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Zukunft wird Realität

Roboter übernehmen immer mehr Aufgaben. Wie weit und wie schnell wird die Entwicklung gehen? Angelika Peer, Professorin für Robotik und Automation, wirft einen Blick in die Zukunft.

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Robotische Systeme kommen in immer mehr Bereichen zum Einsatz. In absehbarer Zeit könnten sie ganze Berufsgruppen ersetzen. Noch aber entscheiden die Maschinen nach den Vorgaben ihrer Entwickler. Ob und wann sich das ändern könnte, verrät uns Angelika Peer. Die Professorin für Robotik und Automation an der Freien Universität Bozen ist zugleich Prodekanin für Forschung der neu gegründeten Fakultät für Ingenieurwesen.

SÜDTIROL PANORAMA: In Filmen sorgen Roboter immer wieder für Aufsehen.

Was ist näher dran an der Realität: der kampfeslustige Terminator oder der hilfsbereite Wall-E, der Wohlstandsabfälle auf der verwüsteten Erde beseitigt?

ANGELIKA PEER: Im Moment forschen wir mehr an der zweiten Version. Also an Robotersystemen, die Menschen unterstützen oder Aufgaben übernehmen. Es gibt aber natürlich auch die erste Version, also militärische Anwendungen von Robotersystemen. Etwa zur Unterstützung von Soldaten, durch autonome Fahrzeuge, Drohnen oder Exoskelette, die helfen, schwere Lasten zu tragen. Häu g werden Entwicklungen aus dem militärischen Bereich dann auch in zivile Bereiche überführt.

Angelika Peer leitet das unibz-Labor für Mensch-zentrierte Technologien und Maschinenintelligenz. Im Bild ist sie mit einem Gerät zur Messung von Gehirnströmen zu sehen –einem Gemeinschaftsprojekt mit Psychologen.

Die Begriffe Roboter, künstliche Intelligenz und selbstdenkende Systeme verschwimmen in der allgemeinen Wahrnehmung. Zu Recht? Robotik ist ein sehr interdisziplinäres Feld, international beschä igen sich Universitäten in unterschiedlichsten Fakultäten damit. eoretische Methoden werden zusammengeführt und auf Robotersysteme angewandt. So stellt uns die Informatik etwa Programmiermethoden zur Verfügung. Aber auch Methoden aus der System- und Regelungstechnik, der Automation oder des Maschinenbaus nden in der Robotik Anwendung, zum Beispiel wenn man einen Roboter selbst bauen möchte. Für die Entwicklung des Roboters muss man dann aus dem jeweiligen Spezialgebiet weitere Informationen ein ießen lassen. Und dort kommt es auf die Anwendung an: Ist es ein Medizinroboter? Ein Roboter für landwirtscha liche Anwendungen? Oder ein Roboter für das Bauwesen?

Robotische Systeme werden so programmiert, dass sie lernen Entscheidungen zu treffen, die für den jeweiligen Kontext sinnvoll sind.

Angelika Peer mit Tiago. An diesem Roboter testet die Freie Universität Bozen unterschiedlichste Anwendungen – von der Aktionsund Intentionserkennung bis hin zur Aufteilung von Aufgaben zwischen Mensch und Maschine.

Diese Fähigkeit wird viel und kontrovers diskutiert – vielen macht das Angst. Noch haben intelligente Systeme kein Bewusstsein. Aktuell entscheiden die Maschinen nach den Regeln oder Zielvorgaben, die wir ihnen vorgeben, und auf Basis von gelernten Mustern in Experimental- oder Simulationsdaten, die ihnen bereitgestellt wurden. Nichtsdestotrotz wird aktiv daran geforscht, wie man sicherstellen kann, dass ein System ethische Entscheidungen tri . Es gibt einen eigenen Forschungszweig, der sich nur damit beschä igt, wie man gesellschaliche Regeln in Robotersysteme überführt.

Wo sehen Sie kurzfristig die Einsatzmöglichkeiten für Roboter?

Früher waren die Roboter auf den Fertigungsbereich beschränkt: Die klassischen sechsachsigen Industrieroboter, die sich hinter Gittern be nden und dort ihre Montageaufgaben durchführen, kennen wohl viele. Nun geht der Trend hin zu Robotersystemen, die ohne Barrieren mit den Menschen in Interaktion stehen. Und da gibt es eine Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten.

Zum Beispiel?

In der Fertigung sind es etwa die sogenannten Cobots, also collaborative robots. Sie erfüllen gemeinsam mit Menschen gewisse Aufgaben und unterstützen etwa bei Montageaufgaben. Dann gibt es Robotersysteme, die für unterschiedlichste Anwendungen entwickelt werden. Sie reichen vom Haushalt über den Bereich der Geriatrie, wo ältere Personen beim Aufstehen Unterstützung brauchen, bis hin zur Medizin, wo Robotersysteme etwa in der minimalinvasiven Chirurgie eingesetzt werden, um Chirurgen eine ergonomische Haltung zu gewährleisten.

Der Roboter agiert aber nicht selbstständig? Nein. Es geht immer um die Unterstützung des Menschen durch Roboter. Beispiel Chirurgie: Ein Chirurg kann bei der Durchführung einer Operation unterstützt werden. Zum Beispiel beim Knüpfen von Knoten. Der Chirurg könnte diese Aufgabe durchaus selbst durchführen, aber es würde mehr Zeit in Anspruch nehmen und damit würde sich die Operation in die Länge ziehen. Der Chirurg kann aber auch durch

Segmentierung von Bildern unterstützt werden, durch Führung von Bewegungen, sodass gewisse Gebiete, die ansonsten beschädigt werden könnten, betreten werden können. Aber wir sind noch weit weg davon, dass ein Roboter allein eine Operation durchführt.

Dann ist die Entwicklung, die wir im Bereich Robotik kurzfristig haben, vor allem eine Entlastung und kein Ersatz bestimmter Berufsgruppen?

Es ist eine Entlastung. Es werden aber auch Berufsgruppen ersetzt, schließlich wird sich der Arbeitskrä emangel weiter zuspitzen. Insofern wird sehr viel, etwa in der Fertigung, teilautomatisiert. Die vorhandenen Mitarbeiter will man für die Aufgaben nutzen, die kognitiv oder fertigungstechnisch anspruchsvoller sind, die mehr Kreativität oder Filigranität voraussetzen und die von einem Robotersystem heute nicht durchführbar sind.

Welche Berufe könnten mittel- und längerfristig durch Roboter ersetzt werden?

Da gibt es eine ganze Reihe, angefangen bei Berufsgruppen, die durch ein autonomes Fahrzeug ersetzt werden. Damit könnten Lkw-Fahrer oder Busfahrer wegfallen. Alle Berufe, die mit einfachen Montageaufgaben zusammenhängen, könnten ebenso wegfallen.

Welche Berufe werden Roboter nicht ersetzen können?

Wo es wahrscheinlich schwieriger werden wird, sind Berufe, die soziale Kompetenzen brauchen, etwa in der Altenp ege oder bei Lehrkrä en. Doch überall dort, wo Entscheidungen automatisiert werden, könnten Systeme Personen ersetzen. Zum Beispiel im Bankensektor. Dort läu die Kreditvergabe ja heute schon großteils teilautomatisiert. Oder bei der Personalauswahl, dort kommen für die Vorauswahl ja häu g bereits automatisierte Systeme zum Einsatz.

Gibt es weitere Bereiche, in denen es solche Teilautomatisierungen bereits gibt?

Durchaus. In der medizinischen Diagnostik etwa spielen intelligente Systeme eine sehr große Rolle. Denn die KI, also die künstliche Intelligenz, ist teilweise schon so weit, dass sie Anomalien erkennen kann, die ein Arzt vielleicht noch nicht als solche erkennt. Da werden die Systeme momentan unterstützend eingesetzt, durch die KI erhält man einen Vorschlag, der dann von

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Angelika Peer

Angelika Peer hat Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Universität München studiert. Dort war die 43-jährige Pustererin nach ihrem Abschluss auch als Forscherin und Dozentin für Regelungstechnik und Robotik tätig, bevor sie dem Ruf an die University of the West of England Bristol folgte, wo sie von 2014 bis 2017 in einem Verbund von 200 Wissenschaftlern im Spezialgebiet Robotik forschte.

Seit November 2017 ist Peer Professorin für Robotik und Automation an der Freien Universität Bozen. Als solche leitet sie das Labor für Mensch-zentrierte Technologien und Maschinenintelligenz. Seit März 2023 ist sie zudem Prodekanin für Forschung der neu gegründeten Fakultät für Ingenieurwesen.

einem Menschen betrachtet und eingeordnet wird. Und da liegt auch ein Knackpunkt, wo man derzeit sehr stark forscht: an der Explainability.

Was bedeutet das?

Es geht darum Entscheidungen zu erklären. Es würde dem Arzt sehr helfen, wenn er verstehen könnte, warum ein System glaubt, eine Anomalie entdeckt zu haben. Es ist auch schwierig, wenn jemand nicht weiß, warum er keinen Kredit genehmigt bekommen hat, oder wenn man nicht erklären kann, warum eine Position nicht an eine gewisse Person vergeben wurde.

Noch kann eine KI nicht begründen, warum sie eine Entscheidung trifft?

Sagen wir so: Eine KI lernt Zusammenhänge, nutzt diese intern und tri auf deren Basis Entscheidungen. Aber diese gelernten Zusammenhänge müssen nicht verbalisiert werden. Deshalb arbeitet man an Methoden, die interne Prozesse erklären, sodass Menschen ein Verständnis dafür entwickeln können, warum ein System gewisse Entscheidungen getro en hat.

Worauf muss man achten, damit die Zusammenarbeit Mensch-Roboter funktioniert?

Ich sage immer, der Mensch kann sich an alles gewöhnen. Denken wir nur an Tastatur und Maus: Obwohl es vorher nichts Vergleichbares gegeben hat, hat der Mensch gelernt diese Systeme zu nutzen. Die Fragen sind deshalb: Inwieweit soll und muss sich der Mensch an irgendetwas anpassen? Inwieweit soll hingegen Technologie intuitive Schnittstellen bereitstellen, die der Mensch ohne längere Adaptionsphasen nutzen kann?

Geht es in dieser Zusammenarbeit auch um den Abbau von Vorurteilen? Sicherlich, aber da sind unterschiedliche Gesellscha en unterschiedlich weit. Wenn man zum Beispiel nach Japan schaut, stellt sich diese Frage gar nicht: Die Gesellscha ist sehr o en gegenüber neuen robotischen oder technischen Systemen und gegenüber neuen Unterstützungsmöglichkeiten. Während in Europa, in der westlichen Welt im Allgemeinen, noch viel Skepsis herrscht.

Apropos Skepsis: Es gibt die Theorie, dass im Menschen Unbehagen wächst, wenn ein Roboter zu menschenähnlich wird.

Kommt es dann zu einer Akzeptanzlücke?

Es gibt Roboter, die dem menschlichen Aussehen sehr, sehr nahekommen. Beim Verhalten nähern wir uns dem an. Doch in Sachen Akzeptanz von Robotersystemen gibt es in unterschiedlichen Gesellscha en – wie gesagt – unterschiedliche Herangehensweisen.

Wie weit kann die Menschheit in Sachen Robotik noch kommen?

Da traue ich mich nicht, eine Prognose zu stellen. Es gibt im Moment eine sehr große Anzahl disruptiver Technologien. Gemeint sind hier Technologien oder Methoden, die plötzlich au ommen und die die Wissenscha revolutionieren. Deshalb lautet die Frage letztlich: Wie viele dieser disruptiven Technologien, an die wir vielleicht heute noch gar nicht denken oder die noch sehr weit in den Kinderschuhen stecken, werden kommen und werden uns plötzlich Möglichkeiten scha en, die früher undenkbar waren? Ein aktuelles Beispiel ist die Generative AI, deren Vorboten wir in Form des Textroboters ChatGPT oder dem Bildgenerator Dall-E erleben.

INTERVIEW: SIMONE TREIBENREIF