zeit spuren
der vorteil einer photographie ist, dass sie es ermöglicht, durch das schnelle abdrücken des auslösers einen kurzen moment unseres wahrnehmungsausschnittes deutlich und detailgenau abzubilden. es entsteht das bild eines spezifischen ortes zu einem bestimmten zeitpunkt. doch entspricht dies tatsächlich unserer wahrnehmung? befinden wir uns nicht ständig in bewegung und nehmen unsere umgebung gerade nicht deutlich und detailgetreu, sondern oft unspezifisch und zufällig wahr? die entstandenen fotoserien nähern sich dem thema zeit und zeitvergehen auf unterschiedliche weise. phänomene, welche für das Auge unsichtbar oder einfach nicht möglich sind auf diese weise wahrzunehmen, werden sichtbar. orte welche von betriebsamkeit
gezeichnet sind, werden, durch die lochkamera gesehen, zu verlassenen plätzen. gerade noch ein paar geisterhafte schlieren, zeugen von dem dasein von menschen. licht spielt dabei eine wesentliche rolle. dem licht ist es möglich dinge erscheinen aber auch verschwinden zu lassen. je nachdem wieviel licht der tag, die uhrzeit, das wetter bereithält ergibt sich die belichtungszeit. so ergeben sich zeitspannen zwischen 10 sekunden bis mehreren stunden. zeit die nun an den unterschiedlichsten orten verbracht wird. in fahrstühlen, in der bahn, im einkaufszentrum, an straßenkreuzungen, in der mensa. so wie die kamera das bild in
sich aufsaugt, hab ich nun selbst zeit meine umgebung genau zu beobachten. was sehe ich und was wird meine lochkamera aufnehmen? ein experiment mit offenem ausgang. erst in der dunkelkammer wird sich langsam, wie im zauber, zeigen, was mir nicht möglich war zu sehen. vor allem das phänomen der unschärfe, macht die lochkameraaufnahmen, zu einem aktuellen ausdrucksmittel unserer zeit, denn klingt nicht etwa in der unschärfe, eine sinnliche kritik an der visuellen penetranz unserer gegenwart an? eine kritik gegen den trend, alles zu zeigen. alles sehen zu wollen oder sehen zu müssen? so geht es in diesen arbeiten auch um die dinge hinter dem sichtbaren.
die camera obscura (lat. dunkle kammer) ist die urform der fotografischen aufnahmekamera. sie beruht auf dem elementaren optischen gesetz der abbildung durch eine lochblende, welche die von einem objekt ausgehenden lichtstrahlen bündelt und sie als umgekehrtes und seitenvertauschtes bild auf die der öffnung gegenüberliegende wand projiziert. die lochblende, eine kleine kreisförmige öffnung, dient als objektiv. Sie wurde besonders in der Landschafts- und vedutenmalerei als hilfsmittel benutzt, von jan vermeer auch für seine darrstellung von innenräumen.
warten
und jetzt muß ich warten - nicht auf den bus und nicht auf die straßenbahn nicht auf den zug- ich warte auf das bild. ich schaue mich um und beobachte die wartenden Menschen um mich herum. wird meine dose mit ihrem winzigen Loch sie erkennen und festhalten können? warten bedeutet, dass die zeit viel langsamer zu vergehen scheint. ungeduldig verlagern wir das gewicht von einem fuß auf den anderen - hängen unseren gedanken nach. bis der zug einfährt, und sich der bahnsteig von menschen und gedanken leert.
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stadtgeister
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camera obscura bedeutet, das wunder, wenn die lichtstrahlen sich durch ein winziges loch zwängen und die äußeren dinge in magischer weise erscheinen lassen. es ist erklärbar aber es bleibt staunen. photografisches material reagiert langsam und mit ihm verschmelzen unzählige augenblicke. zeit wird zur ewigkeit, bewegung kommt zum stillstand. die lange belichtungszeit zwingt zum innehalten in der hektik der großstadt, der akt des fotografierens wird zur meditation.
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unterwegs mit der linie 11 zwischen connewitz kreuz und wilhelm-leuschner-platz
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die aufnahmen aus dem straßenbahnfenster oder in die bahn hinein sind bestimmt durch den verkehrsfluss, durch das fahren der kamera selbst. das unterschiedlich lange halten an den haltestellen, bringt konturen von häuserfassaden und autos hervor, die sich durch die fahrt der bahn wieder auflösen. die entstandenen bilder spiegeln somit die situation von bewegung und stillstand wieder, real gesehenes bleibt bisweilen verborgen, während vielleicht nicht wahrgenommenes festgehalten wird.
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rushhour - zwischenzeit
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was passiert in der zeit zwischen zwei rotphasen? was kann mein selbstgebauter apparat festhalten? die laute hektik des ungeduldigen 16-uhr-verkehrs umgibt mich. auto um auto, bahn f체r bahn dr채ngen sich 체ber die kreuzung. wird dies auch auf dem bild zu erkennen sein? zwischenzeit umschreibt die schwierigkeit zu bestimmen, was man eigentlich aufnimmt, wenn man etwas aufnimmt. es geht nicht um das abbild der wirklichkeit, sondern es geht um die dinge hinter den dingen, zwischenwelten und zwischenzeiten.
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bewegte Zeiten
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mit dem öffnen des verschlusses lässt man sich auf einen vorgang ein, muss dem licht die zeit einräumen, seine bilder an das aufnahmematerial abzugeben. ich erhalte hier die zeit die situation zu erleben und zu reflektieren. menschen steigen ein, lassen sich bewegen. ich fahre 5 minuten, 10 minuten, 20 minuten mit ihnen. so entsteht eine ganz eigene und andere wahrnehmung von den alltäglichen fahrten mit dem fahrstuhl, in der sich die feststehende umwelt in bewegungsunschärfe auflöst.
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niemand hier?
ich, die umgebung, die kamera wurden für einen relativ langen zeitraum verknüpft, wie losgelöst von den anderen menschen und gegenständen. es erschien mir immer, als würden sich alle gedanken und gefühlsfragmente, die sich in dieser wartezeit formierten, in das papier einbrennen und teil des bildes werden. es erschien mir, als sauge die dose licht, zeit, körper und raum in sich hinein, um alles für einen moment untrennbar verbunden auf das papier zu brennen.
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heiter
lichtblick
zentrales medium ist das licht- es hat die fähigkeit dinge aufscheinen aber auch wieder verschwinden zu lassen. es vermag die dinge ihrer hektischen umstände zu entkleiden, sie in sich zu fangen, wie sie außer sich geraten zu lassen. teile des ganzen werden herausgelöst und erhalten durch diese veränderte wahrnehmung und beachtung einen neuen zauber. leipziger passagen- und hofdachfenster verwandeln sich zu kontrastreichen gebilden. sie lösen sich aus ihrem kontext des räumlichen und werden zu eigenständigen konstruktionen.
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zeitgestalten - ein nachtrag
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wenn zeit, licht und chemie ihr eigenleben fĂźhren, entstehen nicht steuerbare zeichen und strukturen. zeit arbeitet am papier , zeigt sich in abstrakter weise und hinterläĂ&#x;t sinnlich, malerische spuren.
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impressum text und fotografien: franziska fehre mentor: dr. roland meinel entstanden im rahmen der bachelor abschlußprüfung am institut für kunstpädagogik leipzig 2007