The FIFA Weekly Ausgabe #27

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NR. 27, 25. APRIL 2014

DEUTSCHE AUSGABE

Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904

COLLINA Der Unparteiische

FIDSCHI CHAMPIONS LEAGUE IN OZEANIEN

NIKO KOVAC DAS NEUE KROATIEN

KOLUMBIEN GARCÍA MÁRQUEZ UND DI STÉFANO W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY


I N H A LT

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Nord- und Mittelamerika 35 Mitglieder www.concacaf.com

Pierluigi Collina Darf ein Schiedsrichter zum Star avancieren? Wo liegen seine Kernkompetenzen? Und wie geht der Unparteiische in seiner Laufbahn mit Druck um? Wir sprachen sieben Wochen vor dem WM-Start mit dem Mann, der das Schiedsrichter-Dasein einst revolutionierte: Pierluigi Collina aus Italien.

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Das WM-Ticket Farbig, informativ, simpel: Die Eintrittskarten zu den WM-Stadien in Brasilien sind erschienen. Was Sie als Besucher alles dazu wissen müssen.

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S epp Blatter “Ehret einheimisches Schaffen”, sagt der FIFA-Präsident in Bezug auf die Ausländerbeschränkung in einer Mannschaft. “Es ist nicht zu spät, die Idee der 6+5-Regel nochmals ernsthaft zu diskutieren.”

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Turning Point Mit seiner Hochzeitsreise setzte Jean-Paul Brigger 1979 seine Karriere aufs Spiel. “Du kannst gleich wieder umdrehen”, wurde dem Stürmer nach seiner Rückkehr vom Klub mitgeteilt. Ein Gespräch verhinderte Schlimmeres.

Südamerika 10 Mitglieder www.conmebol.com

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Carlos Tévez Wie ein TangoSänger den argentinischen Stürmer ins Nationalteam befördern will.

WM-Gruppen A – C

Collina Das Titelbild mit unserem Protagonisten ist im Jahr 2009 entstanden. Pierluigi Collina posierte für das Foto in einem Hotel in der italienischen Region Piemont.

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Gruppe B

Gruppe C

Brasilien

Spanien

Kolumbien

Kroatien

Niederlande

Griechenland

Mexiko

Chile

Elfenbeinküste

Kamerun

Australien

Japan

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Cover: Elio Carchidi

Gruppe A


D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L

Europa 54 Mitglieder www.uefa.com

Afrika 54 Mitglieder www.cafonline.com

Asien 46 Mitglieder www.the-afc.com

Ozeanien 11 Mitglieder www.oceaniafootball.com

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Reportage Weshalb die Champions League in Ozeanien einen hohen Stellenwert geniesst.

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Bundesliga Trainer Huub Stevens schenkt dem VfB Stuttgart Kraft im deutschen Abstiegskampf.

Niko Kovac Kroatiens Coach glaubt an die Chance, im Eröffnungsspiel gegen Brasilien zu punkten.

WM-Gruppen D – H

Inhalt: Getty Images (3), imago

Gruppe D

Gruppe E

Gruppe F

Gruppe G

Gruppe H

Uruguay

Schweiz

Argentinien

Deutschland

Belgien

Costa Rica

Ecuador

Bosnien-Herzegowina

Por tugal

Algerien

England

Frankreich

Iran

Ghana

Russland

Italien

Honduras

Nigeria

USA

Korea

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UNCOVERED

Geduld und Erfolg

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Mark Kolbe / Getty Images

ierluigi Collina ist Wiederholungen gewohnt. Der frühere Weltklasse-Referee musste immer wieder auf Einwurf, Elfmeter oder Freistoss entscheiden. Dass er aber ein und desselbe Gespräch wiederholen muss, war ihm bis jetzt nicht oft untergekommen – unserer Mitarbeiterin Doris Ladstaetter spielte die Aufnahmetechnik einen Streich. “Danke, dass Sie auch bei diesem Interview nie die Geduld verloren haben”, bemerkt sie am Ende des Gesprächs, “das hat Sie wohl zum Star unter den Schiedsrichtern gemacht.” Collina fragt zurück: “Darf ich ehrlich sein? Einfach war es nicht.” Beides war nicht einfach – nicht sein Weg an die Spitze, und auch nicht, stets die Geduld zu wahren, auf und neben dem Platz. Jene Medaille aber, die ihm FIFA-Präsident Sepp Blatter nach dem WM-Finale 2002 überreichte, sei “für einen Schiedsrichter wie der Gewinn des WM-Titels für einen Spieler.” Sie lohnte jede Mühsal.

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urchaus mühselig, aber doch in freudiger Atmosphäre begann der Weg des ozeanischen Teams an die FIFA-Klub-WM 2014 im Dezember in Marokko. Elio Stamm hat sich auf Fidschi umgesehen, wo gerade das Champions-League-Turnier der Ozeanischen Fussball-Konföderation OFC in drei Gruppen zu je vier Teams ausgespielt worden ist. In den kommenden Tagen stehen in Heim- und Auswärtsspiel die Halbfinale an. Favorit auf den Titel – und damit auf die Teilnahme in Marokko – ist der Auckland FC aus Neuseeland, der bis jetzt fünf Mal an einer Klub-WM mittun konnte.

grund steht. Es ist das alte Lied”, sagt ein gelassener Kovac im Interview.

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n seiner Kolumne fordert FIFA-Präsident Blatter: “Schützt die Nationalteams!” Die 6+5Regel verdiene es, nochmals ernsthaft diskutiert zu werden. Diese sieht vor, dass ein Klub jede Partie mit mindestens sechs Akteuren beginnen muss, die für das Nationalteam des jeweiligen Landes spielberechtigt sind. Å

Perikles Monioudis

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anz ohne Südseeträume reist Niko Kovac, Coach des kroatischen Nationalteams, zur WM nach Brasilien. Er möchte im Eröffnungsspiel dem Gastgeber ein Schnippchen schlagen. “Ich habe versucht, den Spielern bewusst zu machen, dass das Kollektiv im Vorder-

Die Zeit im Blick Ein Schiedsrichter vor dem Champions-League-Spiel in Lautoka, Fidschi. T H E F I FA W E E K LY

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COLLINA

“ICH DACHTE ANDERS” Was macht einen guten Referee aus? Er muss authentisch sein, sagt Pierluigi Collina. Der Italiener über seinen Weg zur Schiedsrichterlegende.

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Katrin Binner

COLLINA

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COLLINA

Mit Pierluigi Collina sprach Doris Ladstaetter

Ein guter Schiedsrichter darf sich also nie überraschen lassen?

Sie sind als erster und einziger Schiedsrichter der Geschichte ein Star geworden. Da sollten Sie doch einen Tipp haben für Ihre Kollegen, die zur WM in Brasilien antreten?

Auf keinen Fall. Ein guter Schiedsrichter ist dem Spiel stets einen Schritt voraus. Er muss das Spiel vorwegnehmen können. Nur ein Schiedsrichter, der weiss, wie ein Spiel ablaufen wird, wird auch an der richtigen Stelle stehen, die richtigen Aktionen sehen und in Folge richtig pfeifen können. Einem Schiedsrichter, der dem Spiel hinterherläuft, entgleitet das Geschehen auf dem Spielfeld irgendwann.

Was ich stets versucht habe, ist, meine Arbeit so ernsthaft und gewissenhaft wie möglich zu machen.

Ist ein guter Schiedsrichter nachgiebig oder streng?

Sie wurden sechsmal in Folge zum “Weltschiedsrichter des Jahres” gewählt. Das ist Rekord. Was haben Sie besser gemacht als alle anderen?

Ein guter Schiedsrichter ist korrekt. Ich habe immer sehr viel Gewicht darauf gelegt, mein Bestes zu geben und fair gegenüber allen zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass das die Requisiten eines guten Schiedsrichters sind.

Herr Collina, wie wird ein Schiedsrichter zum Star? Pierluigi Collina: Ich befürchte, dass ich auf diese Frage keine Antwort habe.

Ich bin schon damals sehr professionell an meine Aufgabe herangegangen. Ich habe vielleicht einfach mehr getan, als erforderlich war. Ende der Neunzigerjahre musste ein Schiedsrichter das Regelwerk beherrschen und körperlich fit sein. Das waren die einzigen Anforderungen. Ich dachte anders. Ich sammelte im Vorfeld eines Spiels alle möglichen Informationen über die Mannschaften und die einzelnen Spieler. Vor dem WM-Finale in Südkorea und Japan 2002 verbrachte ich die meiste Zeit im Hotelzimmer und guckte Videos der Mannschaften. Ich studierte Bewegungen, Eigenheiten und Spielzüge und tauschte mich dann mit meinem Team darüber aus. Was man kennt, das kann einen nicht überraschen.

Wie haben Sie reagiert? Ich bin in mich gegangen und habe mich gefragt, warum ich diese Fehlentscheidung getroffen habe. Für jeden Fehler gibt es eine Erklärung. Warum habe ich diesen Fehler gemacht? War ich nicht gut genug vorbereitet? Solche Fragen habe ich mir gestellt. Danach ist es am wichtigsten, eine Fehl­entscheidung wieder zu vergessen. Man darf sich von der Erkenntnis, dass man Fehler macht, nicht unterkriegen lassen. Am allerwichtigsten ist es, nach einer Fehlentscheidung stärker als zuvor auf das Spielfeld zurückzukehren.

Bittet ein guter Schiedsrichter um Entschuldigung? Wieso sollte ich um Entschuldigung bitten? Das mache ich, wenn ich etwas absichtlich getan habe. Ich habe doch mein Bestes getan und versucht, das Richtige zu tun, und dabei habe ich eben einen Fehler gemacht.

Welche Fehlentscheidung auf dem Spielfeld haben Sie bereut?

Was ist Ihre stärkste Eigenschaft?

Bereut wäre das falsche Wort. Es ist korrekter zu sagen, dass mir eine Entscheidung leid getan hat.

Ich widme mich einer Aufgabe bedingungslos und versuche, stets mein Bestes zu geben.

“Für jeden Fehler gibt es eine Erklärung.”

S ku r i l l e E n t s c hei d u ng en vo n 1930 bi s 19 66 URUGUAY 1930

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URUGUAY 1930 Diplomatischer Entscheid: Der Belgier John Langenus leitete als erster Schiedsrichter ein WM-Finale und bewies schon vor dem Anpfiff ein gutes Gespür. Die Teams brachten beide einen eigenen Ball mit, worauf Langenus entschied, dass während der ersten Halbzeit der argentinische, während der zweiten der uruguayischen Ball benutzt werden soll. T H E F I FA W E E K LY

Getty Images (6)

Schiedsrichter haben einen schweren Stand. Pfeifen sie ein gutes Spiel, fallen sie niemandem auf. Treffen sie eine Fehlentscheidung, die das Spielergebnis beeinflusst, bleiben sie in ewiger und meist nicht guter Erinnerung. Manchmal treffen sie aber auch Entscheidungen, die den Fussball revolutionieren. Hier sind die besten und skurrilsten Anekdoten zu den Unparteiischen an einer Weltmeisterschaft.

Der frühe Schlusspfiff: Aus unerklärlichen Gründen beendete der brasilianische Unparteiische Almeida Rego die Partie Argentinien – Frankreich sechs Minuten zu früh. Nach lautstarken Protesten der französischen Mannschaft – sie lag 0:1 in Rückstand – rief er die Spieler zurück aufs Feld. Das dauerte einen Moment. Denn einige Spieler waren schon unter der Dusche.


0 1 0 _ R U B R I K T I _ KC LO E ILNL _ IN L IAN I E _ V E R S A L _ X 0 1

Person und dem, was auf dem Spielfeld passiert oder passieren kann, schaffen, um gesund aus diesem Job herauszukommen. Mit psychologischem Stress muss man auf jeden Fall umgehen können.

Es gibt Schiedsrichter, die daran scheitern und sich zurückziehen müssen. Es gibt in jedem Bereich Menschen, die besser und schlechter mit Stress umgehen können. Wer Spiele auf einem bestimmten Niveau pfeift, der hat eigentlich schon bewiesen, dass er mit Stress umgehen kann.

Wie haben Sie sich beruhigt, als Sie wussten, dass Sie ein bedeutendes Spiel pfeifen werden, bei dem Ihnen nicht nur in etwa 80 000 Menschen im Stadium penibel bei der Arbeit zusehen, sondern auch Milliarden vor dem Fernseher?

Schau da! Ronaldinho (l.) und Juliano Belletti (beide FC Barcelona) bei Collina (Stamford Bridge, Chelsea, 8. März 2005).

Ihre grösste Schwäche? (Collina überlegt) Es fällt mir sehr schwer, Fehler einzugestehen.

Wenn ein Spieler einen Elfmeter nicht in das Tor setzt, wird er von seinen Mannschaftskollegen getröstet. Wenn zehntausend Menschen einen

ITALIEN 1934 Unter Mussolini: Der italienische Diktator Benito Mussolini nutzte die Heim-Weltmeisterschaft 1934 als Werbung für den Faschismus. Der schwedische Schiedsrichter Ivan Eklind leitete das Finale (Italien – Tschechoslowakei) unter speziellen Umständen: Es wurde im Nationalstadion der Faschistischen Partei in Rom vor 50 000 Zuschauern ausgetragen.

Schiedsrichter im Stadium auspfeifen, steht er allein auf dem Feld.

So dürfen Sie nicht einmal ansatzweise denken. Ein Schiedsrichter muss lernen, cool mit der Bedeutung eines Spieles umzugehen. Ich habe immer versucht, jedes Spiel so anzugehen, als wäre es ein völlig normales Spiel. Und jedes Spiel so zu behandeln, als wäre es das Endspiel einer WM. Letzteres ist ohnehin schwieriger.

Da mussten Sie Ihrem Gehirn aber ein ordentliches Schnäppchen schlagen.

Es stimmt schon: Ein Schiedsrichter braucht ein dickes Fell. Das ist eine der Voraussetzungen, um überhaupt einer werden zu können. Man muss in seinem Inneren einen bestimmten Abstand zwischen der eigenen

Ich habe immer versucht, die maximale Konzentration bei einem Spiel einzubringen. Es ist mir schon passiert, dass ich am Mittwoch ein Spiel zwischen Manchester United und Real Madrid pfiff und drei Tage später ein Spiel in der Serie B in Italien. Es ist einfach,

CHILE 1962

ENGLAND 1966

Aston und die “Schlacht von Santiago”: Chile und Italien gingen im Gruppenspiel 1962 überhart zur Sache. Schiedsrichter Ken Aston musste über die 90 Minuten immer wieder schlichten und verwies zwei Italiener des Feldes – einer der beiden hatte einen Nasenbeinbruch erlitten. Aston ging später als Erfinder der Gelben und Roten Karten in die Geschichte ein.

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Polizeieinsatz auf dem Feld: Nach fünf Verwarnungen im Spiel England gegen Argentinien stellte Rudolf Kreitlein den argentinischen Kapitän Antonio Rattin vom Platz. Dieser akzeptierte den mündlichen Platzverweis des Deutschen aber nicht und weigerte sich das Feld zu verlassen. Nach zehnminütiger Unterbrechung wurde Rattin dann von Polizeibeamten vom Rasen begleitet. 9


COLLINA

die Konzentration für das erste Spiel zu finden. Sie auch für das Spiel in der Serie B aufzubringen, ist schwieriger. Daran musste ich arbeiten.

Wer ist der bessere Schauspieler: Der Spieler oder der Schiedsrichter? Der Schiedsrichter darf kein Schauspieler sein, er muss authentisch sein. Wenn ein Schiedsrichter sich verstellt und so tut, als wäre er ein anderer, merkt man das sofort.

Was ist die schlimmste Ungehörigkeit seitens der Spieler auf dem Spielfeld? Mit Sicherheit die Simulation, das Erreichen eines Resultates durch Täuschung. Das ist Betrug: nicht nur am Schiedsrichter und am Gegner, sondern auch am Fan. Ein Resultat zu verfälschen, hat nichts mit gewinnen zu tun. Diesem Aspekt sollte mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Da gerät doch das Blut in Wallung, wenn ein Spieler zum dritten Mal mit einer Schwalbe zu Boden geht. Nein, das Blut darf nicht in Wallung geraten. Aber der Spieler muss verwarnt werden.

Vor zehn Jahren stand Ihr Name noch im Telefonbuch, als ich Sie für ein erstes gemeinsames Interview kontaktierte. Inzwischen ist es um einiges komplizierter, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Ich weiss, und das bedauere ich. Aber bestimmte Umstände haben das notwendig gemacht.

Welche Umstände? Leider musste ich die traurige Erfahrung machen, anonyme Drohungen in Form von Pistolenkugeln zu erhalten. Daraufhin erhielt ich Polizeischutz und wurde auf Schritt und Tritt bewacht.

Sie wurden in Italien vergleichbar mit einem Staatsanwalt, der Polizeischutz hat, weil er Bandenkriege untersucht, bewacht? In etwa. Es war keine schöne Erfahrung. Es ist nicht angenehm, wenn man aus dem Haus geht, stets noch zwei Polizisten mitzunehmen.

Wer hat Sie bedroht? Die Täter wurden nie gefasst. Irgendwann haben die Drohungen aufgehört. Aber es ist traurig, dass so etwas auch im Fussball passiert.

Sie wurden der Star unter den Schiedsrichtern. Nebenbei aber gingen Sie einer weiteren Arbeit nach, denn in Italien sind Schiedsrichter – wie in den meisten Ländern – keine Profis.

Ich habe viele Jahre freiberuflich als Finanzberater für eine Bank gearbeitet. Das liess sich gut mit meiner Tätigkeit als Schiedsrichter vereinbaren.

Ein Schiedsrichter muss auf dem Platz genauso fit sein wie die Spieler. Eine Statistik hat gezeigt, dass ein Spieler pro Spiel zwischen zehn und elf Kilometer läuft, ein Schiedsrichter zwischen zehn und zwölf. Mit dem Unterschied, dass ein Spieler jeden Tag trainiert, während einige Schiedsrichter im Büro sitzen. Ist das fair? Schiedsrichter brauchen Zeit, um sich vorzubereiten, nicht nur physisch. In den meisten Ländern werden sie pro Spiel bezahlt. Das ist in einigen Ländern mehr, in anderen weniger. Wichtig aber ist, dass ein Schiedsrichter sich die notwendige Zeit nehmen kann, um sich optimal auf ein Spiel vorbereiten zu können. Diese Zeit beginnt natürlich schon vor dem Spiel. Und selbstverständlich muss die gesamte Zeit, die ein Schiedsrichter für seine optimale Vorbereitung aufwendet, ausreichend bezahlt sein.

“Ich könnte auch heute noch Spiele auf höchstem Niveau pfeifen.”

S ku r i l l e E n t s c hei d u ng en vo n 19 66 bi s 2010 MEXIKO 1986 Bennaceur und die “Hand Gottes”: Der Tunesier Ali Bennaceur übersah, dass Diego Maradona im Viertelfinale Argentinien – England den Ball in einem Luftduell per Hand über den englischen Torwart Peter Shilton hinweg ins Tor lenkte. Das Tor zählte und Maradona sprach später zynisch von der “Hand Gottes”.

ENGLAND 1966 Das Wembley-Tor: Nach 90 Minuten stand es im Finale zwischen England und Deutschland 2:2. In der Verlängerung prallt ein Schuss des Briten Geoff Hurst von der Latte hinter dem deutschen Torwart zurück auf den Boden. War der Ball hinter der Torlinie oder nicht? Nach Rücksprache mit seinem Assistenten Tofik Bakhramov entschied der Schweizer Gottfried Dienst auf Tor. 10

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Getty Images (8)

SÜDKOREA/JAPAN 2002 Morenos Entscheide: Obwohl die Italiener nicht zimperlich mit Gastgeber Südkorea im Achtelfinale umgingen, waren einige Entscheide des Ekuadorianers Byron Moreno schwer nachzuvollziehen. Vor allem die Rote Karte für Kapitän Francesco Totti (Schwalbe) gab zu reden.


COLLINA

Verwarnung Paul Ince (England; r.) im EM-Spiel gegen Schweden (1:2 am 5. September 1998).

Trost nach der Dramatik Collina und Stefan Effenberg (FC Bayern) nach der 1:2-Niederlage der Münchener im Champions-League-Finale gegen Manchester United (Barcelona, 26. Mai 1999).

Sie sind jetzt 54 Jahre alt und wirken noch immer sehr fit.

Inzwischen sind Sie der Chef der Schiedsrichter-Kommission der UEFA. Schafft das Konkurrenz zu Kollegen wie Massimo Busacca, der die Schiedsrichterabteilung der FIFA führt?

unseren Familien zusammen in Urlaub gefahren. Das macht den Austausch heute einfacher und darüber bin ich sehr froh.

Aber nein. Massimo und ich hatten und haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zueinander. Wir sind früher sogar mit

Gibt es noch Lücken, die es im Regelwerk der Schiedsrichter zu stopfen gilt?

Ich versuche, in Form zu bleiben. Das ist bei meinen vielen Reisen nicht immer einfach. Es ist ja nicht so, dass man aufhört und sich körperlich gehen lässt. Aber ich lebe am Meer und liebe es am Strand zu joggen.

Es gibt kleine Lücken.

SÜDAFRIKA 2010

DEUTSCHLAND 2006

Larrionda und die Torlinien-Technologie: Das uruguayische Schiedsrichtergespann übersah im Achtelfinale zwischen Deutschland und England, dass sich der Ball nach einem Lattenschuss deutlich hinter der Linie des deutschen Keepers Manuel Neuer befand. Nach diesem Fauxpas nahm die FIFA die Diskussion um eine Torlinien-Technologie auf.

Der Russe und die 16 Karten: Valentin Ivanov stellte am Abend des 25. Juni 2006 einen eher zweifelhaften Rekord auf. Er zückte im Achtelfinale zwischen Portugal und den Niederlanden 16-mal die Karten. Vier Spieler stellte er per Gelb-Rot vom Platz. So rigoros agierte bisher noch kein WM-Schiedsrichter.

DEUTSCHLAND 2006 Dreimal Gelb: Der Kroate Josip Simunic erhielt gegen Australien drei Verwarnungen, bevor er die Rote Karte vom Engländer Graham Poll gezeigt bekam. Der Fehler flog erst auf, als der Verteidiger nach Abpfiff den Schiedsrichter schubste und dieser die dritte Gelbe zückte. T H E F I FA W E E K LY

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COLLINA / PORUMBOIU

“Den Spielfluss aufrechterhalten” “THE SECOND GAME” (Al doilea joc), Regie: Corneliu Porumboiu, Mit: Corneliu Porumboiu, Adrian Porumboiu, Dokumentar film, 97 min., engl. UT, Rumänien 2014. Adrian Porumboiu begann 1976 seine Karriere als Schiedsrichter und debütier te 1984 in der höchsten rumänischen Liga. Zwei Jahre später wurde er FIFA-Referee. Seine Karriere beendete er 1997. Im Bild: Adrian Porumboiu am 3. Dezember 1988 (l.); Dinamo – Steaua, 0:0 (r.)

Perikles Monioudis

Refereeing im Rumänien der Vorwendezeit: Der frühere Schiedsrichter Adrian ­Porumboiu und sein Sohn, der Regisseur Corneliu Porumboiu, reden miteinander im Kinofilm “The Second Game”.

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stern 2013, der rumänische Regisseur ­Corneliu Porumboiu – 2006 in Cannes mit der Caméra d’Or geehrt – besucht sein E lternhaus, im Gepäck die DVD mit der ­ Partie Dinamo Bukarest gegen Steaua Bukarest. Er möchte die Aufzeichnung des vom Schneetreiben beinahe verwehten Spiels – vom 3. Dezember 1988 im Dinamo-Stadion “Stephan der Grosse” – gemeinsam mit ­seinem Vater sehen, ganz so, wie er schon unzählige Spiele zuvor mit ihm am Fernseher verfolgt hat. Und doch ist diesmal alles anders. Corneliu spricht mit seinem Vater über eine Partie, die dieser geleitet hat – in einer Welt, die u ­ ntergegangen ist. Er fertigt vom Gespräch eine Tonaufnahme an und legt sie über die Aufzeichnung der Partie. Herausgekommen ist so ein 97-minutiger Dokumentarfilm, der an ein psychologisches Vater-Sohn-Experiment erinnert – und mindestens so spannend ist.

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“The Second Game” aber ist auch ein Lehrfilm zum Refereeing: “Wie hast du e ntschieden, dass das Spiel angepfiffen ­ wird?” Mit dieser Frage beginnt das Gespräch. Im Bild das Schneegestöber und der beschneite Platz, auf dem sich – um nur einige zu erwähnen – Stars wie der junge Dan Petrescu, ­Marius Lacatus, Ilie Dumitrescu, Gheorghe Hagi (alle Steaua), die Torhüterlegende Bogdan Stelea, Ioan Lupescu, Dorin Mateut oder Danuț Lupu (alle Dinamo) warmzuhalten versuchen. Adrian Porumboiu antwortet: “Vor dem Spiel schneite es unaufhörlich. Ich kam dreimal aus der Kabine, um zu prüfen, ob das Feld spielbar ist. Der Ball musste vom Boden ­aufprallen, er durfte nicht steckenbleiben. Wichtiger noch waren die Sichtverhältnisse. Die Tore mussten von der Mittellinie aus zu sehen sein.” Corneliu fragt weiter: “Das Spiel kam live im Fernsehen. Was, wenn es nicht angepfiffen worden wäre?” “Das wäre kein Problem gewesen. Ich hätte das Spiel einfach absagen können.” “Es spielte das Team der Armee gegen das des Polizeikorps, nicht wahr?” “Eigentlich das Team der Armee gegen das der Geheimpolizei. Aber Polizei und Geheimpolizei waren auf derselben Seite. Und das Armeeteam war nicht einfach nur das Armeeteam, es war auch Ceausescus Lieblingsteam.” “Hattest du Angst vor solchen Partien?” “Nein. Man hätte mir nichts antun ­können. Wenn sie wirklich etwas gegen dich

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in der Hand hatten, wandten sie es auch gegen dich an. Dann warst du kein Referee mehr, sondern ihr Sklave. Du musstest dann ihre Befehle ausführen.” “Bei dieser Art von Spielen”, fährt Adrian Porumboiu fort, “wussten alle, was es zu wissen galt, sowohl Dinamo als auch Steaua. Sie kannten dein Leben, lückenlos. Ich glaube, ich hielt zu einem gewissen Zeitpunkt den ­Rekord, was das Leiten solcher Spiele anbelangt. Das erste habe ich bereits nach sechs Einsätzen in der höchsten Liga gepfiffen. Sie hatten mit mir jemanden gewählt, der nicht zu den bekannten Schiedsrichtern zählte. Weder Dinamo noch Steaua wusste etwas über mich. Nachdem ich für das Spiel aufgeboten worden war, haben mich Leute beider Teams besucht – nicht etwa in professionellen oder zumindest korrekten Angelegenheiten.” Corneliu Porumboiu fragt nach einem ­Tackling am Bildschirm: “Gefährliches Spiel?” “Nein”, antwortet sein Vater schnell. “Du gibst oft Vorteil, lässt weiterspielen”, bemerkt ­Corneliu. “Die Aufgabe des Schiedsrichters ist es, den Spielfluss aufrechtzuerhalten”, erwidert Adrian, “heute aber sind die Regeln des Spiels andere. Du kannst zunächst Vorteil geben und dann, falls sich der Vorteil für das Team nicht sofort zeigt, auf Freistoss entscheiden. Früher musste der Schiedsrichters das Risiko einer Fehlentscheidung auf sich nehmen.” “The Second Game” zeigt auf, dass das nicht das einzige Risiko ist, das ein Schiedsrichter damals zu tragen hatte. Å


COLLINA

Können Sie eine Lücke beschreiben?

hinter dem Körper, wenn sie den Ball einwerfen.

Nehmen wir an, ein Spieler begeht ein Foul und wird dafür verwarnt. Mit dem Foul hat er auch einen Spieler der gegnerischen Mannschaft verletzt, der das Spielfeld verlassen muss, um behandelt zu werden. Sobald dieser Spieler das Feld verlassen hat, wird das Spiel wieder aufgenommen – und zwar mit numerischer Überlegenheit der Mannschaft, die das Foul begangen hat. Das ist sportlich gesehen nicht korrekt. Die Mannschaft, die das Foul begangen hat, wird sozusagen noch für das Foul belohnt, weil sie mit einem Mann mehr weiterspielen kann. Gerecht wäre es, die Regel so abzuändern, dass auch der Spieler, der das Foul begangen hat, so lange vom Spiel ausgeschlossen wird, bis der verletzte Spieler wieder mit ihm zurückkehren kann.

Die Regeln diesbezüglich sind klar. Manchmal ist ein Schiedsrichter vielleicht weniger streng, weil ein Einwurf von der Seitenlinie nicht als besonders wichtiger Spielmoment gewichtet wird.

Warum schlampen viele Schiedsrichter, wenn es um die korrekte Beobachtung des Balleinwurfs geht? Die allerwenigsten der Spieler haben beide Füsse auf dem Boden und die Hände

Ein guter Schiedsrichter braucht also auch ein ausgezeichnetes Verständnis dafür, festgeschriebene Regeln richtig auslegen zu können. Ja, das braucht er.

Darüber hinaus braucht ein guter Schiedsrichter auch noch absolute Selbstkontrolle. Und gleichzeitig muss er Verständnis für die Fehler der anderen haben. Das ist alles richtig.

Ein guter Schiedsrichter muss also der perfekte Psychologe sein? Das ist etwas übertrieben. Aber natürlich brauchen Sie als Schiedsrichter sehr viel Menschenkenntnis. Sie müssen die Körper-

Name Pierluigi Collina Geburtsdatum/Geburtsort 13. Februar 1960, Bologna FIFA-Schiedsrichter 1995 – 2005 Wichtigste Einsätze WM-Finale 2002, ChampionsLeague-Finale 1999, UEFA-Cup-Finale 2004 Heutige Tätigkeit Chef der SchiedsrichterKommission der UEFA Auszeichnungen Sechs Mal in Folge “Weltschiedsrichter des Jahres” (1998 – 2003)

sprache lesen können, und Sie müssen wissen, wie man mit Menschen korrekt umgeht. Wenn ich zum Beispiel zu nah an einen Spieler herantrete, ihn vielleicht auch noch anfasse, dann verletze ich damit seine Privatsphäre. Das kitzelt mit grosser Wahrscheinlichkeit das Gegenteil der von mir gewünschten Reaktion hervor. Also trete ich schon mal nicht zu nah an einen Spieler heran.

Haben Sie Psychologie studiert? Nein, ich habe Wirtschaft studiert. Aber ich habe ein paar Bücher zum Thema gelesen.

Kann ein Schiedsrichter es sich erlauben, sensibel zu sein? Ja – sofern sensibel nicht bedeutet, dass ein Schiedsrichter sich isoliert. Wenn Sie mit Sensibilität meinen, dass ein Schiedsrichter Leidenschaft zeigt, dann muss er sogar sensibel sein.

Können Sie uns erklären, warum ein Mensch alle diese Qualitäten für ein mässiges Gehalt aufbieten sollte und dazu noch bereit sein sollte, sich regelmässig extremem ­psychischem Stress auszusetzen? Jetzt sprechen Sie doch nicht nur von den Belastungen eines Schiedsrichters. Lassen Sie uns ein wenig bei den Vorteilen dieser Tätigkeit bleiben. Es gibt auch sehr viele schöne Momente. Ich habe mit grossartigen Spielern auf dem Spielfeld gestanden und ich hatte das Privileg, Topspiele zu pfeifen. 2002, nach dem WM-Finale zwischen Brasilien und Deutschland, habe ich eine Medaille vom FIFA-Präsidenten Sepp Blatter erhalten. Das ist für einen Schiedsrichter wie der Gewinn des WM-Titels für einen Spieler.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich jemand freiwillig auf das Schiedsrichter-Dasein stürzt. Das habe ich nicht getan. Ich habe Fussball gespielt, und als ich siebzehn war, haben mir einige Leute gesagt, ich hätte Talent zum Schiedsrichter. Sie meinten, ich hätte eine ausserordentliche Fähigkeit, in Sekundenschnelle Entscheidungen zu treffen und diese auch vor älteren Spielern zu vertreten. Ich bin den Menschen, die mir dazu geraten haben, bis heute dankbar für den Tipp.

Danke, dass Sie auch bei diesem Interview nie die Geduld verloren haben. Das hat Sie wohl zum Star unter den Schiedsrichtern gemacht. Katrin Binner

Darf ich ehrlich sein?

Bitte. Einfach war es nicht. Å

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BLICK IN DIE LIGEN

N Bundesliga

Die etwas andere Champions League Sven Goldmann ist Fussball­ experte beim “Tagesspiegel” in Berlin.

Die Bundesliga ist ein bisschen langweilig geworden, und Schuld daran ist wieder mal Bayern München. Wenn der Meister schon sieben Spieltage vor Schluss feststeht, ist das nicht so gut für den Wettbewerb. Bevor das nun zu einem Standortnachteil im globalen Wettstreit der Ligen ausartet, hat sich die Bundesliga unter ihrem Dach schnell eine neue Liga gebastelt. Es ist eine Champions League am südlichen Rand der Tabelle. Eintracht Braunschweig, 1. FC Nürnberg, Hamburger SV und VfB Stuttgart – die vier Letzten im Tableau waren alle zu Bundesligazeiten schon mindestens einmal Deutscher Meister. Diese Zusammenstellung verleiht dem Abstiegskampf in der Bundesliga in diesem Frühjahr eine Attraktivität, wie er sie noch nie hatte. Drei Spieltage vor Schluss hat der letztjährige Aufsteiger Braunschweig als Tabellenletzter die schlechteste Ausgangsposition. Das kommt

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nicht sehr überraschend, schliesslich hat der Klub erst einmal die Meisterschaft gewonnen, und das ist auch schon bald 50 Jahre her. Das ist die schlechteste Bilanz aller vier Champions im Abstiegskampf. Der 16. Platz, der zu zwei Qualifikationsspielen gegen den Dritten der Zweiten Liga berechtigt, ist aber nur zwei Punkte entfernt. Die No-­Name-Mannschaft hat den grossen Vorteil, dass sie ohne jeden Druck aufspielen kann, weil ohnehin jeder ihren Abstieg erwartet hat. Zuletzt hätte es beinahe zu einem Unentschieden gegen die Bayern gereicht. Dieses Spiel ging dann doch noch 0:2 verloren, aber viel wichtiger ist für die Braunschweiger, dass sie am Samstag beim letztjährigen Mitaufsteiger Hertha BSC ein Erfolgserlebnis mitnehmen. Ein Platz vor Braunschweig kämpft der 1. FC Nürnberg um seine erstklassige Zukunft. Die Nürnberger haben zwar schon neunmal die Deutsche Meisterschaft gewonnen, aber nur eines von den neun jüngsten Spielen dieser Saison. Deswegen haben sie sich drei Tage vor dem drittletzten Spieltag von ihrem erst im Oktober verpflichteten Trainer Gertja Verbeek getrennt. Das Problem ist, dass vorne nur einer Tore schiessen kann, nämlich der Schweizer Josip Drmic. Das hat sich mittlerweile in der Liga herumgesprochen, wahrscheinlich auch bis zum Europa-­ League-Kandidaten FSV Mainz 05, bei dem Nürnberg am Samstag anzutreten hat.

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Der Hamburger SV, immerhin sechsmaliger Meister, verfügt mittlerweile über gar keinen Torschützen mehr, seitdem sich der von Hertha BSC ausgeliehene Pierre-Michel Lasogga verletzt bis zum Saisonende abgemeldet hat. Der HSV führt im Briefkopf einen Sieg im Europapokal der Landesmeister 1983 und ist die einzige Mannschaft, die seit der Bundesliga-Gründung 1963 ohne Unterbrechung erstklassig ist. Viel wichtiger für die Gegenwart ist aber, dass die Hamburger zuletzt im Oktober 2013 ein Auswärtsspiel gewonnen haben. Das macht vor dem Saison­ endspurt mit zwei Auswärtsspielen – am Sonntag beim S ­ hootingstar Augsburg und zum Saisonfinale in Mainz – wenig Hoffnung. Dazwischen liegt das einzige Heimspiel ... gegen Bayern München. Die besten Aussichten im tiefen Süden der Tabelle hat der sechsmalige Meister VfB Stuttgart. Nach sieben Punkten aus den letzten drei Spielen aber liegt der VfB schon vier Punkte vor dem Hamburger SV und ist drauf und dran, den exklusiven Abstiegszirkel wieder zu verlassen. Doch auch Stuttgart muss noch zweimal auswärts antreten – am Freitag in Hannover und zum Finale bei den Bayern. Es bleibt also spannend in dieser etwas anderen Champions League. Å

Trübe Aussichten Heiko Westermann verliert mit dem HSV 1:3 gegen Wolfsburg – der erste Abstieg in der Hamburger Klubgeschichte ist bedrohlich nahe. 14

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Oliver Hardt / Getty Images

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Kolumbien: Liga Postobón

Jeder gegen jeden Jordi Punti ist Romanautor und Verfasser zahlreicher Fussball-Features in den spanischen Medien.

Der letzte Spieltag der Liga Postobón I war überschattet vom Tod des grossen kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márquez. In den meisten Stadien gab es eine Schweigeminute für den Literaturnobelpreisträger und Nationalhelden, und die Sportchronisten gaben sich alle Mühe, die Verbindungen zwischen “Gabo”, wie García Marquez liebevoll genannt wird, und der Fussballwelt noch einmal Revue passieren zu lassen. In Márquez’ Autobiographie “Leben, um davon zu erzählen” erinnert er sich daran, dass er als Junge auf dem Fussballplatz seines Heimatortes als Torhüter fungierte und beschreibt den Augenblick, in dem er wegen eines Freundes, der Stürmer war, die Lust verlor: “Ich war ein recht guter Torwart, aber (…) dann bekam ich den Ball nach einem unglaublich harten Schuss von ihm direkt in den Magen und das war das Ende meiner Ambitionen.”

Luis Ramirez / Getty Images

García Márquez schrieb über Fussball nur sehr wenig. Dieser Tage haben sich viele an seine einzige Erzählung zurückerinnert, in der der Fussball die Hauptrolle spielt. Liest man sie, so lässt man einen Nachmittag des Jahres 1950 Revue passieren, an dem zwei grosse Ikonen an einem Ort zusammentrafen, deren Karriere noch ganz am Anfang stand: García Márquez selbst und Alfredo Di Stéfano. García Márquez war Anhänger von Atlético Junior aus Barranquilla und sah sich eine Partie zwischen seinem Lieblingsverein und Millonarios an. Der Star des Teams aus Bogotá war ein gewisser Alfredo Di Stéfano, der bereits mehrere Titel in der Liga errungen hatte und der Real Madrid einige Jahre später zum ersten Europapokalsieger machen sollte. An diesem Nachmittag achtete “Gabo” auf alles, was sich auf dem Spielfeld und auf den Rängen abspielte und schrieb später eine Geschichte mit dem Titel “El Juramento” (Der Schwur). Darin berichtet er, wie er zur “Bruderschaft der Fussballfans” konvertierte. Ferner fand er Gefallen daran, die Spieler mit Schriftstellern zu vergleichen. Der Brasilianer Heleno de Freitas hätte seiner Meinung nach ein guter Krimiautor sein können, und zwar aufgrund “seines überlegten Kalküls, seiner ruhigen Bewegungen, die an einen Ermittler erinnerten, und seiner schnellen und überra-

Doppeltorschütze Dayro Moreno von den Millonarios war Mann des Spiels beim 3:1-Sieg gegen Tolima.

schenden Vorstösse”. In Bezug auf Di Stéfano schrieb er: “ ...wenn es etwas gab, wovon er etwas verstand, dann war es die Rhetorik.” An diesem Nachmittag des Jahres 1950 setzte sich Junior mit 2:1 durch. Es handelte sich um eine Partie zwischen zwei grossen Traditionsmannschaften, von der es dieses Jahr eine Neuauflage geben könnte, falls sie im Halbfinale der Hinrunde der kolumbianischen Liga aufeinandertreffen. Am letzten Wochenende landeten Millonarios und Junior nach dem letzten Spieltag der regulären Saison auf dem zweiten bzw. dritten Tabellenplatz. Den ersten Rang belegte Nacional. Die Meisterschaft war bislang ein enges Rennen, und derzeit lässt sich noch kein klarer Titelfavorit ausmachen. Jeder Fussballverband organisiert seine Liga bekanntlich auf seine ganz eigene Weise, und der kolumbianische Wettbewerb verfügt über ein Element des magischen Realismus. Die reguläre Saison besteht aus insgesamt 18 Spieltagen. An 17 davon treten die Teams im Modus “jeder gegen jeden” gegeneinander an. Zusätzlich werden am neunten Spieltag noch die “Clásicos” angesetzt, Lokalderbys, die auf jeden Fall im Zeichen des Spektakels stehen. Die acht bestplatzierten Teams werden am Samstag in eine Gruppen­phase starten, in der die Teilnehmer des grossen Finales im Hin- und Rückspielmodus ermittelt werden. Traditionell sind Nacional und Millonarios die ersten Titelanwärter, wobei das Team aus Bogotá derzeit über mehr Aktivposten verfügt. Millonarios kann mit Dayro Moreno auf den Spieler zählen, der aktuell den besten Lauf hat. Am vergangenen Sonntag trug er zwei Treffer zum 3:1-Sieg gegen Tolima bei, und er T H E F I FA W E E K LY

führt die Torjägerliste an. Dayro Moreno, in dem viele die ideale Ergänzung oder gar den Ersatz für Falcao im Nationalteam sehen, ist ein quirliger und umtriebiger Spieler. In den letzten zehn Jahren war er für sieben verschiedene Vereine aktiv. Nun scheint es jedoch, als sei er bei Millonarios endlich zur Ruhe gekommen. Zwar halten sich immer noch hartnäckige Gerüchte über einen möglichen Wechsel, er selbst gibt jedoch an, bleiben zu wollen. Ein weiterer interessanter Aspekt bei Millonarios ist die Übernahme des Traineramtes durch den Spanier Juanma Lillo. Der Fussballtheoretiker, Freund von Pep Guardiola und begeisterter Leser, hat den Klub an den modernen Fussball herangeführt, ausgerichtet auf Kurzpassspiel und Ballbesitz, der beim Publikum nicht immer auf die nötige Geduld stiess. Aber wenn sich das Ganze auch etwas zögerlich anliess, hat die Mannschaft die Automatismen mittlerweile verinnerlicht, sodass schliesslich auch die Fans von der neuen Spielweise überzeugt waren. In der letzten Phase des Wettbewerbs werden wir nun vielleicht in den Genuss eines intellektuellen Disputs auf den Trainerbänken kommen: Da wäre auf der einen Seite Juan Carlos Osorio, der Trainer von Nacional, der für sein grosses Fussballwissen und die Vorliebe bekannt ist, jede Kleinigkeit in seinem Notizbuch festzuhalten. Juanma Lillo liebt hingegen Wortspiele und setzt gern Aphorismen ein. “Nichts zu riskieren ist das Riskanteste, daher solltest du etwas riskieren, um Risiken zu vermeiden”, meinte er einmal anlässlich einer Pressekonferenz. Oder auch: “Dein Gegner ist auch ein Teil von dir.” Er ist sicher kein García Márquez, aber seine Aussagen regen doch zum Nachdenken an. Å 15


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Die WM-Tickets sind da Am vergangenen Freitag konnten die ersten Fans ihre Tickets für die Weltmeisterschaft in Empfang nehmen. Die Vorfreude auf den brasilianischen Sommer ist riesig. Carol Almiron

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ie Eröffnung der FIFA Ticket-Ausgabestellen in der vergangenen Woche bot einen Vorgeschmack darauf, was uns erwartet, wenn die WM beginnt. Bereits der erste Tag der Ticket-Ausgabe brachte Fans aus verschiedenen Generationen und Ländern zusammen, alle voller Begeisterung, nun endlich einen realen Beweis dafür in der Hand zu halten, dass der Traum schon bald wahr wird: ein Ticket für ein WM-Spiel im Land des fünffachen Weltmeisters. Bei zahlreichen Fans war die Vorfreude auf die begehrten, bunt bedruckten Tickets so gross, dass sie schon mehrere Stunden vor der Eröffnung kamen, um sich ihren Platz ganz vorn in der Warteschlange zu sichern. In Rio de Janeiro, wo im legendären Maracanã-Stadion insgesamt sieben WM-Spiele stattfinden, darunter auch das Finale, tauschten die ersten Fans in der Schlange vor der Ticket-Ausgabestelle Geschichten über ihre Liebe zum brasilianischen Team aus und sprachen über den Sport, der rund um die Welt zum Inbegriff für Brasilien geworden ist. 16

Familiengeschichten Der 67-jährige João Bosco Correia war aus dem 50 km entfernten Queimados nach Rio gekommen, um ein Versprechen zu halten. “Ich bin extra früh hierher gekommen, um ganz vorn in der Schlange zu stehen, damit ich das Geschenk abholen kann, das ich meiner Tochter versprochen habe. Sie wird am 19. Juni 39 Jahre alt und hat mich gefragt, ob wir zusammen ein Spiel besuchen können. Ich habe zwei Tickets für die Partie Spanien gegen Chile ergattert, genau einen Tag vor ihrem Geburtstag.” Damit wird in der Familie eine Tradition fortgesetzt, die vor einer Generation begann, als Joãos heute 97-jähriger Vater mit der Bahn von São Paulo nach Rio reiste und dort miterlebte, wie Brasilien das entscheidende Spiel der WM 1950 gegen Uruguay verlor. “Ich freue mich sehr darüber, dass ich ebenso wie mein Vater ein WM-Spiel im Maracanã-Stadion sehen kann”, so João Bosco. “Ich hoffe nur, dass ich mehr Glück habe als er damals!” Direkt vor João stand der aus Rio stammende Vanderson Balbino (27), der seine acht Tickets mit dem Stolz eines Mannes präsen­ tierte, der schon bald zusammen mit seinem Cousin eine unvergessliche Fussballreise mit T H E F I FA W E E K LY

Stationen in Manaus, Fortaleza und Rio antreten wird. “Ich sehe unheimlich gern Brasilien spielen und weiss nicht, ob ich jemals wieder eine Gelegenheit haben werde, die WM in meinem Land zu erleben. Das wollte ich auf keinen Fall verpassen”, so Vanderson. Wäre die Warteschlange ein Spiel gewesen, dann wäre der Gastgeber bereits frühzeitig mit 2:1 in Führung gegangen, denn der dritte Fan in der Schlange hatte eine lange Reise hinter sich – fast 3 000 km, um genau zu sein. Roman Devit aus Argentinien nutzte die Ostertage für eine Reise nach Rio, um dort seine Tickets abzuholen. Im Juni wird er dann erneut nach Brasilien reisen, und zwar mit einem Teamserienticket im Gepäck, mit dem er Messi und Co. durchs Turnier folgen kann. “Wenn alles nach Plan läuft, bleibt mein Serienticket lange gültig, nämlich bis Argentinien zum neuen Weltmeister gekrönt wird”, lachte Roman. “Und wenn wir das Finale gegen Brasilien gewinnen, wird es noch besser”, scherzte er mit Bezug auf die enorme Rivalität zwischen den beiden Fussballnationen. Die Ticket-Ausgabestelle bot zudem ein symbolträchtiges Bild des Geistes der Gemeinsamkeit zwischen den Menschen verschiedener Nationalitäten, nämlich eine wahrhaft internationale Familie mit einem argentinischen Vater, einer mexikanischen Mutter und französischen Kindern, die alle in den jeweiligen Nationaltrikots gekommen waren, um ihre Tickets abzuholen. Gemeinsam werden sie die Spiele verfolgen, vereint durch die Leidenschaft für den Sport, der territoriale und politische Grenzen überwindet. “Es wird nicht leicht für Mexiko, aber wie es auch ausgeht, wir werden dabei sein und die Fahnen all unserer Länder schwenken”, so die Mutter Maria Fernandez. Å

Buda Mendes / FIFA via Getty Images

First come, first served Vanderson Balbino mit seinen WM-Tickets.


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→ http://www.fifa.com/worldcup

Fakten & Zahlen zu den WM-Tickets Im Zeitraum vom 18. bis zum 27. April sind die bereits in Betrieb befindlichen Ticketausgabestellen in zehn der insgesamt zwölf WM-Städte freitags, samstags und sonntags geöffnet. Die Ausgabestelle in Porto Alegre soll anfangs Mai eröffnen, für denselben Monat ist auch die Eröffnung der Ausgabestelle Brasília ge-

1 Die Spielnummer steht links in der Ecke. Im obigen Beispiel, beim Spiel Brasilien gegen Mexiko, handelt es sich um Spiel Nr. 17. Die Nummern sämtlicher Spiele finden sich im Spielplan.

plant. Ab Freitag, 2. Mai, bis einen Tag nach dem letzten Spiel in der jeweiligen WM-Stadt sind die Ausgabestellen dann täglich in Betrieb. Doch was gilt es bei den Tickets zu beachten? Und welche Daten sind darauf zu finden? Jedes Ticket enthält insgesamt zehn wichtige

Informationen, die den Zuschauern das Leben schon bei der Ankunft im Stadion leichter m achen und beim Auffinden ihres Platzes ­ ­behilflich sein sollen. Zur Veranschaulichung verwenden wir als Muster eine Eintrittskarte für das Gruppenspiel Brasiliens gegen Mexiko.

4 Die Anstosszeit

und sich auf die Tribüne zu begeben. Nun gilt es nur noch, die richtige Reihe und Sitznummer zu finden. Auf unserem Musterticket sind das Reihe “C” und Sitz “1”.

5 Name und Adresse des Stadions  6 Der Name der Person, die das Ticket ­erworben hat.

10 Um den Vorgang zusätzlich zu erleichtern,  2 Neben der Nummer finden sich nähere Angaben zum Spiel. Aus naheliegenden Gründen werden die Namen der Teams nur auf den Tickets für Gruppenspiele angegeben. Bei Tickets für die Spiele der K.o.-Runde wird zur Angabe der beteiligten Mannschaften eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen verwendet. “1A v 2B” besagt beispielsweise, dass es sich um die Partie zwischen dem Sieger der Gruppe A und dem Zweitplatzierten der Gruppe B handelt, während “W55 v W56” für die Partie zwischen den Siegern aus Spiel 55 und Spiel 56 steht.

3 Das Datum des Spiels

7 Die Ticketkategorie

wird in diesem letzten Bereich ein Farbcode verwendet, um den Sektor zu kennzeichnen, in dem sich der Platz befindet. Alle WM-Stadien sind in vier Hauptsektoren unterteilt, die durch die Farben Rot, Blau, Grün und Gelb gekennzeichnet sind. Der kleine schwarze Pfeil zeigt an, wo sich der Sektor befindet. Das Team für Zuschauerdienste wird den Fans ausserhalb des Stadions den Weg zu den einzelnen Sektoren weisen. Das Ticket ist zudem ein wichtiger Leitfaden für die Zuschauer. Auf der Rückseite sind relevante Informationen aufgedruckt, beispielsweise zu den Gegenständen, die mit ins Stadion dürfen.

8 Den Preis des Tickets  9 Die Informationen in diesem Bereich reichen von ganz allgemeinen bis hin zu spezifischen Angaben und führen den Besucher Schritt für Schritt vom Eingang des Stadions zu seinem Platz. Auf dem unten abgebildeten Ticket ist klar ersichtlich, dass der Zuschauer den Eingang Süd nehmen muss. Innerhalb des Stadions begibt er sich dann zu Tor C. Im Innenraum braucht der Ticketinhaber dann nur noch nach dem ent­sprechenden Block Ausschau zu halten, in diesem Fall “106 A”,

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Name Niko Kovac Geburtsdatum, Geburtsort 15. Oktober 1971, Berlin Stationen als Spieler Hertha Zehlendorf, Hertha Berlin, Leverkusen, Hamburger SV, Bayern München, Red Bull Salzburg Stationen als Trainer Red Bull Juniors Salzburg, Red Bull Salzburg (Co-Trainer), Kroatien U21, Kroatien Nationalteam

Darko Bandic / A P

83 Einsätze, 14 Tore

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DAS INTERVIEW

“Im Eröffnungsspiel ist nichts unmöglich” Im Jahr 2009 ist der ehemalige Bayern-Mittelfeldspieler Niko Kovac (42) gemächlich ins Trainerbusiness eingestiegen. Der Erfolg kam schnell. Nun reist der Kroate als zweitjüngster WM-Coach nach Brasilien.

Niko Kovac, Sie wirken auffallend frisch. Niko Kovac: Danke. Es geht mir gut. Ich freue mich auf die WM.

Vor fünf Jahren gaben Sie in der zweiten Mannschaft von Red Bull Salzburg Ihr Debüt als Trainer. Ihr Aufstieg hört sich wie ein Traum an. Meine Berufung zum kroatischen U-21Coach vor einem Jahr war schon eine grosse Ehre für mich. Für das Nationalteam des eigenen Landes zu arbeiten ist grossartig. Nun stehe ich sogar als Trainer der A-National­mannschaft an der Seitenlinie und bin der zweitjüngste Trainer an der WM 2014 (Sabri Lamouchi, Trainer der Elfenbeinküste, ist 25 Tage jünger als Kovac, die Red.). Es ist schon etwas verrückt das Ganze.

Was machen Sie anders als Ihr Vorgänger Igor Stimac, der vor den WM-Relegationsspielen entlassen wurde? Die Mannschaft ist in der Qualifikation in eine Art Negativspirale geraten. Es ist schwierig, nach den plausiblen Gründen zu suchen, wenn es nicht läuft. Die Mannschaft war mir zum Glück nicht fremd, denn ich war durch meine Arbeit als U-21-Coach relativ nahe dran. Aber die Situation war nicht einfach. Als eine der ersten Amtshandlungen habe ich mit meinem Bruder Robert, der mir assistiert, eine grosse Europareise unternommen. Wir wollten die wichtigsten Spieler treffen, mit ihnen reden und versuchen, in deren Köpfe reinzuschauen. Das war mir wichtig. Es hat uns geholfen, die Spiele gegen Island richtig anzugehen. Fussball s­ pielen können ja alle. Es ging darum, die mentalen Stärken zu reaktivieren.

Fehlte es an der Einstellung? Bedingt. Die Spieler haben alle gekämpft, keine Frage. Nur: Sie haben falsch gekämpft. Sie kamen mir vor wie elf Einzelkämpfer. Im Hinspiel der Relegation haben wir uns noch

schwer getan. Daheim in Kroatien ist der Knoten dann geplatzt. Ich habe versucht, den Spielern bewusst zu machen, dass das Kollektiv im Vordergrund steht. Es ist das alte Lied. Im Moment der WM-Qualifikation hatte ich dann aber ein herrliches Gefühl.

Bei der letzten WM-Teilnahme Kroatiens 2006 standen Sie selbst noch auf dem Spielfeld. Ist der Druck nun grösser? Der Druck ist nicht grösser, er ist anders. Als Trainer spielt sich alles im geistigen Bereich ab. Ich muss viel denken, habe die Verantwortung und darf den Überblick nicht verlieren. Die Arbeit und ihre Probleme beschäftigen mich oft noch auf der Autofahrt nach Hause. Das war als Spieler weniger der Fall. Es ist für mich heute noch wichtiger, den Fussball konsequent vom Privatleben zu trennen. Das ist eine grosse Herausforderung. Mein neuer Beruf ist spannend und intensiv. Manchmal bin ich nach einer Partie so geschafft, als hätte ich selbst gespielt.

Kroatien, für die Nationalelf oder auch für private Dinge. Die Stadt liegt gut.

Was erhofft sich Ihr Land von der WM? Wir stecken in einer Entwicklung. Trotzdem glaube ich, dass wir für eine Überraschung sorgen können in Brasilien. Die Vorfreude ist gross in Kroatien. Vielleicht auch, weil wir die WM in Südafrika verpasst haben. Wir mussten uns acht Jahre lang gedulden. Unser erstes Spiel wird wegweisend sein, selbst wenn wir gegen den grossen Favoriten Brasilien spielen. Im Eröffnungsspiel ist nichts unmöglich. Die Voraussetzungen sind speziell. Am 12. Juni um 17 Uhr schaut die ganze Welt zu. Was für eine Bühne! Der Druck auf Brasilien wird gross sein. Å Mit Niko Kovac sprach Alan Schweingruber

Bei Bayern München, Hamburg oder Leverkusen spielten Sie unter grossen Trainern. Wer ist Ihr Idol? Ein Idol habe ich nicht. Klar haben mir Trainer wie Giovanni Trapattoni oder Christoph Daum viel auf den Weg mitgegeben. Aber ich bin mich selbst. Jeder Mensch denkt anders, jeder geht auf seine Weise mit ­Spielern oder mit Situationen um. Es ist wichtig, authentisch zu bleiben. Ich glaube, das gelingt mir sehr gut.

Was hat Ihr Bruder genau für eine Funktion? Robert ist mein wichtigster Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt und ich mich austauschen will. Mein Bruder ist mir nahe.

Leben Sie in Kroatien? Nein, ich lebe mit meiner Familie in Salzburg. Das passt gut. Ich bin schnell in T H E F I FA W E E K LY

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First Love

Ort: Marrakesch, Marokko D at u m : 7. S e p te m b e r 2 0 0 5 Z e it : 9. 4 3 U h r

John McDermott

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DEBAT T E

So wie Internazionale

Internationaler Jubel Sulley Muntari (Ghana), Javier Zanetti (Argentinien/ Italien) und Mario Balotelli (Italien) feiern den Champions- ­L eagueTriumph 2010.

Thomas Renggli

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helsea ohne Engländer, Cottbus ohne Deutsche, Porto ohne Portugiesen, ­Inter Mailand ohne Italiener: Der moderne Klubfussball ist zum Spiel ohne Grenzen geworden. Am Ursprung der “Globalisierung” standen die Gründung der Europäischen Gemeinschaft 1952 (indirekt) sowie ein Ereignis in ­Belgien 1990 (direkt). Damals wollte ein gewisser Jean-Marc Bosman, Mittelfeldspieler im Royal Football Club Lüttich, nach Ablauf seines Vertrags zum USL Dünkirchen in Frankreich wechseln. Lüttich sperrt sich dagegen und ­fordert eine für da­ malige Verhältnisse utopische Ablösesumme im hohen sechsstelligen Bereich. Bosman ging vor Gericht, löste eine Prozesslawine und eine sportjuristische Revolution aus. Am 15. Dezember 1995 wurde das sogenannte “Bosman­ 22

Urteil” gefällt. Es erlaubte den ablösefreien Klubwechsel am Ende des Vertrages und erklärte die Ausländerbeschränkung für Spieler aus EU-Staaten für nichtig. Das europäische Arbeitsrecht setzt der Selbstbestimmung der nationalen Ligen heute enge Grenzen. Gleichwohl bemühen sich die ­Verbände, den einheimischen Spielern gewisse Privilegien einzuräumen: In Deutschland muss beispielsweise jeder Bundesligaklub zwölf ­deutsche Lizenzspieler sowie acht bei einem deutschen Klub ausgebildete Spieler beschäftigen. Die Regel ist aber insofern schwammig, als sie nur die Beschäftigung (nicht aber den Einsatz) der Spieler bestimmt. Ähnlich präsentiert sich die Lage in England, wo jeder Premier-­ League-Klub acht in England aufgewachsene (“home grown”) Spieler in einem 25-Mann-Kader unter Vertrag haben muss. Bezeichnenderweise ist die Türkei (als Nichtmitglied der EU) die e ­ inzige grössere Liga, die eine Ausländer­ beschränkung kennt. In der SüperLig sind im Kader höchstens zehn Ausländer erlaubt, bei ­einem Pflichtspiel auf der Mannschaftsliste sechs. Ab der kommenden Saison reduzieren sich diese Zahlen auf acht beziehungsweise fünf ­Legionäre. In den Top-Ligen aber gilt weiterhin das Prinzip der grossen Freiheit. In 123 der 472 T H E F I FA W E E K LY

Klubs der Top-5-Ligen (Deutschland, England, Frankreich, Italien, Spanien) liegt die Ausländerzahl bei über 50 Prozent. An der Spitze des “Ausländer-Rankings” stehen Inter Mailand (88,9 %), Chelsea und Udinese (je 80 %) sowie Fiorentina (79,3 %). Zumindest Inter Mailand darf man dafür keinen Vorwurf machen. Mit ihrer globalen Personalpolitik orientieren sich die Mailänder an den eigenen Wurzeln. Die Gründung des Klubs – am 9. März 1908 – geht auf eine Gruppe abtrünniger Mitglieder der AC Milan zurück. In der Osteria “L’Orologio” wurde damals vor allem ein Thema heiss diskutiert: Das Verbot des Verbandes für den Einsatz von ausländischen Spielern. Nach emotionalen Debatten und etlichen Flaschen Rotwein stiessen die Rebellen des Calcio kurz vor Mitternacht auf den neuen Klubnamen an: “Foot-Ball Club Internazionale Milano”. Nomen est omen. Oder: In vino veritas. Å

Die Weekly-Debatte. Was brennt Ihnen unter den Nägeln? Über welche Themen wollen Sie diskutieren? Ihre Vorschläge an: feedback-theweekly@fifa.org.

Jasper Juinen / Getty Images

Fussball als Spiel ohne Grenzen. Braucht es nicht trotzdem wieder eine Ausländer­ beschränkung?


DEBAT T E

PRESIDENTIAL NOTE

F I FA We e k l y f r a g te au f F I FA . c o m : Mü s s te m a n d i e Au s l ä n d e r z a h l i n d e n To p - L ige n b e s c h r ä n k e n? Ja ... Zunächst einmal würde es den einheimischen Spielern helfen, die sich in ihren Heimatländern entwickeln könnten. Ausserdem würden dann mehr einheimische Spieler für die beliebten Klubs vor Ort spielen. Es wäre auch vorteilhaft für die Länder, denn sie hätten mehr eigene Leute auf internationalem Niveau . Red Devil (Mauritius)

Es wirft verständlicherweise Probleme auf, wenn Klubs aus England, Spanien, Deutschland und Italien die Erfolge in der Champions League und der Europa ­League immer unter sich ausmachen und gleichzeitig der Anteil der auslän­dischen Spieler in den dortigen Ligen über 50 ­Prozent liegt. Die Freizügigkeit darf aber dennoch nicht leichtfertig aufgegeben werden und zudem müssen die Spieler wie alle anderen auch vor ­u nfairer Behandlung geschützt werden. Statt die Anzahl der ausländischen Spieler zu ­beschränken, sollte man Massnahmen in Betracht ziehen, die das Niveau erhöhen und den Wett­bewerb stärken können, beispielsweise die Einführung einer Gehaltsober­ grenze und die gleichmässigere Verteilung der Ein­nahmen aus den beiden wichtigsten Klub-Wettbewerben.

Nein, man sollte nicht beschränken, wohin die Spieler gehen und für welchen Klub sie spielen dürfen. Ich würde Verträge mit ausländischen Spielern auf mindestens drei und maximal fünf Jahre festschreiben. Die ausländischen Spieler müssen in mindestens 65 Prozent der Saisonspiele eingesetzt werden. Die Ligen können sich rund um die Welt die Rosinen herauspicken, aber sie müssen dabei die richtigen Spieler finden, sonst hat das Team weniger Auswahl bei den einzusetzenden Spielern. Längere Verträge würden die Einnahmen der Spieleragenten schmälern. jwolter7 (USA)

Ja. Der Klub in meiner Heimatstadt hat traditionell eigene Talente gefördert und ausgebildet und sie auf den Sprung in die Topliga vorbereitet. Nach einem grossen Erfolg vor vielen Jahren ist das Management des Teams aber von dieser Philosophie abgewichen. Jetzt wird der Klub von argentinischen Spielern förmlich überrannt, auf Kosten der Ausbildung junger Nachwuchsspieler. Und nicht nur das – die Mannschaft spielt auch schlechter, weil die Spieler gar nicht zu einer Einheit zusammenwachsen konnten und zudem die vorherige Teamphilosophie nicht verstehen bzw. keinen Bezug dazu haben.

ADJVFUN (Griechenland)

Diese Frage ist nicht ergiebig, denn rein rechtlich ist das gar nicht möglich, zumindest nicht in Europa. Die Anzahl ausländischer Spieler in einem Team ist ein Symptom, aber nicht die Ursache des Problems. Die Ursache der Ungleichheit der Ligen ist vielmehr die Explosion der Gehälter und die immer grössere Kluft zwischen einer Handvoll Spitzenklubs und dem Rest. Talentierte Spieler werden immer früher für geradezu obszöne Geldbeträge gekauft und versauern dann oft auf der Ersatzbank oder in der B-Mannschaft. Von vielen hört man nie wieder etwas, während die ausgeblutete Liga in ihrer Heimat in Vergessenheit gerät.

TopCat7 (Grossbritannien)

Nein, das sollte man nicht. Es würde sich negativ auf die Nationalmannschaften vieler Länder auswirken. Englische Spieler bringen keine gute Leistung, daher dürfen Ausländer in der EPL spielen, was die Liga zur besten der Welt gemacht hat. jredlom (Ghana)

Wenn man will, dass das fussballerische Niveau global sinkt, sollte man sie begrenzen. Immer wenn bei der Klub-Weltmeisterschaft Teams aus Ligen mit vorwiegend einheimischen Spielern auf die anderen Teams treffen, untermauert deren Unterlegenheit meine Ansicht.

DodgyDude (Neuseeland)

madsoccer07 (USA)

“Die Ausländerzahl ist ein Symptom, aber nicht die Ursache des Problems.” T H E F I FA W E E K LY

Schützt die Nationalteams!

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er Fussball ist global, rollt durch alle geographischen Zonen und sozialen Schichten. Die FIFA hat mehr Mitglieder als die Uno. Und trotzdem vertrete ich die Meinung: “Ehret einheimisches Schaffen!” – um die Nationalmannschaften zu unterstützen und zu schützen. Ein Blick in die europäischen Top-Ligen bietet keinen Raum für Missverständnisse: In England (60,4 %) und Italien (54,1 %) befinden sich ausländische Profis in der Mehrheit – und machen den einheimischen Spielern das ­Leben schwer. Selbstverständlich gilt im Fussball das Prinzip, wonach die Konkurrenz das Geschäft belebt. Wenn es aber so weit geht, dass hoffnungsvolle Nachwuchsspieler keine Bewährungschance erhalten, weil ihnen ausländische Arbeitskräfte den Platz im Team wegnehmen, geht es zu weit. Die FIFA sprach sich an ihrem Kongress 2008 in Sydney für die “6 + 5 Regel” im Klubfussball aus. Zu Beginn jedes Spiels sollen sechs Spieler auf dem Feld stehen, die für die Nationalmannschaft des jeweiligen Landes spielberechtigt sind. So liessen sich drei Fliegen auf einen Schlag treffen: Die Verbesserung der ­ B alance zwischen Klub- und National­mannschafts-Fussball, die Wahrung der nationalen Identität der Klubs und die Steigerung der ­Motivation bei Vereinen, auf eigene ­Nachwuchsspieler zu setzen. Leider kollidierte die Idee mit dem Arbeitsrecht der EU – der freien Wahl des Arbeitsplatzes und der Personenfreizügigkeit. Das letzte Wort ist allerdings nicht gesprochen. Ein Gutachten des “Institute for European Affairs” kommt zum Schluss, dass eine “Quotenregelung” im Sinn der “6 + 5 Regel” mit dem Recht vereinbar ist. Deshalb wäre es nicht zu spät, diese Idee nochmals ernsthaft zu diskutieren.

Ihr Sepp Blatter 23


game onor game over

all in or nothing

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CHAMPIONS LEAGUE OFC

Erschöpft in Lautoka Jolame Vukuvuki (Nr. 13, FC Nadi, Fidschi) in der Pause des Spiels gegen den FC Amicale aus Vanuatu.

Der Traum von Marokko Die Champions League in Ozeanien ist nicht mit ­ihrem grossen Bruder in Europa vergleichbar. Die Teams aber geben alles. Es lockt die Qualifikation für die Klub-Weltmeisterschaft. Elio Stamm (Text) und Mark Kolbe (Bilder) aus Lautoka, Fidschi

Im

TV-Apparat an der Wand der Hotelbar kämpft der FC Barcelona vergeblich ­gegen Atlético Madrid und das Ausscheiden aus der UEFA-Champions-League. Das Viertelfinale bedeutet diesmal Endstation für die Katalanen. Im Viersterne­hotel in Lautoka auf den Fidschi­inseln am anderen Ende der Welt geht ein Raunen durch die Reihen der Zuschauer. Die jungen Männer von den Salomoninseln sind kein Barça-Fanklub, aber auch sie träumen von Lionel Messi. Von einem Spiel gegen ihn, genauer gesagt. Ein Traum ist das. Nahezu ­u nerreichbar, aber nicht unmöglich. Die Männer sind allesamt Spieler der Solomon Warriors

und hier in Lautoka, um in der Champions League des Ozeanischen Fussballverbandes ­ OFC zu brillieren. Bei einem Triumph haben sie die Chance, im Dezember 2014 in Marokko bei der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft gegen die Champions-League-Sieger der anderen Kontinente anzutreten. Die Trauben hängen hoch Der Weg zum Duell mit den Vorbildern ist ­a llerdings auch bei einer Teilnahme an der Klub-Weltmeisterschaft noch lang. Der ozeanische Vertreter, zuletzt dreimal in Folge der FC Auckland City aus Neuseeland, muss sich zuerst in einem Playoff-Spiel gegen den Meister des Gastgeberlandes durchsetzen und im ­Viertelfinale einen Vertreter Asiens, Afrikas oder Nord- und Mittelamerikas eliminieren, T H E F I FA W E E K LY

ehe im Halbfinale der Champion Europas oder Südamerikas wartet. Bei zehn Versuchen hat es bis jetzt noch kein ozeanisches Team unter die letzten vier geschafft. Meist war nach einem Spiel Schluss. Dennoch ist die Klub-Weltmeisterschaft die grosse Belohnung, auf die sämtliche Teams in Ozeanien hinarbeiten. “Ohne sie würde u nsere Champions League nur beschränkt ­ Sinn machen”, sagt Gordon Glen Watson, Medien­sprecher des OFC. Tatsächlich fand das Turnier in den Jahren 2002 bis 2004, als die Klub-Weltmeisterschaft eine Pause einlegte, nicht statt. Bei der insgesamt 13. Austragung des Wettbewerbs, der 1987 als Oceania Club Champion­ ship begann und nur unregelmässig stattfand, kommt es dieses Jahr zu einer Modus­ä nderung. 25


CHAMPIONS LEAGUE OFC

OFC TV Mit Unterstützung lokaler TV-Stationen werden alle 18 Spiele live produziert.

Statt mit Heim- und Auswärtsspielen findet die Gruppenphase Anfang April in Fidschi erstmals im Rahmen eines neuntägigen Turniers statt. In Lautoka, der zweitgrössten Stadt im Inselreich, wegen ihrer grossen Zucker­mühle oft Sugar City genannt, sowie in der Fussballhochburg Ba kämpfen zwölf Mannschaften aus acht Verbänden in drei Gruppen um den Einzug ins Halbfinale.

tickets. Für Unterkunft und allfällige Prämien müssen die Klubsponsoren aufkommen, meist Geschäftsleute aus den einzelnen Inselnationen. Erst die Teilnahme an der Klub-WM füllt die Kassen. Garantierte 500 000 US-Dollar ist viel Geld für einen ozeanischen Klub, auch wenn ein Teil der Prämie, je nach Vereinbarung mit dem nationalen Verband, an andere Klubs im Land oder zurück an den OFC fliesst.

“Das Team ist in Partystimmung, die Champions League müssen wir aber ernst angehen.” Marama Varihua, Mittelfeldspieler, AS Pirae, Tahiti

FIFA-K lub-WM als grosses Ziel Das erspart den Teams Reisestrapazen, vor ­a llem aber Geld, und davon hat der OFC klar weniger als etwa die UEFA in Europa. Die UEFA bezahlt allein für das Erreichen der Gruppenphase jedem Klub zwölf Millionen US-Dollar, der OFC dagegen kann keine Siegprämien bieten und übernimmt lediglich die Flug­ ­ 26

Der OFC würde gerne mehr bezahlen. Aber er hat es schwer, Sponsoren zu finden. Fussball ist in Neuseeland, Fidschi, Tonga und Samoa hinter Rugby Union nur Sport Nummer zwei. Dazu gibt es nur wenig pazifikweit tätige ­Firmen. Die auffälligste Partnerschaft ist folglich jene mit dem Uno-Kinderhilfswerk Unicef im Kampf gegen das in der Region grassierende T H E F I FA W E E K LY

Denguefieber. Vor jedem Spiel tragen die Balljungen das “Kick out Dengue”-Banner über das Grün. Finanziell profitieren davon aber die Nachwuchsprogramme des Verbands und nicht die Champions League direkt. Die beiden Stadien haben schon bessere Zeiten gesehen. Von den harten Holzplanken auf der Tribüne blättert der Lack ab. Immerhin versprühen sie Atmosphäre. Im Hintergrund stehen Palmen. In Ba relaxen zwei Jungen u nter der Anzeigetafel und wechseln nach ­ ­jedem Tor die Nummerntafel aus, die Kommentatorenbox ist eine alte Busfahrer­k abine. In Lautoka sitzt der Stadionsprecher mitten unter den Zuschauern, eine Matchuhr sucht man vergebens. Auf dem Rasen lassen sich die Teams davon nicht beirren. Sie geben alles für ihr grosses Ziel, haben gelernt, mit Widrigkeiten umzugehen. Die Mannschaften sind täglich dem S ­ pagat zwischen Profi- und Amateurtum ausgesetzt. Auch in Ozeanien ist das Spielniveau in den letzten Jahren gestiegen. Die Spieler leisten den Trainingsaufwand einer Profimannschaft, sind daneben aber Studenten, Büroangestellte oder Schreiner. Das gilt selbst für die beiden Teams aus Neuseeland, dem mit Abstand reichsten Land im OFC, seit Australien 2006 zum asiatischen Fussballverband gewechselt ist. Bei Kiwi FC aus Samoa, dem grossen Aus-


CHAMPIONS LEAGUE OFC

Luftduell Naea Bennett (in Blau, AS Pirae) gegen Andrew Setefano (Kiwi FC).

senseiter, der sich über ein Vorturnier für die Gruppenphase qualifiziert hat, spielt auch ein Japaner, der einen Freiwilligeneinsatz im Inselstaat leistet. Ex-Profis und Ballartisten Viele Klubs haben sich für die Dauer der Champions League gezielt verstärkt. Für den FC Amicale aus Vanuatu spielen mit dem Schotten Colin Marshall sowie mit dem Serben-Trio ­Milan Matic, Nikola Vasilic und Marko Dordevic vier Profis mit Europaerfahrung. Bei der AS Pirae aus Tahiti überragt im Mittelfeld mit ­seinen präzisen Seitenwechseln der 33-jährige Marama Varihua, ein ehemaliger U21-Nationalspieler Frankreichs, der in Nizza, Lorient und Nancy auf höchstem Niveau gespielt hat. Vahirua hat mit Tahiti 2013 an der Konföderationen-Meisterschaft teilgenommen und lässt seine Karriere nun in der Heimat ausklingen, wo er eine Fussballschule aufbaut. Alles sei ein wenig anders als in Europa, sagt der Europa-­ Veteran. “Das Team ist in Partystimmung, die Champions League müssen wir aber ernst angehen.” Für einen zusätzlichen Schub setzen einige Teams auf die technischen Fähigkeiten von Nationalspielern anderer Fussballvarianten. ­ So verstärken neben Vahirua auch sechs ­Beach-Soccer-Spieler die AS Pirae, die letztes Jahr an der Weltmeisterschaft auf heimischem Sand überraschend den vierten Platz erreicht haben. Und für die Solomon Warriors dribbelt der 22-jährige Micah Lea’Alafa den Gegenspielern Knoten in die Beine. Er hat die Salomon­ inseln 2012 in Thailand zum ersten Sieg an ­einer Futsal-WM geschossen. Dieser Mix sorgt für interessante Duelle, auch wenn nicht alle Mannschaften den taktischen Sprung in die Moderne geschafft haben. Die beiden Teams aus Fidschi etwa verschmähen die Viererkette und spielen mit Libero und Manndeckung. Mit unterschiedlichem Erfolg: Ba qualifizierte sich als Gruppensieger fürs Halbfinale, Champions-League-Debütant Nadi dagegen musste 14 Gegentore in drei Spielen hinnehmen, trotz energetischen Kabinen­ predigten des Trainers.

Kein Wettkampfglück Kiwi-FC-Torhüter Masi Toetu beim 0:8 gegen die AS Pirae in Lautoka.

Vier Millionen TV-Zuschauer Die Leistungen hätten mehr Zuschauer verdient. Trotz moderaten Ticketpreisen von sechs US-Dollar pro Matchtag gehen die Spiele vor fast leeren Rängen über die Bühne. Einzig die Teams aus Fidschi erhalten Unterstützung von gut tausend Fans. Dank der technologischen Fortschrittlichkeit des umtriebigen OFCTeams erfährt die Champions League aber dennoch die Reichweite, die ihr gebührt. Der Verband hat vor knapp zwei Jahren eine eigene TV-Produktionsabteilung ins Leben gerufen, um weniger von den nationalen Fernseh­ sendern abhängig zu sein. OFC TV produziert mit Unterstützung zweier fidschianischer

Champions League in der Südsee Einsam feiernde Matchbesucher. T H E F I FA W E E K LY

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CHAMPIONS LEAGUE OFC

Der Stadionsprecher von Ba in der Buskabine OFC-Mediensprecher Gordon Glen Watson in seinem Element.

TV-Anstalten alle 18 Spiele live. Sechs Kameras halten das Geschehen fest, und OFC­ Mediensprecher Gordon Glen Watson, einst selbst ein Semi-Professional, kommentiert die Spiele live, während zwei seiner Kollegen die Matches für das Radio in Englisch und Französisch begleiten. Das Material wird in Zukunft eine Video­Bibliothek füllen und dem OFC ungeahnte neue Möglichkeiten in der Trainerausbildung bieten. In der Gegenwart aber stellt der OFC die TV­-Bilder für ein kleines Entgelt, das lediglich symbolischen Charakter hat, den verschie­ denen Fernsehanstalten in den pazifischen Inseln zur Verfügung. So fiebern fast vier ­ M illionen Menschen in Papua-Neuguinea – ­ rund die Hälfte der Bevölkerung – mit dem Team Hekari Uniteds mit, das sich an seinen Gruppen­gegnern die Zähne ausbeisst. Alle, die gerade unpässlich waren, können auf den offiziellen Youtube-Channel des OFC ausweichen – und sich dort auch noch einmal zu Gemüte führen, wie der FC Amicale aus ­Vanuatu, die AS Pirae aus Tahiti und der FC Ba aus Fidschi ihren Traum von einem Duell mit den Grössen des Weltfussballs weiterleben und der Titelverteidiger und grosse Favorit, der FC Auckland City aus Neuseeland, die Qualifika­ tion als bester Gruppenzweiter nur haarscharf geschafft hat. Oder man fühlt mit einem Klick

mit den Solomon Warriors mit, die wegen eines Gegentreffers in der 86. Minute im Dezember wieder nur vor dem Fernseher sitzen werden. Die Halbfinals werden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen, ehe sich am 11. Mai entscheidet, wer nach Marokko reisen darf. Å

Die FIFA unterstützt das OFC -T V-Projekt Alle 18 Spiele der Champions League der Ozeanischen Fussballkonföderation werden auf OFC TV live übertragen. Das Projekt verfügt über ein Budget von 383 000 US-Dollar. Davon steuert die FIFA 250 000 US-Dollar bei.

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Oceania Football Confederation Gegründet 15. November 1966 Verbandssitz Auckland, Neuseeland Mitglieder 14 Landesverbände, 3 davon sind lediglich assoziiert und nicht Mitglied der FIFA Homepage Oceaniafootball.com 29


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F I F A ’ S T O P 11

FREE KICK

WM-Spiele als Kapitän

“Nie mehr Franzosenkneipe” Alan Schweingruber

J

uni 2014. Die kleine Terrasse des Zürcher Cafés ist gut besetzt. Johanna trinkt ihren Martini leer und hält nach dem Kellner Ausschau. “Schau, diese Flatscreens überall. Ich liebe die WM. Der Klubfussball kann mir gestohlen bleiben. Aber die WM, das hat was. Was ist mit dir? Guckst du WM?” Ihre Schwester Anna, vertieft in den Wirtschaftsteil, lächelt. “Kaum.” “Komm. Ist doch Spass. Das sind Emotionen pur. Solchen Fussball gibt’s nur alle vier Jahre.” “Ich geh vielleicht mal ins Parisienne einen trinken. Die zeigen die Spiele mit Frankreich.” “Ach, diese müde Franzosenkneipe. Musik von Gainsbourg, teure Weine, miserable Bedienung. Da gehe ich aus Prinzip nicht mehr hin.” “Mir gefällt’s ganz gut da.” “Nie mehr. Was findest du eigentlich an diesen Franzosen?” “Sie haben Stil und Leidenschaft.” “Es ist dieser Schönling von der Côte Azur? Der hat’s dir angetan letzten Sommer, stimmt’s?” Anna lacht. “Quatsch.” “Am guten Fussball kann es ja nicht ­liegen. Frankreich hat seit dem EM-Titel 2000 nichts mehr gewonnen.” “Wir wurden 2006 Vizeweltmeister. Und das Finale ging auch nur verloren, weil d ­ ie von dir geliebten Italiener provoziert haben und Zidane vom Platz musste.” “Jetzt redest du schon in der Wir-Form. Ich glaub das nicht. Siehst du den noch?” “Wen?” “Eben, diesen Serge.” “Du meinst Séverin.” “Dann halt Séverin.” “Wir hören uns hin und wieder.” “Siehst du ihn noch?” “Vielleicht fahre ich im Juli mal für eine Woche nach Nizza.”

Johanna spuckt einen Eiswürfel zurück ins Glas. “Oh, là, là ...! Du fährst nach Nizza! Ich glaub das nicht. Liebesurlaub in Nizza.” Anna lacht. “Jetzt hör aber auf.” “Schwesterherz, du fährst doch nicht zum Pétanque spielen nach Nizza.”

1

Diego Maradona, Argentinien Anzahl Spiele: 16 Turniere: 1986, 1990, 1994

2

Dino Zoff, Italien Anzahl Spiele: 14 Turniere: 1978, 1982

3

Paolo Maldini, Italien Anzahl Spiele: 13 Turniere: 1994, 1998, 2002

Kazimierz Deyna, Polen Anzahl Spiele: 13 Turniere: 1994, 1998, 2002

5

Ladislav Novak, Tschechische Republik Anzahl Spiele: 12 Turniere: 1954, 1958, 1962

Uwe Seeler, Deutschland Anzahl Spiele: 12 Turniere: 1966, 1970

Das Gespräch wird unterbrochen. Zwei fremde Männer setzen sich an ihren Tisch. Sie sprechen Französisch.

“Meinst du, die verstehen uns?”, flüstert Johanna ihrer Schwester zu. Anna zuckt mit den Schultern. “Worüber reden die denn?” Anna lauscht. Dann fängt sie an, etappenweise zu übersetzen: “Es geht um Fussball ... um die WM … und die Favoriten… sie glauben, dass Frankreich die Gruppenphase übersteht … und dass Italien grosse Chancen auf den Titel hat …” Johanna: “Hm.” “Jetzt wechseln sie das Thema … sie scheinen über uns zu reden …  du scheinst dem Typ links zu gefallen …” Johanna zeigt mit dem Daumen auf ihre Brustmitte. “Ich?” fragt sie leise. Anna: “…  der Typ möchte dich ansprechen … weiss aber nicht wie … er scheint sich nicht zu trauen …” Johanna scheint nervös, steht auf. “Ich bin gleich zurück.” Als sie von den Toiletten zurückkehrt, sind die Männer verschwunden. “Wo sind sie?”, fragt sie verstört. “Gegangen.” “Und wohin?” “Ins Parisienne.” “Echt?” Johanna denkt kurz nach und zückt das ­Portemonnaie: “Haben die auch Martini dort?” Å

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Daniel Passarella, Argentinien Anzahl Spiele: 12 Turniere: 1978, 1982 Lothar Matthäus, Deutschland Anzahl Spiele: 12 Turniere: 1990, 1994

9

Michel Platini, Frankreich Anzahl Spiele: 11 Turniere: 1982, 1986

Dunga, Brasilien Anzahl Spiele: 11 Turniere: 1994, 1998

Cafu, Brasilien Anzahl Spiele: 11 Turniere: 2002, 2006

Quelle: FIFA (FIFA World Cup, Superlatives, Statistical Kit 5, 4.8.2010)

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ZEITSPIEGEL

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The Den, Heimstadion des Millwall FC, London

1936

Ward / Getty Images

9. alljährliches Fussballspiel der Jockeys gegen die Boxer: Der Boxer Dave Crowley wird von den komödiantischen Akrobaten Jimmy Nervo (l.) und Teddy Knox abgeworfen.

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ZEITSPIEGEL

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Opernball, Wien

2008

Herbert Neubauer / Reuters

Nur Statisten: Die früheren Stars Herbert Prohaska (l.) und Andreas Herzog kippen einen Tänzer des Wiener Staatsballetts von der Bahre.

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DAS FIFA-R ANKING Rang Team

1 2 3 4 5 6 6 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 25 25 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 47 49 50 51 52 53 54 54 56 56 58 59 59 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 76

Rang­veränderung Punkte

Spanien Deutschland Portugal Kolumbien Uruguay Argentinien Brasilien Schweiz Italien Griechenland

0 0 1 1 1 -3 3 -1 -1 3

1460 1340 1245 1186 1181 1174 1174 1161 1115 1082

England Belgien USA Chile Niederlande Frankreich Ukraine Russland Mexiko Kroatien Elfenbeinküste Schottland Dänemark Ägypten Bosnien und Herzegowina Schweden Algerien Ecuador Slowenien Serbien Rumänien Honduras Armenien Costa Rica Panama Tschechische Republik Iran Ghana Türkei Österreich Venezuela Kap Verde Peru Ungarn Nigeria Slowakei Japan Wales Tunesien Kamerun Guinea Finnland Usbekistan Paraguay Montenegro Republik Korea Norwegen Island Mali Australien Burkina Faso Libyen Senegal Jordanien Republik Irland Südafrika Vereinigte Arabische Emirate Bolivien El Salvador Albanien Sierra Leone Polen Bulgarien Sambia Saudiarabien Trinidad und Tobago Marokko

1 -2 1 1 -4 1 1 1 1 -4 3 15 -1 2 -4 2 0 -5 2 -2 1 4 8 0 -6 -6 5 -3 -1 4 -2 -9 -3 -1 2 4 1 2 -5 0 2 6 2 5 -8 4 1 -6 -3 4 1 9 6 2 3 -2 -6 2 9 -16 1 1 -6 0 0 0 1

1043 1039 1015 1011 967 935 913 903 876 871 830 825 819 798 795 795 795 790 787 759 756 754 750 744 739 731 715 713 711 673 670 665 653 623 620 616 613 613 597 583 580 578 577 555 555 551 551 546 545 545 528 522 511 510 504 500 499 497 488 486 484 479 460 456 455 454 454

Rang

Nov 2013

Dez 2013

Jan 2014

→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html

Feb 2014

Mrz 2014

Apr 2014

1 -41 -83 -125 -167 -209

78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 106 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 122 124 125 126 127 128 129 129 131 131 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 143

Platz 1

Aufsteiger des Monats

Israel Haiti EJR Mazedonien Oman Jamaika Belarus Nordirland Aserbaidschan Uganda Gabun DR Kongo Togo Kuba Botsuana Kongo Estland Angola Katar VR China Benin Simbabwe Moldawien Irak Äthiopien Niger Georgien Litauen Bahrain Kenia Zentralafrikanische Republik Kuwait Lettland Kanada Neuseeland Luxemburg Äquatorial-Guinea Mosambik Libanon Vietnam Sudan Kasachstan Liberia Namibia Malawi Tansania Afghanistan Guatemala Burundi Dominikanische Republik Malta Zypern Suriname Ruanda Gambia Syrien Tadschikistan Grenada St. Vincent und die Grenadinen Neukaledonien DVR Korea Lesotho Antigua und Barbuda Thailand St. Lucia Malaysia Belize Philippinen

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-13 0 2 0 -2 0 2 6 -1 1 -4 0 3 4 -5 -1 2 6 2 -3 4 9 3 -1 2 -4 1 1 3 1 2 4 2 -21 8 6 1 1 9 5 9 -22 4 -7 -5 5 2 4 -15 7 -6 2 5 5 6 -12 -2 4 -18 -4 5 5 8 5 -1 -3 -13

Absteiger des Monats

450 446 443 418 414 404 400 398 395 386 380 374 371 369 367 366 347 336 333 332 329 325 324 319 315 303 293 289 284 284 283 273 272 271 266 261 252 251 242 241 235 234 233 227 226 226 224 215 212 204 201 197 197 190 190 188 184 181 174 172 159 158 156 155 153 152 152

145 145 147 147 149 150 151 152 153 153 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 164 166 167 168 169 170 171 172 173 174 174 176 177 178 179 180 181 182 183 184 184 186 187 188 189 190 191 191 191 194 195 195 197 197 199 200 201 202 202 204 205 206 207 207 207

Singapur Indien Kirgisistan Puerto Rico Liechtenstein Guyana Indonesien Mauretanien Malediven St. Kitts und Nevis Aruba Turkmenistan Tahiti Hongkong Nepal Dominica Pakistan Barbados Bangladesch Palästina Färöer São Tomé und Príncipe Nicaragua Bermuda Tschad Chinese Taipei Guam Salomon-Inseln Sri Lanka Laos Myanmar Mauritius Seychellen Curaçao Swasiland Jemen Vanuatu Fidschi Samoa Komoren Guinea-Bissau Bahamas Mongolei Montserrat Madagaskar Kambodscha Brunei Darussalam Osttimor Tonga Amerikanische Jungferninseln Cayman-Inseln Papua-Neuguinea Britische Jungferninseln Amerikanisch-Samoa Andorra Eritrea Südsudan Somalia Macau Dschibuti Cook-Inseln Anguilla Bhutan San Marino Turks- und Caicos-Inseln

4 7 -1 3 2 3 3 3 4 3 7 -14 -19 -13 1 -1 -3 -1 -1 3 -2 -1 1 1 1 1 2 -7 0 -2 -1 0 -1 0 0 5 -1 -1 -1 -1 -1 -1 0 0 1 -2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0

144 144 143 143 139 137 135 127 124 124 122 119 116 111 107 103 102 101 98 91 91 86 84 83 80 78 77 75 74 73 73 67 66 65 64 60 55 47 45 43 43 40 35 33 32 28 26 26 26 23 21 21 18 18 16 11 10 8 8 6 5 3 0 0 0

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THE SOUND OF FOOTBALL

DAS OBJEK T

Perikles Monioudis

Hanspeter Kuenzler

Tango und Fussball sind wie geschaffen füreinander. In A rgentinien wird mit den ­ traurigen Gesängen auch mal ein Nationalcoach angefleht. Kaum ein Musikstil ist ­ermassen mit Melancholie d getränkt wie der Tango. So ausgelassen sich Tangotänzer der Passion für Partner und Musik hingeben – ihre Bewegungen gemahnen doch immer an eine im Winde wehende Trauerweide. Tango und Fussball: Beides zelebriert die Freude der Bewegung und betrauert zugleich die Flüchtigkeit des Lebens. Tatsächlich geht die Geschichte von Fussball und Tango Hand in Hand. Von Heimweh geplagte Engländer brachten das Spiel einst nach Buenos Aires. Bald fand es ­seinen Weg in die Barrios der gros­sen Städte am Rio de la Plata – im Norden Montevideo (Uruguay), im Süden Buenos Aires (Argentinien). Hier 36

­ orierte der Tango, ein Musikfl stil mit vielen Nuancen, der in seiner Mischung von europäischen und afrikanischen Musikstilen die Zusammen­ setzung der Bevölkerung organisch widerspiegelte. Der romantischen Legende nach fanden die schwierigen Schritte des Tangos bald ihren Weg auf den Fussballplatz. ­Damit war ein neuer Fussballstil geboren; einer voller Finten und Verspieltheit. Es verwundert nicht, dass diese historische Verbindung viele grandios-melancholische Fussballtangos hervorgebracht hat. Schon in den frühen Tagen des 20. Jahrhunderts komponierten grosse Künstler Oden an ihre Lieblingsklubs. Agustin Bardi zelebrierte die Freuden von Independiente Club, Luis Servidio die von San Lorenzo de Almagro und Alfredo de Angelis die von Banfield (“El taladro”). Bei der ersten WM 1930 in Uruguay musste sich Tangostar

Carlos Gardel entscheiden, welche Seite er mit seinem Gesang anfeuern wollte. Er wählte den diplomatischen Mittelweg und stand beiden Ländern zur Seite. Die Geschichte des Fussballtangos ist noch lange nicht zu Ende: Mehrere Alben lassen sich nur schon mit Maradona-Liedern füllen. Im Vorfeld der WM 2014 ist Tangosänger Daniel Ursini auf eine neue Idee gekommen. Mit traurigem Gesang versucht er, den argentinischen Nationaltrainer A lejandro Sabello dazu zu ­ überreden, Carlos Tévez doch noch ins Team aufzunehmen. “Sabela te olvidaste de Carlitos” singt der Künstler mit vor Schmerz brechender Stimme: “Du kannst doch nicht so dumm sein, einen der populärsten Spieler von Argentinien wegzulassen!” Wenn Tévez nicht schon ein Tangofan war, wird er es jetzt sein. Æ

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Sion Ap Tomos

Ein Tango für Tévez

Was darf ein Junge, und was darf er nicht? Nun, er darf – in aller Regel – Fussball spielen. Vaters Zeitung hingegen ist für ihn buchstäblich ausser Reichweite. Was liegt näher, als dem Jungen eine eigene Zeitschrift zu widmen – in der es auch um Fussball geht? “The Boy’s Own Paper” erschien erstmals am Samstag, den 18. Januar 1879. In der ersten Ausgabe des Hefts wurde den Penälern die Titelgeschichte “Mein erstes Fussballspiel” vorgesetzt. Das Heft fand reissenden Absatz. Der Weg hin zu einem allseits anerkannten und geschätzten englischen Magazin war alles andere als steinig. Am 10. September 1904 zirkulierte bereits die Nr. 1339 (s. Bild; Exemplar aus der Sammlung der FIFA). Auf der Titelseite figurierten zwei junge Männer, der eine, sitzend, mit im Cricket üblichen Schienbeinschonern ausgestattet, der andere hält sein Tennisracket am Ende des Griffs fest, um es auf der Sitzfläche der Parkbank abzustützen. Ein Idyll, sie lesen schliesslich “The Boy’s Own Paper”. Sinnbildlich zieren sie das Cover und lesen zugleich im Heft; sinnbildlich deshalb, weil auch der Junge, also der ideale Leser der Zeitschrift, nicht viel anderes als sich selbst darin wiederfindet, den von Sport, Spiel, Natur und Technik begeisterten Schüler, Jugendlichen, jungen Mann vor der grossen Éducation sentimentale. Zu dieser gehört allerdings auch der Fussball. Wenn Sartre sagt, alles, was er weiss, habe er vom Fussball gelernt, dann mag das zunächst wohlfeil klingen. Ganz der Wahrheit entbehrt diese Aussage aber bestimmt nicht. Sonst wären die strengen Ausbildungsbestimmungen und -kontrollen der Fussballverbände im Bereich der Jugendausbildung obsolet – sind sie aber nicht. Der Mensch ist lernfähig. Wer wollte das bezweifeln? Å


TURNING POINT

“Du kannst gleich wieder umdrehen!” Seine Heirat und die Flitterwochen hätten die Fussball-Laufbahn von Jean-Paul Brigger beinahe beendet.

Christian Grund / 13 Photo

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eine Frau und ich wollten 1979 heiraten und waren auf der Suche nach einem passenden Datum. Ich habe meinen Klub, den FC Sion, kontaktiert, um zu wissen, wann ich nach der Sommerpause zurück im Training sein muss. Als Fussballer ist es ja schwierig, einen Termin zu finden. Während der Saison ist es unmöglich, während der Vorbereitung auch, da b ­ leiben nur die wenigen Tage dazwischen. Zudem wollte doch auch in die Flitterwochen. Das war mir wichtig, denn ich wusste: Ich werde nur einmal heiraten. Als das Datum gefunden und die Reise ­gebucht war, kam der Trainerwechsel, und alles war anders. Der Trainingsbeginn wurde früher angesetzt und fiel prompt in meine Flitterwochen. Ich bin trotzdem gefahren. Als ich dann zurückkam und durch den Stadioneingang ging, wurde ich von einem Mitglied des Präsidiums mit den Worten empfangen: “Du kannst gleich wieder umdrehen!” Ich war vor den Kopf gestossen, aber vor allem war ich nicht gewillt, mich so behandeln zu lassen. “Wenn ich jetzt gehe, komme ich nie mehr zurück”, sagte ich. Fertig, aus, vorbei! Das klingt fatalistisch, aber so war ich. Ich war jung und rebellisch, hatte meine Hörner noch nicht abgestossen. Der neue Coach, Daniel Jeandupeux, der diese Auseinandersetzung mitbekommen hatte, öffnete die Bürotür und sagte: “Jean-Paul komm, setz dich.” Er hat die richtigen Worte gefunden, und von da an bin ich für ihn gerannt und habe alles gegeben. Meine Karriere hätte an diesem Tag beendet sein können. Und das bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Ich war kein begnadeter Fussballer, aber ich hatte Charakter. Ich war emotional, wollte mich durchsetzen und habe nie aufgegeben. Für mich gab es kein Vielleicht. Ich denke, das liegt auch an der Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Die

Name Jean-Paul Brigger Geburtsdatum, Geburtsort 14. Dezember 1957, St. Niklaus Position Stürmer Vereine 1977–1982, 1985–1992 Sion, 1982–1985 Servette Heutige Tätigkeit FIFA Technical Team Director Competitions Titel Pokalsieger 1984, Meister 1992 Auszeichnungen Schweizer Torschützenkönig 1983 Schweizer Spieler des Jahres 1992 Nationalteam Schweiz 35 Spiele, 3 Tore

Berge sind gefährlich und unberechenbar, aber auch wunderschön. Sie zeigen alle Facetten des Lebens auf. Ich hätte nie akzeptiert, nicht zu spielen und auf der Bank zu sitzen. Sitzen kann ich zu Hause. Fussball war mein Hobby und meine Leidenschaft. Heute wäre ich sicher der Falsche für diesen Job. Mit 32 Jahren war ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere angelangt und musste langsam ans Aufhören denken. Wenn ich jemals von den Zuschauern ausgepfiffen worden wäre, hätte ich das nicht ertragen. Also habe ich ­fortan nur noch Jahresverträge unterschrieben und habe mir täglich gesagt: “Das könnte mein letztes Training sein. Denn wenn mir heute ­jemand einen Beinschuss verpasst, dann war’s das.” Und es war der Wahnsinn – es wurden die besten Jahre meines Lebens. Es hat mich ­befreit. Wir wurden 1992 Schweizer Meister, ich T H E F I FA W E E K LY

wurde zum Fussballer des Jahres ausgezeichnet, es war perfekt. Nach dem Abpfiff des ­letzten Spiels habe ich mich zu meiner Frau ins Auto gesetzt und ihr gesagt: “Gib Gas und fahr, bis kein Benzin mehr im Tank ist!” Å Aufgezeichnet von Sarah Steiner

Persönlichkeiten des Fussballs erzählen von einem wegweisenden Moment in ihrem Leben. 37


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The FIFA Weekly Eine Wochenpublikation der Fédération Internationale de Football Association (FIFA)

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Internet: www.fifa.com/theweekly Herausgeberin: FIFA, FIFA-Strasse 20, Postfach, CH-8044 Zürich Tel. +41-(0)43-222 7777 Fax +41-(0)43-222 7878

Das meist gedruckte Fussballkunststück und der bekannteste aller Schlachtgesänge – raten Sie mit!

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“You’ll never walk alone” – der Klassiker der Stadiongesänge. Wer nahm dieses Stück zuerst auf Platte auf?

Präsident: Joseph S. Blatter Generalsekretär: Jérôme Valcke Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Walter De Gregorio Chefredakteur: Perikles Monioudis

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Redaktion: Thomas Renggli (Autor), Alan Schweingruber, Sarah Steiner Art Direction: Catharina Clajus

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Bildredaktion: Peggy Knotz

Trikot aus dem FIFA-Match zwischen dem FC Barcelona und ...

C  Real Madrid P  CF Monterrey

Produktion: Hans-Peter Frei

O Weltauswahl T  FC Santos

Layout: Richie Krönert (Leitung), Marianne Bolliger-Crittin, Susanne Egli, Mirijam Ziegler Korrektorat: Nena Morf, Kristina Rotach

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Ständige Mitarbeiter: Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando, Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler, Jordi Punti, David Winner, Roland Zorn Mitarbeit an dieser Ausgabe: Carol Almiron, Andreas Jaros, Peter Kanjere, Doris Ladstaetter, Giovanni Marti, Markus Nowak, Elio Stamm, Andreas Wilhelm (Bild) Redaktionssekretariat: Honey Thaljieh

Sie kennen mich. Denn nach mir wurde ein Fussball benannt. Welcher? A  Telstar I  Tango

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Welches dieser Kunststücke dient als Vorlage für ein Album, das derzeit wieder millionenfach verkauft wird? N

Projektmanagement: Bernd Fisa, Christian Schaub Übersetzung: Sportstranslations Limited www.sportstranslations.com

E Fevernova O Jabulani

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Druck: Zofinger Tagblatt AG www.ztonline.ch Kontakt: feedback-theweekly@fifa.org

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Der Nachdruck von Fotos und Artikeln aus The FIFA Weekly, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe (The FIFA Weekly, © FIFA 2014) erlaubt. Die Redaktion ist nicht verpflichtet, unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos zu publizieren. Die FIFA und das FIFA-Logo sind eingetragene Warenzeichen. In der Schweiz hergestellt und gedruckt. Ansichten, die in The FIFA Weekly zum Ausdruck gebracht werden, entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der FIFA.

Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: BALL (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly). Inspiration und Umsetzung: cus

Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 30. April 2014 an die E-Mail feedback-theweekly@fifa.org. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel bis zum 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen: http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf T H E F I FA W E E K LY

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FR AGEN SIE DIE FIFA!

UMFR AGE DER WOCHE

Wer wird Torschützenkönig an der WM in Brasilien? Wann darf eine Mannschaft den WM-Pokal definitiv behalten? Hans Falk, Göteborg (Schweden) Die Antwort von Thomas Renggli: Gemäss den FIFA-Regularien kann die “World-Cup-Trophy” nicht mehr dauerhaft in den Besitz eines Verbandes übergehen. Der Weltmeister erhält den echten Pokal jeweils bloss während der Übergabe. Danach wird eine vergoldete Kopie ausgehändigt. Die eigentliche Trophäe geht an die FIFA zurück – und wird an einem geheimen Ort gelagert. Das Original besteht aus massivem 18-karätigen Gold, ist 36,8 cm hoch und wiegt 6175 Gramm. Der Sockel enthält zwei Ringe aus Malachit, einem Halbedelstein. Auf der Unterseite sind die Namen aller Weltmeister seit 1974 eingraviert. Der Platz auf dem Pokal reicht bis zur WM 2038.

Eine schwierige Frage. Zumal an der WM 2010 in Südafrika gleich vier Spieler die Topmarke erreicht haben: David Villa (Spanien), Diego Forlán (Uruguay), Thomas Müller (Deutschland) und Wesley Sneijder (Niederlande) trafen je fünfmal …

ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE Wird Liverpool nach 24 Jahren wieder Meister?

JA 80%

20%

UNENTSCHLOSSEN

1 7

28

Jahre nach der letzten Trainerentlassung war es bei Manchester United am

Saison in der höchsten

Dienstag wieder so weit und David Moyes

indischen Liga benötigte der

Tore bei seinen letzten fünf Einsätzen

musste nach nur zehn Monaten im Amt

FC Bengaluru (im Bild Sean

in der Serie A haben Ciro Immobile

seinen Platz räumen. Es spricht Bände für

Rooney, 7, und Beikhokhei

vom FC Turin an die Spitze der italieni-

die bisherige Stabilität im Old Trafford,

Beingaichho, 18) lediglich, um

schen Torjägerliste katapultiert, wobei

dass nicht weniger als 16 Spieler des

sich den Meistertitel zu sichern.

er die Rekorde einiger Klublegenden

aktuellen Kaders noch nicht einmal

Nach einem 4:2-Sieg bei Dempo steht

einstellte. Sein jüngster Treffer beim 3:3-

geboren waren, als 1986 mit Ron Atkinson

das Team aus Bangalore bereits einen

Unentschieden bei Lazio Rom am Samstag

letztmals ein Trainer der Red Devils seinen

Spieltag vor Schluss als Meister fest.

war bereits sein 20. Saisontor.

Hut nehmen musste. T H E F I FA W E E K LY

Barbara Sax / AFP, Carl de Souza / AFP, Getty Images (3)

Z AHLEN DER WOCHE


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