ImmoFokus Winter 2018

Page 135

ment (change management) betrieben wird, fehlen diese Ansätze bei der Mobilitätswende scheinbar weitgehend. Allein die Implementierung konkreter nationaler Zielsetzungen in den jeweiligen Verwaltungsebenen über die Bundesländer bis zu den Gemeinden wäre ein erster notwendiger Schritt. Eine Koppelung des Finanzausgleichs an CO2-Einsparungsziele, die Überprüfung der Raum- und Siedlungspolitik bis hin zu Strafzahlungen für klimaschädigende Infrastrukturen und Bodenversiegelung wären erste Ansätze systemrelevanter Maßnahmen, die auch zu einer Verhaltensänderung der relevanten Institutionen führen muss. Dass alleine die Schlagworte gewisse Reizungen verursachen, zeigt, dass von einer hohen Wirksamkeit ausgegangen werden kann.

Transformative Wissenschaft in einer lebendigen Demokratie Eine aktive und an übergeordneten Zielsetzungen orientierte Wissenschaft beobachtet deshalb gesellschaftliche Transformationsprozesse nicht nur oder beschreibt sie lediglich „von außen“, sondern stößt diese Veränderungsprozesse selbst mit an und forciert sie. Eine transformative Wissenschaft wird somit auch zum Akteur in Transformationsprozessen, indem sie neben disziplinären und interdisziplinären Methoden auch die Kontroversen im Austausch mit Praxisakteuren zulässt. Transformative Entdeckungen, die zu einem Paradigmenwechsel führen, lösen oftmals bei den „etablierten“ und institutionell verankerten Akteuren reflexartigen Widerspruch und Ablehnung hervor. Ein Zeichen dafür, dass die richtigen Fragen gestellt wurden. Wie beständig ideologisch gestützte Paradigmen in der Akteurspraxis sein können, beweisen Vertreter der traditionellen, am motorisierten Individualverkehr orientierten Verkehrsplanung und noch mehr jene der Verkehrspolitik. Während der große Paradigmenwechsel in der Verkehrswissenschaft durch Widerlegung der „alten Mythen“ der Zeiteinsparung, des Mobilitätswachstums und der Freiheit der Verkehrsmittelwahl schon abgeschlossen scheint, wird noch immer auf Grundlage dieser falsifizierten Behauptungen Verkehrspolitik betrieben. Sie resultiert in einem immer größer werdenden Ausmaß der Naturzerstörung: Unsere Landschaft verschwindet unter einem Teppich aus Beton und Asphalt und anstatt die Folgen bei Entscheidungen zu berücksichtigen und aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, werden die Lebensgrundlagen munter weiter zerstört. Aufgabe und Pflicht der Wissenschaft werden deshalb in Zukunft immer stärker auf dem Aufzeigen dieser Widersprüche zwischen Erkenntnis und Umsetzung liegen müssen. Ganz im Sinne Arthur Schopenhauers (1788-1860): „Alle Wahrheit durchläuft drei Stufen. Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.“

DI. Dr. techn. Harald Frey – der Bewegte Lehrend und forschend an der TU Wien ist er unbeugsam wie sein Lehrer Prof. Knoflacher. Nachhaltigkeit im Verkehr bedeutet die Abkehr von einer hauptsächlich autoorientierten Planung wie wir sie bisher betrieben haben. Alleine im Pkw von Wien nach München zu fahren, egal ob autonom oder mit elektrischem Antrieb, wird die dramatischen Konsequenzen unseres heutigen Mobilitätsverhaltens nicht lösen. Besonderheiten: • 1996-2005 Diplomstudium „Bauingenieurwesen“ an der Technischen Universität Wien, Fachrichtung Verkehrswesen und Infrastrukturplanung • 2006-2010 Doktoratsstudium der techn. Wissenschaften an der TU Wien • 2010 Promotion zum Doktor der techn. Wissenschaften • Seit: 2011 Leiter des Arbeitskreis „e-mobility“ und stellvertretender Leiter des Arbeitskreises „Verkehrsträger“ der Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft (ÖVG) • Projektleitung in Forschungsförderung und Auftragsforschung, Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen sowie der verkehrsplanerischen und verkehrspolitischen Beratung von Gemeinden und Politikern hin zu Verkehrskonzepten und integrativen Planung von Siedlungs- und Verkehrssystemen.

Herbst 2018

135


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.