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SUCCESS STORY

SUCCESS STORY

Archiv-Informatikerin und Informatik-Studentin: Irina Schubert.

VOM BUCH ZUM COMPUTER: EINE UNGEWÖHNLICHE LEIDENSCHAFT

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Bücher und ihre vielseitige Sprache ziehen Menschen in den Bann. Bei der Philosophie- und Germanistik-Absolventin Irina Schubert ist das nicht anders. Doch unerwartet entdeckte sie bei ihrer Arbeit am Schweizerischen Literaturarchiv die Faszination für eine ganz andere Sprache – die Computersprache. Heute ist die Ostschweizerin daran, mithilfe ihres FFHS-Studiums die neue Leidenschaft zum Beruf zu machen.

TEXT: DEBORAH BISCHOF Irina Schuberts Werdegang ist gewiss nicht alltäglich. Im Jahr 2013 schloss sie ihren Master in Philosophie und Germanistik an der Universität Basel ab. «Die Ausbildung war sehr inspirierend, doch eine klare Berufsbezeichnung hat man anschliessend nicht», erzählt die 31-Jährige. Da sie selbst gerne liest und grosses Interesse für literarische Werke hat, nahm sie beim Literaturarchiv der Schweizerischen Nationalbibliothek eine Stelle an. Schnell entdeckte sie ihre Freude an der Arbeit.

Vom Desinteresse zur Faszination

Im Literaturarchiv prüfte Irina Schubert die Archivwürdigkeit von Dokumenten aus schriftstellerischen Nachlässen, ordnete diese ein, beriet Archivbenutzer und kümmerte sich um eine sinnvolle digitale Erfassung der Metadaten. «Die Arbeit mit strukturierten Daten war völliges Neuland für mich. Computer und Daten hatten mich vorher nie interessiert», erzählt sie. Doch in Kombination mit literari

schem Quellmaterial fand sie schnell Gefallen an der digitalen Datenbank: «Es faszinierte mich, wie komplex Datenstrukturen sind, wie man grosse Datenmengen verwalten und auswerten kann.»

Aus einem anfänglichen Desinteresse wurde eine Leidenschaft. Die Archivarin begann bei ihrer Arbeit vermehrt mit Hilfe von Skripten Daten zu bereinigen und aufzubereiten. Auch in ihrer Freizeit beschäftigte sie sich mit Informatik und lernte an ihrem Computer programmieren. Bald stiess sie jedoch an ihre Grenzen: «Richtiges Programmieren erfordert vertieftes Wissen. Ausserdem fehlten mir grundlegende Kenntnisse darüber, wie ein Computer funktioniert», erinnert sie sich. Aus diesem Grund kam Irina Schubert zum Schluss, ein weiteres Studium zu starten – dieses Mal als Informatikerin.

Praxisorientiertes Studium an der FFHS

«Ein weiteres Vollzeitstudium kam für mich keineswegs in Frage. Dafür liebe ich meinen Beruf als Archivarin zu sehr.» Auf der Suche nach einer berufsbegleitenden Ausbildung stiess sie auf das Angebot der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS). Doch nicht nur die Möglichkeit nebenbei zu arbeiten überzeugte sie: «An der FFHS bot sich mir die Chance, als Quereinsteigerin fast ohne Vorkenntnisse direkt mit dem Studium zu beginnen. Ausserdem bin ich kein Fan von Frontalunterricht. Ich lerne den Stoff lieber selber.» So startete Irina Schubert 2016 ihren Bachelorstudiengang.

Die Unterrichtsweise der FFHS war der ehemaligen Universitätsstudentin zunächst fremd: Präsenzpflicht, Deadlines, Hausaufgaben und Prüfungen während des Semesters. «Diese strukturierte Art und Weise war zwar neu, erleichtert es jedoch, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bringen.» Einen weiteren Unterschied stellt sie auch in der Nähe zur Praxis fest: «Obwohl das Studium breit angelegt ist, kann ich Gelerntes direkt in meinen Beruf einbringen», freut sie sich.

Eigene Programme entwickeln

Als einer der Hauptbestandteile ihres Informatikstudiums lernt Irina Schubert das Entwickeln von Software. Mittels realer Aufgaben konfrontiert müssen die Studierenden sich zunächst ein Konzept ausdenken und dieses selbstständig realisieren. So programmierte sie im vergangenen Semester eine Android-Applikation, die es Benutzern erlaubt, ihre Freizeitaktivitäten mit Ort und Foto festzuhalten. «Zunächst mussten wir uns genau überlegen, was die App können muss und was nicht. Anschliessend haben wir den Code geschrieben, weiterentwickelt und stetig verbessert, bis wir eine funktionsfähige App hatten.» Eine weitere Chance, ihre Programmierfähigkeiten unter Beweis zu stellen und weiter zu verfeinern, bekam die Archivarin im Herbst am Hackathon, einem Programmier-Wettbewerb in Zürich. Die Teilnehmenden erhielten den Auftrag, ein eigenes Programm innert nur drei Tagen zu entwerfen: «Es war für mich ein besonderer Ansporn, ein komplexes System unter Zeitdruck von der Idee bis zur Umsetzung zu realisieren», erzählt die Studentin.

Ein Beruf mit Zukunft

Ihre Faszination für Daten sowie die Freude am Archivieren kann Irina Schubert mittlerweile gut vereinen. Heute ist sie in einem Unternehmen, das Archivdienstleistungen anbietet, als Archivinformatikerin für die Langzeitarchivierung von Daten und Metadaten zuständig: «Wir überlegen uns, wie wir an die notwendigen Daten gelangen, in welchen Formaten wir sie speichern, wie wir vorhandene Datensätze strukturieren und sie für potenzielle Nutzer aufbereiten», erklärt sie.

Angefangen hat alles mit einem Philosophiestudium.

Aufgrund der Digitalisierung ergeben sich stets neue Möglichkeiten. Irina Schubert befasst sich deshalb bei ihrer Arbeit auch mit neuen, zukunftsträchtigen Ideen wie beispielsweise der Archivierung von Social-Media-Daten. Ausserdem ist zu erwarten, dass Akten zukünftig vermehrt in digitaler Form vorliegen, was neue Strategien für deren Bewertung, Ablieferung sowie Erschliessung voraussetzt. In diesem Wandel sieht Irina Schubert grosses Potenzial für Informatiker: «Neben der bereits bestehenden Sprache erhält die Computersprache eine immer grössere Bedeutung. Und wir Informatiker sind es, die diese Sprache sprechen und für Nicht-Informatiker übersetzen.»

20 JAHRE ZUKUNFT

1998 ging es los mit der Fernfachhochschule Schweiz. Wer den Gründern von damals, den ersten Studierenden oder den politischen Vordenkern zuhört, spürt den Gründergeist und den Innovationswillen. Nach 20 Jahren FFHS ist es an der Zeit, Vergangenes Revue passieren und den Blick in die Zukunft schweifen zu lassen.

Im grossen Interview erklärt Alt-Nationalrat und FFHS-Stiftungsratspräsident Hans Widmer, warum eine Fernfachhochschule 1998 bahnbrechend war und welche politischen Hürden es zu meistern galt (S. 8).

Sowohl für Dozierende als auch für Studierende der FFHS hat sich Einiges geändert seit den Anfängen. Hört man genau hin, fällt aber auch auf, dass das Konzept sich über die Jahre trotz aller technischer Neuerungen treu geblieben ist (S. 14).

Visionär bleibt nur, wer Visionäres denkt. Nach diesem Motto führt Rektor Michael Zurwerra die FFHS in die Zukunft. Wir haben seine Visionen für die Schule grafisch umgesetzt. Die FFHS will noch näher zum Kunden, so das Fazit. (S. 12).

Der Fokus auf Kunden ist auch für Marc Weder wichtig. Er betreut bei Microsoft Bildungskunden und weiss, dass Hochschulen nur mit Kundenfokussierung, Konkurrenzdenken und technologischer Experimentierfreude in der digitalisierten Bildungslandschaft bestehen können (S. 25).

Ob beim Blick über die Schulter in die Vergangenheit oder beim Vordenken und Spekulieren, was kommen könnte: Ich wünsche viel Spass beim Lesen!

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