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Alles Fasching

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VON

SIEGFRIED WASCHNIG

FOTOS: FREILICH

Alle Jahre wieder steht die Welt auf dem Kopf: Nichts geht mehr seinen normalen Gang.

enn wir die Feste feiern, wie sie fallen, dann haben sie o eine lange Tradition. Die Vorläufer des Karnevals und Faschings wurden bereits vor rund 5000 Jahren in Mesopotamien gefeiert. Damals galt die Idee des Gleichheitsprinzips während der Feiern. Arbeiter und W Herrscher standen für kurze Zeit auf einer Stufe, die gesellscha lichen Barrieren verschwammen im Su . Auch heute nden viele im Feiern der närrischen Zeit zusammen. Darum gilt der Morgen nach dem betrieblichen Saufgelage – ähnlich wie nach Weihnachtsfeiern – zu den spannendsten Momenten des Jahres. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es den Beleg für den Begri „Karneval“, aber dessen Wortgeschichte bleibt unklar. Die gängigste Erklärung nimmt Bezug auf die Fastenzeit als eischlose Zeit. Hier soll die Bedeutung im lateinischen „carne vale“, was als „Fleisch – lebe wohl“ übersetzt werden kann, liegen. Im Mittelalter war es üblich, in der langen Fastenzeit bis Ostern weder Fleisch noch Butter, Käse, Milch, Schmalz oder Fett zu essen. Enthaltsamkeit stand an der Tagesordnung. Deshalb ließen es die Menschen vorher noch einmal richtig krachen. An diesem Tag oss reichlich Alkohol, und viel Fleisch stand auf der Speisekarte. Auch damals hat man schon mit einer guten Unterlage vor dem Feiern gearbeitet. Die Nebenwirkungen des fastnächtlichen Treibens sind heute wahrscheinlich die gleichen wie damals.

Der Begri „Fastnacht“ wird von den althochdeutschen Worten „fasta“ (Fastenzeit) und „naht“ (Nacht, Vorabend) abgeleitet. Die älteste bekannte literarische Erwähnung der „fasnaht“ ndet sich übrigens in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“. Die Passage „Wohl stritt die reiche Königin bei Gawanen da so kühn, sie warf so ritterlich darein, daß die Kau raun nie zu Tollenstein zu Fassnacht tapfrer stritten. Sie thuns nach Narrensitten und ermüden ohne Noth den Leib“ lässt erahnen, dass schon damals zur Narrenzeit besondere Gesetze geherrscht haben. Wenn der Mensch es krachen lässt, dann immer ordentlich.

Die Narrenzeit ist auch die Zeit, in der Prinzessinnen nach ihren Prinzen Ausschau halten. Je später die Stunde, desto aussichtsreicher die Chancen.

Der Fasching ist vorbei, was sind wir froh – die Narren sind jetzt wieder im Büro!

Warum sind Karnevalswitze nur an Karneval lustig? Weil man sie nüchtern nur schwer ertragen kann!

Spannend daher die Frage, wie viel Druck im gesellscha lichen Kessel sich durch die Coronamaßnahmen bereits angestaut hat und ob die Mahnungen von Kurz, Merkel und Co. dazu in der Lage sind, den Leuten auch über die Faschings- und Karnevalszeit weiter ein schlechtes Gewissen einzureden. Die Narrenzeit war immer auch die klassische Zeit für Obrigkeits- und Gesellscha skritik. So wurde der Karneval von der Obrigkeit scharf beobachtet. Die Lieder, die Reden und die Karnevalszeitungen erregten immer wieder Missfallen. In den 1830er-Jahren waren die meisten Karnevalszeitungen verboten. Doch nie ließen die Narren es sich nehmen, Missstände anzuprangern und satirisch aufs Korn zu nehmen.

Noch nie in den letzten Jahrzehnten ist dem Fasching und Karneval eine so starke symbolische Kra zugekommen, wie jetzt. Wie weit lässt „das Volk“ sich Karneval und Fasching nehmen, und wie stark ist der Wunsch nach kreativer Protestmöglichkeit tatsächlich? Bei all dem ist es durchaus möglich, dass der verächtlich

Sich albern anziehen, rumgrölen, peinlich sein – das nennt man sonst „Deutschland sucht den Superstar“!

titulierte „Narrensaum“ sich zu sehr kreativen Protestmaßnahmen hinreißen lässt, trotz allem auf die Straße geht und den Mächtigen wieder einmal zeigt, dass sie ohne den „Narren“ nichts wären. Vielleicht erleben wir eine der spannendsten „närrischen“ Zeiten der letzten Jahrzehnte, vielleicht „Lei, lei“, „Kölle Alaaf“ und „Helau“ als das närrische „Wir sind das Volk!“ des Jahres 2021.

Und wenn nicht, dann bleibt uns immer noch der Faschingskrapfen oder der „Berliner“. Der Legende nach hat die Wiener Köchin Cäcilie Krapf aus Ärger über ihren Mann ein Stück Germteig nach ihrem Gatten geworfen. Der aber duckte sich, und der Teig el in einen Topf mit siedendem Fett. Glücklicherweise soll mit dem Verzehr des „Küchenunfalles“ auch der Ehestreit gegessen gewesen sein. Mal sehen, welche Früchte die Narrenzeit heuer hervorbringt.

Paketzustellung per Drohne: Wie smart ist das denn? Wesentlich ist aber die digitale Infrastruktur.

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