besichtigung sollte beginnen. Gleich rechts vom Eingang bekommen wir eine Kapelle zu sehen. Sie wirkte so, als sei sie noch am Morgen von den Bewohnern zu einer Andacht benutzt worden. Es roch nach Weihrauch und Myrte. Ein zweihundert Jahre alter Vorhang schwingt noch, als sei der Pfarrer geradewegs vor wenigen Sekunden entschwunden. Peter erklärte vieles während wir eine imposante Treppe empor steigen. Dabei mussten wir feststellen, dass die Stufenhöhe ständig abwechselte. Mal sind sie extrem hoch, dann wiederum sehr flach. Was uns zu einem seltsamen Schritt verleitet. Dann aber kamen wir im „Planta Noble“ an. Es ist der Erste Stock des hoch herrschaftlichen Anwesens. Was wir vorfinden ist der Charme einer längst vergangenen Zeitrechnung.


14 Wir erfahren, dass die letzten Bewohner vor einigen Wochen ausgezogen sind, nachdem die Besitzerin einer englischen Beerbrowersfamilie verstorben war. Frau Guinness persönlich hauste hier. Denn von Leben konnte man wohl nicht mehr sprechen. Wir erfahren, dass jede der drei Etagen etwa sechshundert Quadratmeter misst. Die Empfangshalle litt unter einer Bodenschwäche. Jeder Schritt wurde von einer Schwingung begleitet. Da ich von Gewohnheit aus vorsichtig in alten Gebäuden bin, hielt ich mich beim Betreten der einzelnen Räume mehr am Rande auf. Hier schien mir der Boden am stabilsten zu sein. Ich las mal, dass man am sichersten unter den Türstöcken steht, falls ein Haus einzustürzen droht. Unser Gastgeber brachte uns in unser Zimmer, das für die nächsten drei Tage unsere Unterkunft sein sollte. Immerhin hatten wir ein großes Bett, das mit einer neuen Matratze versehen war. Als Kleiderschrank diente eine Holzlatte, diese war mit langen Nägeln versehen und fand Halt an einem Fensterstock. Peter konnte von unserem Blick ablesen, dass wir etwas geschockt dreinschauten. So erklärte er. „Damit muss man leben, aber es besteht Aussicht darauf, dass hier mal ein richtiger Kleiderschrank stehen wird. Was uns seit einer guten Stunde wie Kleber an den Fersen hängt, ist ein dumpfer, modriger Geruch. Im ganzen Haus egal wo wir uns gerade befanden, begleitet uns dieser Geruch in jedem Raum. Das Haus litt unter einem undichten Dach. Das Regenwasser fand seit etlichen Jahren seinen Weg mit akribischer Genauigkeit durch die Wände, in die Böden, in die Etagen und zu den Geheimgängen und davon gab es reichlich. Bei manchen Wänden hatte man den Eindruck, als müsste man nur einen Finger in die marode Wand drücken, so würde einem ein Wasserstrahl entgegen sprudeln. Mit Tapete verkleisterte Türen, die man erst auf den zweiten Blick hin erkennen konnte. War es der Charme der alten Zeit, war es die gigantische Größe, waren es die alten Badewannen oder Waschbecken, alles hatte den Stil einer vergangenen Epoche. Fast begannen wir uns in den Geruch, und die verwunschenen Räume zu verlieben. Peter kannte uns nur zu gut. Er sagte nichts mehr, er lies sein Anwesen auf uns wirken, von uns Besitz ergreifen.


15 „Schaut euch nur in Ruhe um“, dass waren seine letzten Worte, dann verschwand er. Als er zurückkam, brachte er drei leckere Pizzas mit. „Zum Trinken gibt es leider nur Schampus! Oder Wasser, das kommt hier direkt aus dem Brunnen.“ Wir begannen den Mittagstisch zu decken und Peter kam mit einem Wust von Plänen. „Das müsst ihr euch erstmal ansehen.“ Alte Pläne, mit Zeichenstift versehen und mit Tesa überklebten Stellen. Dann folgten neue Pläne. Wir sahen Unterlagen, die auf ein Hotel und ein Spa-Center hindeuteten. „So wird es mal aussehen, aber das wird noch etwas dauern.“ An diesem Nachmittag erfuhren wir, dass Peter das Anwesen über einen englischen Kontakt erwerben konnte. Dreimillionen soll es gekostet haben. Es war zwar sein Sparguthaben für spätere Tage, aber das war es ihm wert, erklärte er uns mit großer Würde. „Und den Garten müsst ihr auch genießen!“ Nun wollten wir aber wissen, was er mit uns vorhatte. Warum hat er uns diese Anwesen gezeigt? Was sollten wir zukünftig damit zu tun haben? Alles Fragen, auf dir wir nur eine Antwort erhielten. „Meine Lieben, das ist unsere gemeinsame Zukunft!“ Zusammen gingen wir am Abend in ein nahe gelegenes Restaurant. Eine zünftige Kneipe, in der man einfach aber durchaus sehr geschmackvoll Spanferkel verzehren konnte. Es blieb nicht aus, dass uns Peter auch während des Essens von seinen Zukunftsplänen erzählte. Wir stellen fest, dass wir bereits ein fester Bestandteil in diesen Plänen waren. Wie schon in den Zeiten, als wir die Algarve unsicher machten, sollte Petra meine Frau die Planung der Einrichtung in die Hand nehmen. Für mich war der Posten der Bauleitung vorgesehen. Peter wusste von unserem Anwesen auf dem Land, nahe Dießen am Ammersee. Er erkannte meine Fähigkeiten und wusste von Portugal her, dass ich ein Pedant bin, wenn es um gute und genaue Arbeit ging. Wir waren längst zurück in seiner Residenz, als Petra der Schlaf übermannte. Peter bat mich noch auf einen Absacker in die Küche, an einen Tisch, der noch von der Erstbesitzerin stammen musste. War er zweihundert Jahre alt, oder noch älter. Es war mir zu diesem Zeitpunkt eigentlich egal. Er war stabil und groß. Ich rammte meine Ellenbogen in ihn um Halt für weitere Gespräche zu finden. Die Uhr an der Wand zeigte halb zwölf, als ich versuchte Peter klarzumachen, dass ich ebenfalls gerne zu Bett ginge. Ich war schon fast in meinem Zimmer, da meinte Peter: „Das mit deinem Reisebüro müssen wir auch noch klären, du musst es natürlich verkaufen, oder so…“


16 Ich drehe mich um und meinte: „Wie stellst du dir das eigentlich vor. Was bekommt man für so ein Geschäft?“ „Das besprechen wir gleich morgen früh“, meinte er. Petra kam spät in die Küche und sah uns dort schon wieder sitzen. Seit drei Stunden war Peter damit beschäftigt mir zu erklären, wie man das in die Hand nimmt. Ich meine das mit dem Verkauf der Münchener Firma. Es war ein Traditionsunternehmen, mit Kunden aus allen Bereichen und konnte sich vom Umsatz her absolut sehen lassen. Ein fleißiger Firmendienst, die Veranstaltung von Gruppenreisen nach Portugal und dem fernen Osten und Südamerika. So eine Palette konnte nicht jeder vorweisen. Im Schnelltempo bekamen wir an diesem Tag den Rest der Insel zu sehen. Peter fuhr mit uns nach Puerto Portals, Andraitx, Deia und Pollensa. Aussteigen, schauen und weiterfahren. So verlief der Tag und vor lauter schnell mal hingucken, waren wir uns nicht mehr sicher ob es nun die Kartause in Valldemossa oder in Deia war. Wir waren mehr als verwirrt und so reisten wir am nächsten Morgen ab und hatten nun echte Sorgen über unsere Zukunft. Aber eines hatte der Besuch bei Peter gebracht, wir waren aufgerüttelt und erkannten plötzlich, dass eine Veränderung in der Reisebürobranche heraufzieht. Es war uns natürlich nicht entgangen, dass von unseren guten Kunden immer mehr ihre Hotelreservierungen selbst vornahmen. In jedem Vorzimmer stand ein Faxgerät. Die Tage eines normalen Reisebüros waren gezählt. Eine Änderung musste schnell erfolgen, bevor es alle Kollegen merkten. Petra und ich entschlossen uns über eine Anwaltskanzlei den Betrieb zum Verkauf anzubieten. Wir waren erstaunt, schon die ersten beiden Anzeigen brachten über achtzig Kaufinteressenten. Es wurde ausgesiebt und zum Schluss blieben vier wirkliche Fachleute übrig. Sie hatten das notwenige Wissen und Erfahrung, um einen Betrieb wie den unseren ordentlich weiterzuführen. Eigentlich hatten wir uns bereits für einen Betrieb entschieden, da flog uns noch ein weiterer Interessent ins Haus. Es war ein englisches Unternehmen und es bot einen höheren Betrag, wie wir uns vorgestellt hatten.


17 Die angereisten Herren sahen in die Kundenliste, warfen einen Blick in die Geschäftsbücher und zückten bereits am nächsten Tag ihr Scheckbuch. So schnell hatten wir nicht mit einem Verkauf gerechnet. Wir standen nun tatsächlich vor einem Neufanfang. Zugegeben, Geldsorgen hatten wir keine. Lösten einen Kleinkredit ab, bezahlten einen bestellten Neuwagen mit Bargeld. Wir begannen uns Gedanken über den anstehenden Umzug zu machen. Als Peter von diesem Umstand erfuhr, war er etwas erstaunt, wir hatten den Eindruck, als hätte er nicht mit einem so schnellen Ergebnis gerechnet. Viel später erfuhren wir, dass es große Schwierigkeiten in Esporles mit der Abwicklung gab. Der Investor, der hinter Peters Projekt stand, stahl sich geschickt aus der Verantwortung. Er hatte im eigenen Haus Vertriebsprobleme und musste die Notbremse für weitere neue Vorhaben ziehen. Seine Reaktion, machte uns Angst. „Was wollt ihr nun machen? Wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?“ Diese Frage sollte bedeuten, dass wir ab sofort auf uns selbst gestellt sind. Der Umzugswagen war bestellt und eine Unterkunft für sechs Monate war in S´Arráco angemietet. Es ging Schlag auf Schlag. Die Kinder wechselten die Schule. Ab den Osterferien waren sie auf einer Englischen Schule in Sankt Augustin angemeldet. Alle diese Vorbereitungen musste Petra alleine durchziehen, da ich mit der Übergabe meines Betriebes beschäftigt war. Sie machte es hervorragend. Als ich das erste Mal wieder nach Mallorca kam, durfte ich feststellen, dass meine Frau bereits gut Spanisch sprach. Nun begann eine Zeit, wo wir der Zukunft in die Augen sehen mussten. So mussten wir uns nach einer Gestoria umsehen, damit wir alles offiziell angehen konnten. Wir bekamen von allen Seiten Empfehlungen. So landeten wir bei einer Rosi, sehr symphatisch, einen Familiennamen erfuhren wir erst nach längerem Nachfragen. Rosi bekam den Auftrag alle anfallenden steuerlichen Angelegenheit zu erledigen und uns anzumelden die notwenigen Papiere zu besorgen. Dafür lies sie sich gut bezahlen. Nach drei Monaten rechneten wir nach und es wurde uns seltsam zu mute. Zu sehen bekamen wir von ihr nichts, sie sagte immer nur denselben Satz: „Macht euch keine Sorgen, alles läuft seinen gewohnten Weg. Schließlich mach ich diese Arbeit schon seit einigen Jahren!“


18 Diese Aussage klang uns noch Jahre später in den Ohren. Sie hatte nichts gemacht, kassierte etwa achttausend Mark und legte uns Belege vor, die sie mit gefälschten Stempeln versah. Ja, so kann man sich irren! Wir sahen uns gezwungen zu einer „Ordentlichen“ Gestoria zu wechseln. Sie nannte sich „Susi“. Sie kassierte zwölftausend Mark Vorschuss für eine „Einfuhrzollgebühr“. Diese musste hinterlegt werden um unsere Möbel nach Spanien einführen zu dürfen. Nach sechs Monaten, so wurde uns bestätigt, würde diese Summe zur Rückzahlung kommen. Weiter sorgte sie sich um die Anmeldung und die notwendige „Residencia“. Ohne dieses Papier ist man in Spanien nicht existent. Alle diese wichtigen Papiere besorgte sie und wir waren zufrieden mit ihrer Arbeit. Inzwischen verbrachte ich bereits mehr Zeit in Spanien als in Deutschland. Es wollte der Zufall, dass ich gefragt wurde, ob ich vielleicht einen guten, gebrauchten Wagen besorgen könnte. „Ja warum denn nicht“, so meine Reaktion. Nach dem ich die Wünsche weitergeleitet hatte und den richtigen BMW gefunden, konnte ich den Wunsch eines Restaurantbesitzers zufrieden stellen und ihn benachrichtigen, dass sein Fahrzeug in Kürze auf der Insel eintreffen werde. Wenige Tage später fuhr ich mit meinem Neuerwerb Richtung Barcelona und stellte mich an der Fähre nach Mallorca an. Es ging das Gerücht, dass hier die meisten Fahrzeuge entwendet oder aber ausgeraubt würden. So organisierten wir uns „Wartenden“, gegenseitig bewachten wir unsere Fahrzeuge. Tatsächlich wurden einige Personen, die hier auf die Abfahrt der Fähre warteten, ausgeraubt. Meist mit simplen Tricks. „Sehen sie mal, sie haben einen Plattfuss“, war ein beliebter Trick. Die Personen verließen den Wagen um nachzusehen, in der Zwischenzeit wurde die Wagentüre aufgerissen und die Handtasche der Ehefrau entwendet. Die am Platz anwesende Polizei hat natürlich von all diesem Tun nichts mitbekommen. Als ich am nächsten Morgen mit meinem Fahrzeug den Boden von Mallorca erreichte, wurde ich von der Guardia Civil angehalten. Ich wurde gefilzt, wie ein Schwerverbrecher. Dann wurde der Wagen beschlagnahmt, da er ein Zollkennzeichen trug. Eskortiert von zwei Streifenwagen, kam der Wagen unter Zollverschluss.


19 In der großen Halle in der er abgestellt werden musste, standen etliche weitere Fahrzeuge. Einige standen hier wohl schon länger, da sie eine dicke Staubschicht trugen. Andere wiederum standen ohne Motor, ohne Räder oder es fehlte das Cabriodach, Ledersitze wurden bereits ausgebaut. Wie gut, dass der neue Besitzer ein Mallorquiner war. Ich verständigte ihn und dann ging eigentlich alles sehr schnell. Er zahlte die Zollgebühr und holte den Wagen ab. Es vergingen drei Tage und ein neuer Anwärter für einen Wagen stand vor meiner Wohnungstüre. Als er die Qualität meines Fahrzeuges bei seinem Freund gesehen hatte, war er begeistert. „So einen will ich auch!“ Meine Gestoria bekam den Auftrag, die notwendigen Papiere zu besorgen, damit ich einen zweiten Wagen holen konnte. Denn von nun ab, war ich als Autohändler registriert. Schnell lernte ich andere Personen kennen, die eine gleiche Tätigkeit ausübten. Jeder von ihnen hatte einige Geschichten zu erzählen. Ich für meinen Teil war ein Neuling und schloss mich einem Schweizer an, der eigentlich aus München stammte. Von ihm bekam ich Tricks und Hinweise, die weiter halfen. Aber wirklich als Beruf wollte ich diese Arbeit nicht ausführen, da war ich mir ganz sicher. Zu viele zwielichtige Gestalten tummelten sich in diesem Gewerbe. Auf meiner zweiten Fahrzeugüberführung sollte ich eine Bestellung von Ersatzteilen aus München mitbringen. Eine kleine deutsche Werkstatt hatte mir eine Liste von Teilen mitgegeben die dringend benötigt wurden. Ich versprach dies zu erledigen, holte die Teile bei einer angegebenen Adresse ab und begab mich wieder auf die Rückfahrt nach Barcelona. An der Spanischen Grenze wurde ich angehalten und wiederum wie ein Schwerverbrecher behandelt. So kam ich in einen Raum, wo normalerweise die Verbrecher untergebracht wurden. Es war der gebrauchte Kühler für einen alten Mercedes, der den Herren vom Zoll nicht gefiel. Ich bot an, ihn an den Zoll zu verschenken. Die Quittung wies einen Betrag von sechzig Mark aus. Ich schwor mir dieses Geschäft zukünftig zu unterlassen. Ich saß eine Stunde, zwei Stunden und in der dritten Stunde kam eine junge Frau in den Raum und fragte, auf was ich eigentlich warten würde. Ich erklärte, dass ich ein Ersatzteil dabei hatte, was den Kollegen nicht gefiel. Sie lies es sich zeigen und begann zu lachen. Sie erklärte, dass es ein Scherz sei, ich hätte einfach weiterfahren sollen. Aber wie sollte ich?


20 Die Türe des Raumes in dem ich saß war doch verschlossen. Sie holte sich die Kollegen und sie entschuldigten sich bei mir. Nach drei Stunden des Wartens trat ich dann meine Weiterfahrt an. Die Fähre erwischte ich nicht mehr, ich musste im Fahrzeug übernachten. Die Gefahr, dass es gestohlen würde, war zu groß. Ein Tankstellenbesitzer erlaubte, dass ich in der Nähe der Kasse für diese Nacht parken darf und er würde aufpassen. Als ich dann mit einem Tag Verspätung auf Mallorca ankam, lief wieder die gleiche Prozedur ab, wie schon einmal erlebt. Ein Fahrzeug vorne, eines hinter mir, so wurde ich in den Zollhafen gebracht. Inzwischen hatte ich aber von meinem Freund den Tipp bekommen, dass ich dem wachhabenden Zollbeamten ein Trinkgeld geben muss, da ich sonst Gefahr laufen würde, dass vielleicht die Reifen bei der Abholung nicht mehr am Fahrzeug seien. Ich reichte unauffällig ein Kuvert mit einem passenden Betrag über den Tisch, mit der Bemerkung, „Solo para Café con Leche!“ Dies waren die Worte, die ein Lächeln auf das Gesicht des Zöllners erkennen lies. Zwei Tage später holte ich den Wagen ab und es empfing mich ein freudestrahlender Zollbeamter zur Fahrzeugübergabe. Ich muss zugeben, ich habe schnell gelernt. Der gewisse „Sobre“ war das Zauberwort. Wo ich etwas zu besorgen hatte, immer wenn Vitamin „A“ notwendig war, half mein bereit liegender „Sobre“. Meine Frau berichtete, dass eigentlich die Auszahlung unserer Zollgebühr von 12.000 Mark anstünde. Ich rief bei Susi an und erkundigte mich, wann und wie ich dies anstellen sollte. Susi tat erschrocken und meinte, dass der Termin längst überschritten sei und das Geld zwischenzeitlich von der Behörde einkassiert wurde. Das Geld sei verloren, es zu bekommen keine Chance mehr bestünde! Meine Frau kramte die Quittung von einem Zolllageristen heraus und wir begaben uns auf den Weg zu ihm, am Paseo in Palma. Es war ein freundlicher älterer Engländer, er warf einen Blick in seine Bücher und fragte, wie wir es haben wollen. Er könnte auch einen Scheck ausstellen. Natürlich sprachen wir ihn auf die Bemerkung von Susi an. Er meinte nur: „Ja die Susi…sie wissen aber schon, dass Susi jeder Zeit das Geld hätte abholen können?“ Mehr sagte er nicht, wir aber wussten Bescheid. Es war wieder an der Zeit die Gestoria zu wechseln.


21 Auf der Rückfahrt stellten wir uns die Frage, warum es ausgerechnet die eigenen Landsleute sind die immer wieder versuchen einen zu betrügen. Eigentlich sollte man sich doch helfen und unterstützen, aber das Gegenteil ist der Fall. „mierda alemánes“, dieser Ausspruch sollten wir noch oft hören oder selbst hinausschreien. So wechselten wir zur dritten Gestoria. Gerda kannte sich aus. Sie lernte ihr Fach auf Mallorca und hatte einen spanischen Ehemann. Das zuständige Personal stammte von der Insel. Wir übergaben die Papiere und erstmals hatten wir das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Hier erfuhren wir, dass unsere erste Gestoria die eingezahlten Gelder für sich behalten hatte, wir alles nochmals zahlen mussten. Als wir uns beschweren wollten, gab es die Gestoria in Santa Ponca nicht mehr. Das Geld war also tatsächlich verloren. Nach einiger Zeit trafen wir wieder Peter. Wir wollten wissen, wie weit er mit seinen Plänen vorangekommen ist. Die Auskunft die wir zu hören bekamen, war niederschmetternd. Die Gemeinde, die für die Baugenehmigungen zuständig ist, warf ihm alle Steine in den Weg, die greifbar waren. Es zeichnete sich ab, dass man den Verkauf der Finca „Canet“ auf keinen Fall akzeptieren wollte. Die Gemeinde war der Meinung, dass Peter die Finca aufgeben sollte. Eine Baugenehmigung zu keiner Zeit gegeben wird. Es sei denn…. Peter berichtete, dass ein neues Schulhaus für die Gemeinde notwendig würde, das ein Sportplatz gebraucht würde. Vielleicht, wenn er hier helfen könnte, dann würde man einer Baugenehmigung aus einem anderen Blickwinkel entgegensehen.

Nun wussten wir, dass der Traum eines Wellness und Spa-Centers in absehbarer Zeit für uns gestorben war. Wir mussten uns anders orientieren. Ich für meinen Teil dachte umgehend an eine Rückreise nach Deutschland. Unter diesen Umständen sah ich keine Zukunft auf Mallorca. In einem Land wo man nur mit „Sobres“ arbeiten konnte, das war für mich auf Dauer nicht akzeptabel.


22 Lange saßen wir und grübelten bei einem guten Glas Wein. Zu einem wirklichen schnellen Entschluss konnten wir uns nicht durchringen. Die Kinder besuchten mit viel Freude die neue Schule. Es war für sie ein Honigschlecken im Vergleich zu ihrer Schule in Deutschland. Schon nach wenigen Monaten hatten sie kein Problem mit dem englischen Unterricht, erste Freundschaften wurden schnell geknüpft. So zogen wir doch innerhalb der Insel um. Unser neues Domizil war nun in Santa Ponca. Die Wohnanlage in die wir umzogen sind, war uns schnell zu eng geworden. So dass wir nach einem kleinen Haus Ausschau hielten. Vielleicht sogar an einen Kauf dachten. Wir hatten Glück und so zogen wir in unser Domizil Nummer drei. Es war eine kleine Villa, die wir durch einen Freund vermittelt bekamen. Nun waren wir alleine und genossen Mallorca in vollen Zügen. Es war so, wie wir es uns vorgestellt hatten. An unserem Tisch heben nun alle Besucher die Gläser um auf unseren Entschluss anzustoßen. Rainer zieht an seinem Pfeifchen und meint: „Passt schon!“ Natürlich konnten wir das „Abenteuer Mallorca“, nicht einfach aufgeben. Wir hatten neue Ideen und so konzentrierten wir uns auf Sportgruppen, wie Tennis- und Golfgruppen. Durch diese Arbeit lernten wir schnell interessante Menschen kennen. Vor allem durften wir feststellen, dass die Hotelbesitzer oder ihre Direktoren auf Mallorca gut deutsch sprachen und an einer Zusammenarbeit interessiert waren. Unser Vorschlag für sie Gruppen zu organisieren erweckte große Begeisterung. Unsere alten Kontakte nach Deutschland kamen uns sehr zu Gute. Ein Jahr wollten wir uns für die Vorbereitungen Zeit lassen. Ostern 1994 sollten die ersten Gruppen anrollen, oder besser gesagt einfliegen. Schnell machten wir uns einen guten Namen, in dem wir akribisch darauf achteten, dass die reservierten Tennisplätze oder die Abschlagszeiten auch eingehalten wurden. Wir reservierten die Transfers oder falls notwendig die entsprechenden Mietwagen. Jeder Kunde wurde von uns einzeln begrüßt und betreut. Es war an der Zeit die Abwicklung in gute Hände zu geben. Schon in der Anfangsphase hatten wir weit über tausend Personen auf der Insel, die von unserem Service Gebrauch machten.


23 Vor Ort hatten wir alle Hände voll damit zu tun, jedem Wunsch gerecht zu werden. Eine Aquise von Neukunden sollte ein Partner in Deutschland übernehmen. So kontaktierte ich wieder Personen die seinerzeit Interesse zeigten unseren Betrieb in München zu kaufen. Ein Reiseveranstalter in Bonn war sehr interessiert und zeigte sich schnell bereit für eine langfristige Zusammenarbeit. Der Vorteil der in dieser Kooperation bestand war, dass er in Palma ein Büro besaß. Der Nachteil, den ich viel zu spät erkannte, bestand darin, dass er still und heimlich meine Daten kopierte und so in den Besitz aller meiner Kundendaten kam. Nach einem Jahr wurde ich in die Verwaltung gerufen und ich erhielt die Vertragskündigung. Wieder waren es Deutsche, die uns hereinlegten. Wieso? „mierda alemánes!“ Es blieb nicht aus, dass ich einen guten Anwalt für Vertragsrecht benötigte. Wir errechneten gemeinsam, dass ich einen Anspruch von achtzigtausend Mark geltend machen konnte. Sein Honorar beträgt zehn Prozent des Streitwertes. Eine mächtige Summe, aber schließlich ging es um achtzigtausend und dies war nur ein Teil meines eingesetzten Betrages, aber damit wollte ich mich zufrieden geben. Der Gerichtstermin wurde verkündet und die Verhandlung verlief ausgesprochen friedlich. Kein böses Wort viel, mein Geschäftspartner antwortete auf die Frage des Richters, ob sich denn die Zusammenarbeit gelohnt hätte: „Ja selbstverständlich, es war für unseren Teil ein gutes Geschäft und das wird es auch zukünftig bleiben!“ Nach dieser Aussage erklärte der Richter, dass dies ja alles schön und gut sei, aber er sei für diesen Fall gar nicht zuständig. So erfuhr ich, dass mein Anwalt die Klage beim falschen Gericht einreichte. Mir verschlug es die Sprache! Aber es fiel mir auch auf, dass er mit dem Anwalt der Gegenseite wohl gut bekannt war. Sie verabschiedeten sich sehr herzlich. Ein Mallorquinisches Spiel? Ich weiß es nicht. So war unser eingesetztes Geld für den Prozess auch noch verloren. Am Abend traf ich einen Spanischen Freund. Ich erzählte, was vorgefallen war. Er gab mir den Rat, auf keinen Fall weiter vor Gericht zu gehen. „Als Deutscher hast du auf Mallorca keine Chance, du wirst immer verlieren!“


24 Nun waren wir fünf Jahre in Spanien, oder besser gesagt auf Mallorca. Eigentlich hätte ich jetzt am liebsten wiedermal meine Koffer gepackt, aber meine Frau hatte sich in Mallorca verliebt. So blieben wir und suchten nach neuen Wegen. Meine Tennis- und Golfkunden waren von dem Reiseunternehmen aus Bonn längst verständigt worden. Sie bekamen von dort auch gleich eine so genannte „Hotline“ und für ihre nächste Reservierung als „Bonuskunde“ einen Sonderpreis. Alle Kunden reservierten für die kommende Saison direkt in Bonn beim Reiseveranstalter. Am Abend saßen wir auf unserer Terrasse und überlegten, was zu tun sei. So kramte ich einen Kontakt aus Madrid aus meinen Unterlagen. Ich griff zum Telefon und berichtete von meinen Erfahrungen. Schallendes Lachen kam aus dem Hörer und die Worte: „Was hast du denn erwartet?“ Aber ich bekam auch einen guten Tipp. „Industrie-Vertretungen“, war das Zauberwort. Meine alten Kontakte zur Handelskammer halfen weiter. Ich erhielt einen Kontakt zu einer Firma, die gerne in Spanien vertreten sein wollte. Schon nach drei Tagen flog ich nach Nürnberg, um persönlich zu überprüfen mit wem, ich es zutun haben werde. Der Kontakt war sehr interessant. Der Empfang war freundlich und die darauf folgende Werksbesichtigung beeindruckend. Bei einer zünftigen Brotzeit bekam ich einen Vertrag zu lesen und anschließend schritten wir schon zur Unterschrift, die mit einem doppelten Schnaps besiegelt wurde. Kaum war ich zurück auf Mallorca, lieferte ein Spediteur zweihundert der bestellten Heizgeräte an. Ich schaltete wie vereinbart die Werbung und die Artikel verkauften sich gut. Ein angeheuerter Helfer und ich waren damit sechzehn Stunden am Tag beschäftigt die Waren auszuliefern. Als dann endlich mal eine kleine Pause eintrat, nutzte ich die Gelegenheit um meinen Kollegen vom Festland in Denia zu besuchen. Wir verabredeten uns zum Essen und tauschten unsere Erfahrungen aus. Er berichtete, dass sich ganz in seiner Nähe ein Konkurrent ebenfalls mit einem ähnlichen Artikel beschäftigen würde. Zwei Wochen nach dem ich zurück auf Mallorca war, sah ich die ersten Anzeigen von einem neuen Mitbewerber auf Mallorca.


25 Ausgerechnet das Büro, dass ich als Untervertretung geschult hatte, suchte sich einen fast gleichen Artikel und schaltete nun eine Werbung, die mein Produkt als schlecht hinstellte, seines dagegen der absolute perfekte Typ sei. Da ich mir mit dem Thema „Heizgeräte“ einen guten Namen machte, kamen weitere Firmen wie etwa die Firma Hark auf mich zu und boten an, mich zu beliefern. Hierfür musste ich einen Laden anmieten, was kein weiteres Problem darstellte. Das Geschäft eines Deutschen bot sich an, da es bereits eine ordentliche Einrichtung vorweisen konnte. Ich löste einen Teil der Gegenstände ab und begann mit dem Verkauf. Einige Wochen später besuchte mich ein Vertreter der Firma Rüegg aus Zürich. Das Material und die Verarbeitung beeindruckten mich. Wiederum einige Wochen später kam ein Kaminbauer aus dem Bayerischen. Gerda die Chefin meiner Gestoria meldete alle Tätigkeiten bei der Behörde an und ich erhielt die notwendigen Bescheinigungen. Ja und dann, ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Die ausgelieferte Ware von meinem Nürnberger Lieferanten, schien nicht ganz in Ordnung gewesen zu sein. Es kamen fast täglich Reklamationen. Mein Mitarbeiter, der die Ware auslieferte, stand im Laden und meinte, dass er mit diesem Produkt nichts mehr zu tun haben möchte. Kaum hätte er die Geräte aufgestellt, fliegen auch schon die Sicherungen heraus. Umgehend benachrichtigte ich meinen Vertragspartner, als Antwort erhielt ich ein Schreiben eines Insolvenzverwalters. Ich sollte umgehend die Ware, die sich in meinem Besitz befindet bezahlen oder zurückschicken. Ich hatte nichts dagegen, aber nun hatte ich keine Ware mehr um die Reklamationen befriedigen zu können. Damit aber nicht genug, die Reklamationen wurden vom Insolvenzverwalter zurückgewiesen. Nach Rücksprache mit meinem Kollegen vom Festland, nahmen wir uns einen Anwalt. Vorab, wir mussten nicht bezahlen, aber wir hatten auch keine Möglichkeit die minderwertige Ware zu reklamieren. Beide mussten wir aus eigenen Mitteln den Schaden begleichen. Da wir beide gemeinsam einen guten Verkauf nachweisen konnten, entschlossen wir uns, einen neuen Anbieter zu suchen. Wir hatten wieder neue Hoffnung!


26 Deshalb ein Prost auf die Zukunft. Die Runde erhebt ihre Gläser und blickt zu Rainer. Rainer schlummert inzwischen friedlich, mit seiner Pfeife im Mundwinkel, sicher träumt er gerade von einem riesigen Hanf Anbau.

Ja, eines ist klar, ohne kämpfen geht hier nichts, betont Pawel und meldet sich zu Wort. Auch er hat einiges zu diesem Thema beizutragen. Pawel ist schon über zwanzig Jahre auf der Insel, pendelt aber immer noch zwischen Köln und Palma. Anfangs in Hotels und seit elf Jahren in einer kleinen eigenen Wohnung. In letzter Zeit, kommt er immer öfter. Irmi seine Frau ist gerade schwanger und arbeitet nur noch sporadisch. Pawel hat sein Mallorca Domizil in Sa Rapita aufgeschlagen. In einer ländlichen Gegend wie er betont wissen möchte. Der Strand von „Es Trenc“ ist nur ein Katzensprung von seiner Terrasse entfernt. Sehen kann er das Meer, aber eben nur sehen. Zu Fuß sind es gute zehn Minuten. Eigentlich hatte er eine Option direkt am Strand erworben, aber dann kam alles ganz anders. Einen Betrag von fünfzigtausend Mark hatte er bereits einbezahlt. Weitere Einzahlungen sollten folgen. Heute nach über zwölf Jahren stehen hier immer noch die Bauruinen. Manchmal, wenn er einen „Durchhänger“ hat streift er durch die leeren Betonklötze, die ein Überbleibsel einer Idee sind. Hier hat er ein kleines Vermögen versenkt, denkt er. Wie heißt es doch so schön: „Wie macht man ein kleines Vermögen auf Mallorca? …Man muss mit einem großen Vermögen ankommen!“ Damals war er noch in Düsseldorf bei einer Verwaltungsholding angestellt und so flatterte ein Prospekt auf seinen Tisch. Er war sofort Feuer und Flamme. Er kannte die Gegend, hielt sich hier oft bei einem Glas Wein in der Strandkneipe auf. Hier konnte man noch die Seele fliegen lassen. Hier wurde man wieder zum Menschen. Er setzte sich umgehend mit dem Initiator in Verbindung und so kam es zu einem Treffen in Köln. Pawel betont, dass er eigentlich sehr misstrauisch war. Er hörte immer wieder von Insidern, dass „Es Trenc“ ein Naturschutzgebiet sei, Bauen völlig ausgeschlossen ist. Aber der freundliche Herr im eleganten Anzug legte alle Unterlagen auf den Tisch. Pläne, versehen mit den Stempeln der Gemeinde und der Architektenkammer.


27 Kein Zweifel, hier wurde ganz klar eine Ausnahme gemacht. Auch waren die Bilder von der zu bauenden Anlage beeindruckend. Natürlich Fotomontagen! Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Fertigstellung geplant ist, erhält Pawel weitere Unterlagen vorgelegt. „Aha, dann fangen sie ja in Kürze an!“, meinte Pawel mit aufgeregter Stimme. Pawel war begeistert und sofort überlegte er, ob er das Geld nicht schon mal abheben sollte. Doch jetzt kommt wohl ein Kapitel, über das Pawel nicht mehr so begeistert spricht. Seine Stimme wird nachdenklich und man spürt sofort, dass er eigentlich nicht darüber reden will. Er greift zu seinem Glas, schenkt es nochmals voll um dann einen großen Schluck zu nehmen. Das entspannt ihn und die Fortsetzung der Geschichte fällt ihm leichter. Bereits zwei Wochen später flog er nach Mallorca um sich selbst von dem Vorhaben zu überzeugen. Den Plan mit dem dicken Kreuz an der Stelle, wo sich sein kleines Häuschen befindet, hatte er unterm Arm. Er begann das Grundstück abzuschreiten und stellte begeistert fest, dass er einen tollen Meerblick hat. Was für ein Glück er doch hatte. Die angebrachte Bautafel bestätigte alles, was sich Pawel erwartet hatte. Zwei Tage später hatte er eine Aufforderung des Bauträgers erhalten. Die zweite Zahlung wurde eingefordert. Hunderttausend, kein Problem. Pawel hat sich alles gut überlegt und vom Festgeld auf Auszahlung umgebucht. Das Geld lag bereit für die Überweisung. Pawel traf mit einem Tag Verzögerung wieder in Düsseldorf ein. Er fand einen weiteren Brief des Bauträgers vor. Ein Treffen aller zukünftigen Besitzer wurde einberufen. Da alle aus dem Umfeld Düsseldorf stammten, war es kein Problem mal schnell um die Ecke zu fahren. Pawel stand pünktlich vor dem angegebenen Treffpunkt, einem bekannten Hotel in Düsseldorf. Schon beim Betreten des Hotels sah er die aufgestellte Tafel mit dem Hinweis, dass das Treffen im Konferenzsaal sieben stattfindet. Ein freundlicher Page erkannte, dass Pawel den Saal sieben sucht und sprintete herbei um ihn zu dem Konferenzsaal zu geleiten. Pawel war begeistert, als er die Türe öffnete. Durchwegs symphatische Leute, die sich hier aufhielten. Es wurde Champagner gereicht und am Buffet fand Pawel seine Lieblingsspeise. „Meeresfrüchtesalat“, dafür könnte er sterben, sagt er immer. Er griff sich einen Becher und begann darin zu löffeln und zu genießen.


28 Kurz darauf betraten die Herren Initiatoren den Raum. Eine Tafel wird herein getragen und ein sehr eleganter Gentleman begann mit seinem Vortrag. Pawel erfuhr nun, dass eine Clubgründung bevorsteht. Alle Anteilseigner werden sich in einem Club zusammenschließen. Pawel fühlte sich geehrt, in einem so vornehmen Club will er gerne Mitglied sein. Dass dies nicht ohne Papierkram ging, leuchtete jedem Geschäftsmann ein. So griff sich Pawel wie auch die Anderen eine Mappe mit Unterlagen, die er dann Stück für Stück unterschreiben sollte. Zeit zum lesen bestand leider nicht, das sollte man in Ruhe „Daheim“ machen, betonte der Redner und Geschäftsführer. Als Pawel nach zwei Stunden seinen Heimweg antrat, hatte er einen Grossteil seiner Mitbesitzer bereits kennengelernt. Alles sehr nette Leute, dachte er sich. Das wird eine nette Runde geben, wenn es mal soweit ist. Man sitzt gemeinsam auf der Terrasse, genießt den Blick auf das azurblaue Meer und könnte sich nicht besser fühlen. Der Sprecher meinte zum Abschluss der Veranstaltung, dass es nur noch zwei Monate sein werden, dann rücken die Baufahrzeuge an. Das hatte Pawel doch sehr beruhigt. Denn eines glaubt er zu wissen, wenn mal die Baufahrzeuge da sind, dann wird auch gebaut. Den Termin vermerkt er sich in seinem Terminkalender, damit er vor Ort sein kann. Dass muss er mit der Kamera festhalten. Auch andere Miteigentümer wird er dort treffen, es wird eine zünftige Party steigen, da ist er sich ganz sicher. Pawel hatte inzwischen bereits die zweite A-conto Zahlung geleistet und es lag bereits eine neue Aufforderung auf seinem Tisch. Bei Baubeginn, so las er hier, sind weitere hunderttausend fällig. Ja klar, dachte er. Ohne Moos nichts los, diesen Satz sagte er mit einem Schmunzeln. Hat er doch vor einer Woche von seiner Oma einen Erbvorschuss erhalten. Also, die Hundert, kann er eigentlich schon mal anweisen. Kein Problem. Wer pünktlich zahlt, wird auch pünktlich ernten! In seinen Unterlagen hat er die Überweisungsbelege nach Datum sortiert eingeordnet. Zweihundertfünfzigtausend sind schon mal geflossen, jetzt will er aber etwas sehen. In einer Woche ist Grundsteinlegung. Der Flug ist gebucht, der Koffer steht seit einer Woche im Gang bereit. Pawel ist so aufgeregt, dass ihm seine Freundin schon eine Beruhigungstablette auf den Tisch gelegt hatte. „Nimm sie, sonst machst du dir noch in die Hose!“


29 Pawel hatte das abgelehnt. Da muss er durch. Noch einen Chip für die Kamera und dann sollte es gleich losgehen. Auch diesmal hatte sich Pawel einen Mietwagen genommen, einen etwas größeren, sonst könnte es doch sein, dass die anderen Miteigentümer denken könnten, er kann es sich nicht leisten. Es ist eine Mercedes Limousine in dunklem Grau. Seine Freundin Irmi hatte ihn auch begleitet, dafür hatte sie sich extra Urlaub genommen. Beide hatten sich vorgenommen, die nächsten drei Tage an der Baustelle zu verbringen. Bei so einem Ereignis muss man einfach dabei sein. Schließlich werden hier die Grundsteine für die Zukunft gelegt. Um acht Uhr dreißig, auf die Minute exakt, tauchten am Firmament die Baufahrzeuge auf. Es ist ein Freitag mit strahlendem Wetter. Pawel wartet tatsächlich nicht alleine, mindestens die Hälfte aller Miteigentümer ist ebenfalls hier. Die meisten sitzen im Restaurant gegenüber der Baustelle und halten sich an einem Drink fest. Dann stieg die Spannung. Der erste Wagen mit einem Kran im Gefolge kommt um die Ecke. Durch den Lärm haben sich weitere Schaulustige eingefunden. Irmi begann die Fahrzeuge zu zählen, mittlerweile hat sie über dreißig Fahrzeuge in ihrem Kopf registriert. Dann kommt zum krönenden Abschluss unser Geschäftsführer in einer schwarzen Mercedes Limousine. Herr Heldenstein persönlich, dass hätte von ihm keiner erwartet. Mit großem Jubel wird er von seinen Miteigentümern bestürmt. Das letzte Fahrzeug ist gerade um die Ecke, da begannen sie bereits, das erste Fahrzeug zu entladen. Ein Steinhammer in gigantischer Größe wird abgeladen. Er wird die Grundstücke vorbereiten, damit der Bautrupp umgehend die Fundamente anlegen kann. Alle sind begeistert und der Cava fließt in Strömen. Soviel Umsatz hat der Restaurantbesitzer wohl noch zu keiner Zeit gehabt. Er telefoniert aufgeregt nach Personal. Er braucht mindestens drei Bedienungen und einen Ober. Schon am ersten Tag, waren für fast die Hälfte der kleinen Reihenhäuser die Fundamente fertig gestellt. Am Montag legen wir richtig los, verspricht Herr Heldenstein. Pawel und Irmi verabschiedeten sich erst gegen abend. Tatsächlich konnten sie noch an diesem Tag das Fundament, auf ihrem Grundstück mit einem Schampus einweihen. Irmi wollte nun das Wochenende nutzen um sich mit Mallorca anzufreunden. Sie war begeistert. Nur selten hatte sie so viele nette und freundliche Menschen kennengelernt.


30 Irmi hatte Pawel erst vor sechs Wochen in einer angesagten Disco getroffen. Pawel war ausgelassen und sie hatte sogar das Gefühl, er hat sich eine kleine Brise hinein gezogen. Er tanzte so wild, als wollte er an diesem Abend die ganze Disco aufmischen. Natürlich wusste keiner, dass er an diesem Tag seine Bestätigung für den Kauf seines kleinen Reihenhauses auf Mallorca feierte. Pawel sah Irmi an der Bar stehen und fiel ihr in die Arme. Schuld war sein Freund Bodo der ihm einen Schups gab, so dass er das Gleichgewicht verlor. Irmi fing ihn auf und blickte in seine großen braunen Augen. Sie schnappte nach Luft und einige Minuten später stellte sie fest, sie hatte sich in Pawel verliebt. Seit diesem Abend ist sie keinen Meter von seiner Seite gewichen. Auch Pawel war einfach hin und weg. Irmis Ausstrahlung, ihr langes blondes Haar, ihre blauen Augen, besser hätte er es zu keiner Zeit treffen können. Sie soll es sein und keine Andere versprach er ihr nach dem zweiten Tag. Als Irmi den Grund für seine Ausgelassenheit erfuhr, gab sie ihm einen langen Kuss und so traten sie ihre neue Zukunft auf Mallorca gemeinsam an. Wenn das Gebäude fertig gestellt ist, dann werden sie hier die Flitterwochen verbringen. Das versprachen sie sich gegenseitig. Auf dem Weg zum Flughafen, machten sie extra noch einen Umweg um einen allerletzten Blick auf die Anlage, die aus dem Boden gestampft wurde, zu werfen. Steinreihe für Steinreihe wuchsen die kleinen Reihenhäuser in die Höhe. Nun wussten sie auch, wo sie die nächsten Wochenenden verbringen würden. Irmi hatte sich einen Bauplan gesichert und begann schon mal in Gedanken mit dem Einrichten und dekorieren. Ein Gästezimmer, natürlich, dass richten sie für Irmis Mutter ein. Sie wird hier einen Platz für die Tage ihrer Pensionierung finden und so kann auch sie auf das Haus aufpassen. Pawel versuchte zwar noch Einspruch einzulegen, denn eigentlich hatte er sich das anders vorgestellt, aber er hielt sich mit seiner Meinung zurück. Es sollte doch ein Liebesnest werden und nicht eine Wohnung, wo vielleicht sogar noch die Schwiegermutter das Sagen hat. Mal sehen wie sich alles entwickelt. Pawel begann darüber nachzudenken, wie er das wohl steuern kann. Aber dann drängte er die bösen Gedanken zurück. Es wird sich schon eine Lösung finden lassen. Sie landeten gerade in Düsseldorf, da beschloss Pawel gleich am Flughafen ein Ticket für das nächste Wochenende zu buchen. Irmi konnte zwar nicht mitkommen, sie hatte das Wochenende bereits ihrer Freundin versprochen.


31 Sie wollten gemeinsam an einer Regatter teilnehmen, mit dem Drachen von Sieglindes Eltern. Den Damenpreis hatten sie sich auserkoren. Vielleicht klappt es ja sogar. Als Irmi Pawel davon erzählt, hörte er nur mit einem halben Ohr hin, seine Gedanken waren auf der Baustelle. Wie wird die Treppe aussehen? Gefliest oder mit Marmor belegt? Ach ja, die Waschbecken, da wollten die Herren bald Bescheid wissen, für welches Model er sich entschieden hat. „Auf keinen Fall das Standard Model!“, meinte Irmi, als sie das Muster sah. Es musste schon ein bisschen was hermachen, so ihre Feststellung. Pawel zählte die Tage, die Stunden, bis er endlich wieder am Flugplatz in Palma landet. Seine Spannung war ihm anzusehen. Nervös nestelte er an seinem Hemd herum. Aber dann endlich. Diesmal mietete er wieder einen kleinen Fiat Punto. Er weiß, er muss sparsam sein. Die vielen Sonderwünsche, die ihm Irmi auferlegt hatte, die wollen finanziert sein. Pawel fuhr direkt auf die Baustelle. Sein Herz konnte höher nicht schlagen, so begeistert war er. Die Arbeiten gingen wohl rund um die Uhr. Er stellte fest, dass die Baufirma bestens ausgestattet war. Jeder Griff saß. Natürlich führte ihn sein Weg direkt zu seinem Häuschen. Er musste sich vor Begeisterung zur Ruhe zwingen. Sie waren gerade dabei das Dach fertig zu stellen. Pawel betritt sein Haus und bekommt gleich einen Rüffler. Einer der Handwerker reichte ihm einen Plastikhelm. So erfuhr er, dass man eine Baustelle niemals ohne einen Schutzhelm betritt. Sein kleiner Balkon überwältigte ihn. Der Blick auf das Meer gerichtet, sofort kommen ihm Gedanken, ob er hier nicht für ständig herziehen soll. Seinen Beruf könnte er auch von hier ausüben. Schließlich geht ja sowieso alles über das Internet. Er schoss etliche Fotos und versperrte einem Handwerker den Weg. Als der Installateur erfuhr, dass es sein Haus ist, gratulierte er ihm. So erfuhr Pawel, dass in zwei Monaten bereits die ersten Besitzer einziehen können. Natürlich wird die Baustelle noch nicht ganz fertig sein, aber einziehen, kein Problem.


32 Pawel verbrachte fast das ganze Wochenende auf der Baustelle. Dann leider musste er zurück. Sein Chef hatte nach ihm gefragt. Eigentlich wollte er ganz stillheimlich einen Tag dranhängen. Einfach da sein, wenn es vielleicht eine Frage gibt. Aber dann buchte er noch in Palma am Flughafen einen Flug für sich und Irmi für das folgende Wochenende. Er wird Irmi nichts erzählen, es soll eine Überraschung sein. Sie wird Augen machen, da war sich Pawel sicher. Gleich nach seiner Ankunft erfährt er, dass Irmi mit ihrer Freundin tatsächlich den Damenpreis gewonnen haben. Vor lauter Begeisterung darüber vergaß Irma nach dem Fortschritt am Bau zu fragen. Pawel hielt sich aber bewusst zurück, er wird sie überraschen, da war er sich ganz sicher. Als Irmi vom Flug am kommenden Wochenende hörte, begann sie damit Unterlagen für das neue Domizil zu sammeln. Prospekte die für die Einrichtung bestimmt waren. Die Tage zogen sich wie Kaugummi an den Schuhen. Dann aber endlich, war es Freitag, leider ging der Flug geht erst um zehn Uhr nachts. Wie schade, dachte Pawel, dann macht es keinen Sinn mehr noch auf die Baustelle zu fahren. Also gleich Samstag früh, sofort nach dem Frühstück im Hotel. Sie saßen im Flieger. Irmi blätterte gerade in Unterlagen für die neue Küche. Pawel sah seine Post durch. Er trägt sie seit dem Morgen in seiner Jackentasche spazieren. „Ach, sieh mal Irmi da ist eine Mahnung von der Baustelle. Ich hab wohl vergessen die letzten hunderttausend zu überweisen. Erinnere mich bitte, dass ich es gleich am Monatag morgen erledige!“ Irmi und Pawel wohnen im Saratoga Hotel in Palmas Zentrum. Sie unternehmen noch einen kleinen Abendspaziergang und freuen sich schon auf den kommenden Morgen. Mit ihrem angemieteten kleinen Fiat kurven sie gerade auf den öffentlichen Parkplatz von Es Trenc. Pawel stellt den Motor ab und greift nach einem Schal von Irmi. „Was hast du vor?“, fragt Irmi. „Du willst mich doch nicht mit verbundenen Augen auf die Baustelle führen, was glaubst du denn, was die Arbeiter dazu sagen?“ „Nichts werden sie sagen, Spanier haben Humor und sie werden über uns lachen!“ So führte Pawel seine Irmi mit verbundenen Augen mit Zielrichtung Baustelle. Etwas verwundert ist Pawel schon, bei seinem letzten Besuch konnte er von hier aus bereits die Baumaschinen hören, aber jetzt herrscht hier absolute Stille. Vielleicht ist heute ein Feiertag, überlegte er. Irmi findet mittlerweile dieses Spiel recht aufregend. Sie bittet Pawel ein kleines Stück ohne seine Hilfe laufen zu dürfen.


33 So stolperte sie mehr, als dass sie schreitet. Sie kamen um die Ecke und stehen vor der Baustelle. Tatsächlich ist kein einziger Bauarbeiter zu sehen. In einer Ecke beobachtet Pawel, wie eine Baumaschine aufgeladen wird. „Seltsam“, mehr kann Pawel nicht dazu sagen. Irmi steht immer noch mit verbunden Augen neben ihm. „Darf ich jetzt endlich sehen?“, fragt sie ihn. „Ja, mach nur, hier stimmt etwas nicht“, das fühlte Pawel. Irmi war begeistert von dem was sie jetzt sehen durfte. Nach ihrer Meinung fehlen nur noch die Fensterstöcke und die Türen, dann kommen auch schon die Möbel, so glaubt sie zumindest. Irmi hat ihr Tuch locker um den Hals geschlungen, überlegte gerade, ob sie das Spiel nicht fortsetzen sollte, aber sie spürte, Pawel ist zum spielen die Lust vergangen. Erst jetzt liest sie die Botschaften, die mit einer Sprayflasche an den Häusern angebracht ist. „mierda alemánes, alemánes fuera!“ Das ist klar und deutlich kein Zweifel, aber was ist passiert? Pawel geht zu seinem Restaurantbesitzer mit welchem er inzwischen befreundet ist und hofft auf eine Erklärung. Die Erklärung erhält er umgehend. „Alles Illegal!“ Als Pawel mit Irmi den Heimweg antrat, muss er trotzdem lächeln. Die letzte fällige Zahlung hatte er noch auf dem Konto! Gott sei Dank, wenigsten das Geld von seiner Omi ist gerettet!

Auf die Frage von Bettina, was jetzt eigentlich mit der Anlage passiert sei, erzählt Pawel, dass alle Prozesse gegen die Gemeinde gewonnen seien, der Fall liege derzeit beim Gericht in Strassburg. Nach außen hin wurde behauptet, der Bauträger hätte die Unterlagen gefälscht, aber die Wahrheit kam schnell ans Licht. Der Bürgermeister der Gemeinde wollte einfach nur abkassieren. Gegen den Bürgermeister laufe ein Ermittlungsverfahren, dass mit Sicherheit im „Nichts“ enden wird. Der Streitwert liegt bei dreißig Millionen, das erfährt Pawel noch von seinem Bauträger. Aber Pawel erzählt weiter, der Restaurantbesitzer hatte Mitleid mit ihm und bot ihm eine kleine sofort beziehbare Wohnung an. Er hat sie eigentlich für seine Tochter gekauft, aber jetzt wo sein bester Freund so gestraft ist, muss er helfen. Pawel erwirbt das kleine Appartement, und verbringt dort seit einigen Jahren die Ferien mit Irmi. Leider ist es zu klein um die Schwiegermutter mit unterzubringen.


34 Vielleicht gar nicht so schlecht dachte Pawel. Ach ja, sie haben geheiratet und die Flitterwochen in Sa Rapita verbracht. Das Apartment hat zwar nur zwei Zimmer, aber einen traumhaften Blick auf das azurblaue Meer und die Bucht von Es Trenc. Pawel betont, dass er natürlich immer noch hofft wenigsten einen Teil seines eingesetzten Geldes zurück zubekommen, „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“, meint er lächelnd. Dabei hält er Irmi fest in seinen Armen.

Die Rotweinflasche macht erneut die Runde. Wir stoßen auf die lieben Mallorquiner an. Pawel ruft ein dreifaches Hoch aus. Nun möchte aber gerne Britta ihre Geschichte zum Besten geben. Britta arbeitet bei einer Immobilienfirma in Puerto Andraitx. Sie verdient gut, da es eines der bevorzugten Gebiete ist. Britta hat vor einem Jahr einen Kunden beraten, der eine Wohnung vom Plan weg erwarb. Eine Computeranimation zeigte das Objekt der Begierde. Die Kundin erzählt, dass sie mit ihrem Mann nach einem Domizil schaut, wo sie später mal „Alt“ werden können. Noch ist es etliche Jahre hin, die sie beruflich tätig sein müssen, aber der Zeitpunkt rückt unaufhaltsam näher. So wollen sie sich darauf vorbereiten. Brittas Geschichte ist eigentlich schnell erzählt. Das Ehepaar schloss einen Optionsvertrag und beobachtete nun monatlich mit Begeisterung den Baufortschritt. Die Aufregung steigert sich mit jedem Stockwerk welches den Bau wachsen lässt. Es ist das vierte, das „Oberste“ welches die Kunden sich ausgesucht und erworben haben. Wunderschön mit Dachterrasse und herrlichen Blick zum Hafen von Puerto Andraitx. Zwischenzeitlich wurden sie auch kräftig zur Kasse gebeten. Aber man weiß ja, dieses Ehepaar kann es sich leisten. Im fertigen Zustand soll es mal Eineinhalbmillionen kosten, ohne die Extras und Sonderwünsche. Die werden natürlich zusätzlich berechnet, wie es in der Baubeschreibung heißt. Kein Papenstiel, aber wie gesagt, da gibt es kein finanzielles Problem. Eine Dachterrassenwohnung kostet immer etwas mehr, sie ist schließlich das Bonbon des Anwesens, darüber war sich das Ehepaar im Klaren. Der Zeitpunkt der Fertigstellung rückte unaufhaltsam näher. Eine Liste mit Sonderbestellungen wurde verschickt und besprochen. So kommen locker nochmals dreihunderttausend Euro hinzu.


35 Die noble Ausstattung muss sein, ist selbstverständlich. Schließlich ist es ein luxuriöses Objekt. Auch die Bäder wurden wunderschön ausgestattet. Die Dachterrasse bekommt einen edlen Spezialbelag, nichts kommt aus dem Baumarktregal. Alles wird extra eingeflogen. Extras, die sich sehen lassen können. Noch eine Woche bis zur Bauabnahme und dann soll auch schon die Übergabe der Wohnungen an die Besitzer erfolgen. Schon drei Tage zuvor erfolgt die Anreise. Die Kunden sind aufgeregt und streifen noch am Vorabend um das Objekt der Begierde. Dann erfahren sie, dass der Notartermin abgesagt wurde. Irgendein Papier würde noch fehlen. „Ach, die Bewohnbarkeitsbescheinigung!“ Diese Bescheinigung ist leider nie eingetroffen. Es ist ein illegaler Schwarzbau gewesen. Das oberste Stockwerk wurde zu keiner Zeit genehmigt, hieß es später. Der Immobilienhändler soll zusammen mit dem Architekten und dem Bürgermeister ein Spiel gespielt haben. Keiner dachte daran, dass ein Beamter der Gemeinde auf die Idee kommt die Stockwerke nachzuzählen. „Können die überhaupt zählen?“, fragt sich der Ehemann des geprellten Paares. Der enttäuschte und verärgerte Kunde besucht die Agentur, verlangt Schadenersatz und droht mit einer Klage. Erst jetzt erfährt die Agentur, dass es sich um eine wichtige Persönlichkeit aus Deutschland handelt. So versuchten sie den Ärger niedrig zu halten. Schon nach sechs Monaten stand fest, das enttäuschte Ehepaar erhält sein Geld zurück, auch die Kosten für die Sonderausstattung. Sie erhalten ein Angebot, was sie nicht ausschlagen können. So wurden sie schlussendlich doch noch Besitzer einer Wohnimmobilie auf Mallorca und so konnten sie ihre sorgsam ausgesuchten Einrichtungsgegenstände endlich positionieren. Britta gibt noch zu bedenken: „Wäre der Ehemann nicht so bekannt gewesen, wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre?“

Inzwischen treffen neue Gäste ein. Aus dem Weinregal wird eine neue Flasche geholt und auch gleich entkorkt. Dietmar und Veronika sind angekommen. Dietmar ist Galerist, nein er war Galerist, jetzt genießt er seine ruhigen Tage. Heute früh waren sie schon auf dem Markt von Santa Maria und Consell. Hier stöbert er in den alten Dingen, natürlich erhofft er sich, immer irgendwelche alten und besonderen wertvollen Gegenstände zu finden.


36 Heute schleppt Veronika eine große Tasche mit eingekauften „Antiquitäten“ mit sich. Veronika sollte eigentlich nicht schwer tragen, hat sie doch vor nicht all zu langer Zeit eine neue Hüfte bekommen, oder war es der Ellenbogen. Dietmar trägt nichts, er ist der Grande, die Verantwortung trägt Veronika. Dietmars Antlitz läuft zur Hochform auf, als er die vielen jungen Damen in unserer Runde wahrnimmt. Er wirft mit Komplimenten nur so um sich. Beginnt die Damen mit einem Kuss zu begrüßen. Veronika steht hinter ihm und versucht die schwere Tasche irgendwo zu platzieren. Dietmar greift in die Tasche und zeigt nun seinen Fund vom heutigen Vormittag. Zuerst bekommen wir eine gelbe Vase zu sehen. Dietmar erklärt, dass sie aus den frühen Fünfzigern stammen muss und bestimmt einiges an Wert darstellt. Volker sieht über seine Schulter und meint: „Da sollte sie aber nicht einen so großen Sprung haben!“ Mehr sagt er nicht. Dietmar ist am Boden zerstört, hat er doch den langen Sprung übersehen. Volker fragt dann noch nach dem Betrag den Dietmar dafür hingelegt hat. „Zwei Euro“, kommt es kurz, er hat doch geglaubt ein Schnäppchen gemacht zu haben. Deutlich kann man den enttäuschten Unterton hören. Die übrigen Schätze will er nun doch nicht mehr zeigen. Wer weiß was sie noch an Antiquitäten ergattert haben. Es ist wohl besser wenn sie sich zu unserer Gruppe setzen, mit einem Glas Rotwein in der Hand.

Jetzt meldet sich Rita zu Wort und will von ihrem Erlebnis erzählen. Sie holt weit aus und so erfahren wir eigentlich zwei Geschichten. Sie beginnt mit: „Kennt ihr den Fall einer mallorquinischen Baufirma?“ Alle schütteln verneinend den Kopf. Rita ist Gerichtsdolmetscherin, kennt also die Dinge aus erster Hand. „Vor einem guten Jahr“, so beginnt sie ihren Bericht. Gab es einen schrecklichen Unfall in der Promigegend an der Costa den Blanes. Zwei Jugendliche mit ihren Freundinnen tobten in dem Schwimmbad und der dazugehörigen Terrasse. Die Eltern waren gerade einkaufen, so machte das Toben noch mehr Spaß. Bis plötzlich einer der Beiden an eine frisch errichtete Stützmauer stieß. Durch diesen Stoß kam es zu einer Erschütterung der Mauer, welche wiederum dazu führte, dass die Mauer samt dem Jugendlichen in die Tiefe stürzte. Der junge Mann überlebte den Sturz nicht.


37 Es kam zum Prozess. Zuerst versuchte sich die Baufirma damit zu verteidigen, dass sie meinte: „Diese Mauer war nicht dafür vorgesehen, dass man sich daran abstützen kann!“ Schnell musste der Chef der Baufirma erkennen, dass er mit diesem Argument wohl nicht punkten konnte. So argumentierte er anders. Er betonte, dass er von dieser Mauer gar nichts wusste. Er hätte zu keiner Zeit einen Auftrag in diese Richtung übernommen. Das war sicher ein Angestellter seiner Firma, der in seiner Freizeit diese Mauer errichtet hatte. Bei der Zeugenbefragung bestätigten aber gleich mehrere Personen, dass ein kleiner Lastwagen der Baufirma immer vor der Baustelle parkte. Es wurde eine Vertagung der Verhandlung erreicht. Nun hatte man genug Zeit gegen einen ordentlichen Betrag einen Südamerikanischen Bauarbeiter zu einer passenden Aussage zu überreden. Tatsächlich gab es einen Mitarbeiter der sich zu einer entsprechenden Aussage überreden ließ. Er wollte ohnehin gerne zurück zu seiner Familie nach Chile. So ließ er sich die Reise versüßen und nahm das Geld, welches ihm für eine entsprechende Aussage angeboten wurde. Natürlich hat sich die Angelegenheit für die Baufirma zum Guten gewendet. Die Argumentation des Anklägers, dass er doch Verantwortung für seine Mitarbeiter hätte, wurde von der Verteidigung vom Tisch gewischt. Rita hätte da noch eine weitere Geschichte, aber diese würde sie sich gerne für den nächsten Jourfix zurückhalten. Wir prosten uns zu und Dietmar berichtet nun, wie weit er mit seinem Thema „Runge“ ist. Seit etlichen Jahren versucht er ein Bild von Runge zu legalisieren. Runge hatte seinerzeit vergessen das Bild zu signieren. „Wie blöd!“, argumentiert Britta und fragt nach dem Wert des Bildes. So erfährt sie, dass alleine die Restaurierung schon über fünfzigtausend verschlungen hat. Die vielen Reisen zu den weit verstreuten Familienangehörigen, gehen natürlich auch ganz schön ins Geld, so meint Veronika. Dietmar verteidigt sein Tun mit den Worten, dass es ja immerhin einen Wert von einer halben Million darstellt. Wir erfahren aber noch, dass es momentan kaum ein Museum schafft einen solchen Gegenwert aufzutreiben. Die Museen sind alle knapp bei Kasse, erklärt uns Dietmar.


38 Wir trinken auf das Bild und versprechen alle, Dietmar die Daumen zu drücken, dass er eine Person aus der Familie Runge findet, die ihm die erhoffte Bescheinigung erteilt. Die Runde wünscht den beiden viel Glück bei ihrem Vorhaben! Da kommt dann noch ein Tipp von Wolfgang, „Wenn du einen Fälscher für die Unterschrift benötigst, da weiß ich vielleicht einen? Mit Unterschriften sind sie hier nicht so genau auf der Insel!“ Rita sitzt mit Marcel in einer gemütlichen Ecke, sie sind damit beschäftigt Erfahrungen auszutauschen. Marcel ist wie Rita ebenfalls Gerichtsdolmetscher. Er hat sich für die Sprachen Deutsch und Französisch ausbilden und eintragen lassen. Ich höre nur den Namen Martinez fallen und bitte sie beide uns doch alle an dieser Geschichte teilhaben zu lassen. „Die möchten wir doch alle hören, Martinez ist immer für eine aufregende Geschichte gut“, meint Gerd. Marcel beginnt und meint, „Dann hört mal zu. Es ist eine ganz abgefahrene Sache. Ich habe sie von Anfang an als Dolmetscher begleitet.“ Die Angelegenheit begann im Jahr 2002, meint er, ist also schon fast zehn Jahre am laufen. Damals noch, war ich ganz frisch auf Mallorca und wurde zu einem Vergleichsgespräch gebeten. Das hat seinerzeit noch meine Anwaltskanzlei vermittelt. Erst ein Jahr später kam ich zu Gericht und erhielt dort meine Zulassung als offizieller Übersetzer. Martinez verlangte von einem Kunden einen Betrag von etwa vierzigtausend Euro. Er war sich selbst nicht ganz sicher, wieviel er verlangen sollte. Das Problem, welches sich auftat, war, dass er einige Rechnungen nicht offiziell anmelden wollte. So gab es Rechnungen mit der gleichen Nummer in verschiedenen Höhen. Mal stand auf der Rechnung eine Forderung von 42.000.- dann gab es unter der gleichen Nummer eine Rechnung mit einem Betrag von nur 12.000.-. Zu erklären war dies mit dem Umstand, dass er in diesem speziellen Fall einen Betrag von 30.000.- unter den Tisch fallen ließ, also schwarz kassierte. Mein Klient Herr Haine, weigerte sich zu zahlen, da er nach seiner Aufstellung alle Rechnungen ordnungsgemäß bezahlt hat. Martinez bestand aber auf dieser Summe. Zu einer Einigung war er nicht bereit. Es vergingen einige Jahre, genau gesagt tat sich bis zum Jahr 2009 nichts. Dann flatterte Herrn Haine eine Strafanzeige ins Haus. Der angegebene Grund war „Unterschlagung“.


39 Herr Martinez stellt nun die Sache so dar, dass Herr Haine im Auftrag eines Kunden gehandelt hat. Der Kunde behauptete, alles abgerechnet zu haben, was er seinerzeit in Auftrag gegeben hat. Herr Haine war sein damaliger Bauleiter und reichte die Bezahlung an Martinez weiter, Gott sei Dank immer gegen Quittung. Dies zur Vorgeschichte. Haine wandte sich mit der Klage an die Kanzlei Carada, an Pedro Carada. Herr Haine hatte schon mal Kontakt zu dieser Kanzlei. Damals vertraten sie einen Gegner von Haine. Da sie dies recht ordentlich machten, entschloss sich Haine diese Kanzlei mit der Anklage aufzusuchen. Pedro bekam die Gerichtsunterlagen zur Einsicht und nahm sich einen jungen Kollegen als Unterstützung. Natürlich wurde umgehend Einspruch eingelegt, so dass es zur ersten Vorverhandlung nach einer Wartezeit von neun Monaten kam. Zu dieser Vorverhandlung kam Pedro nicht persönlich, nur sein junger unerfahrener Kollege trat auf. Er stellt sich ruhig neben seinen Mandanten Haine. Ich war als Übersetzer tätig. Die Befragung fand vor einer jungen Dame statt, die nur die Fragen und Antworten aufnahm, aber sonst nichts sagte. Fragen an die Gegenpartei stellte der junge Anwalt nicht. Der Klägeranwalt hingegen versuchte sein Feld schon mal zu sondieren. Er war und ist erfahren und befragt die Zeugen so, dass sie völlig verwirrt sind und tatsächlich teilweise unklare Aussagen machen. Nach einem weiteren Jahr des Wartens kommt es zur Hauptverhandlung. Inzwischen haben wir das Jahr 2011. Also fast zehn Jahre nach dem tatsächlichen Hergang. Es wird berichtet, dass die Richterin sich verspäten wird. Also warten die Zeugen und der Beklagte im Innenhof des Gerichtsgebäudes. Auch der Ankläger und der Anwalt von Haine waren schon vor Ort. Die Herren Anwälte sind anscheinend mit den Herren der Gegenpartei gut bekannt um nicht zu sagen „befreundet“. Sie stehen zusammen und erzählen sich Geschichten und klopfen sich auf die Schulter während sie herzlich lachen. Dann tritt die Staatsanwältin hinzu. Sie wird der Reihe nach abgeküsst und in den Arm genommen. So wie es aussieht sind sie alle miteinander befreundet. Die Glocke läutet, die Verhandlung soll beginnen. Am Eingang des Saales steht der beisitzende Richter. Auch er scheint ein enger Freund des Anklägers, der Staatsanwältin und der Anwälte der Verteidigung zu sein.


40 Die Richterin betritt genervt den Gerichtssaal. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie diese Angelegenheit lieber an ein anderes Gericht weitergeben will, da es ihrer Meinung nach keine Strafsache ist, sonder eine Angelegenheit für die Richter im Zivilgericht. Sie will gerade damit beginnen, die Angelegenheit abzulehnen, da unterbricht sie der beisitzende Richter, gemeinsam mit der Staatsanwältin erklären beide, dass sie darauf bestehen, dass die Angelegenheit hier am Gericht geklärt wird. Unwillig beginnt die Richterin mit der Befragung. Immer wieder unterbricht sie, mit der Bemerkung, dass diese Sache nichts auf ihrem Tisch zu tun hat. Die Staatsanwältin und der anklagende Rechtsanwalt halten teilweise „Händchen“. Zusammen spielten sie den Fall hoch. Geben sich gegenseitig die Argumente in die Hand. Der beisitzende Richter blinzelt der Staatsanwältin zu und der Ankläger flüstert mit ihr ohne Unterlass. Dann wird Herr Haine befragt. Er hat zwei Aktenordner dabei, die belegen, dass er alles ordentlich abgerechnet hat. Da er keinen Tisch zur Ablage hat, muss er sich zu Boden knien um in den Akten zu blättern. Die Herren und die Staatsanwältin beginnen sich darüber lustig zu machen. Die Richterin bittet ihn diese Art zu Arbeiten, zu unterlassen. So hantiert der Angeklagte mit den beiden Ordnern im Stehen. Wie ein Jongleur ist er gezwungen mit den Aktenordnern zu hantieren. Die Argumente die er vorzulegen versucht werden nicht beachtet. Die Richterin meint wörtlich. „Das interessiert mich nicht!“ Von Seiten seines Verteidigers musste er nun erkennen, dass er keinerlei Unterstützung erhält. Sein Verteidiger scheint abwesend und uninteressiert zu sein. Die Richterin meinte, dass sie sich das nicht antun müsste und bat um das Schlusswort der Parteien. Die Verteidigung verlas ein Papier, das sie wohl schon in der Kanzlei vorbereitet hatten. Es war so stümperhaft abgefasst, dass die Kläger darüber zu lachen begannen. Der Angeklagte erhielt das Schlusswort. Herr Haine erklärte, dass er keine Schulden an Martinez hatte, daher auch nicht wegen Unterschlagung belangt werden könnte. Die Richterin ließ ihn nicht mal seinen Satz zu Ende sprechen und erklärte den Fall für beendet, ein Urteil würde in den nächsten Monaten zugestellt. Im Herbst 2011 wird das Urteil zugestellt. „Schuldig“. Das Urteil fällte nicht die zuständige Richterin, sondern der beisitzende Richter. Na gut, das war ja zu erwarten, erklärt uns Marcel. Es blieb ja noch als letzte Instanz Madrid, so der Trost für den Angeklagten.


41 Haine suchte sich eine neue Kanzlei. Eine Anwältin übernahm den Fall und stellte fest, dass die erste Kanzlei eigentlich nichts zur Verteidigung vorgetragen hatte. Sie hat ihren Mandanten einfach ins offene Messer laufen lassen. So wie es aussieht, war es eine Retourkutsche für den damals verlorenen Prozess den die Kanzlei gegen Haine führte. „Das war keine Verteidigung, das war ein Schuldeingeständnis“, so urteilt die neue Anwältin. Sie setzt umgehend eine Revisionsklage auf. Diese ging nach Madrid und dann wird die Sache sicher anders aussehen, so ihre Meinung. Vorher kassiert sie aber einen erheblichen Betrag ab. Zwischenzeitlich kommt Spanien finanziell leider in eine Schieflage. Es heißt die Banken haben sich verzogt. Madrid gibt die Anweisung zu sparen und zu kassieren wo immer es geht. Verständlich! Es baut sich Hass gegen Deutschland auf. Die Politik der Bundesrepublik gefällt den Spaniern nicht. Im Sommer 2012 erhielt die Anwältin die Ablehnung der Revision. Entschieden hatten drei von fünf Richtern, dass Haine zahlen soll. Zwei des Fünferteams verlangten ein Protokoll, dass sie mit dem Urteil ihrer Kollegen nicht einverstanden sind. Die Klage und das Urteil von Palma de Mallorca soll nach ihrer Meinung revidiert werden. Deutlich drücken sie ihr Missfallen in diesem Fall aus und geben diesen Umstand in einem Protokoll wieder. Die Anwältin glaubt immer noch an das Gute, sie reicht nun eine Beschwerde gegen dieses Revisionsurteil ein. Aber das kann dauern… Marcel erzählt, dass nach der neuen Linie, die von der Regierung in Deutschland festgelegt wurde, keine Chance mehr auf wirkliche Gerechtigkeit besteht. Die Ausländer sollen zahlen. Das bringt Geld in die leeren Kassen von Spaniens Finanzminister! Schon will er von einem neuen Fall Martinez erzählen, aber den wird er sich für einen anderen Jourfix aufheben. Dieser Tag ging viel zu schnell vorbei, mit so vielen heiteren und dramatischen Geschichten. Ein letztes Glas zum Abschied, nur Rainer harrt in seiner entspannten Stellung, mit der Pfeife in der Hand aus. Mit einem Auge sieht er zu den Freunden die sich gerade verabschieden und meint…“Passt schon!“


42 Wie gut, dass schon wieder vierzehn Tage vergangen sind. Diesmal treffen wir uns zum Jourfix bei Henriette‌.


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