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Die vertriebene rechte Intelligenz

Kulturelle Hegemonie von rechts? War einmal. Gesellscha licher Wandel bewirkt das Aus – oder führt in den Widerstand.

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VON NIKLAS E. HARTMANN

Deutschland im Wandel: vom freiheitlichpluralistischen Rechtsstaat zu einem „fortschri lich-antifaschistischen“ Ideologiestaat.

it der Einstufung des Institutes für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda als „erwiesene extremistische Bestrebung“ im sachsen-anhaltischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 hat die geistig-politische Auseinandersetzung mit der rechten Intelligenz in Deutschland eine neue Stufe der Stigmatisierung erreicht. Zuvor war das Institut bereits durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „Verdachtsfall“ geführt worden. Damit darf das IfS mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden, die Behörden können VLeute einsetzen oder die Kommunikation auswerten. Erik Lehnert, Wissenscha licher Leiter des Institutes für Staatspolitik, mutmaßte in einem Interview mit der „Tagesstimme“, dass es sich hier um eine „konzertierte Aktion gegen die ,Neue Rechte‘“ handele, „zu der omas Haldenwang, der Präsident des BfV, im letzten Jahr den Startschuss gegeben“ habe. „Er konnte dabei allerdings auf die Arbeit seines Vorgängers“ – Hans-Georg Maaßen – „aufbauen, der für die Beobachtung der Identitären Bewegung gesorgt hatte.“ Ziel sei es, „Kritiker mundtot zu machen“. Wenn Lehnert im Weiteren den Verdacht äußert, daß die Einstufung des IfS als „extremistische Bestrebung“ auch deshalb erfolgt sei, weil die „Landesämter [für Verfassungsschutz] o ensichtlich Munition für das Großvorhaben ,Beobachtungsfall AfD‘ liefern“ müssten, dür e er nicht ganz falsch liegen.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Austreibung und Ausgrenzung der rechten Intelligenz aus dem ö entlichen Diskurs mit immer restriktiveren Mitteln betrieben wird. Mitte Juni dieses Jahres hatte Haldenwang bei der Vorstellung des Bundesverfassungsschutzberichtes in Berlin für eine unmissverständliche Einordnung gesorgt, als er die Neue Rechte als „geistige Brandsti er“ der „rechtsextremen Szene“ und als „Superspreader von Hass, Radikalisierung und Gewalt“ bezeichnete. Der BfV-Präsident nannte in diesem Zusammenhang unter anderem die „Identitäre Bewegung Deutschland“, das „Compact“-Magazin, den Verein „Ein Prozent“ und das IfS. Die „Neue“ oder intellektuelle Rechte wird damit in die Rolle eines hostis humani generis gedrängt, dessen Bekämpfung oberste P icht des Staatsbürgers ist.

Der bereits im Dezember 2000 im „DeutschlandMagazin“ von dem Politikwissenscha ler Klaus Hornung getro enen Feststellung, „wir“ erlebten „in diesen Monaten einen tiefgreifenden ‚stillen‘ Verfassungswandel vom freiheitlich-pluralistischen Rechtsstaat des Grundgesetzes von 1949 zu einem ‚fortschrittlich-antifaschistischen‘ Ideologiestaat“, kommt damit eine neue analytische Qualität zu.

Dieser Wandel hat seine Wurzeln unter anderem in der „Kulturrevolution von 1968“, die Deutschland nachhaltig verändert hat. So wies der 2008 verstorbene Sozialphilosoph Günter Rohrmoser in seinem Buch

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„Der Ernstfall“ (Berlin 1994) darauf hin, dass die „Diskussion um die multikulturelle Gesellscha und die Selbstau ösung der Deutschen als Nation“ „nur eines der Spätprodukte dieser Kulturrevolution“ sei. Diese gehe „aber in ihren Auswirkungen viel weiter“. Die „etablierte liberalkonservative Kultur“ im Ganzen sei „durch diese im Kern anarchistisch-nihilistische Kulturrevolution einem Prozess der Veränderung, ja, der Au ösung ausgesetzt worden“. Klassische konservative Werte stehen seither mehr oder weniger in dem Ruch, „präfaschistisch“ zu sein; sie sollen durch den „Faschismus“ – gemeint ist der Nationalsozialismus – kompromittiert sein. „Die politischen Siege der Linken in Deutschland“, so konstatierte Rohrmoser, „wären ohne diese Gleichsetzung von konservativ mit faschistisch oder präfaschistisch nicht möglich gewesen.“

Der Aufstand der Anständigen mutiert zur Dauerveranstaltung

Die Dynamik des von Hornung angesprochenen „Verfassungswandels“ hat unterdessen erheblich an Fahrt gewonnen. Hinzu kommt die Perpetuierung des „Aufstandes der Anständigen“, den der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Oktober 2000 ausrief. Er hat sich in Form aller möglichen „zivilgesellscha lichen“ Organisationen und Antifainitiativen

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Neben der Gewalt der Straße die Gewalt der Gedanken: Der Verfassungsschutz ist auch ein Instrument der herrschenden Politik – hier BfVPräsident Thomas Haldenwang mit Innenminister Horst Seehofer.

Verfassungsschutz

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Tradition, gelagert in Museen: Artefakte aus Kaiserreich und Erstem Weltkrieg wirken wie aus einer anderen Welt.

zu einer Dauerveranstaltung gegen rechts entwickelt. Diese droht nun – kommt es in Berlin zu einer „Ampelkoalition“ – weiter verschär zu werden. Das Gesetz zur Stärkung und Förderung der wehrha en Demokratie, das in der abgelaufenen Legislaturperiode nur deshalb nicht verabschiedet wurde, weil die Unionsfraktion darauf bestand, dass Fördermittel nur derjenige erhalten könne, der sich schri lich zur Demokratie bekenne, soll nach dem Willen der Sozialdemokraten „gleich nach der Bundestagswahl mit neuen Mehrheiten“ auf den Weg gebracht werden, wie die „tagesschau“ auf ihren Netzseiten berichtete. In Unionskreisen ging die Befürchtung um, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch linksextreme Organisationen von dem staatlichen Geldregen gegen rechts pro tieren könnten. Eine Befürchtung, die die SPD in keiner Weise nachvollziehen konnte. So beklagte die damalige Familienministerin Franziska Gi ey (SPD), die „Leidtragenden“ der Unions-„Dauerblockade“ des Gesetzes seien „die vielen Engagierten in ganz Deutschland, die sich Tag für Tag für unsere Demokratie und gegen jede Form von Extremismus“ einsetzten.

Ziel des Gesetzes sei laut einer Pressemitteilung des Bundesfamilien- und Bundesbauministeriums von Mitte Mai 2021 „insbesondere die Scha ung eines gesetzlichen Au rags des Bundes zur Erhaltung und Stärkung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und des zivilgesellscha lichen Engagements für Demokratie, für Vielfalt und gegen alle Erscheinungsformen des Extremismus“. Das Gesetz ist Teil eines 89-PunktePlans gegen Rechtsextremismus und Rassismus, den das Bundeskabinett im Dezember 2020 vorgelegt hat. Bis 2024 soll hierfür eine Summe von einer Milliarde Euro bereitgestellt werden. Damit steht die Gefahr eines „latent autoritären Gesinnungsstaates“ im Raum, den Christiane Hubo in ihrer Doktorarbeit „Verfassungsschutz des Staates durch geistig-politische Auseinandersetzung“ (Göttingen 1998) bereits Ende der 1990er-Jahren als Gefahr markierte. Hubo stellte damals fest, dass es dem demokratischen Verfassungsstaat gerade nicht obliege, „neue Denkverbote zu errichten und, verstärkt durch die Mechanismen der political correctness, geistig-politische Auseinandersetzung zugunsten interessegeleiteter Politikvisionen diskursethisch zur Ausgrenzung einzusetzen“. Die Entwicklung scheint aber, unter dem Deckmantel der Beschwörung der streitbaren oder wehrha en Demokratie, beim Kampf gegen die rechte Intelligenz in diese Richtung zu gehen. Der „Neuen Rechten“ wird (immer wieder) vorgeworfen, dass sie sich auf die Protagonisten der „Konservativen Revolution“ berufe, die mittlerweile eine Art Chi re für „antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik“ (so der Politologe Kurt Sontheimer) geworden ist. Entsprechend ablehnend hätten sie den Werten der Aufklärung, Menschenrechten, Pluralismus oder Gleichwertigkeit gegenübergestanden. Diese „Konservativen Revolutionäre“ – wie Carl Schmitt, Oswald Spengler, Arthur Moeller van den Bruck oder Edgar Julius Jung – seien ein wesentlicher Faktor bei der Delegitimierung der Weimarer Republik und damit Wegbereiter der Nationalsozialisten gewesen.

Die Lehren, die aus den behaupteten verfassungsrechtlichen De ziten, der angeblich fehlenden Akzeptanz demokratischer Werte und der mangelnden Zahl aktiver Verfechter der Demokratie in der Zeit der Weimarer Republik gezogen wurden, fokussieren sich in

Unionskreise befürchteten, dass auch linksextreme Organisationen von dem staatlichen Geldregen gegen rechts profitieren könnten. Eine Befürchtung, die die SPD in keiner Weise nachvollziehen konnte.

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Kleiner werdende Bühnen und mehr Druck auf Nonkonformisten: hier Verleger Götz Kubitschek und IfS-Leiter Dr. Erik Lehnert auf der Frankfurter Buchmesse 2017. Der Podcast aus Schnellroda titelt „Am Rande der Gesellschaft“.

dem Begri „streitbare“ oder „wehrha e Demokratie“. Ob und inwieweit diese Einschätzung der fehlenden Akzeptanz demokratischer Werte zutre end ist, kann an dieser Stelle nicht vertie werden. Häu g wird hier die massive Notlage, in die viele Deutsche zur Zeit der Weltwirtscha skrise gerieten, ausgeblendet. Dass hierauf seitens der diversen Reichsregierungen in der Endphase der Weimarer Republik keine Antwort gefunden werden konnte, hat sicherlich entscheidender zu deren Scheitern beigetragen als das immer wieder beschworene Narrativ von der „Demokratie ohne Demokraten“.

„Streitbare Demokratie“ als „Freiheitssicherung“ durch Planung

Der Begri „streitbare“ oder „wehrha e Demokratie“ geht auf die während des Nationalsozialismus im Exil lebenden Emigranten Karl Loewenstein und Karl Mannheim zurück. Loewenstein gilt als Schöpfer des Begri s „militant democracy“, den er im Juni 1937 in einem Beitrag für die „American Political Science Review“ einführte. Der kanadische Politologe Augustin Simard wies in einem Beitrag für den Sammelband „Die Weimarer Staatsrechtsdebatte“ (Baden-Baden 2011) darauf hin, dass das „Konzept der streitbaren Demokratie“ „in vielerlei Hinsicht“ eine „,o zielle‘ Antwort auf das Scheitern von Weimar“ darstelle. Es handele sich um die „ö entliche ,Doktrin‘ der Regierungsautoritäten, die ein klares Bild des ,Verfassungsfeindes‘“ zeichne, nämlich das des „Extremisten“, „des illoyalen Bürgers, der die Neutralität der liberalen Rechtsgarantien ausbeuten will, um die Werteordnung, auf die sie sich stützen, umzustürzen“. Das Scheitern Weimars wird häu g auch an der Weimarer Verfassung festgemacht, die als angebliche „Verfassung ohne Widerstandskra “ – so zum Beispiel die Juristin Kathrin Groh – auf „Wertneutralität und Agnostizismus“ fußte.

Loewenstein hatte bei seinen Ausführungen vor allem den Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus vor Augen. Dennoch kann er nur sehr eingeschränkt als Stichwortgeber für das gelten, was heute in Deutschland unter dem Rubrum „wehrha e Demokratie“ läu . Wer Loewensteins Ausführungen liest, wird Simard zustimmen, wenn er feststellt, dass dessen Studie „einen funktionalistischen Blick auf den Faschismus“ werfe, weil „sie sich weniger für dessen ideologischen Inhalt, sondern vielmehr für das Funktionieren seines ,Verwaltungsstabs‘“ interessiere. Loewenstein fokussiert den „bis dahin unbekannten modus operandi“ des Faschismus, seine „politische Technik“. Entsprechend skizziert sein Verständnis von „militant democracy“ eine „gegensätzliche Technik“, die den „faschistischen modus operandi“ angreife. Mit anderen Worten: Loewenstein setzt sich nicht vorrangig inhaltlich mit dem Faschismus auseinander, sondern denkt über Gegenstrategien auf einer technischen Ebene nach.

Demgegenüber verfolgt der Soziologe Karl Mannheim vor allem in seinem 1943 publizierten Buch „Diagnosis of our time“ (dt. Zürich, Wien u. Konstanz 1951) eine ganz andere Strategie, die dem nahekommt, was heute „streitbare Demokratie“ meint. Die „neue streitbare Demokratie“, wie sie Mannheim versteht, soll „eine neue Einstellung zu den Wertbegri en entwickeln“ und „sich von der relativistischen laissez-faire-Gesellscha der vergangenen Epoche unterscheiden“. Sie werde „den

HERRSCHAFT

Das Kernproblem der bundesdeutschen Herrschaftsordnung ist die Verkürzung der politischen Freiheit unter Berufung auf demokratische Werte.

Josef Schüßlburner: Demokratie-Sonderweg Bundesrepublik. Analyse der Herrschaftsordnung in Deutschland

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Der legendäre Wiener Bürgermeister Lueger ist inzwischen ein Stein des Anstoßes und lebt im Kulturkampf weiter.

Mut haben“, „über gewisse grundlegende Wertbegriffe Einigung zu erzielen, die sich jeder zu eigen machen kann, der an der Tradition westlicher Zivilisation teilhat“. Zu Recht stellt das „Deutschlandradio“ in einem Feature fest, dass Mannheims Überlegungen in einem „Regulierungscredo“ mündeten, wenn er feststellt: „Wir müssen alle gesellscha lichen Beziehungen regulieren, um die kollektive Freiheit der Gruppe in Übereinstimmung mit einem demokratisch genehmigten Plan zu sichern.“ Die Menschen würden „von nun an eine höhere Form der Freiheit nden, indem sie viele Seiten ihres Eigenlebens der von der Gruppe bestimmten Gesellscha sordnung unterordnen“. Und weiter: „Im höchsten Stadium kann Freiheit nur dann bestehen, wenn sie durch Planung gesichert ist.“

„Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“: Trumpf im Kampf gegen rechts

Hier wird „streitbare Demokratie“ zu einer Sozialtechnik, zu einem social engineering, das im Namen der Freiheit gesellscha liche Beziehungen regulieren soll. Die Idee einer technischen, sprich: edukatorischen Steuerbarkeit der „Gesellscha “, mit der die Erwartung verknüp wurde, dass sie dem Menschen kün ig den Fortschritt zu einer Daseinsweise erö nen würde, die im Einklang mit den sozialen Gesetzen steht, hat ihren Ort in den Sozialwissenscha en der USA. Dahinter steht die Vorstellung, die Sozialwissenscha könne die „gesetzmäßigen Beziehungen der Gesellscha “ ermitteln und es dem Menschen ermöglichen, „seine Ziele sozialtechnologisch zu verwirklichen“, wie der Grazer Soziologe Bernhard Plé in seiner Dissertation „Wissenscha und säkulare Mission“ (Stuttgart 1990) ausführt. Entsprechend sind es Zuarbeitungen und Analysen aus den Sozialwissenscha en, die in Deutschland dem Kampf gegen rechts den wissenscha lichen Anstrich geben. Sie liefern die Begri swa en der „wehrha en Demokratie“. Eine dieser Begri swa en, die geradezu zum Trumpf gegen rechts aufgestiegen ist, ist das „Syndrom“ „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (GMF), für das der Soziologe Wilhelm Heitmeyer, Gründungsdirektor des Bielefelder Institutes für interdisziplinäre Kon ikt- und Gewaltforschung (IKG), das Urheberrecht beansprucht. Mit dieser Wa e meinen die Adepten Heitmeyers feindselige Einstellungen zu Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und ethnischer Herkun analysieren und bewerten zu können. Der Begri GMF sei, so stellte zum Beispiel das Internetmagazin „Telepolis“ fest, „in den letzten Jahren […] in den Rang einer Richterskala zur Bestimmung der Stärke von Rechtslastigkeit aufgestiegen“.

Dass der Einsatz eines immer weitergehenden Begri swa enarsenals, nun möglicherweise ergänzt durch das Wehrha e-Demokratie-Gesetz, in der „geistig-politischen Auseinandersetzung“ staatsverändernde Konsequenzen nach sich ziehen könnte, hat Hubo bereits Ende der 1990er-Jahre in ihrer oben angesprochenen Doktorarbeit aufgezeigt. Diese Auseinandersetzung ndet gemäß ihrer Ausführungen seitens staatlicher Instanzen vor allem durch die Verö entlichung von Verfassungsschutzberichten und weiteren Publikationen sowie Maßnahmen der politischen Bildung statt. „Durch die Indienstnahme von gesellscha lichen Gruppierungen für die Kampagnen

Die Entwicklung des Instrumentes „Antifaschismus“ hat immer mehr an Dynamik gewonnen und erfasst als „gemeinsames Feindbild“ die Diskurse der intellektuellen „Neuen Rechte“.

Auch Otto von Bismarck wollen sie aufs Dach steigen.

Foto: Naturfoto-Online / Alamy Stock Foto D D B D D R B B M D R

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des Staates, die subsidiär für den Staat tätig werden“, so Hubo, greife der Staat „in Verlängerung durch das Handeln dieser Gruppen tief in die freie Meinungsbildung ein und bekämp gleichzeitig mutmaßliche Gegner mit Hilfe von gesellscha lichen Krä en“. Im Ergebnis laufe der Staat damit Gefahr, „von den Interessen, Blickrichtungen, politischen Attitüden dieser Gruppierungen nicht nur beein usst zu werden in seinem staatlichen Handeln, sondern vielmehr auch zu Richtungshandeln im Sinne dieser Gruppierungen vereinnahmt zu werden“.

Bei diesen Gruppierungen spielt der „Antifaschismus“ häu g eine zentrale Rolle. Bernd Posselt (CSU), Europaparlamentarier bis 2014, hat – um nur eine Stimme nur nennen – vorausgesehen, welche Konsequenzen diese „Vereinnahmung“ interessierter Gruppierungen im Kampf gegen rechts haben würde, als er feststellte, dass „einer zeitweise orientierungslos gewordenen Linken“ im Antifaschismus „ein geeignetes Instrument“ erwachse, „um Europa eine Seele, eine geistige Ausrichtung zu geben“, und zwar unter Einbeziehung der „Erben des Linkstotalitarismus“. „Wirkliche und vermeintliche Rechtsextremisten“ hingegen dienten als „gemeinsames Feindbild aller sozialistischen und demokratischen Krä e“.

Merkel definiert das Grundgesetz zum „Programm für Zusammenhalt und Integration einer vielfältigen Gesellscha “ um

Die Entwicklung des Instrumentes „Antifaschismus“ hat seitdem immer mehr an Dynamik gewonnen und erfasst als „gemeinsames Feindbild“ die Diskurse der intellektuellen „Neuen Rechte“, die als angeblicher Stichwortgeber für Hetze, Rassismus und Ausgrenzung gebrandmarkt wird. Jeder „echte Demokrat“ verweigert sich deshalb einer argumentativen Auseinandersetzung, weil die unterstellte „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aller rechtsintellektuellen Strömungen zum Widerstand verp ichtet. Die daraus folgende Ausgrenzungsstrategie gegen rechts hat unter anderem zur Folge, das wesentliche Fragen zur Zukun des deutschen Gemeinwesens nicht mehr gestellt werden können. Zu nennen sich hier zum Beispiel emen wie die Folgen der Massenzuwanderung für die Demogra e, die Zukun des Sozialstaates, das allmähliche Verschwinden von nationaler und kultureller Identität, die einseitige Erinnerungspolitik, basierend auf Schuld, Sühne und Dauerbuße, oder der Verfall der Bildung. Kritik an der Massenzuwanderung zum Beispiel, wie sie insbesondere von rechtskonservativen Kreisen erhoben wird, wird mit der Behauptung vom Tisch gewischt, diese nütze Deutschland. Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung wird den Kritikern von rechts unterstellt, aus einer rassistischen oder deutschtümelnden Grundhaltung heraus zu agitieren und damit „die Gesellscha zu spalten“. Entsprechend ist die ö entliche Meinung weitgehend von dem Versuch bestimmt, mit moralischen Argumenten Positionen aus dem Diskurs auszugrenzen, die ethnischen Di erenzen eine Relevanz zuschreiben. Mit welch per den Mitteln das Festhalten an einer ethnisch halbwegs homogenen Gesellscha kontaminiert wird, dafür hat der einstige „Vordenker“ der Unionsparteien, Wolfgang Schäuble (CDU), aktuell Präsident des Deutschen Bundestages, ein schlagendes Beispiel ge-

FUSSBALL

Die Ausführungen in diesem Buch folgen einem positiven Verständnis von Volk, Nation und Vaterland – wie es einst üblich war. Eine sachliche Diskussion des Themas ist in Deutschland schwierig. Dabei wäre sie so einfach: Identität hat viele Facetten. Man muss nur tolerant sein.

Martin Wagener: Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen

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REPORTAGE Mit Arroganz und Verachtung steht die aktuelle politische Klasse in Deutschland dem eigenen Herkommen und der eigenen Geschichte gegenüber.

geben. Er erklärte im Juni 2016, die „Abschottung“ sei „doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe. Für uns sind Muslime in Deutschland eine Bereicherung unserer O enheit und unserer Vielfalt“. Mit anderen Worten: Wer sich gegen Massenmigration wehrt – und das meint in Deutschland eine in weiten Teilen illegale Einwanderung, die 2015 mit der Grenzö nung einen vorläu gen Höhepunkt erreichte –, steht nicht nur für „Abschottung“ – was immer das in einer grenzenlosen EU heißen soll –, sondern nehme „inzestuöse Degeneration“ in Kauf. Nichts zeigt mehr, mit welcher Arroganz und Verachtung die aktuelle politische Klasse in Deutschland dem eigenen Herkommen und der eigenen Geschichte gegenübersteht. Hier scheint eine Haltung durch, für die der britische Philosoph Roger Scruton den Begri Oikophobie – „Heimatfurcht“ – als Pendant zu Xenophobie geprägt hat. Von „Heimatfurcht“ seien nach Scruton jene befallen, die ihrerseits die Heimatliebenden der Xenophobie und des Rassismus bezichtigen.

Wie diese „oikophobe“ Einlassung Schäubles zu bewerten ist, kann bei Hubo nachgelesen werden, wenn sie feststellt, dass die staatlich geförderte „Heterogenisierung des Staatsvolkes zum einen die Identität des Volkes als Träger des Staates und daraus folgend auch den Staat in seiner geschützten Identität als bestehender Staat“ zerstöre. An seine Stelle trete dann ein neuer Staat mit einem neuen Volk als Träger der Staatsgewalt. Zu einem in der Tendenz ähnlichen Befund kam jüngst auch der Berliner Politikwissenscha ler Martin Wagener in seinem Buch „Kulturkampf um das Volk“ (Reinbek 2021), in dem er feststellt, dass die Bundesregierung das Projekt „der Ersetzung der deutschen Kulturnation durch eine multikulturelle strukturierte Willensnation“ betreibe. Die Reaktion auf diese ese ließ in Gestalt des ehemaligen Verfassungsschutzmit-

Die Vierteljahresschrift TUMULT ist heute für rechte Intellektuelle das, was Enzensbergers KURSBUCIntellektuelle das, was Enzensbergers H 1968 für die Linke war. Brillante Essays, Forschungen und Tiefengrabungen im Zeitgeist … Tiefengrabungen im Zeitgeist …

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arbeiters Armin Pfahl-Traughber nicht lange auf sich warten: Er bescheinigte Wagener, dass seine Au assung dem „,Große-Austausch‘-Diskurs, der von der AfD über die Identitären bis zur Neuen Rechten betrieben“ werde, entspreche. Auch Wagener wird damit unterstellt, „absonderliche Deutungen“ zur „Ersetzung der deutschen Kulturnation“ zu verbreiten und damit das Geschä der als extremistisch apostrophierten rechten Intellektuellen zu betreiben. Mit keinem Wort geht Pfahl-Traughber darauf ein, dass es Merkel selbst war, die im Mai 2019 in einer Rede in aller Offenheit erklärte, Deutschland müsse „sowohl ein Einwanderungsland als auch ein Integrationsland sein“; sie de nierte das Grundgesetz damit kurzerhand zum „Programm für Zusammenhalt und Integration einer vielfältigen Gesellscha “ um. Da ist es nur konsequent zu behaupten, das Volk sei „jeder, der in diesem Land“ lebe; so Merkel im Februar 2017. Die angeblich „absonderlichen Deutungen“ Wageners stehen also auf einem festen Grund.

Hand in Hand mit dieser Inkriminierung von Standpunkten, die im demokratischen Diskurs nicht anders als als legitim zu bezeichnen sind, geht die Entgrenzung des Extremismusbegri es, die besonders in dem eorem „Extremismus der Mitte“ deutlich wird. Der Begri geht auf den US-Politikwissenscha ler und anfänglichen Trotzkisten Seymour Martin Lipset zurück. Lipset wandte sich gegen die ese, vor allem „Abgehängte“ hätten die NSDAP gewählt; vielmehr seien es Angehörige der (vor allem oberen) Mittelschicht gewesen. In der bundesdeutschen Extremismusforschung waren es die im Au rag der SPD-nahen Friedrich Ebert Sti ung erstellten „Mitte-Studien“, die diesen Begri bekannt machten. Federführend waren hier unter anderem Elmar Brähler und Oliver Decker, die 2018 das Buch „Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellscha “ herausgaben. Wie rasch man in diese „Dynamiken“ eingezeichnet werden kann, machen die Heitmeyer-Adepten Andreas Zick und Anna Klein deutlich, wenn sie in dem Sammelband „Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ (Bonn 2014) bereits die Feststellung „Es gibt zu viele Ausländer in Deutschland“ als Ausdruck „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ einordnen.

Extremismusbegri als Kampfmi el für Krä e, die selbst dem Verfassungsstaat reserviert gegenüberstehen

Ungeachtet der hier durchscheinenden begrifflichen Willkür hat dieser Begriff Eingang in regierungsamtliche Dokumente gefunden. So baut zum Beispiel der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus der Bundesregierung von Juni 2017 geradezu auf diesem Begriff auf.

Hubo weist darauf hin, dass die „Entgrenzung des Extremismusbegriffs“, die mit den Deutungsmustern der GMF einhergeht, besonders „in der Formel vom Extremismus der Mitte“ deutlich werde. Die Einordnung „aller derjenigen, die linken Bestrebungen ablehnend gegenüberstehen, als rechtsextrem, könnte letztlich dazu führen, daß solcherart begriffliche Ausweitungen benutzt werden, den demokratischen Verfassungsstaat zu delegitimieren. Der Extremismusbegriff würde dann zum offensiven Kampfmittel von Bestrebungen werden, die selbst dem Verfassungsstaat reserviert gegenüberstehen, die selbst (tendenziell) extremistisch sind“. In eine ähnliche Richtung argumentiert der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, wenn er 1997 im Deutschen Verwaltungsblatt (DVBl) feststellt: „Die öffentliche Kritik, jemand sei ein Verfassungsfeind, dient nicht lediglich der geistigen Auseinandersetzung im politischen Willensbildungsprozeß. Sie dient vor allem dazu, den Betreffenden mit seinen politischen Positionen aus diesem Willensbildungsprozess auszugrenzen.“ Murswiek macht deutlich, dass die Ausgrenzung wirklicher Extremisten der Demokratie diene, die Ausgrenzung von Personen, Organisationen oder Meinungen indes, „die in Wirklichkeit mit der FDGO durchaus vereinbar“ sei, „würde der Demokratie größten Schaden zufügen“.

Noch pointierter bringt es Hubo auf den Punkt, wenn sie konstatiert, dass der Entwurf einer multikulturellen Gesellschaft „in Verbindung mit der Aufgabe des Abstammungsprinzips im Staatsangehörigkeitsrecht und des Modells der Kulturnation zur Umwandlung des Staatsvolkes“ führe, das „nach der ,klassischen‘ Lehre selbst Bestandteil des Staates“ sei. Zugleich stelle „die Verbürgung eines Rechtsanspruchs auf Einreise und Einbürgerung für alle ,Bedürftigen‘ den Nationalstaat“ infrage und hebe „schließlich die Gebietshoheit auf“. Im Ergebnis werde „die wehrhafte Demokratie über die Definierung des Rechtsextremismus im Namen der Menschenrechte zur Auflösung des Staates verwendet und damit in ihr Gegenteil verkehrt“. Hubo sieht also die Gefahr eines backlash, einer Überdehnung der Instrumente der wehrhaften Demokratie, der mit der ständig weitergehenden Auslegung der Merkmale rechtsextremen Denkens einhergeht und schließlich das gefährdet, was es verteidigen soll. Diesem Punkt ist Deutschland in den letzten Jahren ein erhebliches Stück näher gekommen.

Niklas E. Hartmann

geb. 1991 in Stade, Studium der Politikwissenscha und Geschichte. Lebt und arbeitet als eier Lektor, Publizist und Übersetzer in Hamburg.

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