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INTERVIEW WIE DIE MASCHINE MIT UNS INTERAGIERT

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VIRTUELL VEREINT

VIRTUELL VEREINT

Prof. Dr. Cengiz Acartürk (in der Mitte) im Gespräch mit Dr. Egon Werlen (links) und Prof. Dr. Per Bergamin (rechts)

INTERVIEW: CAROLINE HUBER

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In der Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist es zentral, dass die verwendeten IT-Systeme auf die Bedürfnisse des Benutzers und auf den jeweiligen Nutzungskontext abgestimmt sind. Dies zu ermöglichen ist das Ziel des Forschungsgebietes Human Computer Interaction (HCI). Ein wichtiger Teil davon ist das Eye-Tracking, erklärt Prof. Dr. Cengiz Acartürk.

Prof. Dr. Cengiz Acartürk von der Middle East Technical University (METU) ist Spezialist im Gebiet MenschComputer-Interaktion. Er hat die FFHS im Rahmen der neuen Partnerschaft zwischen der FFHS und METU besucht. Während seines zweiwöchigen Aufenthalts in der Schweiz stand der Spezialist mit dem Team von Prof. Dr. Per Bergamin, Leiter UNESCO-Lehrstuhl für personalisiertes und adaptives Fernstudium und Leiter des Instituts für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL), in engem Austausch. Zudem führte er Gespräche mit Vertretern des Informatikdepartementes der FFHS. Im Interview erklärt er, wie man Forschungsergebnisse zur Personalisierung von Lernerlebnissen nutzen kann.

Prof. Acartürk, Sie waren während zwei Wochen bei uns in Brig. Wie sind Ihre Eindrücke von der FFHS?

Die FFHS ist eine gut etablierte Institution, die eine futuristische Perspektive auf die Hochschulbildung hat. Der Fokus auf die Lehre von Spitzenwissenschaft und -technologie ist ein wertvolles Kapital der FFHS.

Was waren Ihre Ziele während des Aufenthaltes?

Ich war für einen Forschungsaustausch hier. Mein Ziel war es, mein Fachwissen in den Bereichen visuelle Kognition und Eye-Tracking zu teilen. Ich habe mit der FFHS diskutiert, wie neuste Technologien in die Blended-Learning-Methodik integriert werden können.

Ihr Fachgebiet ist die Mensch-Computerund Mensch-Maschine-Interaktion. Was zeichnet die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine aus?

Der Mensch kann als natürlicher kognitiver Akteur betrachtet werden. Wir Menschen kommunizieren sehr flexibel mittels Sprache, Gesten oder Blicken. Im Verlauf der Kommunikation sind wir offen für mehrdeutige Interpretationen, was ein Zeichen von Flexibilität ist. Mehrdeutigkeiten korrigieren wir meist auf multimodale Weise. Computer als künstliche kognitive Agenten sind immer noch relativ unflexibel im Anpassen der Modalität.

Stichwort künstliche Intelligenz (KI): Kann eine Maschine eines Tages kommunizieren wie ein Mensch?

Ja, das wird möglich sein. Das wird die Maschine natürlich nicht zu einem Menschen machen. Dass sie sich aber wie ein Mensch verhalten wird, ist ein anerkanntes Ziel für die Entwicklung intelligenter Agenten.

«Eine Maschine wird in Zukunft kommunizieren wie ein Mensch.»

Mit der Methode Eye-Tracking können anhand der Augenbewegungen Gefühle und kognitive Zustände gemessen werden. Können Sie erklären, wie dies geschieht? Wie werden diese Zustände sicht- bzw. messbar?

In der wissenschaftlichen Forschung zielen wir darauf ab, nicht beobachtbare Konzepte wie Aufmerksamkeit oder emotionale und kognitive Zustände mit Hilfe von beobachtbaren Vorgängen wie physiologischen Messungen zu untersuchen. Wir alle erleben, dass ein Zusammenhang zwischen Emotionen wie Glück oder Aufregung und unserer körperlichen Erfahrung besteht, zum Beispiel in Form einer erhöhten Herzschlagfrequenz. Der Zusammenhang ist komplexer, wenn es um die Untersuchung der Blickrichtung und der kognitiven oder emotionalen Zustände geht. Es gibt kein allgemeingültiges Modell oder Verfahren, aber diverse Vorgehensweisen, die von Forschenden entwickelt worden sind.

Gibt es kulturbedingte Unterschiede in Bezug auf die Körpersprache oder Mimik, die im Eye-Tracking erkennbar werden?

Ja, die meisten Kommunikationsmodalitäten wie Körpergesten oder Mimik, Sprache, Stimme und Ton haben sowohl kulturspezifische als auch universelle Eigenschaften. Beim EyeTracking zeigen Blickkontakt und Blickabwendung in unterschiedlichen Kulturen andere Bedeutungen in der Kommunikation.

In welchen Forschungsgebieten kommt diese Methode zum Einsatz – was sind denkbare Anwendungsfälle?

Eye-Tracking wird in zahlreichen Bereichen der Forschung eingesetzt, darunter Psychiatrie und klinische Forschung, Luftfahrt (einer der ersten Eye-Tracker wurde von der NASA zur Unterstützung von Raumfahrtpiloten entwickelt), Spieleindustrie, Neuro-Ergonomie und Leseforschung.

Wie können Forschungsergebnisse für die Verbesserung von E-Learning in der Praxis eingesetzt werden? Haben Sie Beispiele?

Der Blick und die Blickrichtung haben mehrere Funktionen. Eine davon ist die hinweisende Funktion des Blicks: Durch die Blickrichtung zeigen wir auf Gegenstände in der Umwelt. Der Blick des anderen ist in der Kommunikation wichtig, um eine gemeinsame Grundlage für Gespräche zu schaffen. Beim E-Learning fehlt uns manchmal die Möglichkeit zu sehen, wohin der Gesprächspartner im Verlauf der verbalen Beschreibung während einer bestimmten Zeitspanne schaut. Mit Hilfe von Eye-Tracking könnten die Studierenden sehen, wohin der Blick des Ausbilders auf dem Lehrmaterial führt. Auch für den Ausbilder selbst kann es nützlich sein zu erkennen, wohin die Studierenden auf dem Bildschirm blicken, um zu beurteilen, ob der beabsichtigte Teil des Lehrmaterials betrachtet wird oder nicht.

Partnerschaft mit der Middle East Technical University (METU)

Seit anfangs Jahr ist die Middle East Technical University (METU) in Ankara eine neue Partnerhochschule der FFHS im Bereich Informatik. Die METU ist eine der renommiertesten Hochschulen in der Türkei und hat einen sehr guten internationalen Ruf. Ziel der Partnerschaft der FFHS/ SUPSI mit der METU ist es, den Austausch von Studierenden und Mitarbeitenden zu fördern.

BSc Wirtschaftsinformatik – Vertiefung Human Computer Interaction

In der Vertiefung HCI lernen angehende Wirtschaftsinformatiker die Kunst der nutzergerechten Gestaltung von IT-Systemen. Von Erhebungsmethoden wie dem oben erwähnten Eye-Tracking über Usability Evaluation und Interaction Design entwickeln Studierende IT-Anwendungsprojekte aus ganzheitlicher Perspektive. ffhs.ch/bsc-wirtschaftsinformatik

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