ImmoFOKUS Winter 2015

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der die Beteiligten (oder auch Unbeteiligten) polarisiert (siehe Kasten). Stadtpsychologin Ehmayer war und ist dabei für die Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig und nicht – darauf legt sie Wert -, ob gebaut wird oder nicht. Das Besondere an diesem Projekt war für Ehmayer, dass der Betreiber, Wertinvest, zu einem sehr frühen Zeitpunkt an sie herangetreten sei. „Ob man jetzt über die Architektur streitet oder nicht, steht auf einem anderen Papier. Aber das Unternehmen war sogar früher da als die Stadt und meinte: Ihr müsst mit den Leuten reden.“ Denn Menschen, erzählt die Psychologin, kommen mit Veränderungen besser zurecht, wenn sie informiert sind.

mir keine Sorgen. Aber ich hätte mir gewünscht, dass mein Büro 3 bis 5 fixe Mitarbeiter trägt, und das tut es derzeit nicht.“ Aber aus dem Ausland ereilte sie mittlerweile schon der eine oder andere Ruf: Deutsche Botschaft, das Bundesland Baden-Würtemberg oder Hamburg. Denn da gibt es auch ein Gesetz zur frühzeitigen Beteiligung: „Die wenden sich explizit an mich als Stadtpsychologin“, freut sich Ehmayer, die sich in fünf Jahren schon internationaler – zumindest im deutschsprachigen Raum - sieht. n

Streit erwartet

Erwartet man sich als Bauherr Streitereien, wenn man eine Stadtpsychologin heranzieht? Ehmayer: „Wenn man weiß, dass man einen Turm in einer Weltkulturerbe-Zone baut, wird es wohl Konfliktpotenzial geben.“ Aber: Man kann früher kommunizieren und dadurch besser mit Konflikten umgehen. Die Gespräche laufen weiter, auch mit der Stadtpsychologin: „Ich werde informiert, welches Setting wir eventuell als nächstes brauchen. Z.B. war damals die beste Form der Kommunikation, dass eine wochenlange Ausstellung anstelle einer einmaligen Präsentation stattgefunden hat.“ Zusätzlich waren noch Projektbeteiligte als Dialogpartner anwesend: „So konnten Fragen gestellt werden und niemand wurde allein gelassen. Das ist der psychologische Ansatz.“ Freilich könne man „die Leute nicht umdrehen“, aber man kann viele Ängste nehmen. Kommunikation delegieren

Arbeit gebe es mittlerweile genug, ist Ehmayer überzeugt. Dabei sieht sie den Begriff „Marktdynamik“ ein bisschen zu hoch gegriffen, um ihn als Trend zu bezeichnen: „Es ist jetzt leichter als früher, aber dennoch schwierig, zu Aufträgen zu kommen. Aber ich bin keine komische Nummer mehr in der Stadt.“ Dass man aber in kein Schema „hineinpasst“, sei schon schwierig, aber: „Ich sitze zwischen den Stühlen und bleibe daher beweglich.“ Überraschenderweise würde es Ehmayer „freuen, wenn es mehr Stadtpsychologen geben würde“. Denn Planer können nicht mehr alles selber machen: „Es ist schon gescheit, jemanden für die Kommunikation zu holen. Das Themenfeld Beteiligung und Demokratie bei Bauvorhaben wird ja nicht weniger…“. Ehmayer würde sich als gut beschäftigt bezeichnen: „Die Aufträge kommen, ich mache

PROJEKTE DER STADTPSYCHOLOGIE Das Projekt Neugestaltung Areal Heumarkt/Lothringerstraße des Wiener Eislaufvereins (WEV) mit dem Grundeigentümer und Projektplaner WertInvest ist seit einigen Jahren Thema in Wien: Neben der völligen Neugestaltung und technischen Erneuerung der rund 6.000 Quadratmeter großen Freiluft-Eislauffläche sowie der Garderoben- und sonstigen Räumlichkeiten des WEV, ist die Errichtung von zwei unterirdischen Eissporthallen vorgesehen. Zu diskutieren sind noch einige wirtschaftliche und juristische Details, wie es bei WertInvest heißt. Der Pachtvertrag mit dem Wiener Eislaufverein soll auf 99 Jahre verlängert werden. Der aus dem Wettbewerbsverfahren als Sieger hervorgegangene Entwurf des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld polarisierte Experten wie Laien seit der Bekanntmachung vor gut zwei Jahren. Hauptgrund der Kritik: Der im Zuge der Neugestaltung geplante Wohnturm auf dem Areal gefährde die Wiener Innenstadt in seinem Status als Weltkulturerbe. Der öffentliche Bereich bei der U6 Josefstädter Straße wird schrittweise neu gestaltet. Aufgrund der angespannten sozialen Situation ist eine besonders intensive Abstimmung zwischen den Planungsabteilungen mit den vor Ort tätigen Personen, Betrieben und Institutionen durch die Maßnahmenintervention Josefstädter Straße notwendig. Der „Masterplan für eine partizipative Stadtentwicklung“ soll zeigen, welche Möglichkeiten es für die Wiener Bevölkerung gibt, sich an städtebaulichen Vorhaben zu beteiligen. Das Hochhausprojekt „Danube Flats“ hatte aufgrund der befürchteten Eingriffe in die Stadtlandschaft bereits im Vorfeld für viel Kritik, vor allem unter den Anrainern, gesorgt. Aufgabe im Rahmen des Dialog Danube Flats war, die Meinung und Vorschläge der betroffenen Nachbarschaft umfassend einzuholen und zu diskutieren.

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