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DAS WIEDERVERWERTBARE HAUS?

Das vollkommen wiederverwertbare Haus?!

AUTOR:CHRISTIAN JANISCH

Das ist die Vision des deutschen Chemikers Prof. Michael Braungart und des amerikanischen Architekten William McDonough. Und sie denken dabei nicht ein Knusperhaus aus Lebkuchen, wie bei Hänsel und Gretel, das am Ende der Lebensdauer einfach verzehrt werden könne und so wieder in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt wird. Nein, die beiden denken tatsächlich an ein „richtiges“ Haus aus Mörtel und Ziegel, bei dem alle verwendeten Materialien zur Gänze wiederverwertet werden können.

Seit Jahren behaupten nämlich Braungart und McDonough, dass die von uns aktuell gelebte Nachhaltigkeit im Prinzip sinnlos sei. Sie nehmen auch liebgewonnene Gewohnheiten – wie unser Gewissen beruhigendes Mülltrennen – aufs Korn und erklären uns desillusionierend, dass wir uns diese Arbeit „schenken“ könnten. Dieser Schlag in die Magengrube sitzt und muss erst einmal verdaut werden. Nach kurzer Benommenheit werden Erklärungen für diese unglaublichen Behauptungen gefordert. Doch Braungart und McDonough bleiben da ganz gelassen und legen noch locker nach: Sie sagen, dass unsere aktuellen Bemühungen die Welt nicht retten werden, sondern bestenfalls das Ende der Ressourcen und damit unserer Lebensgrundlage etwas hinauszögern würden. Doch was steckt hinter diesen ernüchternden Behauptungen und wie werden sie begründet? Zusammengefasst wird uns erklärt, dass „weniger schlecht“ bei der Verschwendung unserer Ressourcen noch lange nicht „gut“ sei. Wir müssten radikal umdenken, und die von uns verwendeten Rohstoffe wieder zur Gänze in den biologischen und technischen Kreislauf der Verbrauchsgüter zurückführen – und zwar ohne Abfall. Sie nennen dieses Prinzip ganz simpel „Cradle to Cradle“ (C2C), was so viel bedeutet wie „von der Wiege zur Wiege“. Für die derzeitige Ver(sch) wendung unserer Ressourcen – von der Wiege zur Bahre –seien wir einfach zu viele auf unserem Planeten, obwohl es laut Braungart sogar eine theoretische Lebensgrundlage für rund 30 Milliarden Menschen gebe.

Das bisher übliche "Downcycling" von Produkten, bei dem die Qualität bei jedem Schritt abnimmt, muss vermieden werden, sofern wir noch länger auf unserem Planeten wollen. Müllverbrennungsanlagen und Mülldeponien gibt es in dem C2C-System nicht mehr. „Abfall- oder Bauschutt-Deponien seien die Bankrotterklärung des Ingenieurs.", so Braungart.

Somit kommt auch die Bau- und Immobilienwirtschaft nicht ungeschoren davon, und das ist aus mehreren Gesichtspunkten auch nachvollziehbar: Das Bauwesen in Europa verschlingt eine unglaubliche Zahl

von Rohstoffen: 50 Prozent aller Ressourcen gehen in diesen Sektor. Noch dramatischer ist die Lage bei den Abfällen: 60 Prozent aller Abfälle stammen laut UN Umweltprogramm von der Bauindustrie!

Es darf eben auch nicht außer Acht gelassen werden, dass unsere Rohstoffe unweigerlich zur Neige gehen. Berechnungen zufolge reichen die für die Produktion von Baumaterialien erforderlichen Rohstoffe noch für 50 bis 100 Jahre. Gemeint sind hier vor allem Stahl, Kunststoff und Eisen. Auch Sand wird ein knappes Gut werden, wenn wir die Wiederverwertung nicht ernst nehmen.

Aber ist es überhaupt möglich, dass sämtliche Materialien, die in einem Gebäude stecken, wiederverwertet werden können? Diese Frage wird von beiden mit einem klaren „Ja!“ beantwortet und sie belegen diese Behauptung mit einer Reihe von Produkten, die bereits am Markt erhältlich sind. So gäbe es in fast allen Produktbereichen C2C Alternativen: Wienerberger, der Ytong Anbieter Xella oder auch Schüco bieten mittlerweile vollkommen wiederverwertbare Baustoffe an. Die Produktpalette reicht beispielhaft von Bausteinen aus Ton, Klinkerbausteinen

(Click-Brick), die wie Legobausteine fixiert werden, Dachziegeln, Dämmstoffen etc. bis hin zu Teppichen.

Noch ein weiterer und tatsächlich sehr spannender Aspekt wird von den Wissenschaftlern ins Treffen geführt:Immobilien können durch C2C zu sogenannten „Materialbanken“ werden, die tatsächlich einen nominellen Wert darstellen. Wenn man bedenkt, dass bei Hochbauprojekten ca. 20 bis 30 % der Baukosten Materialkosten sind, dann ist das ein enormer Faktor.

Natürlich gibt es auch Kritiker und Skeptiker der C2C Idee: Hauptkritikpunkt ist, dass die Idee in der Theorie sehr nett, jedoch nicht für die Praxis geeignet sei. Dem ist zuzustimmen, wenn wir den alten Denk- und Handelsmustern verhaftet bleiben und das Umdenken nicht schaffen. Die radikale Kernaussage der beiden Wissenschaftler besagt, dass das Schonen der Ressourcen einfach nicht ausreichen wird. Und damit dürften sie auch Recht haben. Das Team der Illmitzer Gespräche hat es sich jedenfalls zum Ziel gesetzt, sich vertiefend mit dem Thema zu beschäftigen.