Feministische Bewegungsgeschichte

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Von Erster Frauenbewegung bis Queer

e h c s i t s i fe m i n

s g n u g e w be geschichten in goettingen

zum 1 00. Frauenkampftag


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Die Veröffentlichung „Von Erster Frauenbewegung bis Queer – feministische Bewegungsgeschichten in Göttingen zum 1 00. Frauenkampftag“ enthält die Beiträge des DEMOnstrativen Stadtrundgangs des Bündnisses fem.stars und dokumentiert weitere (queer-)feministische Aktivitäten zum 1 00. Internationalen Frauenkampftag. Wie dieser verbindet auch die Dokumentation Geschichte(n) und Gegenwart(en) (queer-)feministischer Kämpfe in Göttingen – getreu dem Motto: „Wir bleiben in Bewegung – Geschichte wird gemacht!“ Die Veröffentlichung vereint auf 1 00 Seiten die vielfältigen Eindrücke und Beiträge des erfolgreichen Stadtrundgangs anlässlich des 1 00. Frauenkampftages am 1 9. März 2011 . Wir betrachten

es als großen Erfolg unserer Netzwerkarbeit, dass eine vielfältige und starke Beteiligung verschiedener (queer-) femin i sti sch er Gen erati on en u n d Spektren gelungen ist. Eine Anmerkung zur Schreibweise und Darstellung gegenderter Identitäten in den hier verwendeten schriftlichen Beiträgen: Vielfältige Schreibweisen wurden und werden entwickelt und verwendet – auch in diesem Buch. Die Art der Sprachverwendung liegt in derVerantwortung der einzelnen Beitragenden. Viel Spaß beim Durchstöbern dieses Buches!

! it o d n a c e W : s Feminismu


Inhaltsverzeichnis Zum Geleit • Autorinne*nkollektiv fem. stars Aktionen zum 8. März und drumherum • Zusammengestellt von Eva Wolff und Sandra Kotlenga 8. März – Internationaler Frauentag und Erste Frauenbewegung in Göttingen und anderswo

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Julia Niekamp

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Entstehung und Entwicklung der autonomen FrauenLesbenbewegung in den 70er, 80er und 90er Jahren • Schöner Leben Göttingen Das FrauenLesbenzentrum in der Düsteren Straße 21 – Bericht einer Aktivistin • Chris Mielke Sexarbeiter_innen haben Lust… auf ihre Rechte! • Aga und Rike „Neue Formen – Neue Zeiten“ – feministische StreeetArt in Göttingen • Zusammengestellt

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vom AK GerdA Gender der DGB-Jugend

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„Man hat mir und meinen vier Kindern das Leben zur Hölle gemacht.“ – Die niedersächsische Abschiebungspolitik aus feministischer Perspektive • AK Asyl Göttingen Geschichte des Frauenforums Göttingen • Christine Müller, Gleichstellungsbeauftragte der

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Stadt Göttingen, Koordinatorin des Frauenforums

Frauen/Lesbenprojekte und -einrichtungen in Göttingen • Zusammengestellt von Sandra Kotlenga Das erste ambulante pädagogisch-therapeutische Frauen-Zimmer für psychiatrieerfahrene Frauen in Göttingen • Frauenzimmer e. V. „Die Frau soll studieren, weil sie studieren will…!” - Meilensteine der Kämpfe um Frauenbildung in Göttingen • Zusammengestellt von Eva Wolff undTill Amelung „BlauerTurm bleibt männerfreie Zone, damit Mann Frau für heut’ verschone“ – Ausschnitte feministischer Politik an der Uni • Schöner Leben Göttingen Jedes Mal ein bisschen anders – 5 Jahre Antifee • Interview von Benjamin Laufer Der Frauentag und die Gewerkschaften • DGB Südniedersachsen-Harz Patri-waaas? Interview mit einem Alien über Geschlecht, Patriarchat und Kapitalismus Redebeitrag der Gruppe why2

Sexismus im Alltag junger Frauen • Redebeitrag der Frauengruppe der Falken „we are here – we are queer“ Ein Comic in pink’n’silver! • femKo • Wofür vorne kein Platz mehr war 81 • Druckvorlage 85 • Geschichte wird geschrieben 87 • • Adressen 90 • Kooperations*partnerinnen 93 • Impressum 98 •

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Zum Geleit

Autorinne*nkollektiv fem.stars Der Marktplatz einer mittelgroßen deutschen Universitätsstadt an einem strahlenden Samstag im Frühjahr ist geschäftig. Alle treibt es auf die Straße zum Shoppen, Flanieren, viele um gegen die Atompolitik in Deutschland zu demonstrieren. Gerade hat eine große Demonstration anlässlich des Atomunglücks in Fukushima ihren Abschluss gefunden, als erneut ein Lautsprecherwagen erklingt „I’m the maneating machine“ proklamiert Grace Jones über die Boxen. Ja, hier rollen Göttingens feministische Bewegungen 2011 ein! Der Platz ist überfüllt mit Konsumierenden, Touristinne*n 1 , Restdemoversprengten und einer anwachsenden Gruppe von Menschen. Viele Feministi*nnen haben sich anlässlich des 100. Frauenkampftages zum DEMOnstrativen Stadtrundgang hier eingefunden.

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Vielleicht ist das die größte Herausforderung dieses lang geplanten, mit viel Herzblut und Kreativität gestalteten generationen- und spektrenübergreifenden Projekts: 1 00 Jahre feministische Bewegungen an diesem Tag in ihren aktuellen, lokalen Formen auf die Straße zu bringen – in ihrer Vielfalt und mit vielen Widersprüchen und Kompromissen und unnachlässiger Stärke! _________________________________________

Nein, mit dieser Form haben wir das Rad 2011 nicht neu erfunden. Die Grundidee eines bewusst „demonstrativ“ gewählten Stadtrundgangs wurde nach dem Muster eines solchen anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels im Jahr 1 992 gewählt. Dabei ging es darum, in einem Rundgang markante Orte von Ausbeutungsstrukturen und deren Effekte in unserem Alltag aufzuspüren. Schon diese Anlehnung macht deutlich, dass wir in unseren aktuellen Verortungen sowohl auf feministischen, queeren aber auch auf anderen emanzipatorischen Bewegungen der Vergangenheit aufbauen und uns diesen verbunden fühlen. „Please don’t you stop“ ruft die riot grrrl-Band Le Tigre Generationen von Feministin*nen über die Lautsprecher zu.

Der Rundgang will deutlich machen: 2011 fangen wir nicht von vorne an, es wurde schon viel erreicht! Jedoch sind wir noch lange nicht am Ziel, die Kämpfe gehen weiter! Um im Hier und Jetzt stark zu sein, ist es für unsere Bewegungen wichtig, sich des eigenen Gewordenseins zu besinnen, an frühere Kämpfe und Aktivistinnen* zu erinnern und bewusst anzuknüpfen – lokal und mit welt-

Um die Frage der Repräsentation oder Infragestellung vergeschlechtlichter Identitäten in der Sprache gibt es viele Auseinandersetzungen. In diesem Text verwenden wir in Wörtern, die Personen beschreiben, Sternchen, in dem Wissen, dass jeder Versuch geschlechtliche Vielfalt auszudrücken, notwendigerweise unabgeschlossen bleiben muss, weil jede Fixierung grammatischer Repräsentation immer wieder Ausschluss bedeutet. Mit dem Sternchen wollen wir markieren, dass wir die dichotome Zweigeschlechterordnung für ein soziales und politisches Konstrukt halten und setzen diesem den Anspruch von Vielfalt entgegen. Diese Vielfalt darf unseres Erachtens nicht in einem symbolischen „Toleranzzwischenraum“ zwischen zwei ansonsten unhinterfragten „männlich“ und „weiblich“ codierten Geschlechterpolen verharren, sondern sollte die hierarchische Geschlechterordnung möglichst unterlaufen. Deshalb verwenden wir das Sternchen an unterschiedlichen Stellen im Wort. Damit stellen wir hierarchisierte Geschlechterkategorien in Frage und vermeiden, dass in der sprachlichen Darstellung „männlich“ codierte Menschen wie so oft mit dem „Allgemeinen“ zusammenfallen und „weiblich“ codierte Identitäten durch ein optisch getrenntes „innen“-Suffix symbolisch untergeordnet werden. 1

Feministisches Comeback -


weiten Bezügen! Zugleich geht es aber auch darum, feministische Bewegungen weiterzuentwickeln und vielleicht auch mit „Traditionen“ und Diskursen zu brechen bzw. diese zu hinterfragen. Das alles sollte der Rundgang leisten: Informationen über Bewegungen bereitstellen, Würdigung vergangener Kämpfe und der Kontinuitäten ausdrücken, aber auch Brüche aufzeigen und erfahrbar machen. Mit dem 1 00sten Frauenkampftag beanspruchten wir, Bildung, Bewegungsgeschichten und Bewegungen miteinander zu verknüpfen, selbst als aktiver Teil der Bewegungen in Erscheinung zu treten und diese sichtbar zu machen. Und wer tritt für diesen Anspruch ein? Es müssen wohl Feministinnen* sein – und dabei wie eh und je größtenteils weiblich sozialisierte Aktivistinnen! Eine* reicht der* anderen die Hand, ein breites und vielfältiges Bündnis aus unterschiedlichen feministischen Zusammenhängen Göttingens entstand: FEM.STARS! Gewerkschaft*erinnen und queere Hochschulgruppen, autonome und/oder queer-feministische Gruppen und Einzelpersonen; generationenund spektrenübergreifend. fem.stars streuten die Einladungen zur Beteiligung breit und erhielten Resonanz. Institutionen des Frauenforums, Verbündete von Sexarbeiter*innen, Lesben- und Transaktivist*innen, Gleichstellungsbeauftragte sowie Frauenprojekte sagten ihre inhaltliche Beteiligung zu. Auch darin lag eine politische Herausforderung, denn das Spannungsverhältnis von politischen Differenzen und dem Anspruch, gemeinsame Interessen und Anliegen in einem Stadtrundgang zu vereinen, musste ausgehalten werden. Und trotz dieser Vielfalt fehlten noch sehr viele!

DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011

Wir mussten die Resonanz auf unser Vorhaben mit unseren Ansprüchen in Einklang bringen und fragten uns: Welche Personen und Gruppen machten feministische Bewegungen Göttingens bis heute für uns aus? Wie weit reichen überhaupt unsere Netzwerke und unser Wissensschatz über hiesige Kämpfe, Institutionalisierungen und Auflösungen? Und wie lassen sich Geschichten proletarischer, migrantischer, autonomer und akademischer FrauenLesbenTrans*bewegungen auf einen repräsentativen und doch räumlich begehbaren Rundgang reduzieren? Es müssen schon fem.stars sein, die sich dieser Herausforderung stellen! Gesagt ist aber noch lange nicht getan: das Aktivistin*nenbündnis ist überwiegend weiß und akademisch gebildet und kommt aus der „Mittelschicht“ – fragend schreiten wir voran!

Der Frühling zeigt sich an diesem Samstag, dem 19. März 2011 , von seiner schönsten Seite viel versprechend für die ca. 300 Teilnehmenden, die sich hier eingefunden haben, um den 100. Frau-

müssen weg! n e l ol rr Geschlechte

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enkampftag gemeinsam im wahrsten Sinne des Wortes zu begehen.

Bereits am 8. März selbst und in den Tagen rund um das 1 00jährige Jubiläum entstand ein vielfältiges Programm: Radiosendungen und Partys, ein feministischer Liederabend und Streetart-Aktionen, um nur einige ausgewählte Punkte zu nennen. Und nun sammelt sich die Menge rund um den regenbogenfarbenen Regenschirm der symbolischen Rundgangsführerin*. 3, 7 km walk of pain, fame and glory liegen vor uns. 2

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Wir haben die intensive gemeinsame Vorbereitungszeit und die Umsetzung des Stadtrundgangs als sehr vielfältig erlebt. Unsere Reflexionen ergaben für uns, dass in der Umsetzung noch viele Positionen und Kämpfe nicht enthalten sind, die es weiter zu berücksichtigen und einzubeziehen gilt. Gerade weil uns viel Auseinandersetzung, breite Beteiligung, ein Stück weit feministische Geschichtsschreibungen und Bewegungen mit diesem Bündnis gelungen sind, wollten wir diese dokumentieren, weitertragen und für viele kommende Anlässe nutzbar machen. Ob für Aktionen, Bildungsarbeit, Stadtpolitik: einen feministischen Stadtrundgangs-Guide wie diesen an der Seite zu haben finden wir sehr bereichernd! Die in diesem Buch zusammengefassten Beiträge spiegeln zum großen Teil die von uns für diesen „runden Gang“ durch die Stadt ausgewählten und aufgearbeiteten Stationen wider. Aus verschiedenen Gründen fehlen jedoch relevante feministi-

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sche Orte und Kämpfe. Wir haben versucht, diese mit einzelnen weiteren Beiträgen jenseits des durchgeführten Stadtrundgangs zu repräsentieren, was zwangsläufig nur unvollständig gelingen konnte. Als Anregung für künftige Anlässe erfahrt ihr, was in Göttingen zum 1 00. Frauenkampftag an Aktionen und Rahmenprogramm auf die Beine gestellt wurde. Die Beiträge dieses Buchs beginnen mit der Darstellung von Aktionen zum 8. März und zahlreicher Aktivitäten drum herum. Anschließend werden ausgehend entlang der Stationen unseres Stadtrundgangs die einzelnen Beiträge dokumentiert: Von der Entstehung des Frauenkampftages, der Entwicklung der Ersten Frauen(rechts)bewegung und der Zweiten autonomen FrauenLesbenbewegung in Göttingen und anderswo, über die Arbeit des Göttinger Frauenforums und Göttinger Frauenprojekte. Quer und unchronologisch führen sie uns durch die Jahrzehnte verschiedenster Frauen*/Lesben-Bewegungen, durch feministische Auseinandersetzungen mit Arbeitsrechten, rassistischer Politik und heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit bis hin zur glamourösen Umsetzung einer queerfeministischen pink’n’silverPerformance auf dem Marktplatz. Anhand der Beiträge könnt ihr dann auch gut selbst einen Stadtrundgang durchführen. Abschließend soll dieses Buch auch einen Blick auf das derzeitige Spektrum an Institutionen, Initiativen, politischen

Die Route lässt sich unter http://monsters.blogsport.de/2011 /03/1 9/1 00-jahre-frauenkampftag/ oder http://femstars.tumblr.com/ nachvollziehen. 2


Gruppen und Projekten vermitteln, die in Göttingen feministische Politik machen. Wir feiern uns und alle, die es mit ihrer Kraft und Kreativität möglich gemacht haben, ein Stück feministische Geschichte wiederzuentdecken, lebendig werden zu lassen und festzuhalten! Kommt mit uns an die Orte der Kämpfe und Auseinandersetzungen, Orte der Selbstermächtigung

und Zuflucht! Folgt uns Seite für Seite, informiert euch, reiht euch demonstrativ mit ein, ermächtigt euch, verwendet die feministischen Sprüche aus verschiedenen Dekaden und macht euch stark, bewegt euch – denn Geschichte wird gemacht!

Aktionen zum 8. März und drumherum

Aktionen von einzelnen fem.star-Gruppen

Zusammengestellt von Eva Wolff und Sandra Kotlenga

Dienstag, 8. März

Die Aktion der DGB-Jugend zum 1 00jährigen Frauenkampftag war fantasievoll, bunt und stark und hat feministische Power so-

wohl durch politische Forderungen auf den Sockeln der Nanas als auch auf den wunderbaren Siebdrucken eindrücklich in der Innenstadt sichtbar gemacht. Ganz besonders schön: die Prototypen der Luftballons für unseren DEMOnstrativen Stadtrundgang – handgemalt!!!

Infostand und Aktionen am Gänseliesel (DGB-Jugend/Schöner Leben Göttingen)

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Aktionen zum 8. März und drumherum Aktionen von einzelnen fem.star-Gruppen

Ein paar Meter weiter wurde ganz plastisch am Stuhl des Patriarchats gesägt und zu einer Videoaktion für junge Frauen und Mädchen eingeladen: „Macht Euren eigenen Clip – Welche Verbesserungen für Frauen und Mädchen wünscht Ihr euch?“ (Abbildung des Einladungsflyers auf S. 81 ) Männerherrschaft zersägen – ganz praktisch. Am 5. und 8. März 2011

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konnten PassantInnen in der Innenstadt Hand anlegen. AktivistInnen der Gruppe Schöner Leben Göttingen hatten genau den Stuhl mitgebracht, der schon für die Postkarte "Lass uns weitermachen!" Modell gestanden hatte. Jung und alt allerlei Geschlechts beteiligten sich an der Aktion. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Männerherrschaft an diesen Tagen zumindest symbolisch zerlegt war.


Aktionen zum 8. März und drumherum

Nanas im Einsatz

Die Nanas setzten sich nach dem 8. März in Schaufenstern des Göttinger Einzelhandels fest: Starke Frauen im Stadtbild vom Göttingen!

9 Weitere Aktionen über das Bündnis hinaus Dienstag, 8. März Ausstellungseröffnung und Riotgrrrrrl Party Café Kollektiv Kabale, Geismarlandstraße 19

Ausstellungseröffnung von Plakaten der „autonomen FrauenLesbenTrans*-Bewegung“ am Dienstag im Café Kabale. Und abends ab 22 Uhr ist Riotgrrrl-Punk-Pop-Disko um den internationalen Frauenkampftag zu feiern. Für die Party gilt an diesem Abend: FrauenLesbenTrans* only!

Dienstag, 8. März, 21 Uhr Soli-Theke unter dem Motto eines antinationalen Frauenkampftages (ASJ) JuzI

Soli-Theke mit Vorführung des Films XXY über das Leben der 1 5-jährigen intersexuellen Alex. Jede Person, die im „Geschlechtsvertauschten Outfit“ erscheint, bekommt eine Überraschung.


Aktionen zum 8. März und drumherum Nanabau

„Gebt Raum den Frauen“ 1

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Die bunten, dicken Figuren, inspiriert von den Nanas von Niki de Saint Phalle, sind ein echter Hingucker. Mit Transparenten und Forderungen ausgestattet zeigen sie Frauen von Gewicht, die etwas zu sagen haben. 11 Nanas wurden zum hundertsten Jubiläum des internationalen Frauentages 2011 von 11 Frauen gemeinsam hergestellt, unterstützt und gefördert durch DGB-Jugend und DGB Südniedersachsen-Harz, GEW – Kreisverband Göttingen, IG Metall SüdNiedersachsen-Harz, ver.di Süd-Ost- Niedersachsen. Jede kann für sich mit Ihren Forderungen stehen, doch zeigt sich auch, dass gerade durch den solidarischen Bezug unter- schiedlicher FrauenLesbenTrans* aufeinander gemeinsam viel erreicht wurde und werden kann. Diese 11 Nanas mit ihren Forderungen treiben sich in ganz Göttingen rum, um symbolisch für die Gleichberechtigung von Frauen_LesbenTrans* in allen Lebenslagen einzutreten.

Hier die elf Forderungen im Überblick: 1 . Für gleichen Lohn für gleiche Arbeit! 2. Für eine gesetzliche Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten! 3. Für politische und soziale Gleichberechtigung von Migrant_innen! 4. Das Private ist politisch: für die gerechte Verteilung von Haus- und Sorgearbeit! 5. Für den Erhalt von Frauenprojekten, Mädchentreffs in und um Göttingen! 6. Für die eigenständige Existenzsicherung von Frauen und sichere Rente! 7. Für die Anerkennung und Sichtbarmachung der realen und vielfältigen Identitäten von Frauen LesbenTrans*! 8. Riots not diets! 9. „Wir erobern uns die Nacht zurück…!“ 1 0. Mein Bauch gehört mir! 11 . Für ein Ende sexualisierter Gewalt!

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Überschrift eines Artikels der Bremer Bürgerzeitung zum 2. Frauentag 1 91 2, in dem der Anspruch der Frauen auf politische Mitbestimmung betont wird: „Auch wir Frauen wollen das Recht haben, den Herren auf die Finger zu sehen und nötigenfalls auch mal derbe zu klopfen. Zu den schweren Pflichten, die man uns seit langem an den Hals geworfen hat, fordern wir staatsbürgerliche Rechte.“ 1

Perverse, gegen’s Patriarchat, gegen Hybride


Aktionen zum 8. März und drumherum

Postkartenaktion des DGB Südniedersachsen-Harz und des Frauenforums 100 Jahre Frauen(kampf)tag - Das Göttinger Frauenforum ist dabei! – Ihr auch?!

Im nächsten Jahr wird der Internationale Frauentag 1 00 Jahre alt. Auf diesen Anlass will das Frauenforum Göttingen mit einer Postkarte hinweisen. Diese Karte wird mit einer Auflage von 3000 Stück im März 2011 an 30 Göttinger Orten verteilt. Dafür suchen wir ein Motiv, das auf diese Postkarten gedruckt werden kann.

Was fällt euch ein, wenn ihr an den 8. März denkt? Ist es ein Grund zum Feiern oder eher ein trauriger Anlass? Aus den vielen Einsendungen wurden die folgenden drei ausgewählt, denn für nur eine konnten wir uns nicht entscheiden. Danke, für die großartige Resonanz! Euer Frauenforum und DGB Südniedersachsen-Harz.

11 Entwurf: Frauenbüro Stadt Göttingen

Entwurf: queere hochschulgruppe

Entwurf: DGB-Jugend, GerdA.gender

Mackerattitüde und gegen diesen ...! DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011


Aktionen zum 8. M채rz und drumherum Aktionen des Frauenforums

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Rollendenken? Ha ha ha!


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Bericht über die Veranstaltung mit Frigga Haug auf Seite 82.

Röcke sind für alle da!


Aktionen zum 8. März und drumherum Theaterstück bread and roses: Ein szenischer Rundgang vom boat people projekt

bread and roses ist ein Minidrama, geschrieben und inszeniert von Luise Rist und Nina de la Chevallerie. Gespielt wurde in diesem „szenischen Spaziergang“ an drei verschiedenen Orten der Innenstadt. In fünf kurzen Monologen erzählten fünf starke faszinierende Frauen vor begeistertem und bewegtem Publikum von verschiedenen Formen des Widerstands und der Widerspenstigkeit im Deutschland von heute.

Die gesamten Aktionen des fem.star-Bündnisses

— Der Aufruf zum DEMOnstrativen Stadtrundgang

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Heute wie morgen wie gestern und wie vor hundert Jahren fordern wir solidarisch bessere Lebensbedingungen für Frauen, Mädchen, Lesben, Trans* und Inter* weltweit: „Darum, auf ihr Frauen und Mädchen [...] Der 1 9. März ist euer Tag, an dem ihr zum Ausdruck bringen sollt, daß ihr es satt habt, als Gleichverpflichtete, aber Minderberechtigte euch zu mühen […] Heraus aus der

Finsternis!“ (aus dem Aufruf zum Frauenkampftag 1 911 ). Auf der zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz von Kopenhagen im August 1 91 0 wird erstmals für einen internationalen Frauentag als Kampftag für das Frauenwahlrecht gestimmt und dieser auf den 1 9. März festgelegt. Der Vorschlag kommt von den Genossinnen Clara Zetkin und Käte Dunckers. Vorangegangen waren in den Jahren zuvor erfolgreiche, aber auch niedergeschlagene Streiks vieler tausender Textilarbeiterinnen und die Einführung eines Frauenkampftages in den USA. Um an den großen russischen Textilarbeiterinnenstreik im Jahr 1 917 zu erinnern, wurde 1 921 dann der 8. März als Internationaler Frauentag festgelegt. Doch auch nach der Entstehung des Frauenkampftages ist der Genossin Zetkin noch immer mehr als bewusst, dass gesellschaftliche Veränderungen nicht vom Himmel fallen. Sie fordert deshalb auch nach der gesetzlichen Verankerung des Frauenwahlrechts in


Aktionen zum 8. März und drumherum

Die gesamten Aktionen des fem.star-Bündnisses

der Weimarer Republik 1 91 8: „Nun gilt es für die Frauen, […] lassen wir uns nicht durch die Gespenster der Vergangenheit schrecken, stürmen wir entschlossen vorwärts, der Zukunft entgegen“ (Die Rote Fahne vom 22. November 1 91 8). Clara Zetkin machte schon früh deutlich, dass die Probleme nicht durch ein formales Frauenwahlrecht gelöst sind. Ihr ging es um revolutionäre Veränderungen und die Überwindung des Kapital- ismus, nicht nur um Reformen: „Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ist, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus.“ Wir profitieren heute davon, was Frauen, Lesben, Trans* und Inter* innerhalb der letzten hundert Jahre und schon zuvor erkämpft haben. In einer befreiten und gleichberechtigten Gesellschaft leben wir jedoch noch lange nicht! Die Vorstellung natürlicher Unterschiede zwischen Frauen und Männern, die damit einhergeht, dass Frauen in der Regel die schlechteren Karten haben, ist dem Staat und seinen Gesetzen, dem Konstrukt der

Nation und den meisten kulturellen Debatten nach wie vor eingeschrieben. Auch scheint es kein Widerspruch zu sein, dass Deutsche im Ausland Krieg führen, vermeintlich um dort die Rechte der Frauen zu stärken, gleichzeitig aber viele Frauen aus Deutschland in lebensbedrohliche Krisengebiete abgeschoben werden. Der Einsatz für „Frauenrechte“ seitens westlicher Staaten, aber auch westlicher feministischer Gruppen geschieht zudem häufig über die Köpfe der betroffenen Frauen hinweg. Feministische Kämpfe und Organisationen vor Ort finden dabei in der Regel keine Beachtung. Damit es nicht noch 1 00 Jahre dauert ... kämpfen wir weiter: Gegen die patriarchale Ausbeutung und Abwertung bezahlter und unbezahlter Arbeit, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, für die Abschaffung prekärer Lebensbedingungen, für ein Ende von sexualisierter Gewalt und ein Ende der Unterdrückung von Frauen, Mädchen, Trans* und Queers in der ganzen Welt. Seien wir laut, sichtbar, unverschämt und unersättlich! Wir bleiben in Bewegung, denn Geschichte wird gemacht!

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Aktionen zum 8. März und drumherum Die gesamten Aktionen des fem.star-Bündnisses Liedernachmittag 1 2. März

Einladung zum Entdecken und Mitsingen

Von "Brot und Rosen" bis "Neue Männer braucht das Land" und zu den „flying lesbians“ - Wir singen feministische Lieder aus einem Jahrhundert "Gerade bei Forderungen nach Lohngleichheit, Arbeitszeitverkürzung, Emanzipation und Frieden, die unseren Einsatz für eine lange Zeit erfordern, reicht das bloße Wissen um einen altbekannten Missstand als Handlungsmotivation nicht aus. Hier ermutigen unsere Lieder. "

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und laden ein, mit uns feministische Lieder quer durch das letzte Jahrhundert kennenzulernen. Es werden die historischen Hintergründe der Lieder beleuchtet und ihre Wirkung in ihrer Zeit bis heute diskutiert. Bei Interesse werden wir die Lieder auch selbst singen! Wir sind gespannt und freuen uns auf Euch! Zeit: Samstag, 1 2.02.2011 , 1 6 bis 1 8 Uhr Ort: Autonomicum Unterstützt durch

Diesem Klappentext aus dem Buch "Gestritten Gehofft Getanzt" von 1 986 schließen wir uns an BROT UND ROSEN Quelle: The Liberated Women’s Songbook, Jerry Silvermann Verlag Musik: Martha Coleman (englische Version); Renate Fresow (abgebildete Version) Text: James Oppenheim, Nachdichtung: Peter Maiwald

Dieses Lied aus dem Jahr 1 91 2 entstand bei einem Streik von 1 4000 Textilarbeit*erInnen in Lawrence/ USA, der sich gegen Hungerlöhne und Kinderarbeit wendete. Bei diesem Streik kämpften insbesondere viele Frauen für ihre Interessen, unter anderem für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das Lied geht auf ein Transparent von Arbeiterinnen mit der Forderung „we want bread and roses, too“ zurück und ist eines der bekanntesten Lieder der amerikanischen Frauenbewegung. Es wurde in viele Sprachen übersetzt und obenstehende Version ist nur eine von vielen! „trash trash…we are the feminist generation!“: lautstark singend schlugen wir die Brücke zu den Feministin*nen der 90er, zu Liedern, die auf keiner Demo fehlten!


Feministinnen* verschiedener Generationen wollten vergessene Lieder feministischer Bewegungen aus 1 00 Jahren wiederfinden, neu entdecken und mit Gesang zum Leben erwecken. Aus diesem Wunsch entstand der feministische Liedernachmittag im März 201 1 !

„Trash Trash" wurde in Göttingen in der 80er/90er Jahren oft auf feministischen Demonstrationen gesungen Bildquelle: http://library.duke.edu/ruben stein/scriptorium/wlm/fighto n/fighton-cover-72.jpeg

Notenauszüge aus C. Brunsen, E. Koopmann, M. Schwarz (Hrsg.innen): Gestritten, Gehofft, Getanzt, Dortmund 1 986 und Inge Latz: Frauen-Lieder; Frankfurt a.M. 1 980

Schneewittchen zerschlag deinen gläsernen Sarg, wie liegst du denn da, blass und kalt. Würg schnell den vergifteten Apfel heraus, stoß den Sargdeckel auf mit Gewalt. Drum zerschlag deinen Sarg, nicht so zag, du bist stark, und der lange Schlaf ist nun vorbei, und der lange Schlaf ist nun vorbei. Auf den Prinz warte nicht, der den Zauber durchbricht, sieh zu, dass du fort bist, eh er küsst. Steig nicht auf sein Ross, folg ihm nicht in sein Schloss, wo du wie im Sarg eingeschlossen bist. Drum zerschlag... Schneewittchen, du weißt wie das Apfelgift heißt: Es heißt Tradition und lähmt dich sehr. Dein Blut wird schon kalt, wenn du selber nicht bald dich befreist, kannst du’s nimmermehr. Drum zerschlag... Und bist du dann aus deinem Glassarg heraus, sei fröhlich und beweg dich ohne Scheu. Kannst du nicht gehen, dann tanz, dreh und wende dich mal ganz, und gar manche Bewegung ist dir neu. Drum zerschlag… Schneewittchen, glaub nicht, was das Märchen verspricht, das Happyend kann nur dein eigenes sein. Es gibt noch viele andere Schneewittchen, drum geh zu ihnen, hilf sie befrein. Drum.. Text: B. Regenbogen, Musik: A. Domdey Von der Gruppe Schneewittchen, der ersten westdeutschen Frauenrockband 1 977-1 981

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Aktionen zum 8. März und drumherum Die gesamten Aktionen des fem.star-Bündnisses We are here, we are queer! „pink and silver“ –Treffen am 1 8. März

Der Ankündigungstext: Wir wollen diese queer_feministische Aktionsform auf dem DEMOnstrativen Stadtrundgang (Sams-

tag, 1 9. März) reaktivieren – mit euch allen! Dafür laden wir alle Interessierten zu einem kurzen, vorbereitenden Workshop ein. http://femko. blogsport. de/

… und das supercoole Performance-Ergebnis seht ihr hier!

18 Karaoke-Party 1 8. März

Schon Emma Goldman sagte: "Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution!" Ausgelassenheit und Albernheit sind für gesellschaftliche Umstürze eben genauso wichtig wie Vorträge, Demos und Lesekreise. Deshalb: "lasset uns singen, tanzen und springen..." gegen den patriarchalen, homophoben, arbeitsintensiven, grauen, regnerischen, kalten All-

Fe-mi-nismussha-la-la-l

a-la!

tag... ...bei der feministischen Karaokeparty zum 1 00. internationalen Frauenkampftag... ...am 1 8. März im Kabale! (Geismarlandstr. 1 9) Los geht's um 22 Uhr.

DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 100. Frauenkampftag 2011


Aktionen zum 8. März und drumherum

Pressemitteilung

Von Erster Frauenbewegung bis Queer: ein demonstrativer Stadtrundgang zu Frauenbewegungsgeschichten in Göttingen. Am 1 9. März 1 911 fand der erste internationale Frauentag statt. Auf dieses hundertjährige historische Jubiläum möchte das Bündnis fem.stars mit einem speziell für diesen Anlass entwickelten DEMOnstrativen Stadtrundgang hinweisen: Welche Kämpfe haben Frauen, Lesben, Trans* und Inter in Göttingen geführt? An welchen Orten und für welche Inhalte haben sie gestritten, gelitten und demonstriert? Welche Niederlagen mussten verkraftet, welche Siege konnten gefeiert werden? Mit der kurzweiligen Beantwortung dieser Fragen macht fem.stars Frauenbewegungsgeschichten in Göttingen lebendig! In einer Mischung aus Demonstration und Stadtrundgang können 100 Jahre Frauen/Lesben/Trans*Politik in Göttingen (neu) entdeckt werden. Von Arbeiterinnen und Bürgerinnen bis hin zu autonomer und institutionalisierter Frauenbewegung, von „lange vergangen“ bis „immer noch aktiv“: die jeweiligen Akteur_innen haben feministische Spuren hinterlassen, die auch 2011 sichtbar sind und von denen wir gegenwärtig noch profitieren. Manche Kämpfe, wie die gegen sexualisierte Gewalt und Sexismus sind heute wie vor 1 00 Jahren aktuell. Projekte wie Frauenhaus, Frauennotruf oder die therapeutische Frauenberatung können teilweise bereits auf eine mehrjahrzehntige Geschichte verweisen.

sha-la-la-la-la!

Selbstorganisationen von Intersexuellen und Trans* werden dagegen erst in den letzten Jahren verstärkt in Göttingen wahrgenommen. „Durch die Verbindung von vergangenen und gegenwärtigen Bewegungsgeschichten wird deutlich, dass queer-feministische Kämpfe nach wie vor aktuell sind und viel mit unserem Alltag in Göttingen zu tun haben“, so Eva Wolff, eine Sprecherin von fem.stars. Der DEMOnstrative Stadtrundgang wird voraussichtlich ca. 2 Stunden dauern, alle, denen das zu lang ist, sind eingeladen, zwischendurch Pausen zu machen. Auf unser Homepage (http://femstars.tumblr.com/) veröffentlichen wir Informationen zu der Route und den einzelnen Stationen, die ebenfalls beim Auftakt am Gänseliesel schriftlich verteilt werden. Von alt bis jung von 1 00-1 , wir freuen uns über eine rege Beteiligung. Als Einstimmung zum DEMOnstrativen Stadtrundgang lädt fem.stars zu einer feministischen Karaokeparty ein. Die Veranstaltungen richten sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität. Neonazis und andere Anhänger_innen menschenverachtender Weltanschauungen sind unerwünscht. http://femstars.tumblr.com/ Das Bündnis "fem.stars" besteht aus Einzelpersonen und den Gruppen why2, [femKo], queere hochschulgruppe, DGB und DGB-Jugend Südniedersachsen-Harz und Schöner Leben Göttingen.

sha-la-la-la-la!

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Aktionen zum 8. März und drumherum 1 9. März — DEMOnstrativer Stadtrundgang fem.stars-ROUTE am 1 9.03.2011 zum DEMOnstrativen Stadtrundgang

1 . Altes Rathaus „Schlaglichter: Entstehung des 8.

März und der Frauenbewegung in Deutschland” 2. Düstere Straße „Entwicklung autonomer FrauenLesbenbewegung seit den Siebziger Jahren/ FrauenLesbenzentren” 3. Turmstraße „Stop the war on whores!” Interna-

tionale Sexarbeiter_innenkämpfe um Rechte und Anerkennung 4. Ju ZI Street Art, Graffiti, Siebdruck und Queerfeministische Öffentlichkeit 5. Landkreis „Gegen Nationen und gegen die Hetze, gegen rassistische Sondergesetze“

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6. Jüdenstraße Geschichte des Frauenforums 7. Barfüßerstraße Das erste ambulante pädago-

gisch-therapeutische Frauen-Zimmer für psychiatrieerfahrene Frauen in Göttingen 8. Auditorium „Die Frau soll studieren, weil sie studieren will… !” (Hedwig Dohm) Frauenbildung in Göttingen 9. SUB „Blauer Turm bleibt männerfreie Zone, damit man frau für heut’ verschone”

1 0. Obere Masch (Platz der Synagoge) Proletarische Frauenbewegung 11 . Prinzenstraße I „Patri- waaaas??? Interview

mit einem Alien über Geschlecht, Patriarchat und Kapitalismus”

1 2. Prinzenstraße II Sexismus im Alltag junger Frauen 1 3. Altes Rathaus „We are here, we are queer!” Pink’n’ silver

„Genug der Küsserei – jetzt wird gebissen“ Auszug aus dem Redebeitrag am 19. März 2011 :

Wir sind hier am Gäselieselbrunnen, dem Denkmal von Göttingen. Irgendwann wurde von Studenten der Brauch eingeführt, zum Abschied aus Göttingen die Lieselfigur ungefragt zu küssen. Von der autonomen FrauenLesbenbewegung wurde immer wieder Kritik an diesem symbolischen Übergriff vorgebracht. In den Neunzigern war dieser unsägliche Brauch zumindest aus linksliberalen und emanzipatorischen Kreisen weitgehend verbannt, um seit einiger Zeit wieder mehr Verbreitung zu finden – auch außerhalb von Burschenschaftskreisen. Wir finden: Es ist genug der Küsserei, jetzt wird gebissen!

! e u s is e id s a t o n Sexism is

"Genug der Küsserei, jetzt wird gebissen" - feministische Bündnisdemo gegen Sozialabbau am 8. März 1 997


8. März

– Internationaler Frauentag und erste Frauenbewegung in Göttingen und anderswo Julia Niekamp

Seit einigen Jahren findet man zuweilen in Blumengeschäften nicht nur wie üblich besondere Arrangements zum „Valentinstag“ oder zum „Mutter- tag“, sondern auch zum 8. März, zum „Frauentag“. Woher kommt das? Eine neue Marketingidee, um die Ware erst an den Mann und damit an dessen Frau zu bringen? Weit gefehlt. Der 8. März hat eine rund hundertjährige Geschichte, als internationaler Frauen-Kampftag. Um 1 900 hatten sich in den europäischen Industriegesellschaften und den USA immer mehr Frauen organisiert, um zentrale bürgerliche Freiheitsund Teilhaberechte – Recht auf (Aus-)Bildung, Universitätsstudium, Erwerbsarbeit und vor allem das Stimmrecht – auch für ihre Hälfte der Menschheit durchzusetzen. Je nach politischen Traditionen und Rahmenbedingungen der verschiedenen Länder geschah dies unterschiedlich militant und in unterschiedlich starker Kooperation zwischen Organisationen der bürgerlichen und der sozialistisch-gewerkschaftlichen Frauenbewegung. Zwar pflegten auch die bürgerlichen Frauenorganisationen untereinander einen regen internationalen Austausch, die nationale Orientierung spielte bei ihnen jedoch immer eine deutlich größere Rolle als bei den sozialistischen Gruppen, die sich der Solidarität und dem gemeinsamen Kampf einer internationalen ArbeiterInnenbewegung verpflichtet sahen. So gab es bereits als deren internationalen Kampftag den 1 . Mai – ein internationaler Frauentag erschien daher nur konsequent. Auf der Zweiten Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen schlug daher die deutsche Sozialistin und Herausgeberin der sozialdemokrati-

schen Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“, Clara Zetkin, am 27. August 1 91 0 die Einführung eines internationalen Frauentages vor. Vorbild war dabei die Initiative der Socialist Party of America (SPA), die 1 909 erstmals in einem Bündnis mit bürgerlichen Frauen zu einem Frauentag aufgerufen und als zentrale gemeinsame Forderung für das Stimmrecht demonstriert hatten. Die Kopenhagener Fraueninternationale beschloss:

„Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. [… ] Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“

Daraufhin wurde erstmals am 1 9. März 1 911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz der Frauentag mit Demonstrationen für das Stimmrecht und der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit begangen. Dass die Frauen sich dabei auf die Kämpfe der Pariser Commune von 1 871 bezogen, zeigt den Charakter des Frauentags als Kampftag der sozialistischen, nicht der bürgerlichen Frauenbewegung. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Zeitschrift „Die Frau“, wichtigstes Organ der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung, den internationalen Frauentag stets ignorierte, obwohl auch „Die Frau“ für Einführung des Frauenstimmrechts warb und innerhalb der bürgerlichen Frauenorganisationen nicht deren konservativen Flügel repräsentierte.

History was her story too!

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In den folgenden Jahren wurde der Frauentag zu unterschiedlichen Terminen begangen. Im Zentrum standen die Rechte der proletarischen Frauen – denen auch konservative PolitikerInnen das „Recht“ auf schlecht bezahlte Lohnarbeit nicht absprachen, das Recht auf Bildung, politische Organisierung und gleiches Stimmrecht jedoch sehr wohl. Für die Russische Revolution 1 917 spielte der 8. März eine entscheidende Rolle: In Sankt Petersburg streikten Arbeiter- und Soldatenfrauen und erstmals auch bäuerliche Frauen der armen Stadtviertel und lösten damit jene Erhebung aus, die schließlich zum Ende der Zarenherrschaft und Gründung der Sowjetunion führte. Um dem zentralen Anteil der Frauen an der Russischen Revolution zu gedenken, wurde daraufhin 1 921 auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1 921 in Moskau der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt. Durch die Spaltung der Arbeiterbewegung in kommunistische und sozialdemokratische Parteien nach 1 917 waren die sozialdemokratischen Organisationen westlicher Länder in den folgenden Jahrzehnten in unterschiedlicher Weise bemüht, sich von dieser Traditionslinie abzugrenzen, ohne jedoch die Idee eines Frauentages aufgeben zu müssen. Während der Weimarer Republik wurde daher ein sozialdemokratischer Frauentag z.T. zunächst gar nicht oder an wechselnden Terminen um den 8. März herum begangen. Forderungen nach Gleichberechtigung, aber auch nach sexueller Selbstbestimmung und Abschaffung des §21 8 waren während der Weimarer Republik zentrale

Schlechtes Wetter,

Forderungen beider Flügel der Arbeiterinnenbewegung. 1 933 schließlich wurde der Frauentag von den Nationalsozialisten verboten und durch den „Muttertag“ ersetzt. Nach 1 945, mit zunehmender Verschärfung der Systemkonfrontation im Kalten Krieg, war es für nichtkommunistische Organisationen im Westen zunehmend undenkbar, einen Gedenktag zu begehen, der den Beginn der Russischen Revolution markierte. Wollte man den 8. März weiterhin auch für sich beanspruchen, musste ein neuer Ursprungsmythos gesponnen werden: ein Streik von NewYorker Textilarbeiterinnen, der sich am 8. März 1 857 ereignet haben soll, bei dem durch Polizeiübergriffe zahlreiche Frauen ums Leben gekommen seien. Genau fünfzig Jahre nach diesem Vorfall hätten dann amerikanische Frauengruppen erstmals an den 8. März 1 907 in den USA erinnert. Der Internationale Frauentag entwickelte sich nach 1 945 von einer klassenbewussten Demonstration der Arbeiterinnen, Gewerkschafterinnen und Sozialistinnen zu einem Tag der schwesterlichen Solidarität für Frauenrechte, öffnete sich damit aber auch politisch, ohne dass jedoch die bürgerliche Frauenorganisationen den 8. März adaptiert hätten. 1 975 erklärten schließlich die Vereinten Nationen den 8. März zum Internationalen Frauentag. In der BRD der Nachkriegsjahre spielte der 8. März außerhalb sozialdemokratischer, kommunistischer oder gewerkschaftlicher Organisationen keine Rolle und war, ebenso wie die Frauenbewegung selbst, bedeutungslos geworden. In den sozialistischen Ländern wiederum kam es

fü r de n harte Zeiten,


nach und nach zu einer Entpolitisierung des einstigen Frauen-Kampftages zu einer Art „sozialistischem Muttertag“, an dem mit Blumen dem Einsatz der Frauen für ihre Doppelbelastung gedankt wurde. Noch heute, über zwanzig Jahre nach Annexion der DDR, findet man in den Geschäften Sachsens oder Thüringens am 8. Mai Sträuße und Präsente „Zum Frauentag“. Im Westen politisierte erst die Neue Frauenbewegung der Siebziger Jahre den 8. März erneut – Abschaffung des §21 8 und Lohnungleichheit standen weiter- hin auf der Agenda, jetzt ergänzt durch grundsätzliche Patriarchatskritik und Protest gegen sexuelle Diskriminierung und Ausbeutung. Doch der Internationale Frauentag wurde offenbar nicht ungeteilt übernommen – Frauengruppen, die ihre Ursprünge in der Neuen Linken hatten, scheinen den 8. März eher aufgegriffen zu haben als andere. Alice Schwarzer z.B. lehnt ihn, wie den Muttertag, vehement ab. Für die sich seit Ende der Siebziger Jahren entwickelnden sog. Frauengesundheitsgruppen z.B. bot der 8. März offenbar kein Identifikationsangebot und wurde auch nicht adaptiert oder umgedeutet. Für Göttingen fällt auf, dass auch in den Aktionen der autonomen Frau-

en- und Lesben-Szene der 80er und 90er Jahre der Internationale Frauentag überhaupt keine Rolle gespielt zu haben scheint – nicht einmal in Abgrenzung dazu. Stattdessen wurde, gelegentlich unter dem Motto „Euch die Macht, uns die Nacht“ über Jahre als wichtigster Termin „Walpurgis“ begangen und bei nächtlichen Demonstrationen am 30. April Parolen gesprüht und Sex-Shops mit Farbbeuteln verziert. Erst seit einigen Jahren bezieht sich die Göttinger Szene wieder auf den 8. März, jüngere Feministinnen haben ihn als Bezugspunkt wiederentdeckt. Gründe gibt es genug, um jedes Jahr mit einem zentralen Aktionstag darauf aufmerksam zu machen, dass bis heute weltweit weder die formale Gleichheit verwirklicht noch die realen ökonomischen Geschlechterungleichheiten und sexuelle Diskriminierung und Ausbeutung aufgehoben werden konnten.

Feminismus fighten!

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Der Göttinger Frauenverein alsTeil der ersten Frauenbewegung

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1 841 gründeten 28 wohlsituierte, christlich-protestantische Göttinger Frauen – überwiegend Professorengattinnen – den „Frauenverein zu Göttingen“, mit dem Ziel, die Sozialfürsorge für die Göttinger Unterschichten zu verbessern. Der Verein bestand bis in die Zeit des Nationalsozialismus und in den über hundert Jahren seines Bestehens betrieb er u.a. eine Armenküche, Familienfürsorge, Krankenpflege, eine Mädchenund Dienstbotinnenschule und verschiedene Einrichtungen für Spinnen und Nähen. Hand aufs Herz: Kann so was irgendwas mit dem Internationalen Frauenkampftag zu tun haben? Kann so ein Verein Bezugspunkt für Feministinnen im 21 . Jahrhundert sein? Ja, unbedingt – wenn wir bereit sind, uns klar zu machen, dass es heute keine Juristin, KFZ-Schlosserin, Professorin oder Tischlerin gäbe, wenn nicht vor ca. 1 50 Jahren gutbürgerliche Frauen gegen massive Widerstände sich zunächst das Recht erkämpft hätten, ihre vermeintlich originär „weiblichen Eigenschaften“ der Fürsorge außerhalb ihrer Familie professionell einzusetzen. Denn zunächst hatten die Göttinger Frauen das Problem, überhaupt als Verein juristisch wie politisch anerkannt zu werden – jeder organisierte Gang von Frauen in die Öffentlichkeit war suspekt. Das Ziel, die örtliche Armenfürsorge dahingehend zu ergänzen, dass vom Frauenverein auch sog. „unwürdige Arme“ unterstützt wurden, rief den Widerstand der Göttinger Honoratioren hervor: „Das Volk

gewöhnt sich, die Hülfe nach und nach als eine Pflicht der Wohlhabenden zu beanspruchen und das ist die erste unbewusste Stufe des Communismus“. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war

es Frauen in Deutschland generell verboten, sich zu politischen Zwecken zu organisieren. Erst 1 908 wurden Frauen in Preußen zum Studium zugelassen. Trotzdem war die Vereinsgründung erfolgreich, so dass der Verein bereits 1 841 242 Mitglieder zählte und, dank einer Stiftung, 1 842 in der Straße Neustadt 1 2 ein Haus kaufen konnte, in dem die verschiedenen Einrichtungen des Vereins Platz hatten. In den Statuten des Vereins ist der Zweck der Initiative klar definiert: „… der zunehmenden Noth und Verwilderung unserer Armen entgegen zu arbeiten.“ Sowohl um deren Elend zu lindern als

auch um eine proletarische Revolution frühzeitig abzuwenden, setzten sich die Frauenvereine das Ziel, den Unterschichten den eigenen bürgerlichen Tugendkatalog von Reinlichkeit, Ordnung, Sexualmoral und Pflichteifer beizubringen. Von Frauenemanzipation war nirgends die Rede, was jedoch für Frauenvereine dieser Zeit nicht untypisch ist. Dies geschah, von Ausnahmen im Umfeld der 1 848er Revolution abgesehen, erst in den Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende – und auch dann verzichteten deutsche Frauenvereine nur selten auf die Betonung des Nutzens weiblicher Arbeit für das „Gemeinwohl“, um die Emanzipationsansprüche von Frauen zu begründen. Neben der Familienfürsorge war es immer Ziel des Vereins, Frauen und Mädchen zu unterstüt-

FrauenLesben bildet Banden,


zen und zu qualifizieren. Dass es dabei oft um das reine Überleben ging, zeigt der Aufbau einer eigenen Spinnerei „… für die Menge im Winter fast ganz unbeschäftigter armer Frauenzimmer“. Bis nach dem ersten Weltkrieg war die Textilproduktion ein Schwerpunkt des Vereins, der jedoch zugleich seine Schwachstelle markiert, da schon vor der Jahrhundertwende aufgrund des technischen Fortschritts weibliche Handarbeiten keine Berufsperspektive für unterbürgerliche Frauen mehr darstellten. Alternativen entwickelte der Frauenverein nicht. Nach 1 933 gelang es dem Frauenverein offenbar, der sog. „Gleichschaltung“ mit den NS-Institutionen wie z.B. der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV) zu entgehen. Der Verein betrieb weiterhin eine Versorgungsküche und einen Kindergarten. Akten zum Vereinsbestehen während des Nationalsozialismus liegen offenbar nicht vor. Leider ist insgesamt wenig bekannt über die politische Ausrichtung des Göttinger Frauenvereins. Dass der Göttinger Verein es 1 876/77 ablehnte, mit dem Vaterländischen Frauenverein im Königreich Hannover zu fusionieren, zeigt, dass frau zumindest auf organisatorische Unabhängigkeit bedacht war und vielleicht auch politisch in Distanz zu den stockkonservativen, dezidiert antifeministischen „Vaterländischen“ war. 1 905 unterstützte der Verein die Forderung des – ansonsten ebenfalls sehr konservativen – DeutschEvangelischen Frauenbundes nach dem Stimmrecht innerhalb der Institutionen der Evangelischen Kirche.

Auch über die Positionierung des Göttinger Frauenvereins in den Richtungskämpfen und zentralen inhaltlichen Auseinandersetzungen der bürgerlichen Frauenbewegung um die Jahrhundertwende liegen bisher keine Veröffentlichungen vor. Nahm der Verein Stellung zur Frage des Frauenstudiums oder des Stimmrechts? Zur Frage einer vollwertigen Gymnasialbildung für bürgerliche Mädchen und ihr Recht auf Erwerbsarbeit? Zur Frage, ob Textilarbeiterinnen zu Recht den Zehn-Stunden-Tag forderten? Zur Kontroverse um die Abschaffung der Diskriminierung von Prostituierten? Blieb er ein im wesentlichen caritativer Verein oder beteiligte er sich auch an den Debatten und Kongressen im Umfeld des Dachverbandes der bürgerlichen Frauenbewegung „Bundes deutscher Frauenvereine“ (BDF), der 1 91 3 ca. 500.000 Mitglieder hatte? Wie waren die Kontakte des Frauenvereins zum Göttinger „Verein Frauenbildung-Frauenarbeit“? Sollten die Vereinsakten im Göttinger Stadtarchiv zu all diesen Fragen keine Positionierungen erkennen lassen, hieße es, dass der Göttinger Frauenverein tatsächlich eine im wesentlichen caritative Initiative geblieben wäre ohne die Nähe zu den Themen, Debatten und Strukturen der zeitgenössischen Frauenbewegung gesucht zu haben. Lesetipp: Traudel Weber-Reich: „Um die Lage der hiesigen nothleidenden Classe zu verbessern“. Der Frauenverein zu Göttingen von 1 840 bis 1 956. Göttingen 1 993.

Ziele sind genug vorhanden!

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Entstehung und Entwicklung der autonomen FrauenLesbenbewegung in den 70er, 80er und 90er Jahren 1 Schöner Leben Göttingen

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Wir stehen hier vor dem Haus, in dem es das letzte FrauenLesbenZentrum in Göttingen gab. Dazu gleich mehr. Zunächst gehen wir aber noch einige Jahre zurück und fragen, wie Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre die sogenannte „Neue Frauenbewegung“ in Göttingen entstanden ist. Wenn ich als Frau Ende der 60er Jahre nach Göttingen gekommen wäre, was hätte ich dann hier in der politischen Szene vorgefunden? In der Göttinger Politszene – wie fast überall – ist Ende der 60er Jahre noch patriarchaler Alltag. Die verschiedenen kommunistischen Organisationen, die sogenannten K-Gruppen, bestimmen die UniPolitik – und sind total männerdominiert: Männliche Studenten besetzen alle AStA-Ämter, gefallen sich in harten Theoriekämpfen und machen frauenfeindliche Witze in linken AStA-Publikationen. Frauen beginnen zwar vereinzelt, in Texten patriarchale Mechanismen zu analysieren, haben es aber noch schwer, sich praktisch gegen die männliche Dominanz zu stellen. So findet z.B. im Jahr 1 968 ein Teach-in zum Thema „Die Pille - Repression und Sexualität“ statt. Dort sind zwar mehr als die Hälfte der Anwesenden Frauen, aber ausschließlich Männer referieren und diskutieren, wie eine Studentin schreibt. Sie fragt und antwortet: „Was ist Repression? Das was an jenem Abend dort geschah ist Repression, verinnerlichte Unterdrückung sogar. [...] Was muss mit [den Frauen] geschehen sein, [...] dass sie nicht protestierten gegen das, was Männer ihnen dort zumuteten und wahrscheinlich nicht nur dort!“

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Wie ging es dann los, dass sich Frauen in Göttingen organisiert haben? Zentrales Thema Anfang der 70er Jahre ist der §21 8, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. 1 971 bekennen Frauen im Stern „Ich habe abgetrieben“. Im gleichen Jahr gründen sich auch in Göttingen erste Frauenaktionsgruppen unter dem Titel „Mein Bauch gehört mir“. Es geht ihnen um die Selbstbestimmung von Frauen über ihren eigenen Körper. Der §21 8 wird auch in den K-Gruppen kritisiert. Allerdings unter einer Klassenkampf-Perspektive: Die Arbeiter- klasse solle selbst entscheiden, wieviele Kinder sie haben wolle.

Göttinger Nachrichten, die damalige AStA-Publikation, vom 26.11 .1968

Grundlage sind Interviews mit ehemals und teilweise noch aktiven Feministinnen und Recherche von Veröffentlichungen.


Solche krass männerzentrierten Positionen haben doch sicherlich zu Konflikten innerhalb der KGruppen geführt...? Genau. Im vergleichsweise aufgeschlossenen KB, dem Kommunistischen Bund, suchen Frauen seit den 70ern zunehmend die Auseinandersetzung um gruppeninterne patriarchale Strukturen und Mackerverhalten in den eigenen Reihen und auch den eigenen Beziehungen. In Göttingen gründen sich nach Gewalt eines Genossen gegen die Partnerin mindestens zwei Frauengruppen. Eine Aktivistin schreibt 1 978 dazu: „Die Wende ergab sich Göttinger Nachrichten, die damalige erst, als wir eine AStA-Publikation, vom 26.11 .1968 Frauengruppe gründeten. Die war eigentlich dazu gedacht, einer geschlagenen Genossin „Lebenshilfe“ zu geben, so arrogant waren wir damals. ... Das, was in unseren vorsichtigen Diskussion zum Vorschein kam, war

zum Haaresträuben, speziell die Diskussionen über Sexualität.“ Noch 1 979 machen KB-Frauen in einem „Lila Rundbrief“ an die GenossInnen deutlich, dass der Feminismus im KB nicht wirklich angekommen ist: „Was glaubt Ihr eigentlich, welche Rolle Euch dabei zukommt? Sicherlich nicht die, zu akzeptieren, dass Genossinnen ab und zu mal zu Frauenterminen gehen. ...Ich will endlich wissen, wie Ihr Euch mit Eurer Rolle als Mann bzw. als Frau in dieser Gesellschaft auseinandersetzt.“ Mit der Zeit gibt es auch immer mehr reine Frauengruppen außerhalb der K-Gruppen. Selbsterfahrung und Selbstermächtigung spielen hier eine große Rolle. Es geht um die eigene Biographie und die Nazivergangenheit der Eltern, um das Mutter-Tochter-Verhältnis, Paarbeziehungen und Lebensentwürfe auch außerhalb des heteronormativen Rahmens, – aber auch um Gewalt- und Unterdrückungserfahrungen. Und dann gab es doch auch ein Frauenzentrum in Göttingen... Ja, 1 974 wird das Sozialistische Frauenzentrum Rote Straße gegründet. Beteiligt u.a. Frauen aus dem KB, v.a. aber als autonome Feministinnen organisierte Frauen. Ausgehend vom Kampf gegen den §21 8 ergeben sich weitere Anliegen, z.B. die Forderung nach Selbstbestimmung über die eigene Schwangerschaft und Verhütung oder eine Theoriedebatte zum Verhältnis von Marxismus und Feminismus. Ein wichtiger Schwerpunkt im Frauenzentrum war auch die Ermächtigung vieler Frauen zu einer selbstbestimmten lesbischen L(i)ebensweise. Viele Lesben nehmen eine aktive Rolle im Zentrum ein. Ende 1 978 gibt es zwei

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Lesbengruppen, die aus einer Gruppe von 30 z.B. durch Frauenfeste, Demos und Büchertische. Frauen hervorgingen. In einem Protokoll heißt es: WalpurgisAktionen ab Mitte der 70er stehen unter „Beide Gruppen verstehen sich ausdrücklich dem Motto: „Wir erobern uns die Nacht zurück“. auch als Gruppen für Frauen, die noch nicht Hier beginnt also die positive Bezugnahme auf sicher sind, ob sie lesbisch sind.“ Im Sozialisti- Hexen als Opfer patriarchaler Verfolgung. 1 977 schen Frauenzentrum gibt es aber auch Konflikt- gab es die erste Frauenantifademo angesichts punkte: Z.B. um die Frage, wie sehr begreifen wir eines angekündigten Naziaufmarsches (siehe Founsere Aktivitäten als politisch und wie müssen to). Zudem werden immer wieder sexistische Verund wollen wir mit Aktionen nach außen gehen? anstaltungen und Einrichtungen gestört oder Etwa 1 977 entwickelt sich eine verschärfte De- anders angegriffen: Es gibt Stinkbombenanbatte über die Unvereinbarkeit von K-Gruppen- schläge im Stern-Kino, Aktionen gegen „FrauenZugehörigkeit und der Mitarbeit im Frauenzen- catchen“ in der Weender Festhalle und auch trum. Da geht es besonders um den Vorwurf der gegen Pornoläden. Instrumentalisierung der Frauenzusammenhänge Noch einmal zurück zum Aspekt der Selbsterfür Parteizwecke. Am Ende bleiben die KB-Frauen fahrung. Selbsterfahrung hat in den Frauenaber dort. Einige Konflikte entschärfen sich – so gruppen offendie Aussage einiger damabar eine wichtiliger Aktivistinnen – mit der ge Rolle gespielt. Zeit durch gemeinsame InIst das nun poitiativen wie die für die litisch oder nicht? Gründung des FrauenbuchEine spannende ladens und des FrauenhauFrage. Nicht alle ses und später auch des Frauen, die in Frauennotrufs. Frauenselbsterfahrungsgruppen Was waren denn so die waren, begreifen Anlässe für öffentlichdas als feminiskeitswirksame Aktionen? tisch und poliEs gibt aber immer wieder tisch. Das hat gemeinsame Aktionen von wahrscheinlich autonomen, d.h. ausetwas mit dem schließlich feministisch orbis dahin vorherrganisierten und KB-Frauen, schenden Verbesonders zum 8. März und zu Walpurgis, aber auch antifaschistische Frauendemo 1 977 (Bild mit freundlicher Geneh- ständnis von Politik zu tun, wo zum 1 . Mai. Zum 8. März migung von Ulla Scholten)


es vor allem um Reden schwingen und Klassenkampf geht. Unter dem Motto „Das Private ist politisch“ verschiebt die FrauenLesbenbewegung den Politikbegriff dann aber deutlich und nachhaltig. Männerherrschaft und Unterdrückung werden im Alltag einer jeden sichtbar gemacht und sollen dort auch bekämpft werden. Frauen stärken sich darin, ihre eigenen Bedürfnisse zu entdecken und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Die eigenen Lebensrealitäten sind nun Teil der politischen Analyse und Ausgangspunkt für Befreiung und Veränderung. Wie ging es dann weiter ab Ende der Siebziger? 1 978 werden die Räume des Frauenzentrums gekündigt. Nach einer mehrmonatigen Zwangspause (in der einige Gruppen sich nicht mehr regelmäßig trafen) zieht das neue Frauenzentrum 1 979 in die Kurze Geismar Straße 24 ein. Mit einer Abkehr vom Nebenwiderspruch steht jetzt Politik von und für Frauen im Fokus. In diesem Zuge wird auch das „sozialistisch“ aus dem Titel gestrichen. Viele Aktivitäten werden im Frauenzentrum Kurze Geismar Straße fortgesetzt. Weiterhin und verstärkt gibt es lesbische und bisexuelle Coming-out-gruppen und wird der Kampf gegen Zwangsheterasexualität geführt. 1 983 findet die erste Göttinger Lesbenwoche statt. Wichtig werden zunehmend auch Frauengesundheitsthemen und Selbstuntersuchungen, es geht dabei um die Aneignung und das Kennenlernen des eigenen Körpers als Ausgangspunkt für die Selbst- bestimmung der eigenen Sexualität. Ziel ist die Befreiung von patriarchalen Normen der Pathologisierung von Frauen. Das wird auch zunehmend selbstbewusst und mit Ansage nach

außen getragen: Immer wieder gibt es rotgefärbte Tampons auf Aktionen und in WG-Fluren und Sprüche wie „unsere näxte Menstruation wird Eure Hölle sein!“. Haben sich Feministinnen nicht auch in den „etablierten“ linken Politikfeldern engagiert? Ja, Ende der Siebziger kommen zu den bestehenden Frauen-Gruppen viele neue dazu – zu Themen wie Anti-Atom, Antimilitarismus, Be- völkerungspolitik und gegen Repression. Ziel ist hier die Organisierung als Frauen, weil Männer in gemischten Strukturen zu dominant und mackerhaft sind. Teilweise wird auch ein feministischer Blick auf Themen entwickelt: Anti-Militarismus als Kritik an „Männlichkeit“, Bevölkerungspolitik als patriarchales Herrschaftsinstrument, Ausbeutung von Textilarbeiterinnen in Trikontländern als Kolonisierung von Frauen. Auch die Suche nach eigenen Aktionsformen bleibt in den 80er Jahren lebendig: So werden z.B. FrauenLesbenblocks bei zentralen Demos wie in Gorleben organisiert. Gesucht wird nach einem verlässlicheren Rahmen, wo aufeinander geachtet wird und männlichem Heldentum eine Abfuhr erteilt wird. Wie auch in den 70er Jahren bleiben sexualisierte Übergriffe in der linken Szene Anlass und Thema für Gruppengründungen und Diskussionen, z.B. nach einer Vergewaltigung in Juzi-Zusammenhängen. Welche Verbreitung hat die autonome FrauenLesbenbewegung in Göttingen denn insgesamt? Die Autonome FrauenLesbenbewegung bzw. Auseinandersetzungen gegen Patriarchat und Sexismus und Zwangsheterosexualität sind seit Ende der 70er Jahre überall in Göttingen veran-

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kert: Die feministischen Zentren sind dabei immer wieder wichtige Anlaufpunkte und organisatorische Sammelpunkte, es gibt aber auch außerhalb und unabhängig davon viele Gruppen, die in ihrem jeweiligen Umfeld aktiv sind. Teilweise werden auch eigene Zeitschriften vertrieben, die sich unterschiedlich lange halten: „Gänselola“ gibt es in den Siebzigern, 1 984 wird die „Azade – Göttingens Frauen/Lesbenzeitung“ im Frauenzentrum gegründet und existiert ein halbes Jahrzehnt. In den Neunzigern gibt es erneute Ansätze wie die „Komplizinnen - LesbenfrauenmädchenZeitung für Göttingen“ und die „Radikarla“ (Motto: „Ich lese Radikarla weil Emma mit Brigitte durchgebrannt ist“) und schließlich die „Sappho“. In vielen Auseinandersetzungen mussten FrauenLesbenräume erst erkämpft werden: so war z.B. in den Siebzigern so etwas wie ein Frauen-Kulturfest nicht selbstverständlich, bei dem Männer nichts zu suchen haben. Auf einem damaligen „Frauenfest“ in der PH wird – so wurde von einer Aktivistin berichtet – z.B. ein AStA-Juso-Vorsitzender auf dem Klo eingesperrt, nachdem er sich dennoch Zutritt verschafft hatte. Bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre erlebt die FrauenLesbenCover der Göttinger Lesben- bewegung eine starke Ausbrei-

Vor- und Rückseite der Frauenzeitschrift AZADE von Ende 1 987 - nach fast einem Jahr beharrlicher Forderungen nach einem neuen Zentrum - es sollte noch fast ein weiteres Jahr dauern...

tung und Ausdifferenzierung. Aber auch eine viel beklagte Zersplitterung zwischen „Lesben, Heteras, Spirituellen, Politfrauen, Anarchas“, wie es 1 987 in der Azade steht. Nach dem Auszug am 1 .1 .1 987 aus den Räumen des Frauenzentrums aus der Kurzen Geismar Str. 24 (nach einer Kündigung zum 1 .7.1 986) folgen fast zwei Jahre Suche nach neuen Räumen und zahlreiche Anträge, bis 1 988 das FrauenLesbenZentrum in der Düsteren Straße eröffnet wird.

FrauenMädchenzeitung Anfang der Neunziger Jahre.

Ain’t no revolution without n! wome


Das FrauenLesbenzentrum in der Düsteren Straße 21 – Bericht einer Aktivistin Chris Mielke

Im März 1 988 wurde für ein neues Frauenzentrum die „Rosa Villa“ besetzt und von der Polizei auch wieder geräumt. Im Juli fand die 2. Göttinger Lesbenwoche im JuZI statt und am 1 5.1 0.1 988 wurde die Eröffnungsparty des FLZ gefeiert. Das FLZ fand nach langen Verhandlungen mit der Stadt eine Heimat in der Düsteren Straße. Bis zum August 1 993 trafen sich hier Frauen (Lesben, Heten, Bi – Trans und Inter noch nicht dabei) in den Räumen des neuen Zentrums. Es gab eine kleine Werkstatt, einen Party- und Kneipenraum, ein winziges Büro, einen großen und einen kleinen Gruppenraum, ein Badezimmer mit Dunkelkammer (für Fotos natürlich). In den 5 Jahren des FLZ gab es viele Partys, Kultur, Demos, politische Aktionen und interne Auseinandersetzungen. Fangen wir mit den Partys und der Kultur an: Fast jeden Samstag gab es Disco. Auch innerhalb der Woche war die Kneipe auf und Frauen kamen zum Standard tanzen oder spielen. Es gab die ÖffiGruppe, die sich um Konzerte, Lesungen, Filmabende und Ausstellungen kümmerte. Die OrgaGruppe beschäftigte sich eher mit administrativ/politischen Themen. Alle, die wollten, trafen sich gemeinsam beim Plenum, jeden Sonntag. Da spielte für viele der „Tatort“ noch keine Rolle. Es gab ja auch noch nicht Lena Odenthal. Aber hier haben sich die Bebretterten Rosinen kennengelernt, Jan&Ilse sind in Göttingen das erste Mal in Deutschland aufgetreten, die Schreibenden Frauen Göttingen haben hier Lesungen gemacht

Kein Gott,

ke

und die ein oder andere Theater-AG hat Furioses auf die Beine gestellt. Unvergesslich „Faustine“! Die politischen Gruppen im Haus (Palästina AG, Uni-Gruppen, Frauennotruf, Lesbentelefon, um nur einige zu nennen) organisierten Veranstaltungen und auch Demos. Für das Frauennachttaxi fanden die ersten Gespräche im FLZ statt. Aber das FLZ hat auch bei einigen größeren politischen Aktionen aktiv mitgemacht. Am 8. März gab es immer eine Demo und dabei ging auch schon mal ein Fenster im Sexshop kaputt. Wir hatten einen eigenen großen Block bei der ersten Conny-Demo im April 1 990. Im Jahre 1 991 wurde der DGB besetzt, weil der 1 . Irak-Krieg begonnen wurde. Wir haben ziemlich lange ausgehalten und das FAX-Gerät genutzt, um der Welt unsere Botschaft zu übermitteln. Die Besetzerinnen wurden rund um die Uhr mit warmem Essen versorgt und nach ein paar Tagen sind wir friedlich wieder abgezogen. In der Walpurgisnacht fuhren immer einige Frauen in den Harz, um die lebensgroßen Hexenpuppen zu retten, die dort traditionell verbrannt wurden. In Hahnenklee findet das immer noch statt. Was für ein „spaßiges“ Volksfest ... Damals stibitzten irgendwelche die ein oder andere Hexe, nahmen ihre Beine in die Hand und flohen vor dem aufgebrachten Volkszorn und trafen schließlich mit ihrer neuen Freundin johlend zur Party im FLZ ein. Diese Hexen hatten im Tanzsaal des FLZ einen Ehrenplatz von dem aus sie unser Treiben verfolgten. Auch unsere Auseinandersetzungen. Im Grunde gab es auch bei den Frauen im FLZ die Fundis und Realos. Die einen wollten mit der

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t! ha rc ia tr Pa ein k , . . . n i


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DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011 an der Station beim ehemaligen FLZ in der Düsteren Straße

Stadt auskommen, die Anderen das Rathaus sprengen. Das war nicht immer einfach und hat zu vielen hitzigen Diskussionen geführt. Parteifrauen, die auf ihre Art dafür gekämpft hatten, dass es einen Zuschuss für das FLZ gab, durften nicht in ihrer Funktion das FLZ betreten. Auch gab es den berüchtigten Lesben/Hetera Konflikt. Welche war die bessere Frau? PC wurde groß geschrieben. Und da wurde auch schon mal Eine vorgeführt, die sich irgendwie falsch verhalten haben sollte. Nun ja. Es gab aber auch viel Zusammenhalt. Bei jeder Party standen „Schutzfrauen“ ehrenamtlich am Eingang, weil in diesen Jahren mit Überfällen von Faschos zu rechnen war. Telefonketten wurden

installiert, so dass man sich verabreden konnte, wenn man im selben Stadtteil wohnte und nicht allein unterwegs sein wollte vom FLZ nach Haus. Okay, so manche haben sich bei diesen Schutzgängen auch irgendwie anders gefunden. In dieser Zeit hat sich die Frauenkneipe im Kabale gegründet. Dort arbeiteten schon damals viele aktive Frauen/Lesben. Es war ein Zentrum, das von Lesben dominiert wurde. Von autonomen Lesben. Diese haben aber auch das Zentrum getragen. Haben sich um Renovierung, Buchhaltung, Gastronomie und Kultur gekümmert. Ein „Führungsanspruch“ durfte da gelten. Irgendwann kam dann die Kündigung der Stadt. Wir haben geklagt und vor Gericht verloren. Dann wurde von irgendwelchen Personen das Neue Rathaus besprüht und das Zentrum zugemauert und gegen die Räumung gerüstet. Da bin ich ausgestiegen. Das war nicht mein Weg. Am Tag der Räumung war ich da. Wir haben gekämpft und versucht, unser tolles, manchmal schwieriges, aber einziges Frauen/Lesbenzentrum zu erhalten. Es hat leider nicht geklappt. Am 9. August 1 993 war Schluss. 1 996 haben ein paar FrauenLesben die Nachbarräume des ehemaligen FLZ besetzt und ein neues Zentrum gefordert. Die Unterstützerinnengruppe war zu klein, so dass nach ein paar Wochen das Projekt aufgegeben werden musste. Seitdem gibt es kein Frauenzentrum mehr in Göttingen. Schade eigentlich.

Geschichte wird geMACHT!


Sexarbeiter_innen haben Lust… auf ihre Rechte!

Aga und Rike*

Treffen sich zwei Feminist_innen beim Stadtrundgang und beobachten eine der Stationen an der alten Stadtmauer in derTurmstraße:

A: Schau mal, was machen die da mit den roten Regenschirmen da vorne? B: Die haben da was darauf stehen: STOLZE HURE. Das ist ja wohl der Hammer! Was haben die sich dabei gedacht, so ne Provokation bei unserem feministischen Rundgang, ausgerechnet am Frauenkampftag! Und wer ist das überhaupt? A: Du, Huren haben auch eine bewegte Geschichte. Und das ist gar nicht zweideutig gemeint. Es gibt schon seit den 1 970ern eine politische internationale Hurenbewegung, die Solidarität von Nichthuren einfordert. In den Niederlanden und seit 2001 in Deutschland erkämpften sich Sexarbeiterinnen den legalen Status ihrer Erwerbsarbeit. Es sind doch hauptsächlich Frauen und Trans, die in der Prostitution arbeiten, also gehört der 8. März auch ihnen. Vielleicht haben sie sich heute dem Stadtrundgang demonstrativ angeschlossen. Männer schaffen natürlich auch an, aber die sind noch unsichtbarer. Unsichtbar! Deswegen diese Regenschirme! Die wollen unerkannt bleiben als Prostituierte. Sich schützen vor den abwertenden oder mitleidigen Blicken, oder davor von Bekannten erkannt zu werden, die nichts von ihrer Erwerbsarbeit wissen. B: oder sie machen gerade damit deutlich, dass es hier in Göttingen keine sichtbare Hurenbewegung gibt. Der Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft und auch zuvor wurde der Platz im_________________________________________

mer an oder hinter den Stadtmauern zugewiesen. A: Stimmt schon: Immer gefragt und gleichzeitig an den Rand gedrängt. Gerade hier in der Turmstrasse war vor Jahrhunderten schon der Strich. Heute findet die lokale Prostitution eher in Wohnungen statt, die kaum als Etablissements erkennbar sind oder in den wenigen stadtbekannten Bordellen, die wiederum jedes Kind benennen kann. Ja, schön unter Kontrolle und abgestempelt. Dabei sind das arbeitende Frauen und Trans, die als Arbeitnehmer_innen gelten, Rechte und Pflichten haben, wie jede erwerbstätige Person sonst auch. Es sind SexArbeiter_innen. B: SexArbeiterinnen? Was ist das denn schon wieder für eine beschönigende Bezeichnung? A: SexArbeiter_innen ist ein politischer Begriff. SexArbeiter_innen stehen hinter den Dienstleistungen, die sie verkaufen und die in der Gesellschaft verpönt und zugleich schwerst nachgefragt sind: Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, mal andere Rollen einnehmen zu können, sexuelle Phantasien ausleben können, Faszination von Unverbindlichkeit und Geheimnistuerei. Einerseits all diese Ansprüche käuflich erwerben wollen, sich aber nicht um entsprechende Entlohnung, Arbeitsverhältnisse und respektvollen Umgang Sexarbeiterinnen gegenüber scheren wollen. Das ist doch voll die Doppelmoral!

* Als Unterstützer_innen internationaler Bewegungen von Sexarbeiter_innen.

Nie, Nie, Nie, wieder Keuschheit!

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B: Ach meinst du? Etwa wie vergangenes Jahr, als der lokale Puff zum Sponsor unseres Fußballvereins avancierte. Hast du das mitgekriegt? Das war echt die Höhe, da hat sich tatsächlich der lokale Puffbesitzer gedacht, er könne zum Sponsor unseres altehrwürdigen Fußballvereins werden. Das gab die Riesenwelle in der Stadt. Ja, sollen denn etwa unsere Jugendgruppen im Verein mit Geldern aus der Prostitution finanziert werden? Oder Spieler und Spielerinnen mit Werbung für den Puff auf den T-Shirts rumlaufen? Einerseits auf Antirassismus im Fußball plädieren und andererseits sich vom Puff sponsern lassen. Also irgendwo hört’s ja auf! A: Aber da sitzt du doch gerade der Doppelmoral auf! Sexarbeit kann man nicht automatisch mit rassistischer Ausgrenzung, Ausbeutung von und Gewalt gegenüber Frauen und Trans gleichsetzen. Da kommt es gerade auf die Arbeits- und Aufenthaltsbedingungen an. Warum können eigentlich ein Geschäftsinhaber oder -Inhaberin und die Angestellten eines Bordells nicht wie jede_r andere Sponsor_in in der durchkapitalisierten Sportbranche auch ihre Dienstleistungen bewerben? Weil das Geld aus verkauften Sexdienstleistungen, die hauptsächlich Männer kaufen, schmutziges Geld ist? Ändert es was, wenn Frauen ihn kaufen? Oder weil es als Ausbeutung von Frauen gilt? Würden wir Sexarbeiter_innen doch mehr gesellschaftliche Anerkennung und Rechte zugestehen, so bräuchten wir uns weniger um die Ausbeutung und das Schmuddelimage von Sexarbeit zu sorgen. Was ja schon mal ein großer Sicherheitsvorteil für Pro-

stituierte in Deutschland mit EU-Bürgerschaft ist: das aktuelle Prostitutionsgesetz schützt sie vor Willkür und Verfolgung. B: Ja, aber das Prostitutionsgesetz schützt nicht vor exotischen Zuschreibungen und Selbstvermarktungen, die im Sexbusiness so gängig sind. Das ist doch entwürdigend, mit was für Frauenbildern da gearbeitet wird. Ich könnte da als Feministin nicht behaupten, ich sei eine Stolze Hure! Und was ist mit den Ausbeutungsstrukturen von MigrantInnen in der Prostitution? Von denen man hört, dass sie verschleppt werden oder zur Prostitution gezwungen werden, weil sie keinen legalen Aufenthaltstatus haben und leicht ausbeutbar sind! Sind das etwa lauter Mythen? A: Keine Frage: Ausschließende Migrationspolitik macht doch nicht vor Sexarbeit halt: Ohne EUArbeitsgenehmigung bleibt Sexarbeit in der Illegalität, Migrantinnen sind daher immer unter Generalverdacht entweder TäterInnen zu sein, weil sie illegal arbeiten, oder Opfer zu sein, weil sie als Migrantinnen verschleppt und gezwungen werden. In beiden Fällen müssen sie mit Razzien rechnen. Ohne EU-Arbeitsgenehmigung nützt ihnen das Prostitutionsgesetz wenig: sie können ihr Geld nicht einklagen, können überall vertrieben werden, sie können sich politisch schlecht organisieren und auch nicht gesetzlich versichern.“ Eine Aktivistin unterbricht das politische Streitgespräch der beiden mit ihrem Megafonbeitrag:

C: Mitstreiter_innen! Ich möchte euch aus dem Aufruf von LEFÖ, einer feministischen Migrant_innenorganisation aus Österreich, zu ihrer

Wir sind hier, wir sind LAUT


„Stolze Huren“ — Performance beim DEMOnstrativen Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011

Sexarbeiter_innenkampagne von 2008 zitieren:

>> Sexarbeiter_innen haben Lust. . . auf ihre Rechte! Diese Kampagne begann am 8. März, um anlässlich des Internationalen Frauentages auf Sexarbeiter_innenrechte aufmerksam zu machen. Sie endet symbolisch am 2. Juni, dem Internationalen Hurentag, der als Tag für die Rechte von Sexarbeiter_innen zu einem weltweiten Aktionstag für die Anerkennung der Sexarbeit und der Rechte von Sexarbeiter_innen geworden ist. Die Kampa-

gne steht im Zeichen des roten Regenschirms. Dieser wurde von Sexarbeiter_innen in Venedig während der 49. Biennale (2001 ) als Symbol von Schönheit und auch von Widerstand gegen menschliche und gesellschaftliche Angriffe bekannt gemacht. Seitdem protestieren Sexarbeiter_innen und ihre Unterstützer_innen öffentlich, sichtbar und stolz unter und mit den roten Regenschirmen. In Gedenken an alle Sexarbeiter_innen, die weltweit Widerstand gegen ihre

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! t u a l k t i e h Frei

weil ihr uns die


Unterdrückung wagen, wurde der rote Regenschirm zum Symbol des Widerstandes von Sexarbeiter_innen gegen Diskriminierung und zum Symbol des Kampfes um Gleichstellung und um Rechte.<<

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Hure und Heilige, Opfer von Vergewaltigungen oder über allem stehende Dominas, vermeintlich wehrlose Migrant_innen, Exotisierungen und Rassifizierungen des Berufs und abgesicherte Huren mit deutschem Pass! Das sind wohl die Zuschreibungen, Dichotomien und zum Teil Mythen, die es uns so schwer machen, eine politische Diskussion mit Frauen*, Männern* und Trans* in der Sexarbeit zu führen und sich gemeinsam gerechte und respektvolle Lebens- und Arbeitsbedingungen zu erstreiten. Dabei müssen wir die Machtverhältnisse in der Sexarbeit genau kennen: diese sind nicht isoliert von kapitalistischen Grundlagen, von gegenwärtigen Geschlechterverhältnissen und Rassismus. Begriffe wie „Zwangsprostitution“ verschleiern dabei die komplexen Zusammenhänge.

Prostitution ist eine Erwerbstätigkeit, bei dem einvernehmlich sexuelle Dienstleistungen gegen Geld angeboten werden. Sind diese erzwungen, dann ist es Entführung, Misshandlung und Vergewaltigung – und nicht Prostitution. Zum 1 00jährigen internationalen Frauenkampftag fordern wir Solidarität mit Huren und ihren Kämpfen. Es gilt, Sexarbeit zu entmythologisieren und als Lohnarbeit zu diskutieren und zu politisieren. Sexarbeiter_innen haben Lust…auf ihre Rechte!

„Stolze Huren“ — Performance beim DEMOnstrativen Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011


„Neue Formen – Neue Zeiten“

feministische StreeetArt in Göttingen

Zusammengestellt vom AK GerdA Gender der DGB-Jugend

NeueFormen...

Buttons Sprühschablonen

Selbstdesignte Plakate Kommunikationsguerilla Aufkleber

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...neueZeiten! Die Formen, mit denen queer-feministische Forderungen und Parolen in Göttingens Öffentlichkeit gebracht werden, sind kreativ, sichtbar. Wer mit offenen Augen durch Göttingen geht, entdeckt viele dieser Spuren, hier eine von uns gefundene Auswahl:

Frauen bildet Banden! – gesehen am AStA-Gebäude

Graffiti – nicht in Göttingen entdeckt

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Große Feminsitische Faust – am AStA-Gebäude künstlerisch gestaltete „Vergewaltiger angreifen“ – Fliesen im Tunneldurchgang der Groner-Tor-Straße

Ich liebe Queer – gesehen am AStA-Gebäude

Gegen jede Homophobie


Für den Feminsimus... Fuck Gender - be yourself – gesehen am AStA-Gebäude

Frauenkampfzeichen – gesehen am AStA-Gebäude

39 Für den Feminismus – entdeckt unter einem Bahnübergang Eat the Macker – Hannover-Gleisdreieck Feminismus im Herzen – gesehen am AStA-Gebäude

für mehr Liebe und Anarchie!


...fighten! Streetart erfährt derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung einerseits hohe Aufmerksamkeit durch einzelne bekannte Künstler_innen, andererseits wird sie vielerorts als Beschädigung von Eigentum kriminalisiert und geahndet. Dies bringt kreative und politische Akteur_innen in ein Spannungsverhältnis von Kommerzialisierung und Kriminalisierung, denn an genehmigten öffentlichen Sprühflächen mangelt es in Göttingen wie auch vielerorts.

Wir als DGB-Jugend, haben uns von verschiedenen Streetarts inspirieren lassen und in einem Siebdruckworkshop anlässlich des 8.März diese Plakate erstellt. Die Teilnehmer_innen haben dabei nicht nur über die Form, sondern auch über die Inhalte diskutiert. Die Plakate sind als Ausdruck eines kollektiven Auseinandersetzungsprozesses zu verstehen und nicht als perfekte Endprodukte.

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Also ran an dieFarben und Dosen - D.I.Y.!!! Wir

Do it yourself!

s n u erobern die Nacht zurück

!


„Man hat mir und meinen vier Kindern das Leben zur Hölle gemacht.“ Die niedersächsische Abschiebungspolitik aus feministischer Perspektive AK Asyl Göttingen

Im Jahr 2011 wurden aus Niedersachsen 589 Menschen abgeschoben, im Vorjahr waren es 532. Die Abschiebungen in 2011 hat sich das Land 1 ,9 Millionen Euro kosten lassen, 201 0 waren es 2 Millionen Euro. Auch aus dem Landkreis Göttingen werden regelmäßig Menschen abgeschoben. Sie werden nachts und ohne Vorankündigung aus ihren Wohnungen oder aus Flüchtlingslagern geholt oder beim Gang auf die Ausländerbehörde festgenommen. Der Leiter und die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde des Landkreises betonen stets, sie führten nur Gesetze aus und hätten keinerlei Handlungsspielräume. Diese bestehen selbstverständlich immer, und dass sie in den meisten Fällen nicht zugunsten der Betroffenen genutzt werden, lässt sich an vielen Beispielen zeigen. In der Ausländerbehörde des Landkreises wird entschieden, ob eine Duldung verlängert oder jemand stattdessen gleich festgenommen und in Abschiebehaft gesteckt wird. Hier werden Menschen zur sog. „freiwilligen“ Ausreise genötigt und Abschiebungen unter Einsatz von Zwang und Gewalt angeordnet. Das Thema Abschiebungen ist aber nicht nur aus antirassistischer Perspektive zu betrachten. Es berührt u.a. auch geschlechterpolitische Fragen; etwa wenn geschlechtsspezifische Verfolgung oder die Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung in der Praxis immer noch in den seltensten Fällen als Asylgründe anerkannt werden, wenn Leute heiraten und sich in aufenthaltsrechtliche Abhängigkeit vom Ehepartner begeben müssen, um ihren Status zu legalisieren oder wenn Migrantinnen in informellen, z.T. entgrenzten und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind und sich

aufgrund ihres oft prekären Status nicht dagegen wehren können. Migrantinnen sind oftmals auf spezifische Weise von Unterdrückung betroffen – Zuschreibungen aufgrund von Ethnizität und Geschlecht greifen hierbei ineinander. Das Beispiel der im Jahr 2005 abgeschobenen Gazale Salame aus dem Landkreis Hildesheim illustriert diese Verquickung der Konstruktion von Ethnizität und Geschlecht und den Umgang der Behörden mit ihren Ermessensspielräumen auf drastische Weise. In ihrem Fall ist die Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim verantwortlich für eine menschenverachtende und unwürdige Abschiebepolitik, die leider kein Einzelfall ist. Nur aufgrund des zähen Widerstands der Betroffenen und des seit Jahren dauernden Protests der UnterstützerInnen ist dieser „Fall“ nicht in Vergessenheit geraten. Gazale Salame wurde am 1 0. Februar 2005 von zehn PolizistInnen aus ihrer Wohnung geholt, während ihr Mann mit ihren Töchtern Nura und Amina auf dem Weg zur Schule war. Zu diesem Zeitpunkt war sie im dritten Monat schwanger. Die verzweifelte Gazale bat die PolizistInnen ihr einjähriges Baby Schams mitnehmen zu dürfen. Als Nura und Amina nach Hause kamen, war ihre Mutter weg und ihre Welt zusammengebrochen. Das ist inzwischen sieben Jahre her und noch immer ist die Familie getrennt: Gazales Mann Ahmed lebt mit Nura und Amina in Deutschland und kämpft mit vielen anderen mit beispielloser Beharrlichkeit seit Jahren um Gazales Rückkehr. Gazale lebt mit Schams und dem in der Türkei geborenen Ghazi in Izmir.

Das Private ist politisch!

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Ihre komplizierte Geschichte ist zum einen ein grausames Lehrstück für die Konstruktion von Ethnizität und Zugehörigkeit. Gazale ist im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflohen und in Deutschland aufgewachsen. Die Bundesrepublik versuchte in jahrelangen Verhandlungen mit dem Libanon, die staatenlosen Bürgerkriegsflüchtlinge dorthin abzuschieben. Der Libanon wollte sie jedoch nicht aufnehmen, die Verhandlungen scheiterten. Ihre Familie erhielt ein Bleiberecht. Doch in der Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim wollte man das nicht so stehen lassen und zeigte sich besonders engagiert: Mit aufwändigen Recherchen versuchte die Behörde nachzuweisen, dass die Vorfahren der Familien von Gazale und Ahmed aus der Türkei stammen: Nach Auffassung des Landkreises lässt sich belegen, dass die Väter bzw. Großväter von Ahmed und Gazale in der Türkei registriert seien. Die beiden seien deshalb türkische Staatsangehörige. Für diese Konstruktion wird die über Generationen dauernde Fluchtgeschichte der Familien genutzt. Sie gehören einer arabischen Minderheit an, die nach Gründung der Türkischen Republik in den 1 920er Jahren verfolgt wurde. Deshalb flohen viele von ihnen in den Libanon. Während des Bürgerkrieges im Libanon in den 1 980er Jahren suchten sie Zuflucht in Deutschland. Auf dieser Grundlage verweigerte der Landkreis Hildesheim im Jahr 2000 – zehn Jahre nach der Erteilung des Bleiberechts – die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Eltern von Gazale und Ahmed hätten die Behörden über ihre tatsächliche Staatsangehörigkeit getäuscht,

den Kindern könne dieses „Fehlverhalten“ der Eltern ebenfalls angelastet werden. Sie wurden fortan nur noch „geduldet“. Gazales Geschichte zeigt zum anderen aber auch, welche Vorstellungen von Geschlecht, Familie und Frauenrechten dem deutschen Ausländerrecht zugrunde liegen – wie also Rassismus und Sexismus ineinanderwirken: Dazu gehört, dass der Schutz der Familie, der in vielen Menschenrechtskonventionen enthalten ist, in diesem Fall so gar keine Rolle spielt. Hier sind doch Kinder, die ein Recht auf ihre Eltern haben! Und wenn Kinder da sind, dann sollten rein rechtlich gesehen eigentlich auch Partnerschaften, die nicht via Standesamt den behördlichen Segen erhalten haben, geschützt werden. Auch Gazale und ihr Mann sind nicht nach hiesigem Recht, sondern „nur“ nach islamischem Ritus verheiratet. Doch der „erweiterte“ Familienbegriff hat ihnen nichts genützt. So sehr, wie die Familie stets als vermeintliche „Keimzelle“ der Gesellschaft gefeiert und beschworen wird, so wenig greift ihr Schutz im Falle von denen, die als nicht zugehörig klassifiziert werden. Sogar die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat mit Verweis auf den in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Schutz des Privatlebens eine schnellstmögliche Einigung in dem „Fall“ gefordert. Dem Landkreis Hildesheim und dem niedersächsischen Innenminister können jedoch offenbar weder eine Bundesverwaltungsgerichtspräsidentin noch eine Europäische Menschenrechtskonvention etwas anhaben.

Sexismus, Rassismus,

Normierung & Co


In anderen Fällen, in denen keine Kinder da sind, können Paare, von denen nur eine/r einen sicheren Aufenthaltsstatus hat, einander nur durch Heirat schützen. Diese Verknüpfung der Ehe mit Rechten und Privilegien und die Benachteiligung anderer Formen von Partnerschaft und Familie ist im deutschen Recht fest verankert. Während der Gesetzgeber „deutsche“ Paare v.a. mit Vergünstigungen wie Ehegattensplitting und Hinterbliebenenrente in die geschlechterpolitisch fragwürdige Institution der Ehe lockt, ist die Frage ob und mit wem sie verheiratet sind, für Menschen in unsicheren Aufenthaltsverhältnissen oft von existenzieller Bedeutung. Dass bei der Abschiebung keinerlei Rücksicht auf Gazales Schwangerschaft genommen wurde, zeigt zudem, dass Frauen unterschiedlicher Herkunft unterschiedliche Rechte gewährt und ihnen ein unterschiedliches Maß an Fürsorge entgegengebracht wird. Während für „deutsche“ Frauen in der Schwangerschaft von Anfang an jede Menge Regeln und Vorsorgemaßnahmen gelten, finden diese für als nicht-deutsch deklarierte Frauen offenbar überhaupt keine Anwendung. Auch das Hohelied auf die Mutterschaft, in dem es um die besonders enge Bindung von Müttern zu ihren Kindern geht, wird anscheinend nur angestimmt, wenn es um die „richtigen“ Mütter geht. Wie sonst ist zu erklären, dass Gazale von Amts wegen seit Jahren von ihren Kindern getrennt wird, während ansonsten selbst außerhäusige Kinderbetreuung unter dem Verdacht steht, bei Kindern Bindungsprobleme und psychische Schäden zu verursachen?

Die Abschiebung hat für Gazale außerdem zur Folge, dass sie sich nun allein als Frau in einem Viertel von Izmir durchschlagen muss, in dem traditionelle Vorstellungen von den Geschlechterrollen vorherrschen. Abweichungen von diesen Rollenvorgaben machen den Alltag zur Qual. So ist die Tatsache, dass Gazale dort ohne Mann, wohl aber mit zwei Kindern lebt, Auslöser höchsten Misstrauens in der Nachbarschaft. Es ist ihr nicht möglich, eine Arbeit zu finden und selbst für sich und die beiden Kinder zu sorgen. Alltägliche Verrichtungen werden verunmöglicht, etwa wenn sich der Feuerholz-Verkäufer weigert, ihr als alleinstehender Frau etwas zu verkaufen. Zudem ist sie als Alleinlebende immer wieder Belästigungen durch Männer ausgesetzt. In Deutschland wird oft so getan, als gebe es Ungleichbehandlung von und Gewalt gegen Frauen nur in muslimischen Familien, während die Bundesrepublik als Musterland der Gleichstellung von Männern und Frauen inszeniert wird. So schwingen sich konservative PolitikerInnen in der Integrationsdebatte dazu auf, Frauenemanzipation als Indikator für erfolgreiche Integration auszurufen – insbesondere bei MigrantInnen muslimischen Glaubens. Damit wird die feministische Forderung nach Frauenrechten zur Durchsetzung restriktiver Einwanderungs- und Integrationspolitik instrumentalisiert. Welchen Stellenwert Frauenrechte in diesem Kontext tatsächlich haben, zeigt das Beispiel von Gazale: Allen Emanzipationsforderungen zum Trotz wurde sie in eine Situation katapultiert, in der sie das in Deutschland so umstrittene Kopftuch tragen muss, um den Alltag zu bewältigen.

bekämpfen wir hier und anderswo!

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Seit sieben Jahren tobt ein beispielloser Kampf um Gazales Rückkehr, der vor allem an der harten Linie des niedersächsischen Innenministers, Uwe Schünemann, scheitert. Schünemann gab übrigens in der Bild-Zeitung an, lieber als „harter Hund“ als als „Warmduscher“ 1 gelten zu wollen. Die Flüchtlingspolitik in Niedersachsen ist also nicht nur zutiefst rassistisch und stellt sogar die gnadenlose Linie der bayerischen KollegInnen in den Schatten. Eine Politik, die auf der Einhaltung der grundlegendsten Menschenrechte beruht, wird mit Schünemanns „Warmduscher“-Statement zudem als „unmännlich“ und Zeichen von Schwäche disqualifiziert. Wie in vielen anderen Fällen hat er sich den von Gazale zu eigen gemacht und gibt dem Landkreis Hildesheim direkte Anweisungen. Er sorgte persönlich dafür, dass alle positiven Vorgaben seitens der Gerichte in den Wind geschlagen und eine Rückkehr von Gazale weiter abgelehnt wird. Sein Ministerium verweist stets darauf, dass es in der Hand von Gazales Mann liege, ihr nachzuziehen und die Familie wieder zu vereinen. Mit dem Argument, alles liege in Ahmeds Händen, wird sie völlig auf ihren Mann verwiesen . Ein eigenes Recht, mit ihren Kindern zusammen zu sein, wird ihr nicht zugestanden, sie wird gar nicht als eigenständiges Subjekt betrachtet; das Gleiche gilt für ihre Kinder. Einen Teil der Familie abzuschieben mit dem Ziel, dass der Rest (der formal nicht abgeschoben werden kann) dann aufgeben und nachziehen wird, ist eine von zahlreichen Vertreibungsstrate_________________________________________ 1 Schünemann

gien, die in Niedersachsen alltäglich praktiziert werden. Die Anweisung zu solchen Vertreibungen kommt mitunter direkt aus dem niedersächsischen In- nenministerium und sorgte auch im Land- kreis Göttingen bereits für Schlagzeilen. Hier wurde ein Fall bekannt, in dem Uwe Schünemann dem Landrat ungefragt und wiederholt Tipps gab, wie eine in der Lokalpresse als „Muster an Integration“ beschriebene Familie aus dem Lande zu ekeln sei. All das zeigt, dass die viel bemühten Frauenrechte nicht für diejenigen gelten, die als nichtdeutsch klassifiziert werden. Dabei ist es egal, ob sie seit fünf, zehn oder fünfzig Jahren hier leben – wenn ihnen ein sicherer Aufenthaltsstatus verweigert wird, haben sie keine Chance auf zumindest formal gleiche Rechte. Die Emanzipationsrhetorik der Integrationsdebatte ist den selbst ernannten Emanzipatoren keinen Pfifferling mehr wert, sobald sich die Gelegenheit ergibt, die angesprochenen Frauen loszuwerden – und sei es

in der Bildzeitung vom 1 9.06.2011 .

Gleichberechtigt!


über waghalsigste Konstruktionen von Staatsangehörigkeit. Aber auch Vorstellungen von Schutzrechten für Schwangere, Mutterschaft und die zu schützende Familie gelten nur insoweit, als es sich nicht um „die anderen“ handelt. Für Gazale waren die vergangenen sieben Jahre eine unaussprechliche Qual. Im Dezember 2011 schrieb sie in einem offenen Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister: „Ich habe unendliche Sehnsucht nach meinen Kindern. Ich will nicht sterben, bevor Sie, Herr McAllister, mir die Rückkehr nach Deutschland

erlauben, damit ich noch einmal meine Kinder riechen und umarmen kann.“ Dass sie die halbe Kindheit von Nura und Amina nicht miterleben, -gestalten und -fühlen konnte und dass Nura und Amina die Hälfe ihres bisherigen Lebensweges ohne Gazale gehen mussten, ist ein menschengemachter Horror. Wir kämpfen weiter für die Rückkehr von Gazale und gegen die rassistische und sexistische Politik, die hinter diesem „Einzelfall“ steht! (http://www. nds-fluerat. org/infomaterial/gazalesalame/)

Auszug aus einem Interview mit der Feministin Hoda Salah über die Rolle der Frauen im ägyptischen Aufstand, veröffentlicht in der

und diskutieren plötzlich junge Menschen gemeinsam auf dem Tahrir-Platz - unter den Augen ihrer Eltern, die das sogar unterstützen. Das ist ein Ereignis, das vor wenigen Wochen noch unvorstellbar war. Gibt es denn eine geschlechtliche Arbeitsteilung in der jetzigen Revolte, bei den Demonstrationen und auf dem Tahrir-Platz? Bei dieser Frage ist auffällig, dass viele einen sehr vorgeprägten Blick haben. Die in den Köpfen vorherrschenden Bilder stimmen nicht mit der Realität in Ägypten überein. Ich habe die Tage einen Anruf von einer Schweizer Journalistin bekommen: Sie habe ein Bild gesehen, auf welchem Frauen die Straße sauber machen. Das war für sie ein Beweis dafür, dass Frauen mal wieder die Basisarbeit machen und Männer die großen Reden schwingen. Ich habe sie dann gebeten, mir das Bild zu zeigen. Und was war zu sehen? Es waren mehr Männer als Frauen auf dem Bild zu sehen,

Analyse und Kritik 558 vom 18. Februar 2011 Angesichts des Anlasses unserer Veranstaltung, dem 1 00. Jahrestag des internationalen Frauenkampftages , wollten wir die sich überschlagenden politischen Umwälzungen u.a. in Ägypten in der ersten Jahreshälfte nicht unkommentiert lassen. Damals schien (noch) alles möglich, der Aufbruch in Agypten und anderen Ländern revolutionär verheißungsvoll. Mit folgender Interviewpassage wollten wir eine Aktivtistin auf unserer Demo selbst zu Wort kommen lassen:

„Hier flackert auch eine tiefgreifende Veränderung in den Geschlechterverhältnissen auf. In einem Land, in dem "Ehre" und "Tugendhaftigkeit" eine sehr große Rolle spielen, Frauen keine Freunde haben sollen, Sexualität tabuisiert ist, übernachten

Patriarchy FUCK OFF!

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die die Straße sauber gemacht haben. Es herrschen vorgefertigte Bilder in den Köpfen vor auch und besonders bei Linken, die immer noch die arabische Frau als Opfer ihrer Religion undTradition sehen. Es ist deshalb wichtig, den eigenen Blick zu reflektieren. Männer machen die Straße sauber und bringen das Essen. Das ist derzeit die Realität auf dem Tahrir-Platz. Das ist ein wunderschöner Moment, und ich hoffe das bleibt so.“

Ein Jahr ist mittlerweile vergangen. Die Hoffnungen der emanzipatorischen Mubarakgegnerin*nen haben sich bislang nicht erfüllt. Noch immer sind sie von Repressionen und Gewalt durch das Militärregime betroffen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob ihr erfolgreicher Widerstand zu tiefgreifenderen progressiven Entwicklungen in Ägypten führt.

Geschichte des Frauenforums Göttingen

Christine Müller, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Göttingen, Koordinatorin des Frauenforums

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Herzlich willkommen bei der Station „Geschichte des Frauenforums Göttingen“! „Frauenforum“ ist ein beliebter Name für Göttinger Frauennetzwerke im letzten Jahrhundert. 1 . In den 80er Jahren engagierte sich ein überparteilicher Arbeitskreis für die Einrichtung einer Gleichstellungsstelle in der Stadt Göttingen und arbeitete dann – zusammen mit der 1 987 eingestellten Frauenbeauftragten – als Göttinger Frauenforum bis Ende der 80er. 2. „Frauenforum ´92 – Frauen gehen weiter“ lautete das Motto für drei Tage mit Seminaren, Workshops und einem Markt der Möglichkeiten, die sich 1992 am Fachbereich Erziehungswissenschaften im

Waldweg den Themen Frauennetzwerke, Frauenbildung, Frauenkultur widmeten. 3. Aller guten Dinge sind drei: Ich komme zum Frauenforum Göttingen, wie es auch 2011 noch leibt und lebt und gut sichtbar auch heute hier vertreten ist: Die Anfänge liegen 1994 als der Internationale Frauentag bundesweit zum FrauenStreikTag ausgerufen wurde. Auf Initiative der ÖTV-Frauen gründete sich auch in Göttingen ein Frauenstreikkomitee mit 1 5 Gruppen, Projekten, Institutionen aus Stadt und Landkreis. Eine „Kleingruppe“ aus Gewerkschaften (IG Metall und ÖTV), autonomen Frauen (Laura und Nana Bunilda), Uni (Frauenbüro und Frau-

Kämpft und leistet Widerstand!


enAsta) und dem Frauenbüro der Stadt intensivierten den wechselseitigen Austausch mit dem Ziel einer kontinuierlichen Vernetzung. Zum 8. März 1995 diskutierten wir im gefüllten DGB-Saal über autonome und institutionelle Frauenpolitik. „Rosa Luxemburg trifft Claudia Nolte“ hieß die Veranstaltung. Rosa L. dürft allen bekannt sein. Aber wer war Claudia Nolte? Claudia Nolte war die Kristina Schröder der 90er! Aber wer ist Kristina Schröder? Das ist unsere aktuelle Bundesfrauenministerin. 1997 riefen wir zum frauenpolitischen Gänselieselmarsch gegen Sozialabbau auf – „Genug der Küsserei – jetzt wird gebissen“ hieß der Aufruf, dem sich 30 Organisationen und Gruppen anschlossen. Das Frauenforum verfügt über enormes kreatives Potenzial, ein großes gemeinsames Interesse zu Bündnisarbeit und eine hohe Fähigkeit, trotz flexiblen Personal- und Finanzeinsatzes über Logo, Flyer und Homepage inzwischen Kontinuität sicherzustellen. Wir sind z.Zt. 20 Einrichtungen, die die Forumsarbeit gestalten und inzwischen zweimal im Jahr öffentlich als Frauenforum präsent sind: Das ist von Anfang an der Internationale Frauentag am 8.

März mit Schwerpunkten wie „Die Zukunft der Frauen ist die Zukunft Afghanistans!“, einer Badeaktion „Miteinander gegen den Strom!“ und in diesem Jahr mit dem Programm „In Bewegung bleiben!“. Und nicht rein zufällig machen wir hier vor dem FrauenNotruf Station. Seit genau 1 0 Jahren sagen wir auch gemeinsam „Nein zu Gewalt gegen Frauen!“ und beteiligen uns am Internationalen Tag „Nein zu Gewalt gegen Frauen“, an der Fahnenaktion „Frei leben ohne Gewalt“ von Terre des Femmes und organisieren dazu weiter Veranstaltungen. So arbeitet dieses Netzwerk kontinuierlich das ganze Jahr an den zentralen Anliegen der Frauenbewegung: Wir fordern unser Recht auf „Frei leben ohne Gewalt!“ und wir fordern unser Recht auf eine eigenständige gute Existenzsicherung! Auch nach 1 00 Jahren Frauentag gilt: Wir wollen

DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 100. Frauenkampftag 2011

Brot und Rosen und dazu müssen wir in Bewegung bleiben – das Frauenforum Göttingen ist dabei!

Gegen den sexistischen Normalzustand!

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Frauen in der Anti-Atom-Bewegung

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Frauen in der Anti-Atom-Bewegung waren und sind überall zu finden. Gleichwohl traten sie besonders in Erscheinung, als die Proteste in die breite Öffentlichkeit der Gesellschaft gelangten. Insbesondere sind die "Gorleben-Frauen" hervorzuheben, die unter dem Motto "Frauen kämpfen für das Leben" zum internationalen Protest mit tausenden blühender Narzissen zu Ostern '80 aufgerufen hatten. Marianne Fritzen ist dort zu einer Ikone der Widerstandsbewegung geworden. Mit Beharrlichkeit und Einfühlungsvermögen vermochte sie es, den Menschen in ihrer Region die Probleme nahe zu bringen und sie mit ihren Ängsten und der Sorge um die Heimat zum aktiven Widerstand zu motivieren. Die Katastrophe von Fukushima hat diese Bewegung weltweit wieder verstärkt. In Göttingen wurde – in Zusammenarbeit mit bestehenden Gruppen –

die Anti-Atom-Initiative gegründet. Wir Frauen gestalten in dieser Initiative mit unserer Kreativität, unserer Energie und unserem Willen aus der lebensbedrohenden Atomenergie auszusteigen, entscheidend die Aktionen des Widerstandes mit. Jeden 1 . Montag im Monat (i.d.R.) gestalten wir eine Mahnwache: zu Fukushima, aber auch zur Bedrohung durch die AKWs in Deutschland und weltweit. Ein Ausstieg ist in kurzer Zeit möglich, wenn es politisch gewollt ist. Und dafür machen wir uns stark. Der immer weiter produzierte Atommüll ist nicht beherrschbar! Wir, die Aktiven der Initiative, treffen uns jeden Mittwoch um 1 9.00 Uhr beim DGB (i.d.R.), um uns zu informieren und weitere Aktionen zu planen. Gern begrüßen wir weitere Mitstreiterinnen! Anti-Atom-Initiative

Transpis beim DEMOnstrativen Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011


Frauen/Lesbenprojekte und -einrichtungen in Göttingen

Zusammengestellt von Sandra Kotlenga

In Göttingen gab und gibt es seit den 70er Jahren viele Projekte und Einrichtungen, die oftmals aus autonomen Initiativen heraus und mehr oder weniger explizit als feministische Projekte gegründet wurden. Einige von ihnen gehören heute scheinbar selbstverständlich zur sozialen und kulturellen Infrastruktur in Göttingen, ihre (Teil-)Finanzierung durch öffentliche Mittel von Kommune und/oder Land musste jedoch meist hart erkämpft werden. Einige Projekte haben sich lange Zeit auf der Grundlage von ABM- und Sozialhilfestellen aufrecht erhalten können. Manche Projekte mussten schließen, andere haben bis heute Bestand. Trotz einer starken Professionalisierung und Etablierung von Einrichtungen und Projekten bleibt die Finanzierung oftmals prekär und kann manchmal nur durch kurzfristige Projektmittel (z.B. der EU) überhaupt aufrecht erhalten werden. Die aktuell von den Parteienmehrheiten im Rat geplanten massiven Einschnitte im Bereich der kommunalen Grundfinanzierung sozialer und kultureller Einrichtungen durch den sogenannten „Zukunftsvertrag“ der Kommune mit dem Land wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch manche der aufgeführten Projekte treffen. Zu Redaktionsschluss sind nach den veröffentlichten Plänen der Stadt sehr viele Einrichtungen in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur von massiven Einschnitten oder gar Schließungen bedroht. Der „Entschuldungshilfevertrag“ mit dem Land sieht vor, in Zukunft durch Zuschusskürzungen oder komplette Streichungen jährliche Einsparungen in Millionenhöhe bei den Sozial-, Bildungs-, und Kulturein_________________________________________

richtungen durchzusetzen – ohne, dass dadurch das Problem der Unter- finanzierung der Kommunen und das „strukturelle Haushaltsdefizit“ behoben werden könnten: Einen ausgeglichenen Haushalt kann Göttingen auch mit diesen Einsparungen niemals erreichen. Anstatt dies politisch zu skandalisieren und sich gemeinsam mit den BürgerInnen für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen einzusetzen, stellen sich die Sparparteien von CDU, über FDP und SPD bis hin zu den Grünen als Opfer der Verhältnisse dar, die sie selber durch Steuergesetzgebungen mit geschaffen haben (mitge- tragen auch von den Göttinger Parteienverbänden). Zynischerweise sollen nun die BürgerInnen selbst die „Drecksarbeit“ für den vermeintlich alternativlosen „Zukunftsvertrag“ erledigen und quasi eine Konkurrenzentscheidung im Team darüber treffen, welche Einrichtungen geschlossen werden sollen. Die folgende Übersicht über (feministische) Frauenprojekte in Göttingen ist chronologisch nach ihrem Entstehungszeitraum geordnet. 1 Frauen/Lesbenzentren 1 974 Gründung des Sozialistischen Frauenzentrums in der Roten Straße. 1 979 Das Sozialistische Frauenzentrum zieht nach einer Kündigung der Räume in der Roten Straße um in die Kurze Geismarstraße 24 und nennt sich nun Frauenzentrum.

Zusammengestellt nach eigener Recherche und auf der Grundlage des Artikels: „Bin zur Frauengruppe! euer Liesel“ von Gabriele Gude, Regine Rühling und Karin Steneberg, in: Karin Ehrich, Kornelia Krieger 2003 (hg.): Bin zur Frauengruppe! euer Liesel – Die Neue Frauenbewegung und ihre Impulse in Niedersachsen, S. 41 ff. 1

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1 985/1 986 Das Frauenzentrum in der Kurzen Geismarstraße 24 soll einem Sanierungsplan zum Opfer fallen. Es beginnt die mühsame Suche nach neuen Räumlichkeiten für ein Frauenzentrum, es gibt unterschiedlichste Aktionen für den Erhalt oder für neue Räume eines Göttinger Frauenzentrums. 1 987 Auszug des Frauenzentrums aus der Kurzen Geismarstraße. März 1 988 Besetzung der „Rosa Villa“ in der Bürgerstraße 1 2, die nach einer Stunde geräumt wird, Demonstrationen für ein neues Zentrum. Oktober 1 988 Das Göttinger FrauenLesbenzentrum in der Düsteren Straße 21 wird eröffnet. 1 992 Kündigung der Räume des FrauenLesbenzentrums zum 30.6.1 992; Besetzung der Räumlichkeiten des FLZ. 1 993 Urteilsverkündigung im Räumungsprozess: Stadt gegen FLZ; am 9.3. wird das Urteil rechtskräftig, das FLZ wird geräumt. 1 996 Initiative für eine Neus FLZ, ca. zweimonatige Besetzung des Vorderhauses des alten FLZ in der Düsteren Straße 21 . Frauenhaus 1 977 gründet sich eine Initiative für ein Frauenhaus in Göttingen im Frauenzentrum.

Plakatwand des Frauenhauses, Bild entnommen aus Broschüre „Vergewaltigung – Schweigen – Anzeigen – Angreifen“ einer Göttinger Frauengruppe, 1 991 .

1 980 Gründung des Frauenhauses durch den Verein „Frauen helfen Frauen“, Einzug ins Frauenhaus. Frauen- und Kinderbuchladen Laura 1 977 Gründung aus einer Frauenzentrumsinitiative heraus (Burgstraße 21 ). Frauengesundheitszentrum 1 982 wird aus einer Initiative im Frauenzentrum heraus der Frauengesundheitsladen „Rapunzel“ in der Prinzenstraße gegründet (danach lange Zeit in der Goetheallee 9, seit kurzem wieder zusammen mit der Therapeutischen Frauenberatung in der Groner Straße 32/33). Frauen-Notruf 1 979 Treffen der Gruppe „Frauen gegen Vergewaltigung“ im Frauenzentrum mit dem Ziel, eine Notrufberatungsstelle für vergewaltigte Frauen ein- zurichten, Einrichtung eines Frauennotrufs im Frauenzentrum. 1 988 Gründung des (zweiten) Frauen-Notrufs, heute „Frauen-Notruf e.V. – Beratungs- und Fachzentrum sexuelle und häusliche Gewalt“, Kurze Straße 6a. Therapeutische Frauenberatung 1 983 Das Beratungsangebot „Frauen beraten Frauen“ findet im Frauenzentrum statt. 1 984 das Projekt „Frauen beraten Frauen“ zieht mit dem Frauengesundheitszentrum in die Prinzenstraße; es erfolgt die Gründung des Vereins für therapeutische Frauenberatung, Umzug in die Weender Straße 20, heute Groner Straße 32/33. Frauenzimmer (siehe Kasten) 1 989 Gründung einer Einrichtung für „pädagogisch betreutes Wohnen für Frauen“.

e m m a l F d n u r Feue


Isis – Zentrum für Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft 1 989 - 2009 am Groner Tor. Kore 1 990 Gründung eines Frauenbildungswerks und Mädchentreffs (Frauenbildung, Mädchenarbeit und Sozialberatung) in der Turmstraße 5, heute im Papandiek 24-26. Frauenzimmer/Blaustrumpf-Bibliothek im AStA 1 991 Gründung des Frauenzimmers als feministische Bibliothek und Treffpunkt für FrauenLesben im damals linken AStA, bald Umbenennung in Blaustrumpf. 2004 Schließung des Blaustrumpfs und Verräumung der Bibliotheksbestände in den Keller. 201 0 Die Bibliothekssammlung wird im und vom

Gleichstellungsbüro der Philosophischen Fakultät, Humboldtalle 17, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Café Kabale Frauenkneipe/FrauenLesbenTrans*kneipe Ab 1 991 jeden Dienstag ab 20.30 Uhr! Lesbentelefon 1 991 Gründung des Lesbentelefons, Beratung von Frauen und Mädchen zu allen Fragen des lesbischen Lebens, bis 2008. Schraubzwinge 1 997 Gründung einer Werkstatt von Frauen für Frauen und Mädchen, Handwerkskurse für Frauen und Mädchen, Selbsthilfe (erst in Holtensen, zuletzt in Geismar, Heidelbeergasse). Seit 201 0 leider geschlossen.

Das erste ambulante pädagogisch-therapeutische Frauen-Zimmer für psychiatrieerfahrene Frauen in Göttingen Frauen-Zimmer e.V.

In der Frauenbewegung und in der Frauengesundheitsbewegung tat sich schon einiges, aber für die Behandlung und Begleitung von Frauen mit psychiatrischen psychosomatischen Diagnosen war Deutschland eine weiße Landkarte. Frauen-Zimmer e.V. gründete sich auf der Idee, ein ambulantes pädagogisch-therapeutisches Angebot genau für diese Frauen machen, die sonst in der Frauenszene einen Ausschluss erfahren hätten. Die Gründerinnen des Vereins Frauen-Zimmer waren z.T. Beschäftigte in der Psychiatrie, aber auch ehrenamtlich Tätige, die aus einem feministischen und emanzipatorischen Ansatz heraus neue Lebensformen für Langzeitpatientinnen er-

Frauen-Zimmer e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der 1 989 von Frauen ausschließlich für Frauen gegründet wurde. Anfang der achtziger Jahre sind im Zuge der Psychiatriereform und der Auflösung der Langzeitstationen in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern alternative Projekte entstanden, die eine ambulante Nachsorge und Betreuung von psychisch erkrankten Menschen vorgesehen haben. Es gab zum derzeitigen Zeitpunkt aber keine frauenspezifischen Behandlungsangebote.

dem Patriarchat!

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möglichen wollten. So entstanden die ersten Wohngemeinschaften, wo Pionierarbeit geleistet wurde, denn die Bewohnerinnen hatten z.T. noch nie selbständig gelebt. Die Idee, gezielt Räume nur für Frauen von Frauen anzubieten, ging auf, denn gerade psychisch erkrankte Frauen haben zum großen Teil massive Gewalterfahrungen und Traumatisierungen erlitten. Daher benötigen sie einen geschützten Raum, um langsam wieder mehr Selbstvertrauen und innere Sicherheit aufzubauen. Gelingt dies, können sie sich auch wieder mehr in der „gemischten“ Gesellschaft sicher und wohl fühlen und teilhaben. Es brauchte ausgesprochen viel soziales und politisches Engagement der Gründerinnen, um das Projekt finanziell im Rahmen der Sozialgesetzgebung (Eingliederungshilfe für psychisch behinderte bzw. von Behinderung bedrohte Menschen) abzusich- ern. Inhaltlich wurde nächtelang diskutiert und die Betreuungsarbeit wurde anfangs auch rund um die Uhr geleistet. Erst politisches Kämpfen führte zu einer Einigung zwischen Land Niedersachsen/Landkreis und Stadt Göttingen und dem Frauen-Zimmer als Leistungserbringerin. Die Entwicklung und Ausweitung des Vereins konnte zudem nur gelingen durch eine kontinuierliche Vernetzung und Zusammenarbeit mit allen AkteurInnen der sozialpsychiatrischen Landschaft in der Region und auch

außerhalb. Dazu zählen die Mitgliedschaft im Paritätischen Landesverband Niedersachsen e.V., im Sozialpsychiatrischen Verbund in Stadt und Landkreis Göttingen, im Arbeitskreis Frauengesundheit in der Medizin sowie im Dachverband Psychosozialer Hilfsvereinigungen. Außerdem haben wir das Frauenprojekteplenum und das Frauenforum Göttingen mitgegründet. In all diesen Vernetzungen sehen wir es als unsere Aufgabe an, neben den Belangen der psychisch erkrankten Frauen immer wieder auf die Situation von Frauen in der Gesellschaft allgemein hinzuweisen. Die nach wie vor nicht ausreichend durchgesetzte Gleichstellung von Männern und Frauen wirkt eben für viele Frauen krankmachend und ist daher immer auch ein Thema in der täglichen Betreuungsarbeit. Die Anzahl der in allen Lebensbereichen unterstützten Frauen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich angestiegen. Mit sechs festangestellten pädagogisch-therapeutisch qualifizierten Kolleginnen und einer Verwaltungskraft bietet der Verein aktuell 50 Klientinnen ambulante Hilfe an. Der größte Teil der Frauen lebt in der eigenen Wohnung, darüber hinaus gibt es zwei Wohngruppen mit sechs Plätzen. Die Nachfrage des spezifischen Angebotes für Frauen ist sehr stark. Gerade die Anfragen von sehr jungen Frauen, die gleich nach Beendigung der Schulausbildung an den Anforderungen des selbständigen Lebens scheitern, hat über die Jahre zugenommen. Die allgemeinen gesellschaftlichen Benachteiligungen und hohen, z.T. auch widersprüchlichen Ansprüche an die Geschlechtsrolle treffen psychisch labile Frauen be-

Kampf dem Sexismus


sonders hart. Im Frauen-Zimmer können die Klientinnen ihre eigenen Stärken und Ressourcen (wieder) entdecken, weil sie auf Betreuerinnen

treffen, die grundsätzlich selber von der gesellschaftlichen Situation betroffen sind.

Erinnerung an „James“ A uszug aus dem Redebeitrag am 19. März 2011

wollen wir ihren Tod infolge eines sexualisierten Gewaltverbrechens nicht unkommentiert lassen. Unserer Meinung nach war James als wohnungslose Frau sowohl patriarchalen als auch kapitalistischen Gewaltstrukturen sehr ungeschützt ausgesetzt. Wohnungslose sind innerhalb der kapitalistischen Logik nicht verwertbar, da sie ihre Arbeitskraft nicht verkaufen können, wollen oder dürfen. Das menschenfeindliche Nützlichkeitsdenken, die Bezeichnung von Menschen als Schmarotzer oder Diskurse, die Wohnungslosen die „Schuld“ an ihrer Lebensform geben oder sie kriminalisieren, sind neben anderen Faktoren für die steigende Gewalt gegen Wohnungslose, die sich nicht selten bis zu deren Ermordung steigert, verantwortlich. Hier greifen strukturelle und personelle Gewalt ineinander. James war eine von ca 500 000 Wohnungslosen in Deutschland. Die Dunkelziffer ist wesentlich höher, da insbesondere Frauen häufig in der sogenannten versteckten Wohnungslosigkeit leben, weil sie sich für ein Dach über dem Kopf in sexuelle Ausbeutungsverhältnisse begeben. Ob James sich gegen die versuchte Vergewaltigung gewehrt hat, wissen wir nicht. Ob sie den Täter kannte wissen wir ebenso wenig. Für letzteres spräche, dass die meisten sexualisierten Ge-

Hier an dieser Stelle wurde am 24.1 2.07 James ermordet. Nach einer versuchten Vergewaltigung hat der Täter sie erstickt. James Tod fand in der lokalen Presse ein breites Echo, Kirchen riefen zu Gedenkgottesdiensten auf, viele Menschen stellten Blumen, Kerzen oder Karten an diesen Ort. Medial wurde sie folkloristisch zu einem Teil des Stadtbildes erklärt, auf einigen Karten stand zu lesen, sie habe zum Alltag dazu gehört. Ohne den Schreiberinnen und Schreibern eine aufrichtige Betroffenheit absprechen zu wollen, würden wir sagen, dass James als Wohnungslose eben kein Teil des Alltags vieler Bürger_innen war. Ob James gerne im Hinterhof dieses Hauses gelebt hat, wissen wir nicht, ebenso wenig ob sie sich als freiwillig oder unfreiwillig wohnungslos bezeichnet hat. Was wir wissen ist, dass sie Wohnangebote seitens der Stadt wie beispielsweise einen Wohnwagen ausgeschlagen hat. Ihre Gründe dafür wiederum kennen wir nicht. Wir können ihr, da wir sie gar nicht oder kaum kannten, in diesem Redebeitrag also ebenso wenig gerecht werden wie alle anderen. Dennoch

e s s a r t S auf der und privat!

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waltverbrechen innerhalb von Familien und Bekanntenkreisen verübt werden. Fatal ist demnach die Tendenz, sexualisierte Gewalt auf den angeblich barbarischen Rand der bürgerlichen Gesellschaft zu projizieren, obwohl sie aus ihrer Mitte entsteht. N och ein Wort zum Täter. Es ist schwer anEin Holzkreuz, Blumen und Kerzen erinnern an James gesichts des sexualisierten Übergriffs und des Mords überhaupt Gedanken an den Täter zu verschwenden. Wir denken aber, dass wir als emanzipatorische Linke auch hier dem deutsch-nationalen Wahn der Inneren Sicherheit, welcher sich eben auch in staatlichen Instrumentalisierungsversuchen von sexualisierter Gewalt zeigt, entgegentreten müssen. Sowohl dem gern angeführten Argument „zum Schutz der Allgemeinheit für immer wegsperren“ als auch den sich stetig etablierenden neurobiologischen Erklärungsansätzen für

Strafanfälligkeit ist entschieden zu widersprechen. Ebenso gilt es den zunächst an Sexualstraftätern exerzierten Maßnahmen wie die nachträgliche Sicherheitsverwahrung entgegenzutreten. Diese ist als Element des sogenannten Feindstrafrechts, welches auf den NS-Juristen Carl Schmitt zurückzuführen ist, scharf zu kritisieren. Im Februar 2009 fällt ein Richter am Göttinger Landgericht ein skandalöses Urteil zu James' Ermordung. Aufgrund einer schweren Psychose des Täters stellte er dessen Schuldunfähigkeit fest und ordnete einen dauerhaften Psychatrieaufenthalt an. Das Urteil allein ist unserer Meinung nach kein Skandal. Skandalös ist jedoch die Urteilsbegründung. Sinngemäß fabuliert der Richter von einem „unglücklichen Zusammentreffen zweier schwer gestörter Menschen“. Er macht damit James mitschuldig an ihrer Ermordung, stellt Täter und Opfer auf die selbe Ebene und verharmlost das sexualisierte Gewaltverbrechen als Unglück. Somit ist dieses Urteil einzureihen als ein weiteres trauriges Beispiel einer betroffenenfeindlichen Rechtsprechung. Uns ist klar, dass wir mit unseren Worten lediglich Sachen anreißen konnten. Trotzdem halten wir daran fest, das Zusammenwirken gewaltförmiger Strukturen, welches sich in Institutionen ebenso wie in Gewalthandlungen zwischen Menschen ausdrückt, zu analysieren und gleichzeitig die individuellen Opfer zu benennen und uns an sie zu erinnern.

Das Private ist politisch!


„Die Frau soll studieren, weil sie studieren will…!” 1

– Meilensteine der Kämpfe um Frauenbildung in Göttingen

Zusammengestellt von Eva Wolff und Till Amelung

Mit dem Redebeitrag auf dem DEMOnstrativen Stadtrundgang zum 1 00jährigen Frauenkampftag wollten wir Frauengeschichte der Universität sichtbar machen. Klar hatten Frauen schon immer Anteil an der Universität (z.B. als Anwärterinnen, als gelehrte Töchter, Schwestern und Ehefrauen), jedoch waren sie weitgehend von Forschung und Lehre ausgeschlossen und blieben unsichtbar! Getreu dem Motto „Geschichte wird gemacht“ setzten wir Schlaglichter der Göttinger Universitätsfrauengeschichte, die – wie emanzipatorische Frauengeschichte allgemein – eine Geschichte des Kampfes von Frauen um gleiche Rechte war und ist! Trotzdem 1 787 – Dorothea Schlözer ist die erste promovierte Frau in Göttingen • Sie durfte ihrer eigenen Feier nicht beiwohnen, da Frauen von diesen Feierlichkeiten grundsätzlich ausgeschlossen waren. • Sie gehörte zum Kreis der sogenannten Universitätsmamsellen, einem Netzwerk bestehend aus Caroline Schelling, Therese Huber, Philippine Engelhardt und Meta Forkel-Liebeskind . Die Universitätsmamsellen (Töchter oder Gattinnen von Professoren) zeichneten sich durch einen hohen Bildungsstand und Betätigungen im literarischen und akademischen Bereich aus, die weit über die damaligen stereotypen bürgerlichen Frauenrollen als Hausfrau und Mutter hinausgingen. _________________________________________ 1

darf nicht vergessen werden, dass die Geschichte der Frauenbildung und des Frauenstudiums zum größten Teil eine bürgerlich geprägte ist. Der Kampf um Ausbildung und die Möglichkeit zur Lohnarbeit wurde aus einer bürgerlichen Perspektive geführt. Proletarische Frauen mussten schon immer lohnarbeiten gehen! Im Folgenden werden in Schlaglichtern Meilensteine der Kämpfe und Kämpferinnen* vorgestellt. Literatur zu dem Thema findet sich in der Sammlung Blaustrumpf, die ab Sommer 201 2 im Kulturwissenschaftlichen Zentrum der Philosophischen Fakultät nutzbar ist. 1 81 7 – Marianne Theodore Charlotte Heidenreich von Siebold wird erste Frauenärztin Deutschlands • Sie war die erste Frau, der es an der Uni Göttingen erlaubt war, Vorlesungen zu hören. • Sie brachte als Geburtshelferin die spätere Queen Victoria zur Welt. • Sie war zu ihrer Zeit eine sehr berühmte und gefragte Frauenärztin und Geburtshelferin. 1 866 – die erste städtische höhere Töchterschule in Göttingen wird gegründet • Diese Schule mit dem Rektor Dr. Morgenstern gilt als eine der besten, was den Umfang der

Hedwig Dohm

! it e b r A e h ic e l g r ü f n h o L Gleicher

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Bildung für Mädchen anbetrifft – z.B. wurde gezielt logisches Denken geschult, eine Fähigkeit, welche den Frauen gemeinhin abgesprochen wurde. • Trotzdem war das Ziel der bürgerlichen Schulbildung, die Mädchen auf eine standesgemäße Ehe vorzubereiten, in der sie ihrem Mann eine gebildete Gefährtin und ihren Kindern eine ebensolche Mutter sein sollte. Der Abschluss an der höheren Töchterschule befähigte daher nicht zum Hochschulstudium. 1 885 – Sophie Mejer wird Vorsitzende des seit 1 883 existierenden Vereins Christlicher Lehrerinnen Der Verein setzte sich u.a. für qualifizierende Weiterbildungen und Oberlehrerinnenausbildungen ein. Ab den 1 880er Jahren strömten viele bürgerliche Frauen in den Lehrer-innenberuf als einzige Berufsmöglichkeit zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts. Sie durften aber nur an Mädchenschulen und Volksschulen unterrichten und bekamen ein sehr geringes Gehalt. Ab 1 866 – die bürgerliche Frauenbewegung formiert sich: freier Zugang zum Abitur und Studium war eine ihrer Hauptforderungen • Im März 1 892 kam es als Meinungsbild für das preuß. Ministerium in Göttingen zur Abstimmung um die Zulassung von Frauen als Gasthörerinnen: nur die Philosophische Fakultät stimmt dafür. • Ab dem 1 2. Mai 1 892 dürfen Frauen als Gasthörerinnen an die Uni, jedoch

nur, wenn jeder Professor der betreffenden Fakultät seine Zustim- mung erteilt. Im selben Jahr dürfen Frauen auch zum ersten Mal die Abiturprüfungen als Externe ablegen. • Ab 1 901 /02 dürfen Frauen bis zum Physikum – d.h. dem theoretischen Teil des Studiums der Medizin – studieren. Die praktische Ausbildung, die zur Berufsausübung als Medizinerin notwendig ist, wurde ihnen (vor allem von Konkurrenz fürchtenden Medizinern) verweigert. • „Ich sehe nicht ein, dass das Geschlecht [… ] ein Argument gegen die Zulassung [von Frauen] sein soll. Schließlich sind wir eine Universität und keine Badeanstalt,“ so der Göttinger Mathematiker Hil-

bert 1 907. 1 908 – Preußen ist in Europa einer der letzten Staaten, die Frauen die Vollimmatrikulation erlauben 1 91 9 folgt nach dem Wahlrecht für Frauen 1 91 8 in der Weimarer Republik die Erlaubnis zur Habilitation von Frauen. • 1 922 wird Emmy Noether die erste Habilitantin Deutschlands. • Sie wird außerordentliche Professorin und gilt nach wie vor als die größte Mathematikerin der Welt.

Mein Bauch gehört mir!


"Die unvermeidliche Folge des weiblichen Massenstudiums und das Eindringen der Frau in alle männlichen Berufe sind Blaustrumpfkultur und Frauenherrschaft." (1932

1 927 – es entsteht das erste Mädchengymnasium mit vollwertigem Abitur (dem Hochschulzugang) in Göttingen • Die Schule des Rektors Dr. Morgenstern zieht in den Friedländer Weg um. • Heute befindet sich dort das Hainberg-Gymnasium. • Bis 1 927 mussten Göttingerinnen bis nach Kassel fahren, um dort ein Mädchengymnasium mit Abiturprüfung abschließen zu können! 1 893-1 933 --> innerhalb von 40 Jahren steigt die Zahl der Studentinnen um ein Vielfaches. • Die Ablehnung gegenüber Studentinnen sinkt nicht. Ganz entscheidend ist dabei die Konkurrenz, die Männer durch die Frauen fürchten:

Manfred Rompel, Jurist) 1 933 - durch das "Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen" dürfen in keinem Land mehr als 1 0% Frauen studieren! • Die Zahlen sinken daher wieder ab. 07.04.1 933 • „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" Jüdinnen und Juden werden aus dem öffentlichen Dienst, also auch der Universität, vertrieben. 1 5. September 1 935 • Zur Reduktion weiblicher Studierender tragen das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" und die "Nürnberger Gesetze" bei. Diese verbieten die Zulassung von Studierenden jüdischer Herkunft. Der Anteil der "nichtarischen" Studentinnen war etwa dreimal so hoch wie bei den Studenten! • Studentinnen verloren im NS das passive Wahlrecht, wurden aus dem öffentlichen Dienst gedrängt, durften nicht mehr Anwältinnen/Richterinnen werden und wurden zu Habilitationen nicht mehr zugelassen.

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Alerta, Alerta, Antisexista!


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Bis 1 945 • Allein in der Frauenklinik werden ca. 800 Frauen zwangssterilisiert, fast ebenso viele Männer in der Chirurgie. 238 psychisch kranke Menschen wurden im Rahmen der Euthanasie umgebracht. Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter wurden an den Kliniken ausgebeutet und zu medizinischen Zwecken missbraucht. Nach 1 945 • Eine ernstgemeinte Entnazifizierung an der Göttinger Universität findet nicht wirklich statt, d.h. die Professuren bleiben zum größten Teil in der gleichen Besetzung wie noch im NS!!! • Eine geschichtliche Aufarbeitung der Gräueltaten ist bis heute nicht umfassend passiert. Mai 1 949 Art 3 des Grundgesetzes 1. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. 2. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

• Frauen haben nun endlich vor dem Gesetz die gleichen Rechte wie Männer. Aber wird dies auch praktisch umgesetzt? Und gilt das Gesetz nur für zwei Geschlechter!?

1 963 Maria Goeppert-Meyer erhält den Nobelpreis für Physik • Ende der 60er Jahre ist auch in Niedersachsen die Koedukation in den Schulen eingeführt, langsam erhöht sich die Zahl der Studentinnen an der Uni. • Durch die Zweite Frauenbewegung ermutigt, strömen wieder vermehrt Frauen in die Universität, wenn auch bis heute selten in technische oder naturwissenschaftliche Studiengänge. • Grundsteine feministischer Forschung werden gelegt. 1 977 – der Frauenbuchladen Laura wird von feministischen Frauen in Göttingen eröffnet. 1 980er Jahre • Die Zahl der Studentinnen nimmt stetig zu, vor allem bürgerliche Weiße Frauen wählen ein Studium! • Studentinnen organisieren sich politisch, z.B. in Frauenlisten und Frauenlesbenreferaten, erkämpfen Rechte und schaffen sich Bildungs-Freiräume, wie das BLAUSTRUMPF-BIBLIOTHECAFE. • 1 992 – das Frauenbüro wird eröffnet. Seine Institutionalisierung verläuft schleppend und wird nicht von der Unileitung vorangetrieben, sondern muss per Gesetz erzwungen werden.

Ob KINDER oder KEINE,


1 999 • Durch RCDS und ADF (rechtsliberale, konservative Studierendengruppen) werden das Schwulen- und FrauenLesbenreferat abgeschafft und die Blaustrumpfbibliothek in den Keller des AStAGebäudes verbannt. 2001 • Die Etablierung der Geschlechterforschung als Studiengang wird von Frauen vorangetrieben und mit hohem Zeit- und Krafteinsatz bewerkstelligt. • Gründung der Fachgruppe Geschlechterforschung. 2009 • Gründung der LesBiSchwulen, heute queeren hochschulgruppe . 201 0 • Die Blaustrumpfbibliothek wird wieder eröffnet und als Sammlung für alle zugänglich.

• Im Wintersemester 201 0/11 sind 51 ,9 % der Studierenden in Göttingen weiblich, jedoch nur 22,3 % Professorinnen in Niedersachsen! 201 1 • Frau Prof. Dr. Beisiegel wird erste Präsidentin der Göttinger Universität. • Im AStA wird ein Genderreferat gegründet

Ihr seht also: Die Durchsetzung des Frauenstudiums war und ist für die Emanzipation und politische/gesellschaftliche Teilhabe von Frauen* sehr wichtig! Uns wird nichts geschenkt, unser Kampf ist noch lange nicht am Ende: Geschichte wird gemacht, es geht voran!!!

Frauen an der Uni sichtbar gemacht: Überklebeaktion von unbekannten Aktivisti*nnen auf dem DEMOnstrativen Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011 vor dem Auditorium

entscheiden wir ALLEINE!

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„BlauerTurm bleibt männerfreie Zone, damit Mann Frau für heut’ verschone“ Ausschnitte feministischer Politik an der Uni Schöner Leben Göttingen

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Wir stehen hier in Sichtweite des Blauen Turms. Im November 1 990 wurde dort eine Frau vergewaltigt. Daraufhin schlossen sich zahlreiche aktive FrauenLesben zusammen und haben einen Tag lang den Aufgang zum Blauen Turm blockiert. Flugblätter und ein 4 Meter langes Transparent informierten alle Studier- und Dozierwilligen über Hintergrund und Motto der Aktion: „Blauer Turm bleibt männerfreie Zone, damit Mann Frau für heut‘ veschone!“ Feministinnen hatten sich schon seit den Siebzigern organisiert, um patriarchale Strukturen an der Uni und in der Wissenschaft anzugehen. FrauenLesben haben von da an in fast allen Fachbereichen eigene Gruppen gegründet und sich in uniweiten Plena getroffen. 1 976 wurde das erste Mal ein Frauenreferat im AStA eingerichtet. Für viele Jahre haben damals Aktivistinnen ihre Anliegen sogar in regelmäßigen feministischen Ausgaben der Göttinger AStAZeitung „Göttinger Nachrichten“ verbreitet („Frauen GN“). Im Wintersemester 1 990/91 haben Feministinnen aus verschiedenen linken Unigruppen dann zum ersten Mal eine eigene Wahl-Liste gegründet, die Frauenliste Hagazussa. Sie hatten keine Lust mehr auf männerdominante Strukturen und Inhalte in gemischten linken Gruppen. Ein Schwerpunktthema der neugegründeten Frauenliste war damals die Debatte um den Golfkrieg (Irakkrieg) und den aufkommenden Rassismus im Namen von Frauenrechten. Es gab einen Arbeitskreis zum

Thema Frauen im Islam und Feminismus in islamischen Ländern und auch Aktionen gegen den Propagandafilm „Nicht ohne meine Tochter“. Mit Erfolg wurden damals auch Gleichstellungsbeauftragte für die einzelnen Fachbereiche gefordert, allerdings – so muss mensch 20 Jahre später feststellen – mit begrenzter Wirkung. Und klar, gab es immer wieder FrauenLesbenPartys im AStA und eine Mit freundlicher Genehmigung aus dem Archiv starke Beteili- des Göttinger Tageblatts gung an Aktionen zusammen mit dem FrauenLesbenzentrum in der Stadt. Zum Beispiel das Stören einer Autorenlesung Friedrich Cramers, des leitenden Direktors des Instituts für experimentelle Medizin, im alten Rathaus. Hintergrund war, dass er seiner Tochter sexuelle Gewalt angetan hatte. Ca. 25 Aktivistinnen gingen direkt nach der Eröffnung der


Göttinger Drucksache Nr. 40, 1 5.11 .1 991

Lesung auf die Bühne und setzten die BesucherInnen mit zwei gemeinsam vorgetragenen Sätzen davon in Kenntnis; daran anschließend wurden die BesucherInnen aufgefordert, sich zu solidarisieren und die Lesung zu boykottieren. Dem sind dann tatsächlich auch viele nachgekommen. Ebenfalls in diesem Zeitraum wurde das Frauenzimmer eröffnet, ein FrauenBücher-Treff im AStA. In Seminaren und Bibliotheken wurden von Frauen pro-

duzierte feministische Inhalte und Bücher weitgehend ignoriert. Es brauchte also dringend einen eigenen Raum, um Veröffentlichungen verfügbar zu machen. Später wurde das Frauenzimmer umbenannt in Blaustrumpf-Bibliothek. Unter dem rechten AStA verschwand die Sammlung leider für lange Zeit im Keller. Seit letztem Jahr aber können wir die Blaustrumpf-Bibliothek endlich wieder nutzen. Also, die Uni war, ist und bleibt ein Raum geschlechterpolitischer Auseinandersetzungen. Lasst uns weiter darum kämpfen – In allen Berufungskommissionen und in jedem Seminar, in Arbeitskreisen und Hörsälen, an jeder Betonwand, in Internetforen und auf dem Campus. Wir kämpfen um jeden Zentimeter!

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Jedes Mal ein bisschen anders 5 Jahre Antifee

Interview von Benjamin Laufer Seit fünf Jahren findet das Antifee Festival nun schon auf dem Campus der Uni Göttingen statt. Jedes Jahr trifft hier emanzipatorische Politik auf ein musikalisches Bühnenprogramm und theoretische Auseinandersetzungen mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in Workshops. Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Wir sprachen mit zwei Organisator_innen über die Hintergründe, Veränderungen und Perspektiven des Festivals.

Justin, als du damals das Antifee mitbegründet hast, hättest du da gedacht, dass es das Festival 201 1 noch gibt? Und dass es eine derartige Entwicklung durchgemacht haben würde? Justin: Nein, überhaupt nicht. Ich bin total glücklich darüber, dass es so krass groß geworden ist und dass es noch viel besser dem eigenen Anspruch gerecht wird, als wir uns das damals aus-

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gemalt hatten. Wir sind da damals sehr dilettantisch herangegangen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Festival in dem Themenbereich so geil organisiert werden kann, wie es in den letzten Jahren gelaufen ist. Was war damals eure Motivation, das Festival ins Leben zu rufen? Das war ja zu einer Zeit, in der die Fußball-WM der Männer große Wellen geschlagen hatte... Justin: Ich weiß gar nicht mehr, wieviele Leute an dieser Grundidee beteiligt waren. Aber auf jeden Fall war allen gemeinsam, dass wir diese FußballWM in Deutschland 2006 mit einem krassen Ohnmachtsgefühl erlebt haben. Mackertum und Nationalismus hatten sich damals auf eine krasse Art und Weise miteinander verbunden: gröhlende Männergruppen, die Deutschlandfahne schwenkend durch die Gegend liefen... Es wurde kaum etwas dagegengesetzt und nach meiner Erinnerung war eine der Grundmotivationen, da etwas öffentlichkeitswirksam entgegenzusetzen, was auch jenseits der althergebrachten Konzepte lag. Also war diese anfängliche Schwerpunktsetzung auf Sexismus und Nationalismus auch darin begründet, dass das Festival vor dem Hintergrund der WM entstand? Justin: Vielleicht einfach aus der konkreten Lebenserfahrung heraus. Wir haben damals einen Wandel der deutschen Öffentlichkeit miterlebt. Der Nationalismus erstarkte und es hat ein


antifeministischer Backlash stattgefunden. Deswegen waren die beiden Themen für uns auf einer politischen als auch auf einer persönlichen Ebene sehr präsent. Anne, du bist im vergangenen Jahr ins Antifee eingestiegen. Was war denn deine Motivation, dich an der Orga zu beteiligen? Anne: Ich habe das Antifee in den Jahren davor auch schon miterlebt und auch kleinere Aufgaben übernommen. Das Konzept fand ich einfach total nett: die Veranstaltung erreicht viele Leute auf einer Ebene, die total Spaß macht. Leute können da hinkommen und mit einem antisexistischen und feministischen Anspruch feiern und es gibt im weiteren Sinne auch ein Bildungsangebot. Du bist eine der wenigen, die, nachdem sie einmal mit an der Orga beteiligt waren, jetzt ein zweites Mal mitmachen. Viele steigen nach dem ersten Jahr immer aus, weil der Aufwand hinter den Kulissen doch sehr groß ist. Warum machst du nochmal mit, obwohl du weißt, wie zeitfressend das ist? Anne: Das frage ich mich gerade auch manchmal. Irgendwie habe ich so eine Art Verknalltheitsgefühl in dieses Ding. Auch wenn es total viel Energie zieht, ist es ganz viel positiver Stress für mich. Das kann bei anderen natürlich ganz anders sein. Wie groß ist denn der Aufwand, der hinter dem Antifee steht? Was muss alles erledigt werden, damit am Ende alles rund läuft? Anne: Es gibt tausend Dinge, die man tun kann. Es muss Geld von verschiedenen öffentlichen Stellen besorgt werden, um das

ganze überhaupt machen zu können. Es müssen sich Gedanken über die Infrastruktur gemacht werden und Bands und Referentinnen und Referenten eingeladen werden. Was es für Stände geben soll und was es alles an Getränken und Essen geben soll. Soll das Essen vegetarisch oder vegan sein? Das können Kleinigkeiten sein, wichtig ist aber sich klar zu machen, welchen Anspruch wir an uns selber und an das Festival haben. Das kann ja auch einfach jedes Jahr wieder neu geformt werden. Dadurch, dass jedes Jahr neue Leute mitmachen, ist das Antifee ja auch jedes Mal ein bisschen anders. Ein bisschen anders ist ja mittlerweile auch der politische Anspruch des Festivals geworden, der sich auch in der Praxis niederschlägt. Zum Beispiel achtet ihr darauf, dass Frauen auf der Bühne sehr präsent sind. Am Anfang gab es das ja noch nicht. Ist euch, Justin, das damals noch nicht so wichtig gewesen? Ist das Antifee politischer geworden?

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Justin: Das kann ich schwer einschätzen. Wir hatten schon den Anspruch, mit der Art und Weise, wie Popkultur in der Gesellschaft reproduziert wird, zu brechen. Uns hat aber zum Einen ein bisschen das Bewusstsein dafür gefehlt. Zum Anderen haben wir beim ersten Mal vielleicht noch nicht die Erfahrung gehabt, wie mit sowas umgegangen werden kann. Wir hatten auf jeden Fall einen sehr politischen Anspruch, sind dem aber an vielen Stellen einfach nicht gerecht geworden. Dieses Jahr gibt es einen neuen Untertitel: „Festival für Feminismus und gelebte Gesellschaftskritik“ heißt das Antifee jetzt. Wie spiegelt sich dieser recht hohe politische Anspruch denn in eurer Praxis wieder? Anne: In der Umsetzung ist jetzt gar nicht so viel anders, als im letzten Jahr. Dieser Untertitel be-

deutet nicht so viel Veränderung für die Umsetzung. Aber einige Leute waren mit dem alten Untertitel unzufrieden. Die Stimmung im Plenum in diesem Jahr ist sehr positiv, sodass wir gesagt haben, wir machen das Festival für etwas, nicht gegen etwas. Wir haben uns gefragt, was unser Anspruch ist. Unser Anspruch ist antisexistisch, antirassistisch und antifaschistisch. Also haben wir überlegt, wie sich das positiv formulieren lässt. Und der neue Untertitel klingt ja auch einfach rund. Da steckt ja vor allem auch der Anspruch drin, nicht nur theoretisch die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisieren zu wollen, sondern ihnen eine emanzipatorische Praxis entgegenzusetzen. Ganz zentral beim Antifee ist immer auch das antisexistische Feiern gewesen. Warum legt ihr da soviel Wert drauf? Anne: Weil es in der Gesellschaft und in der Linken das Problem gibt, dass auch auf Partys total viel rumgemackert wird. Da gibt’s immer die Rumsteher, die mit den Händen in den Hosentaschen die Frauen abchecken. Das können so niedrigschwellige Dinge sein, bei denen körperlich Dominanz ausgestrahlt wird. Es gibt aber auch dumme Sprüche bis hin zu Übergriffen. Ich selber erlebe das so, dass ich mich ganz selten auf Partys richtig wohl fühle. Es gibt nicht viele davon. In Göttingen gibt es sie ab und zu: das sind dann Partys, die von queerfeministischen Gruppen organisiert werden. Mir ist das persönlich total wichtig, weil ich selber das Gefühl habe, mich oft auf Partys nicht so richtig frei zu fühlen.

streicht die Segel!

Männerbünde


Und wie setzt ihr das genau um? Zum Beispiel propagiert ihr ja immer sehr stark das Konzept der Definitionsmacht... Anne: Definitionsmacht ist gesetzt. Das bedeutet, dass die Leute ihre eigenen Grenzen definieren können. Wenn eine betroffene Person von einem Vorfall berichtet, dann definiert diese Person die Grenzüberschreitung und nicht irgendwelche Leute, die nachfragen, was passiert ist. Das ist ein total wichtiges Konzept, gerade weil bei Partysituationen hinterher oft gesagt wird: war doch gar nicht so schlimm. Wir drehen das um und lassen diejenigen zu Wort kommen, die betroffen sind. Wie würdet ihr das Antifee Festival definieren? Einerseits ist es ein Festival, das aus der linken Szene heraus organisiert wird und einen emanzipatorischen Anspruch hat. Andererseits könnte man es als Bildungsfestival begreifen, weil sehr viele Leute jedes Jahr an den Workshops teilnehmen. Wie kann man das am besten fassen? Justin: Ich glaube, man kann es gar nicht so genau fassen – und das macht auch das Schöne an dem Ding aus. Es ist ein ganz praktischer Mischmasch aus unterschiedlichen Ansätzen und das finde ich total super. Es ist nicht nur so, dass man sich selbst einen Standpunkt erarbeitet und dann nach außen in die Gesellschaft wirkt, sondern mit dem Festival ist ganz klar auch eine Kritik

Für mehr

in die linke Szene rein verbunden. Dadurch sind identitäre Grenzen an sich schon aufgehoben. Diese Komplexität und Pluralität des Ansatzes macht es schwer, zu sagen, was das Festival eigentlich ist. Dadurch wird es aber auch sehr dynamisch und kann Diskussionen und Erkenntnisprozesse in Gang setzen. Anne: Ich würde dem total zustimmen. Die Vielfältigkeit und das direkte, praktische Umsetzen macht das Antifee aus. Es können ganz unterschiedliche Dinge daraus entstehen, auch jedes Jahr andere. Es sind ja auch einige Kontroversen um das Antifee entstanden, die man positiv oder negativ bewerten kann. Aber es ist auf jeden Fall etwas dabei rausgekommen.

lackierte

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Und was wird vielleicht in den nächsten Jahren dabei rauskommen? Ist das Antifee nach fünf Jahren so fest etabliert, dass es das Festival auf jeden Fall noch zehn Jahre gibt oder wird es jedes Jahr erneut auf der Kippe stehen? Anne: Ich habe gerade das Gefühl, dass es seit letztem Jahr einen ziemlichen Satz gemacht hat. Und dass es gerade an einer Schwelle ist, wo man sich überlegen muss, wie es weiter geht. Es kommen immer mehr Leute, es wird immer größer. Reicht dieser Platz, auf dem es stattfindet, oder ist es vielleicht ein bisschen eng? Wollen wir das Festival vom Campus raus auf eine Wiese verlegen oder wollen wir das nicht? Was kann man machen, um es nicht größer werden, sondern so klein zu lassen? Wir haben in den letzten Jahren auch einfach unglaublich viel Werbung gemacht und waren total darauf bedacht, das Festival bekannt zu machen. Wir haben Plakate in andere Städte geschickt, in diesem Jahr gab es sogar eine Infoveranstaltung in Berlin. Auch bezüglich der Finanzierung müsste man perspektivisch mal überlegen, wie es weitergehen soll. Weil es irgendwann den Rahmen sprengt, im positiven Sinne. Es ist ja total gut, dass so viel Feedback kommt. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob es dann überhaupt noch in dem Rahmen, in dem es in den letzten Jahren gelaufen ist, umsetzbar ist. Und ob sich Leute finden, die die Verantwortung übernehmen wollen. Bislang ist es so, dass eine Einzelperson das Festival privat anmeldet. Die Verantwortung, die man da trägt, ist auch einfach ultra-krass.

Justin: Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, dass es das Festival noch lange gibt. Aber ich weiß auch, dass sich ein politisches Klima auch wandeln kann und das Festival vor einem ganz konkreten Hintergrund entstanden ist und sich dann gewandelt hat. Dass sich das Motto dieses Jahr geändert hat, ist ja auch ein Ausdruck eines Bewusstseinswandels bei dem Orga-Team. Das wird sich immer weiter entwickeln, die Frage ist: in welche Richtung? Das hängt natürlich auch vom gesamtgesellschaftlichen Klima ab. Zum Schluss würde ich gerne die sagenumwobene Frage um den Namen klären. Was genau bedeutet denn Antifee? Ich kenne aus dem Stand bestimmt vier oder fünf Übersetzungen. Kannst du dich noch erinnern, was ihr euch vor fünf Jahren dabei gedacht habt? Justin: Ich fürchte, das wird tatsächlich für immer ein Mysterium der Geschichte bleiben. Wir haben nicht schriftlich festgehalten, was wir uns dabei gedacht haben. Alle können sich nur noch an die möglichen Interpretationen erinnern – und mit der Erinnerung ist das ja immer so eine Sache. Deswegen würde ich sagen, diese fünf Interpretationen sind wahrscheinlich richtig, allerdings nicht mit hundertprozentiger Sicherheit. Vielleicht spiegelt dass das Antifee aber auch einfach wieder. Justin und Anne leben beide seit einigen Jahren in Göttingen und engagieren sich in emanzipatorischen Zusammenhängen. Justin hat das Antifee Festival im Jahr 2006 mitbegründet und ist danach ausgestiegen. Anne ist seit 2010 an der Organisation beteiligt.

! l e g ä n r e g n Fi


1 7. November 1 989 – „Conny von den Bullen ermordet“ (Graffiti am Iduna-Zentrum)

Auszug aus dem Redebeitrag am 19. März 2011 :

Da vorne, kurz hinter der Brücke beim Iduna-Zentrum wurde am 17. November 1 989 Conny Weßmann von Polizisten auf die vielbefahrene Straße gejagt, nachdem sie und andere AktivistInnen an einer Aktion gegen Nazis teilnehmen wollten. Sie läuft vor ein Auto und wird tödlich verletzt. Eine Skulptur vor dem Idunazentrum erinnert daran und fordert uns auch heute noch auf: „Wandelt Trauer und Wut in Widerstand!" Hier zu sehen: Aufruf zum FrauenLesben-Block bei der Conny-Demo 1990

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Der Frauentag und die Gewerkschaften DGB Südniedersachsen-Harz

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In den 1 880er Jahren schlossen sich Arbeiterinnen in Deutschland in der proletarischen Frauenbewegung zusammen. Hervorgegangen aus der Arbeiterbewegung, organisierte sie sich in enger Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften. Die Wurzeln des Internationalen Frauentages liegen in der Tradition dieser Frauenbewegung und ihrer Kämpfe. Im Unterschied zur bürgerlichen Frauenbewegung kämpften die Arbeiterinnenvereine für die politische Emanzipation sowie für ökonomische und soziale Verbesserungen mit Forderungen, die die Herrschaftsver-

hältnisse der damaligen Zeit grundsätzlich in Frage stellten. Wie die ökonomische Gleichstellung wurde auch die politische Gleichstellung der Frau als ein Teil der gesamten gesellschaftlichen Umgestaltung gesehen, die innerhalb der Arbeiterbewegung und der Arbeiterparteien erreicht werden sollte. Die proletarische Frauenbewegung hatte dafür auf mehreren Ebenen zu kämpfen: 1 . Für die Durchsetzung der Forderungen der Arbeiterbewegung allgemein, 2. Für die Durchsetzung der Forderungen der Frauen innerhalb der Arbeiterbewegung und 3. Für die Durchsetzung ihrer Forderungen in Politik und Gesellschaft. Durch diesen dreifachen Kampf ist die Geschichte der proletarischen Frauenbewegung geprägt. In den Ortsgeschichtsschreibungen Göttingens tauchen Frauen nur als berühmte Ausnahmen auf; von ihrer Gesamtheit und dauernden Anwesenheit in der Geschichte der Stadt ist wenig zu lesen; vor allem Materialien zu Arbeiterinnen und Aussagen über die proletarische Frauenbewegung sind kaum zu finden. Göttinger Frauengeschichte als auch speziell die Geschichte der Arbeiterinnen muss in Bezug gesetzt werden zu der historischen Entwicklung der Stadt: Das Bild der Stadt wurde neben der Universität von kleinen Handwerks- und Einzelhandelsbetrieben mit drei und weniger Beschäftigten geprägt. Die Gewerkschaften konnten in diesem industriell wenig geprägten Milieu lange keine

Plakat Internationaler Frauentag 1 91 4

pol y sexuel l ! e l a d n W i r si

polysexuell!

polysexuell!


große Anhängerschaft gewinnen. Göttingen konn- Der DGB beschließt 1 969 in München sein Prote nicht als „Arbeiterstadt“ bezeichnet werden, gramm für Arbeitnehmerinnen. Im Programm sondern war in erster Linie eine Universitätsstadt. heißt es: „Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in ihrem eigenen Interesse und aus der Berufstätige Frauen waren – insbesondere auf- müssen Verpflichtung zur sozialen Gerechtigkeit auch den grund ihrer Doppelbelastung in Betrieb und Fami- Frauen die Grundrechte der Menschen, insbelie sowie der Diskriminierung ihrer Arbeit als sondere das Recht auf Arbeit, garantieren. Dazu bloßer „Zuverdienst“ – traditionell kaum gewerk- bedarf es in erster Linie der Aufhebung der soziaschaftlich organisiert. Ein großer Teil der Arbeiter- len Schranken, der Beseitigung aller Diskriminiefrauen aber hat den emanzipatorischen Anspruch rungen und des Abbaus der gesellschaftlichen eher in ihrer alltäglichen Lebensbewältigung zum Vorurteile.“ Dennoch spielte der Frauentag im OrAusdruck gebracht als ihn öffentlich zu artikulie- ganisationsbereich des DGB viele Jahre lang nur ren. Im gewerkschaftlichen „Volksheim“ waren je- in einigen wenigen Kreisen überhaupt eine Rolle. doch ebenfalls Frauenarbeitsgemeinschaften aktiv. Ihr Ziel war, allen Frauen und Innerhalb der Gewerkschaften Mädchen politisches Wissen zu gab es eine Reihe von teils vermitteln und für die notwendige heftigen Kontroversen über die politische Schulung zu sorgen. Wiedereinführung des Internationalen Frauentages. Das bestehende Solidarsystem, der Zusammenhang der vielfältigen • 1 975 demonstrieren GeLebensäußerungen der damaligen werkschafterinnen gegen die Arbeiterbewegung und damit auch Lohndiskriminierung der Fraudie der Frauenorganisationen wuren; sie ziehen vor die Türen des den jedoch durch den NationalsoDGB-Kongresses und fordern zialismus zerstört. eine anteilmäßige Beteiligung. • 1 980 rief die Abteilung Frauen Nach dem Zweiten Weltkrieg spieldes DGB die Gewerkschaftete der Frauentag im Schatten des rinnen auf, ihre frauenpolitiMuttertages noch lange eine unschen Forderungen öffentlich tergeordnete Rolle. Neuen Aufzu vertreten. Es entstanden jeschwung erfuhr der 8. März in den doch innergewerkschaftliche späten 1 960er Jahren: Die neue Konflikte, da die SpitzenvertreFrauenbewegung als auch geter des DGB den Internationawerkschaftlich aktive Frauen entlen Frauentag nicht anerkennen decken den Internationalen wollten, da es sich um einen Frauentag neu! RFFU: Titelseite März 1 986

polysexuell!

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polysexuel !

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„sozialistischen Kampftag“ handele. Die gewerkschaftlich organisierten Frauen ließen sich aber von den Veranstaltungen nicht abhalten, obwohl die DGB-Führung die Teilnahme verboten hatte. • 1 981 forderte die DGB-Bundesfrauenkonferenz den Bundesvorstand auf, den Internationalen Frauentag zu unterstützen. • 1 982 folgte der Bundeskongress der Forderung der Gewerkschaftsfrauen und beschließt: „Der 8.

März wird als Internationaler Frauentag des DGB in allen seinen Gliederungen begangen. Dabei sollen insbesondere die aktuellen Probleme der arbeitenden Frauen dargestellt und die Forderungen der Gewerkschaften formuliert werden.“

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"Genug der Küsserei, jetzt wird gebissen" - feministische Bündnisdemo gegen Sozialabbau am 8. März 1 997

Die frauenpolitischen öffentlichen Aktivitäten, wie Demonstrationen und Kundgebungen, hatten für Gewerkschafterinnen zusätzlich die Bedeutung, dass der Frauenarbeit dadurch auch innerhalb der Gewerkschaften mehr Bedeutung zugesprochen wurde. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Sozialabbaus und der Verdrängung von Frauen vom Arbeitsmarkt wird der Internationale Frauentag 1994 bundesweit zum „Frauenstreiktag“ erklärt. In Göttingen DGB-Logo Internationaler Frauentag 2011 koordinieren die Gewerkschaftsfrauen der ÖTV das Frauenstreikkommittee als Aktionsbündnis. Unter dem Motto „Frauen fordern Umverteilung!“ schließen sich Frauen aller gesellschaftlichen Gruppierungen zusammen und machen ihrem Unmut Luft. Nach wie vor besteht der besondere Verdienst der proletarischen Frauenbewegung bzw. Gewerkschaftsbewegung darin, Allianzen und Bündnisse zu schließen, und zwar im Interesse einer umfassenden gesellschaftlichen Veränderung. Insgesamt ist die 1 00-jährige Geschichte des Internationalen Frauentags einerseits durch Vielfältigkeit gekennzeichnet und andererseits durch die gleichbleibende Aktualität vieler Forderungen. Im Laufe der Jahre haben sich die Themen und Forderungen verändert und erweitert. So widersprüchlich manchen die Akteurinnen der Proteste


erscheinen mögen: der Frauentag ist ein politischer Aktions- und Protesttag geblieben, eben weil er als gemeinsamer Prozess gestaltet wird. Was zu tun ist, damit die Erfüllung dieser ausstehenden Forderungen nicht noch einmal 1 00 Jahre dauert, soll mit einem Zitat der Arbeiterin Hedwig Hollung beantwortet werden: „Was man machen

kann? Ich sage immer: auf die Straße gehen. Also, ich selber bin auch auf der Straße groß geworden, ich meine politisch, nicht. Wir sind auch auf die Straße. [. . . ] Also das ist mein Tip. Auch für uns Frauen und für die Gewerkschaft. Das haben wir

ja alles mitgemacht. Ich weiß nicht, wie viele Male ich durch Göttingen gelaufen bin. [. . . ] Es ist immer was dabei herausgekommen!“

Der Tipp von Hedwig Hollung sowie die StreikParole „Brot und Rosen“ von 1 91 2 haben nicht an Aktualität verloren – weder für die Gewerkschaftsbewegung, noch für die Frauenbewegung:

„Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bess’rer Tag. Die Frauen die sich wehren, wehren aller Menschen Plag. Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen. Her mit dem ganzen Leben – Brot und Rosen!“

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DEMOnstrativer Stadtrundgang zum 1 00. Frauenkampftag 2011 am ehemaligen Gewerkschaftshaus


Patri-waaas?

Interview mit einem Alien über Geschlecht, Patriarchat und Kapitalismus Redebeitrag der Gruppe why2

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Für den internationalen Frauen*Lesben*TransKampftag haben wir keine Kosten und Mühen gescheut und ein intergalaktisches Treffen einberufen. Auf diesem Treffen haben wir mit einem Alien namens Queera von einem feministischen Stern ein Interview geführt. Die Bewohner*innen jenes Planeten leben in einer befreiten Gesellschaft und wir wollten wissen, wie sie sich das erkämpft haben. Aber hört selbst, was dabei rausgekommen ist: A: Hallo Queera. Queera: Hallo. A: Schön, dass du dich zu einem Interview über die Emanzipation auf deinem feministischen Stern bereit erklärt hast. Wir interessieren uns dafür, wie ihr euch diese Emanzipation erkämpft habt. Wie habt ihr es auf eurem Planeten geschafft, die Hierarchien zwischen Frauen und Männern abzuschaffen?

Queera: Hääääääääääää? Frauen und Männer? Was soll das denn sein? A: Äääähm, ja also die meisten Menschen auf der Erde glauben, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Queera: Halt, halt, warte mal! Was ist denn Geschlecht? A: Ui, das ist eine schwierige Frage. Auch wenn sich da sicher nicht alle Erdbewohner*innen einig sind, scheinen alle ein Geschlecht zu haben. Geschlecht spielt in der Wahrnehmung und Handlung hier eine wichtige Rolle. Viele Erdianer*innen gehen davon aus, dass Geschlechter körperliche, angeborene Merkmale sind. Also naturgegeben und unveränderlich. Außerdem wird davon ausgegangen, dass es nur genau zwei davon gibt, und zwar Frauen und Männer. Diesen werden dann bestimmte Eigenschaften zugeschrieben und von Frauen und Männern werden unterschiedliche Verhaltens- und Denkweisen erwartet. Es wird sogar davon ausgegangen, dass Männer und Frauen sich nur gegenseitig begehren. Alles, was sich diesen Normen nicht fügen kann oder will, wird als widernatürlich abgewertet und ist potenziell Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt.


Queera: Krass! Dann ist Geschlecht ja voll der Zwang! Die sollen sich also speziell verhalten? Häää? Wie das denn? A: Ja, Frauen sollen lieb, nett, emotional, schön und einfühlsam sein, während Männer rational, hart, diszipliniert, strebsam und leistungsfähig sein sollen. Auf der Erde sind die männlichen Eigenschaften in der Regel besser angesehen als die weiblichen. Mit den gesellschaftlichen Zuschreibungen geht also eine Hierarchie der Geschlechter einher. Viele Erdbewohner*innen finden das ganz normal, aber andere kritisieren diese Struktur als Patriarchat. Queera: Patri- waaaaaaaas? A: Pa-tri-ar-chat! Das heißt sinngemäß die Unterdrückung der Frauen durch die Männer. Früher hatte der Vater in der Familie und in der Gesellschaft die Macht und konnte über Frauen direkt verfügen wie er wollte. Heute gibt es immer noch männliche Herrschaft, aber sie wird anders hergestellt und aufrecht erhalten. Sie durchzieht als Struktur alle Sphären menschlichen Denkens und

Handelns. Meist fällt den Erdbewohner*innen das gar nicht auf, oft nicht mal in Form von sexualisierter Gewalt. Queera: Entschuldige, Herrschaft? Das hab' ich schon mal gehört. Was war das denn nochmal genau? A: Es gibt viele verschiedene Formen von Herrschaft auf der Erde. Zum Beispiel den Kapitalismus. Das ist die Herrschaft des Kapitals über das Leben der Menschen. Auch, wenn vielen der Kapitalismus als die beste Wirtschaftsform erscheint, was, nebenbei bemerkt, absoluter Quatsch ist, greift die Verwertung in unser Handeln und Denken ein. Das heißt, dass selbst grundlegende Bedürfnisse wie Ernährung und Anerkennung häufig nur über Geld erfüllt werden können. Und dafür müssen die meisten auch noch den größten Teil ihres Lebens arbeiten gehen. Da bestimmte Bedürfnisse beim Arbeiten nicht erfüllt werden können, müssen diese außerhalb der Arbeit erfüllt werden. Die Zeit, in der wir uns von der geleisteten Arbeit erholen müssen, um uns für den nächsten Arbeitstag startklar zu machen, nennen wir dann auch noch Freizeit.

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Queera: Okay, okay. Aber was hat dieses Kapitalismus jetzt mit euren komischen Geschlechtern zu tun? A: Wir haben ja schon erklärt, dass eins der Geschlechter mehr Macht besitzt als das andere, nämlich das männliche. Das ist auch im Kapitalismus so. Die Struktur des Kapitalismus ist männlich, das heißt, sie begünstigt Männer beziehungsweise Menschen mit typisch männlichen Eigenschaften, wie z.B. Rationalität und Leistungsfähigkeit. Diese Eigenschaften sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt und so verdienen immer noch eher Männer mehr Geld, während Frauen öfter zu Hause schuften. Sie kümmern sich häufig um den Haushalt, erziehen die Kinder, organisieren das Familienleben und ermöglichen so das Arbeiten der anderen Person. Diese unbezahlten Tätigkeiten werden auf der Erde als selbstverständlich angesehen. Die Mühe und Belastung der Frauen wird so diskriminierenderweise unsichtbar gemacht und abgewertet. Zu allem

Überfluss ist es heutzutage oft so, dass Frauen ihre Arbeitskraft auch auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt anbieten müssen. Diese Zwänge führen zu doppelter Verantwortung und somit doppelter Belastung vor allem für Frauen. Alleinerziehende haben es im Kapitalismus besonders schwer. Du siehst also, dass Geschlecht und Kapitalismus sehr eng miteinander verwoben sind. Queera: Boa, das hört sich ja alles total schrecklich an! A: Ja, genau! Das ist es! Und deshalb wollten wir dich ja auch dazu befragen, wie wir das überwinden können! Queera: Und wie soll ich euch jetzt da raushelfen? Nix da! Wir haben dafür gekämpft, und ihr müsst euch selbst befreien!

i e r e s s ü K r e d g u Gen


Sexismus im Alltag junger Frauen

Redebeitrag der Frauengruppe der Falken

Person A: Hey, liebe Genoss_innen, wir, eine feministische Gruppe… Person B: Halt die Fresse, du bist 'ne Frau und hast eh keine Rechte! Person A: Musstet ihr euch so was auch schon mal anhören, oder etwas von artgerechter Haltung von Frauen in der Küche? So was wird tatsächlich Humor genannt, leider auch von linken, vermeintlich antisexistischen, reflektierten Menschen. Person B: Denn auch in Linken Spektren ist uns der Vorwand der Ironie als Mittel der Legitimation sexistischer Aussagen begegnet. Späße werden vor allem von den männlich sozialisierten Personen als strukturelles Mittel verwendet uns zu unterbrechen und unsere Ansichten als minderwertig abzustempeln, deshalb wollen wir auch nichts

von Sexismus gegen rechts hören. Wie wäre es stattdessen mit selbstreflektiertem und emanzipatorischem Denken und Handeln? Genauso selbstverständlich kommentiert Ihr unsere Intimität. Ihr sprecht von freiem, unabhängigem Leben und dann kriegen wir zu hören, dass unrasierte Mädchen eklig sind? Wo ist da denn noch Selbstbestimmung? Person A: Uns ist bewusst, dass dies glücklicherweise nicht auf jede einzelne linke Person zutrifft, wir finden es aber wichtig die Augen nicht zu verschließen. Momentan ist die Idee einer antisexistischen Linken Szene auch wirklich nur eine Idee. Wir alle haben diese Erfahrung gemacht, tagtäglich begegnet uns in unserem direkten politischen Umfeld sexistische Scheisse. Wir rufen auf dagegen vorzugehen, nicht aus Scham einfach mitzumachen!

jetzt wird gebissen!

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Wofür vorne kein Platz mehr war Am und um den achten März hat die Gruppe Schöner Leben Göttingen zusammen mit der DGB-Jugend Mädchen und junge Frauen zu einer

Videoaktion eingeladen: „Macht Euren eigenen Clip – Welche Verbesserungen für Frauen und Mädchen wünscht Ihr euch?“

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In Bewegung bleiben!


Vier Schritte vor und einen zurück Bericht über die Veranstaltung mit Frigga Haug

Übernommen mit freundlicher Genehmigung von Monsters of Göttingen Freitag, 1 8.März 2011 , 1 9 Uhr Feminismus im 21 . Jahrhundert – Die Vier-inEinem-Perspektive (ver.di) ver. di Göttingen, Groner-Tor-Str. 32

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Vortrag und Diskussion mit Frigga Haug, Aktivistin und emeritierte Professorin Vergangenen Freitag stellte die Feministin Frigga Haug auf Einladung der Gewerkschaft ver.di ihre „Vier-in-einem-Perspektive“ in Göttingen vor. Dahinter verbirgt sich ein Konzept, bei dem Arbeit neu verteilt und damit Geschlechterungleichheiten abgeschafft werden sollen. Statt viel männlich konnotierter Lohnarbeit und wenig Zeit für den Rest will Haug den Tag in vier mal vier Stunden für Erwerb, Reproduktion, Kultur und Politik einteilen. Ein Veranstaltungsbericht. Vieles hat sich getan in den letzten hundert Jahren, aber es wird immer wieder deutlich, dass der Weg noch lange nicht zu Ende beschritten ist und es noch etliche Kämpfe zu kämpfen gilt. So auch beim Vortrag am vergangenen Freitag, zu dem ver.di Frigga Haug eingeladen hatte, um ihre „Vier-in-einem-Perspektive“ vorzustellen. Der Andrang war mit ca. 60-70 Besucher*Innen groß genug, um neben den zahlreichen aufgestellten und nachgeholten Stühlen auch einige Tische zu füllen, kurzum bestes Vortragsklima. Verwundern wird dies wenige, immerhin ist Frigga seit den 68ern in der Frauenbewegung aktiv, lehrte noch bis vor zehn Jahren an der Uni Hamburg als Soziologieprofessorin und veröffentlichte –teils alleine, teils als Herausgeberin- zahlreiche Bücher und Artikel, so z.B. in „Das Argument“ oder im „Forum Kritische Psychologie“. Sie als Urgestein

der Frauenbewegung zu bezeichnen, würde ihr kaum gerecht werden. Auch wenn sie die Geschichte der Frauenbewegung seit Jahrzehnten begleitet, ist sie weit davon entfernt, selbst ein Teil davon zu sein. Alleine ihren derzeitigen Vortrag, der auf einem 2008 erschienen, gleichnamigen Buch basiert, trug sie seither „bestimmt schon über 60 mal“ vor Gewerkschaften, Parteien, NGO und anderen vor. Und es macht Spaß, ihr zuzuhören. Im Gegensatz zu anderen, ist ihr Stil verständlich, zugänglich und mit einem subtilen Humor gespickt; keine Theoriewüste vom Blatt abgelesen. Der Weg zu ihrer Vier-in-einem Perspektive beginnt sprichwörtlich als Milchmädchenrechnung, will meinen mit der Lebensgeschichte einer noch sehr jungen Frigga. Deren Freude an der „Arbeit der Erwachsenen“ in Form des Milchholens wurde ihr nur all zu schnell zur Last und die sich fortan von Arbeit zugleich angezogen und abgestoßen fühlte, ein Widerspruch der ihr Leben begleitete und nicht zuletzt ihren Schwerpunkt in der Arbeitsforschung begründete. Auch ansonsten, ist die Theoriebildung bei ihr in eigene Erfahrungen eingebettet, so ebnen unter anderem die wenig erfüllenden Stunden als eine Mutter unter vielen am Spielplatzrand die Zeit für Kinder aufbringend und sich ihrer doch beraubt fühlen den Weg in die Frauenforschung. Die Erkenntnisse aus beiden Bereichen und den Forschungsjahren verdichteten sich, über Zwischenschritte versteht sich, im aktuellsten Fazit: eben der Vier-in-einem-Perspektive.

FrauenLesbenTrans*


Was also verbirgt sich dahinter? In der Kurzfassung ein Konzept, dessen Erklärung leichter fallen dürfte, als die Umsetzung: Anstatt nur die Erwerbsarbeit als „Arbeit“ anzuerkennen und alles andere auszugrenzen und abzuwerten, sollen fortan alle wichtigen Bereiche als „Arbeit“ anerkannt werden, auch bzw. gerade jene die traditionell weiblich konnotiert sind. Aus einer „Arbeit“ werden vier, Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, Politische Arbeit und Kulturelle Arbeit. Alle bekommen einen gleichen Anteil der angenommenen 1 6 Wachstunden des Tages: vier Arbeiten = ein Tag. So, hofft Frigga Haug, ließe sich das Recht auf Arbeit endlich für Alle durchsetzen und wir könnten alle die je einzelnen Tätigkeitsbereiche wertschätzen lernen und

gewönnen daran: vier Stunden Erwerbsarbeit und danach Cello lernen, Leben sichern, Welt verändern. Da sich gerade die erste Arbeit gerne als Männerdomäne geriert, braucht es zum erstreiten der anderen drei in erster Linie eine weibliche Perspektive und so würde dann qua gesellschaftlicher Anerkennung von „Frauenarbeit“ auch die Unterdrückung angegangen; wenn alle Kochen, Putzen und Schuften, ist zumindest ein großer Hebel ins Getriebe von Kapitalismus und Patriarchat getrieben. Große Zustimmung würde ihr Konzept finden, versichert die Vortragende, durch alle Bereiche würde es dankend und als das „wonach schon immer gesucht worden war“ angenommen… naja, zumindest häufig. Bei Gewerkschaftlern

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gegen das Patriarchat,


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käme bei der Forderung nach weniger Arbeit sofort die Reflexparole „voller Lohnausgleich“ und im allgemeinen wären gerade die Privilegierten eher unwillig, ihre Arbeit abzugeben. Als hätte sie eigens dafür selbst Komparsen mitgebracht, beeilten sich die Anwesen zumindest einige der Klischees zur Gänze zu bedienen und bei der abschließenden Diskussion fragte mensch sich mehr als einmal, ob die Diskussionen der letzten 40 Jahre sich noch nicht weitläufig genug herumgesprochen hatten. Frigga selbst kann es, wenn auch mit leichtem Bauchgrimmen, verziehen werden, dass sie heute eher in Ungnade gefallene Wörter wie „Völker“ noch im Sprachgebrauch führt. Solch ‚angestaubten‘ Begriffen zum Trotz reagiert Frigga auf Fragen nicht mit einer theoretischen Perspektive vergangener Tage, sondern setzt sich bspw sehr aktiv und differenziert mit Verfechter*Innen des Grundeinkommes sowohl am Abend selbst, als auch ansonsten, auseinander und versteht unter Frauenpolitik auch keinen Klassenkampf der Geschlechter. Dem Publikum war eine vergleichbar kritisch, reflektierte Grundhaltung leider nicht immer beschieden. Wenn Teilnehmer*Innen sich im Jahre 2011 ernsthaft auf die Suche nach der Essenz des Weiblichen und matriarchalen Ökonomien machen wollen, um die Welt an Frauenwesen genesen zu lassen, erscheint das ebenso bizarr, wie die Forderung anderer Anwesender danach, doch bitte vor der Frauenfrage erst einmal die Fabriken in die Hände der Arbeiterklasse bringen zu wollen. Welche Arbeiter, wollen denn heutzutage noch groß

Fabriken in die Hand nehmen? Die Ich-AG wäre da sozusagen neoliberales und leninistisches Erfolgskonzept in einem. Doch Spaß beiseite, ein Beharren auf Frauenperspektiven einerseits und das von den anwesenden Silberrücken der Marx-EngelsExegese polternd, raumnehmenden vorgetragene „Argument“, queere, trans* und inter*sexuelle Identitäten seien Nebenschauplatz und es gälte sich der Klassenfrage, dem Imperialismus und den Profiteuren dieser Welt zu widmen, lässt eine kritische Auseinandersetzung damit, ob ein Festhalten an Arbeit als der Linken liebstes Kind vorerst wohl auf die Warteliste wandern, direkt unter den Punkt „1 917 ist vorbei“. Besonders bedauerlich hierbei, dass das alleinige Hinweisen auf aggressives Redeverhalten, andere Sichtweisen auf Arbeit und Geschlecht von einigen der Anwesenden bereits im Keim erstickt wurde, so dass die Art und Weise einer Diskussion über die „weibliche Perspektive“ und Frauenpolitik letztlich doch von den lautesten Männern im Raum vorgegeben wurde. Den treffendsten Kommentar formulierte dann eine der Anwesenden: „Sich von so was nicht unterkriegen lassen.“ Der Vortrag stand in einer Reihe von Veranstaltungen im Zeichen des Frauenkampftages, welcher sich dieses Jahr zum 1 00. mal jährt: Aktionen in der Innenstadt am 8. März, Frauen*Lesben*Transparty, feministische Karaoke im Kabele, der demonstrative Stadtrundgang am 1 9. März.

e d ü it t t a r e k c a M gegen


Druckvorlage Anleitung

Wir nehmen:

• Luftballons (schön bunte) • kreative Vorlagen (aber bitte als PDF / EPS Format) in schwarz-weiß • nette Luftballon-Fachberaterinn*en (davon möglichst viel!!) • Helium (soweit die Kohle reicht) • Prise Feminismus nach Belieben

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und gegen jeden ...!


Druckvorlage Anleitung

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Geschichte wird geschrieben

... hier kannst du sie weiterschreiben

Raum f체r eigene Gedanken-Spr체nge, bewegte Geschichten, Bilderr채tsel, bunte Stencils, kritische Gedanken, Pamphlete, neue Lieder. . .

...denn... History has to be HERstory too!

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Geschichte wird geschrieben ... hier kannst du sie weiterschreiben

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Fe mi nismus

sha La La

La La


Geschichte wird geschrieben

... hier kannst du sie weiterschreiben

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Fe

mi

sha

La La La

Fe mi nismus


Adressen Weitere Ansprechpersonen und Gruppen finden sich unter dem Link http://www.frauenbuero.goettingen.de/handbuch/start.php?navId=07, dort wird das „Frauenhandbuch“ der Frauenbeauftragten der Stadt Göttingen abgebildet. Im Folgenden finden sich Ansprechpartne*rinnen, die z.T. schon im Frauenhandbuch genannt sind, z.T. aber auch nicht und die wir hier gern erwähnen möchten (nach ABC geordnet):

AG Frauengeschichte in der Geschichtswerkstatt Göttingen e.V. Danziger Str. 54, 37083 Göttingen 0551 / 7 70 60 59 karen.nolte@web.de

http://wwwuser. gwdg. de/~gwgoe/stadtrun/rahmen. html

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Antifee Festival

Campus Uni Göttingen (zwischen Blauem Turm und Kreuzbergring) info@antifee.de www. antifee. de

Bi Free

Café Kollektiv Kabale / Kultur und Alltag e.V.

- Jeden Dienstag Frauen*Lesben*Trans-Kneipe -

Geismar Landstr. 1 9, 37083 Göttingen (05 51 ) 48 58 30 info@cafe-kabale.de www.myspace.com/kabalekabale

Frauenbüro der Stadt Göttingen

Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen 0551 /400-3305 frauenbuero@goettingen.de

http://www. frauenbuero. goettingen. de

Frauen Forum Göttingen

Hiroshimaplatz 1-4, 37083 Göttingen 0551 / 400 33 05 frauenbuero@goettingen.de www. frauenforum-goettingen. de

Frauengesundheitszentrum Göttingen e.V. Groner Straße 32/33, 37073 Göttingen (05 51 ) 48 48 30 fgz@fgz-goettingen.de www. fgz-goettingen. de

c/o Weltladen Nikolaistr. 1 0, 37073 Göttingen (01 73) 7 1 3 82 70 litschilucy@gmx.de

frauenhaus göttingen e.V.

Bibliothek des ehemaligen Asta-FrauenLesbenReferats Humboldtallee 17, Zimmer 1 .1 06 blaustrumpf@gwdg.de

frauen*lesben*trans-Café

Blaustrumpfbibliothek – Feministische Sammlung

Postfach 1 9 11 , 37009 Göttingen 0551 / 5 21 1 8 00 info@frauenhaus-goettingen.de

http://www. frauenhaus-goettingen. de

- Jeden ersten Sonntag im Monat, 16.00-19.00 Uhr Im JuzI (Jugendzentrum Innenstadt, Bürgerstraße 41 , 37073 Göttingen) flt@list.riseup.net

Gutes Wetter, harteZeiten,


Frauen - Notruf e.V. – Beratungs- und Fachzentrum sexuelle und häusliche Gewalt Postfach 1 825, 37008 Göttingen 0551 / 4 46 84 Frauen-Notruf.GOE@t-online.de

http://www. frauen-notruf-goettingen. de

Frauen - Zimmer e.V. – Ambulante pädagogisch-therapeutische Hilfen für Frauen Weender Str. 39, 37073 Göttingen 0551 / 48 48 95 frauen-zimmer@w4w.de

Göttinger AIDS-Hilfe e.V.

Obere Karspüle 1 4, 37073 Göttingen (05 51 ) 4 37 35 info@goettingen.aidshilfe.de www. goettingen. aidshilfe. de

hin und wech – Schwule lieben in Niedersachsen c/o Göttinger AIDSHilfe Obere Karspüle 1 4, 37073 Göttingen goettingen@hin-und-wech.de www. hin-und-wech. de

http://www. frauen-zimmer. w4w. de

Kino Lumière

Rosa-Luxemburg-Haus (AStAGebäude) Goßlerstr. 1 6a (1 . Stock rechts), 37073 Göttingen (05 51 ) 39 45 67 gender@asta.uni-goettingen.de

www. lumiere. de

Genderreferat AStA Uni Göttingen

Geismar Landstr. 1 9, 37083 Göttingen (05 51 ) 48 45 23 info@lumiere.de

www. asta. uni-goettingen. de

Feminismus für den fighten!

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Koordinationsstelle Geschlechterforschung der Georg-August-Universität Göttingen Baurat-Gerber-Str. 4/6, 37073 Göttingen (05 51 ) 399457 hhauens@uni-goettingen.de

www. geschlechterforschung. uni-goettingen. de

Kore e. V. – Frauenbildung – Sozialberatung – Mädchenarbeit. Papendiek 24-26 37073 Göttingen Telefon: +49 551 57453 mail@kore-goettingen.de www. kore-goettingen. de

Laura, Frauen- und Kinderbuchladen GmbH

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Burgstr. 21 , 37073 Göttingen (05 51 ) 4 73 17 laura.frauenbuchladen@arcor.de www. laura-frauenbuchladen. de

LesBiSchwule* KULTURTAGE Göttingen c/o Göttinger AIDSHilfe e.V. Obere Karspüle 1 4, 37073 Göttingen (05 51 ) 4 37 35 KulturtageGoettingen@gmx.de www. kulturtage-goettingen. de

L-Treff Göttingen –Treff für junge Lesben ltreff.goettingen@googlemail.com

www. lesbentreffgoettingen. blogspot. com

pro familia Beratungsstelle Göttingen Rote Straße 1 9, 37073 Göttingen (05 51 ) 5 86 27 goettingen@profamilia.de www. profamilia. de/goettingen

queerBar

– Jeden 3. Donnerstag im Monat, ab 20.30 Uhr – Im JuzI (Jugendzentrum Innenstadt, Bürgerstraße 41 , 37073 Göttingen), einfach vorbeikommen!

Queerfeministische Poly-Gruppe gruppe%go-poly@gmx.de

Regenbogenfamilien Göttingen

regenbogenfamilien.goettingen@yahoo.de www. regenbogenfamiliengoettingen. de

Stiftung Akademie Waldschlösschen 371 30 Reinhausen bei Göttingen Fon: (0 55 92) 92 770 info@waldschloesschen.org www. waldschloesschen. org

Therapeutische Frauenberatung e.V.

Groner Straße 32/33, 37073 Göttingen (05 51 ) 4 56 1 5 info@therapeutische-frauenberatung.de www. therapeutische-frauenberatung. de

why2

why2@gmx.net

http://why2. blogsport. de/

! A H A H A H ! Rollendenken? A H A H HA

HA HA HA!


Kooperations*partnerinnen

DGB – Region Südniedersachsen-Harz AG Frauen

Gewerkschaftliche Frauenarbeit hat vorrangig die Aufgabe, das Recht der Frau auf Arbeit offensiv zu vertreten und die Öffentlichkeit auf die schwierige Situation dieser auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen. Arbeitnehmerinnen sollen in der gewerkschaftlichen Frauenbildungsarbeit ermutigt werden, sich verstärkt für Chancengleichheit in Ausbildung, Beruf und Gesellschaft einzusetzen. Inzwischen sind viele Frauen dazu bereit, in demokratischen Gremien der Beschäftigungsvertretung mitzuwirken und bei der Mitbestimmung in Betrieben, Verwaltungen und Gewerkschaften für eine humane und sozial gerechte Arbeitswelt einzutreten. Immer mehr engagierte Frauen nehmen in den Gewerkschaften und anderen politischen Gremien Einfluss auf die Gestaltung der Tarifpolitik und der Gesetzgebung, unter besonderer Berücksichtigung frauenspezifischer Belange.

HA HA HA!

Schwerpunkte der Arbeit der DGB-Frauen in der Region Südniedersachsen-Harz sind die Organisation und Durchführung der jährlichen Veranstaltungen zum I nternationalen Frauentag am 8. März und zum Internationalen Tag \\\"Nein zu Gewalt an Frauen\\\" am 25. November.

Kontakt

Stefke Moldt Weender Landtraße 6, 37073 Göttingen goettingen@dgb.de oder unter Tel. 0551-37 07 55 83

Röcke sind für alle da!

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HA HA HA!


Die DGB-Jugend

mit dem Projekt GerdA Gender

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Sexismus, Transphobie, Homophobie, Lookism? Diesen Diskriminierungsformen rücken wir mit politischer geschlechterreflektierender Bildungsarbeit auf den Pelz. Die DGB-Jugend mit dem Projekt GerdA ist eine im Kontext der Gewerkschaftsjugenden stehende Gruppe, die seit 2003 kontinuierlich Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Multiplikator_innen hier in der Region durchführt. Wir gehen auf Schulen, Jugendverbände und interessierte Jugendgruppen zu und teamen mit ihnen Seminare zu Themen wie Geschlechternormenund Schönheitsstereotypen, Begehren und Sexualität, geschlechterreflektierender Berufsorientierung und Gewaltprävention. Unsere Motivationen beruhen auf der Gesellschaftsanalyse, dass Geschlecht ein grundlegender Ordnungsfaktor in unserer Gesellschaft ist, der in Wechselwirkung mit anderen Faktoren wie Herkunft oder Klasse alle Lebensbereiche durchdringt. An Geschlechtsidentität, Sexualität, Körper und Aussehen sind Privilegien und Benachteiligungen gebunden, die in unserem Alltag zum Wirken kommen. Wir wollen uns und andere junge Menschen darin stärken, ohne Angst verschieden sein zu können, Benachteiligung aufgrund von Geschlechtsaspek-

ten zu erkennen, zu benennen und abzuschaffen. Wir wollen Respekt für die unterschiedlichen Lebensrealitäten vermitteln und damit die Handlungsspektren erweitern. Wir sind Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten, sexuellen Orientierungen und Bildungshintergründen. Nach einer Qualifikationswoche könnt ihr bei GerdA ins Team einsteigen, das kontinuierlich gemeinsam arbeitet und sich fortbildet. Wenn du dich davon angesprochen fühlst, dann melde dich bei uns unter: dgb-jugend. goettingen@dgb. de

Kontakt

Die DGB-Jugend trefft ihr in der Weender Landtraße 6, 37073 Göttingen Oder unter Tel. 0551-48 88 994

r e k c a M n e Geg und Rassisten!


[femKo]

– queer, feministisch und auch sonst ziemlich cool! Queer-Feminismus heißt für uns kritische Theorie und Praxis an und in einer heteronormativen und patriarchal aufgebauten Gesellschaft, z.B. durch Workshops, Demos, Performances und direkte Aktionen! Als Queer-Feminist*innen gehen wir die ganze patriarchale, homophobe, sexistische Kackscheiße an, die uns tagtäglich begegnet! Wir wollen uns im Hier und Jetzt auszuprobieren, uns ein selbstbestimmtes Leben aneignen, nichts als gegeben und alles als veränderbar begreifen – vor allem die Sache mit den „Geschlechtern“ – und denken dabei kapitalistische, rassistische, antisemitische, ableistische und andere Herrschaftsverhältnisse mit!

Lust auf mehr? Dann kommt zu unseren Veranstaltungen, mailt uns, schaut auf unseren blog und beteiligt euch daran!

Kontakt

www.femko.blogsport.de femko.goe@gmail.com FemKo c/o Buchladen Rote Straße Nikolaikirchhof 7 37073 Göttingen

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Fight the power! Fight thesystem!


queere hochschulgruppe

homo, bi, trans*, inter und queer an der uni

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d i e q u eere hochschulgruppe ist ein bunter, queerfeministischer zusammenhang von nicht-heteronormativen menschen. wir verstehen uns als ein zusammenschluss von individuen, die hauptsächlich — aber nicht nur — auf der uni-ebene für die sichtbarmachung von queeren lebensweisen eintreten und homo- wie transphobe strukturen analysieren und ihnen entgegentreten. zweigeschlechtlichkeit sehen wir als eine soziale konstruktion an, die viele menschen, die nicht dem ideal einer frau bzw. eines mannes entsprechen (können/wollen), ausschließt. diese sexistische struktur gilt es zu überwinden. genauso wie der gesellschaftliche zwang zur heterosexualität, welcher einerseits wieder die zweigeschlechtlichkeit festschreibt und andererseits klar vor-

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schreibt, wen wir wann, wie und wo lieben dürfen und wen nicht. um für uns und allen interessierten einen freiraum und eine entspannte und spaßige gruppenatmosphäre zu schaffen, lehnen wir jede art von ableismus, ageismus, antisemitismus, bodyismus, faschismus, fundementalismus, heterosexismus, homophobie, klassismus, lookismus, mackertum, nationalismus, rassismus, sexismus, trans*phobie1 , und alle anderen formen von sozialer diskriminierung und ausgrenzung ab. oder: TORTEN, TUNTEN & TACHELESS.

Kontakt

www.queeratunigoe.blogsport.de queer_unigoe@liebtdich.info queere hochschulgruppe c/o AStA Göttingen Goßlerstr. 1 6a 37073 Göttingen

da wir keine hierarchisierung der unterdrückungsmechanismen entstehen lassen wollen sind diese alphabetisch sortiert.


Schöner Leben Göttingen

emanzipatorisch - herrschaftskritisch – in bewegung Wir wollen einem herrschaftsfreien, schöneren Leben schrittweise näher kommen. Den Weg dorthin suchen wir in einem Lern- und Kampfprozess. Wir führen theoretische Debatten und leisten kreativen Widerstand mit direkten Aktionen auf der Straße. Wir mischen uns in soziale Konflikte ein und suchen nach realutopischen Lösungen für das Zusammenleben. Aktivitäten und Themen waren z.B.: Veranstaltungen zu kollektiver Kindererziehung und kritischem Weiß-Sein, Sägen am Stuhl des Patriarchats, Bierdeckelproduktion für antisexistisches Kneipen 1 , Aktionen gegen Militärmusik und Bundeswehr, AntiGentech, Cocktailbar/DJ-Rotation auf SoliPartys, Workshop Gender-Waschanlage, Mars-TV, Strategien kreativer Antirepression, Debattenbeitrag zu sexualisierter Gewalt in Familien und Institutionen, Aktivitäten gegen den „Zukunftsvertrag“ (Lebensqualität statt Sparzwanglüge!). Unterstützung von: Alte-Schwestern-Netzwerk, Antirepressionsvernetzung, antimilitaristisches Bündnis.

Öffentliche Mailingliste [schoener leben] Die Mailingliste ist für alle offen und wird von vielen Göttinger Basiszusammenhängen und Einzelpersonen genutzt. Über die Mailingliste werden aktuelle Informationen, Veranstaltungsankündigungen, Aufrufe, Hintergrundinfos etc. verschickt, ab und an entwickeln sich auch Debatten zu einzelnen Themen. Informationen und Beiträge, die über diese Liste versendet werden sollen einen direkten Bezug zu Göttingen haben.

Kontakt

www.schoener-leben-goettingen.de post(ät)schoener-leben-goettingen.de c/o Buchladen Rote Straße, Nikolaikirchhof 7, 37073 Göttingen Wöchentliche Treffen der Gruppe Donnerstags um 20:1 5 Uhr bei Arbeit und Leben (Lange Geismar Straße 73). Interessierte und NeueinsteigerInnen sind jederzeit herzlich willkommen

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1 Hintergrundinfos zu der Initiative "antisexistisch kneipen" und ein Link zur Bestellseite gibt es hier: http://www.schoenerleben-goettingen.de/bierdeckel. Illustriert wurden die Bierdeckel von Ka Schmitz.

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Impressum Herausgeberi*nnen

Agnieszka Zimowska Alex Otte Eva Wolff Katrin Lux Sandra Kotlenga Sasha Samuel Segal Stefke Moldt Besonderer Dank an alle fem.stars! Wir sind im Internet zu finden unter: http://femstars.tumblr.com Dort finden sich auch Informationen über Bezugsmöglichkeiten.

Kooperationspart*nerinnen

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DGB Südniedersachsen-Harz DGB-Jugend Südniedersachsen-Harz femKo queere hochschulgruppe Schöner Leben Göttingen

Weiterhin gefördert von

hannchen-mehrzweck-stiftung AStA Uni Göttingen Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät why2 – Fachgruppe Geschlechterforschung Netzwerk Gewaltfrei Leben Stadt Göttingen Gleichstellungsbüro der Philosophischen Fakultät

Satz und Layout

Sasha Samuel Segal s.segal.mail@gmail.com

Herstellung

AktivDruck & Verlag GmbH Schmaligweg 8 D-37079 Göttingen ++49(0)551 /67065 service@aktivdruck.com Gedruckt auf Recycling-Papier 1 . Auflage, Göttingen 201 2

Creative Commons

Der Name des Autori*nnenkollektivs muss genannt werden Das Werk darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden Das Werk darf nicht verändert werden

Zitierhinweis

Autori*nnenkollektiv fem.stars (201 2): Von Erster Frauenbewegung bis Queer – feministische Bewegungsgeschichten in Göttingen zum 1 00. Frauenkampftag.

Ain’t no revolution without


...weil's immer wieder schรถn ist

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YOU!


Die heutige queere und feministische Frauenbewegung ist jung und historisch zugleich. Wie das zusammen geht, zeigt dieses Buch. Zum einen berichtet es ein Stück lokale Bewegungsgeschichte: die Beiträge erzählen von (queer-) feministischen Initiativen und Interventionen in Göttingen, insbesondere seit den 1 970er Jahren. Die zahlreichen Aktionen zum 1 00. Frauentag am 8. März 2011 sind in Text und Bild dokumentiert. Zum anderen liefert das Buch aktuelle und queere Kritik am Alltag der Geschlechter. Es zeigt sich, dass neue Begriffe und Ideen etablierte feministische Theorien ergänzen und zum Teil ablösen. Die Frauenbewegung verfügt über vergangene Erlebnisse, neue Erkenntnisse und moderne Ausdrucksformen. Sie hatTradition und Zukunft.

Dieses Buch ist eine Fundgrube für alle, die den Weg zur Gleichheit und Infragestellung der Geschlechter aktuell mit verfolgen wollen - ein "Must Have" für alle Liebhabe*rinnen feministischer Göttinger Bewegungsgeschichte! Herausgegeben in Kooperation mit Einzelpersonen und

Weiterhin gefördert von

hannchen-mehrzweck-stiftung • AStA Uni Göttingen • Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät • why2 – Fachgruppe Geschlechterforschung • Netzwerk Gewaltfrei Leben • Stadt Göttingen • Gleichstellungsbüro der Philosophischen Fakultät


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