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UNESCO-Lehrstuhl: Interview über die internationale Forschungszusammenarbeit

«INTERNATIONALE VERNETZUNG UND KOMPLEMENTARITÄT BRINGEN DIE FORSCHUNG VORAN»

Seitdem 2017 der UNESCO-Lehrstuhl für personalisiertes und adaptives Fernstudium an der FFHS besteht, ist die North West University (NWU) in Potchefstroom (Südafrika) eine wichtige Partnerhochschule im Bereich «Selbstorganisiertes Lernen». Prof. Christo van der Westhuizen von der NWU und Prof. Dr. Per Bergamin von der FFHS über Zusammenarbeit, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Forschungsabteilungen.

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INTERVIEW: CAROLINE HUBER

Herr Prof. Dr. Bergamin, an welchen Forschungsprojekten arbeiten Sie zusammen mit der NWU? In den vergangenen vier Jahren haben wir immer wieder gemeinsame Workshops zur Thematik selbstgesteuertes und adaptives Lernen organisiert. Im Rahmen unseres Fellowship-Programms haben wir bisher an vier Forschende der NWU ein viermonatiges Stipendium vergeben, welches ihnen erlaubt hat, an unseren Labs mit Forschenden der FFHS ein Projekt zu planen. Daraus ergaben sich drei Forschungsprojekte in Südafrika. Zudem haben wir gerade ein weiteres gemeinsames Projekt im Bereich Implementierung des adaptiven Lernens abgeschlossen. Neu wird auch ein Forscher aus der FFHS ein Projekt in Südafrika durchführen.

Prof. Dr. Christo van der Westhuizen (rechts) und Prof. Dr. Per Bergamin (2. von rechts) mit Vertretern der NWU und der FFHS anlässlich eines Besuches beim Dekan (3. von rechts) der erziehungswissenschaftlichen Fakultät in Pootchefstroom (Südafrika) Dieses Jahr wurden Sie zum ausserordentlichen Professor an der NWU ernannt, was bedeutet dies für Sie?

Die Ernennung an der NWU in der Forschungseinheit «Selbstorganisiertes Lernen» ist eine grosse Ehre. Die NWU ist eine grosse Universität mit vielen Studierenden und zählt seit Jahren zu den renommiertesten 20 Universitäten des afrikanischen Kontinents. Dies zeigt, dass der eingeschlagene Weg der Kooperation und Vernetzung heute in der Wissenschaft zentral ist. Es geht darum, dass anstehende komplexe Probleme und Herausforderungen unserer Gesellschaften nicht mehr im Alleingang gelöst werden können.

Wie erleben Sie die Vernetzung zwischen der NWU und FFHS? Ich erfahre die kulturellen Unterschiede und Forschungsansätze als Treiber für interessante Forschungsfragen. Eine weitere Chance ist, dass wir mehr Personen für die von uns vereinbarten Forschungsfragen zur Verfügung haben. So können wir besser in die thematische Tiefe eindringen und die Qualität der Resultate steigern. Aber nicht nur das, wir können jungen Forschenden auch ermöglichen, durch neue Erfahrungen ihren Forschungshorizont zu erweitern.

Welches sind die Unterschiede der südafrikanischen und schweizerischen Forschungskultur? Aus meiner Sicht ergeben sich sehr viele Gemeinsamkeiten: in der Qualität der Forschung und in der Ernsthaftigkeit der Darlegung und Begründung der verwendeten Forschungsmethoden. Bei meinen südafrikanischen Kollegen überrascht mich immer wieder die lustvolle Art, wie sie neue Forschungsfragen angehen. Ich weiss nicht, ob sich der Unterschied auf den schweizerischen bzw. südafrikanischen Kontext übertragen lässt, aber ich drücke es für

unsere Kooperation wie folgt aus: In der Schweiz, einem hochtechnologisierten Land, fragen wir oft: Wie entwickle ich eine Technologie, um besser zu lernen? In Südafrika, einem Land mit noch sehr grossen Herausforderungen im Bildungssystem, scheint die Technologie nicht so stark im Vordergrund zu stehen. Hier stellt man sich die Frage, wie entwickle ich ein Lernkonzept, um das Lernen durch die Nutzung einer Technologie verbessern zu können? Gerade die Komplementarität in solchen feinen Unterschieden bringt unsere Forschung voran und macht die Kooperation mit der NWU sehr wertvoll.

Herr Prof. van der Westhuizen, wie erleben Sie die Vernetzung der NWU und der FFHS? Die Zusammenarbeit war bis jetzt sehr positiv und fruchtbar. Der grösste Vorteil für uns an der NWU ist vor allem die Expertise von Prof. Dr. Bergamin und seinem Forschungsteam im Bereich des personalisierten, adaptiven Lernens, des Blended Learnings sowie des Fernunterrichts. Sein Beitrag zur Entwicklung der weiterführenden Forschung im Bereich der Technologieausbildung ist in unserer Forschungseinheit des selbstorganisierten Lernens unverzichtbar.

Aufgrund der Pandemie konnte der Forschungsaustausch nicht wie geplant vor Ort durchgeführt werden. Laufen die Projekte trotzdem weiter? Ja. Beispielsweise ging Dr. Donnavan Kruger für ein viermonatiges Stipendium an die FFHS, musste aber aufgrund der Reisebeschränkungen für Covid-19 schon nach einigen PROF. DR. PER BERGAMIN ist Institutsleiter und Forschungsfeldleiter für «Personalisiertes und adaptives e-Learning» am Institut für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL) der FFHS. Per Bergamin ist zudem Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls und Fachbereichsleiter für Human Computer Interaction sowie ausserordentlicher Professor an der NWU. Wochen zurückkehren. Momentan fährt Dr. Kruger mit seinem sehr vielversprechenden Projekt «Fragebasiertes Lernen zur Verbesserung des selbstgesteuerten Lernens (SDL) in adaptiven Lernumgebungen» fort. Wir hoffen, dass er den Schweizer Teil seines Projekts später fortsetzen kann. Der Forschungsaufenthalt von Christof Imhof von der FFHS von Juli bis Oktober 2020 musste wegen der Pandemie ebenfalls abgesagt werden. Christof führt einen Teil seiner Doktorarbeit durch, die den Zusammenhang zwischen Prokrastination, Selbstwirksamkeit und selbstgesteuertem Kontext in der Sporterziehung untersucht. Eine Vorstudie mit Studierenden der FFHS wird nun mit Studierenden der NWU repliziert und erweitert. Erfreulicherweise können die Fragebögen und Interviews bis zum Ende des Semesters im Jahr 2020 online durchgeführt werden.

Haben Sie bereits Pläne für weitere Kooperationen? Letztes Jahr konnten wir ein Memorandum of Agreement zwischen unseren Universitäten unterschreiben, das den offiziellen Auftrag bildet, die Kooperationen zu vertiefen. Ein gerade dieses Jahr geschlossener Vertrag des Schweizerischen Nationalfonds und des südafrikanischen National Research Fonds könnte sich als hilfreich für diese Pläne erweisen. Die FFHS und die NWU werden sich für ein grosses gemeinsames Forschungsprojekt bewerben, das sich auf Aspekte der Förderung des selbstgesteuerten Lernens durch personalisierte und adaptive Unterrichtsge-

staltung bezieht. PROF. CHRISTO VAN DER WESTHUIZEN

arbeitet derzeit als Professor in der Abteilung für Geografie und Umwelterziehung an der NWU und ist Teilbereichsleiter für Blended Learning zur Unterstützung des Selbstorganisierten Lernens in der gleichnamigen Forschungseinheit. Zu seinen Forschungsinteressen gehören die Integration von ICT im Geografieunterricht sowie Blended LearningUmgebungen und Technologieanwendungen zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens.

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