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UMWELTSCHONEND KÜHLEN, ABER WIE?

Autoren: Peter Holzer, David Stuckey und Renate Hammer

Die Nachfrage nach Kühlung steigt in allen Gebäudetypen sprunghaft an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von einer zunehmenden Urbanisierung über gesteigerte Ansprüche bis, und das stellt langfristig vielleicht die größte Herausforderung dar, zum deutlichen Anstieg der Temperaturen weltweit, der je nach den lokalen Rahmenbedingungen auch verstärkt ausgeprägt auftreten kann. Vielerorts ergeben sich daraus zwei lebenswichtige Fragen: Wie können Gesundheit und Komfort im Gebäude gewährleistet werden? Und welche technischen Kühllösungen verursachen so geringe Treibhausgasemissionen, dass die vorgegebenen Klimaschutzziele eingehalten werden können?

Kühlung mit Strahlungsflächen

Angesichts solcher Herausforderungen bietet die Kühlung mit Strahlungsflächen durch thermische Aktivierung der Raumoberflächen eine leistungsstarke und belastbare Alternative zur herkömmlichen Klimatisierung. Letztere wurde bisher vorwiegend durch Einbringung gekühlter Luftmengen mittels Klimaanlagen realisiert. In den letzten 25 Jahren hat sich die Anzahl und Kapazität derartiger Klimaanlagen verdreifacht. Das darf nicht verwundern, denn auch in nach wie vor klimatisch begünstigten Lagen, wie wir sie in West- und Zentraleuropa jedenfalls vorfinden, stellt die Verschiebung der Temperaturen traditionelle bioklimatische Architekturstrategien in Frage. So kann eine vollständig passive Kühlung durch die Aktivierung thermischer Gebäudemassen mittels intensiver nächtlicher Belüftung den nötigen Komfort nicht mehr sicherstellen – schlicht, weil die Lufttemperaturen im Außenraum in etlichen Sommernächten dafür zu hoch bleiben. Zur Orientierung kann gesagt werden, dass von einer Aktivierung der thermischen Gebäudemasse mittels Nachtlüftung ein ausreichender Kühlungseffekt erwartet werden darf, wenn die nächtliche Umgebungslufttemperatur um rund sechs Grad Kelvin niedriger ist als die gewünschte Raumlufttemperatur während des Tages. Eine leistungsstarke und vielversprechende Alternative zu dieser rein passiven Strategie und abseits der Klimaanlagen stellt die aktive Kühlung der Raumoberflächen dar.

Gekühlt wird dabei tatsächlich der Mensch im Innenraum im Strahlungsaustausch mit den ihn umgebenden Oberflächen. Menschen empfinden diese Art der Temperierung als sehr komfortabel, überraschenderweise speziell bei einer Aktivierung der Raumdecke, weil diese evolutionär dem kalten Nachthimmel entspricht. So wird eine Differenz der Strahlungstemperatur von Boden und Decke von bis zu 14 Grad Kelvin gut akzeptiert, wenn die Decke kühler ist als der Boden, aber lediglich von vier Grad Kelvin, wenn der Boden kühler ist als die Decke. Räume mit moderat gekühlten Decken werden daher nicht als künstlich konditioniert, sondern als an den Außenraum angekoppelt wahrgenommen.

Weiters ist in Betracht zu ziehen, dass die Temperatur der kühlenden Strahlungsflächen nur knapp unter der Raumtemperatur und damit deutlich höher als bei herkömmlichen Klimaanlagen liegt. Deshalb können natürliche Kühlquellen, etwa das Erdreich, vergleichsweise einfach und umweltfreundlich in technische Kühlsysteme mit Strahlungsflächen integriert werden.

Vorbeistreichen am Körper bewirkt die Kühlung

Eine weitere Stärke der Temperierung durch kühle Strahlungsflächen liegt in der Kompatibilität mit der sogenannten Komfortbelüftung, also in einer Kombination mit einer gewissen Luftbewegung. Es ist ein weithin bekanntes und für alle nachvollziehbares Phänomen, dass Luftbewegung einen starken Beitrag zur thermischen Behaglichkeit leistet, solange sie nicht als Zugluft empfunden wird. Dabei wird die Luft selbst nicht abgekühlt, sondern lediglich das Vorbeistreichen am Körper bewirkt die Kühlung. Bei einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde, was gemächlichem Gehen entspricht, entsteht so ein Kühleffekt von etwa drei Grad Kelvin.

Dennoch gibt es eine wichtige Einschränkung der Kühlung mit Strahlungsflächen, nämlich die Kondensationsgefahr. So ist es bauphysikalisch zwingend notwendig, dass die Temperatur der Raumoberflächen deutlich über der Taupunkttemperatur der Raumluft bleibt. Was also zwingend vermieden werden muss, ist ein Phänomen, das im Extremfall sehr kühler Oberflächen und hoher Luftfeuchtigkeit einfach beobachtet werden kann: wenn sich am winterlich kühlen Badezimmerfenster während des Duschens Wassertröpfchen bilden. Bestehen die Raumoberflächen aus organischem Material, ist besondere Umsicht geboten. Hier darf die kühle Fläche die sogenannte Schimmelrisikotemperatur nicht unterschreiten. Diese entspricht einer relativen Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent. Daher ist die Strahlungskühlung eine perfekte Lösung in heißen und trockenen sowie in gemäßigten Klimazonen, wie sie in Europa vorwiegend bestehen. In feuchten Klimazonen, etwa in den Subtropen, ist ihre Einsetzbarkeit hingegen beschränkt. Praktisch erfolgt eine technisch gestützte Aktivierung der Gebäudemasse zur Kühlung auf hydraulischem Weg, also durch die Installation von wasserführenden Rohrleitungen. Das zirkulierende Wasser leitet dabei effektiv Wärme aus dem aktivierten Bauteil ab.

Nicht ausschließlich an Betonkonstruktionen gebunden

In den meisten Fällen wird das Prinzip auf Betondecken angewendet. Die rohrtragende Schicht kann in der Mitte der Betonkonstruktion oder in der Nähe der Deckenfläche platziert werden. Typische Abstände der Rohre betragen um die 20 Zentimeter. Beste Ergebnisse werden dabei mit einem spezifischen Wasserdurchfluss von zehn bis zwölf Litern pro Quadratmeter und Stunde und mit Rohren mit einem Durchmesser von 14 Millimetern bis zu einer Länge von 100 Metern erzielt. Die hydraulische Oberflächenkühlung ist aber nicht ausschließlich an Betonkonstruktionen gebunden. Vielmehr steht eine breite Palette von erprobten Materialien und Konstruktionen zur Verfügung.

Die Systemtemperaturen des umlaufenden Wassers können im Bereich von 20 bis 22°C liegen. In den gemäßigten Klimazonen in Europa zeigt hydraulische Oberflächenkühlung, die mit konstant 21°C Wassereintrittstemperatur betrieben wird, sehr zufriedenstellende Ergebnisse. Es ergibt sich eine Art Selbstregulationseffekt: Steigt die Raumtemperatur, steigt die Kühlleistung. Sinkt die Raumtemperatur, sinkt die Kühlleistung. Sinkt die Raumtemperatur auf 23 oder 22°C, hört der Kühleffekt vollständig auf, ohne dass aufwendige Regelalgorithmen erforderlich sind.

Die für das System tauglichen vergleichsweise hohen Temperaturen bieten viele Optionen für die passive Wärmeabgabe an natürliche Umweltwärmesenken: über Brunnen an das Grundwasser, über Röhrensysteme gegen den Himmel oder und im Speziellen an den Erdkörper, wodurch eine Regeneration der Wärmeentnahme für Heizzwecke im Winter gegeben ist. Daraus ergibt sich die Möglichkeit eines klimaneutralen Betriebs, nicht zuletzt auch im Sinne einer Bewirtschaftung von Gebäuden in Kreisläufen.

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