politicks Seit Vizekanzler Michael Spindeleggers Österreich-Rede befindet sich die ÖVP im Wahlkampfmodus.
SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos sieht in den VP-Positionen »neoliberale Ideen«.
Maria Fekter schaltet bezüglich des Bankgeheimnisses von »Ja, aber!« auf »Nein, aber!«
Verteidigungsminister Gerald Klug startet beim APA/OGM-Index durch und ist als Vovesnachfolger im Gespräch.
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FA Z I T
Spindelegger eröffnet den Wahlkampf Orientiert man sich an der Wirtschaftskammerwahl, ist die ÖVP mit ihren 70 Prozent für den VP-Wirtschaftsbund eindeutig »die« Unternehmerpartei. Doch bei der letzten Nationalratswahl machten nicht einmal 30 Prozent der Selbstständigen bei der Volkspartei ihr Kreuzerl. Während der Wirtschaftsbund von den Unternehmern eindeutig als Interessenvertretung akzeptiert wird, gilt das für die ÖVP schon lange nicht mehr. Denn aus Unternehmersicht ist sie längst zur Klientel-Partei für Beamte und Bauern verkommen und mitverantwortlich, dass es zu keiner Verwaltungsreform kommt und dass die Abgabenquote inzwischen auf unglaubliche 44 Prozent zusteuert. Entsprechend überraschend kam daher die Wahlkampfauftakt-Rede von ÖVP-Chef Michael Spindelegger vor wenigen Tagen in der Wiener Hofburg. Dieser redete auf einmal einer dringend notwendigen Reindustrialisierung das Wort. Gleichzeitig forderte der VP-Chef eine Deregulierung und Entbürokratisierung und kritisierte etwa die Hunderten Beitragsgruppen bei Löhnen und Gehältern. Spindelegger sprach von 420.000 neuen Arbeitsplätzen, die er in absehbarer Zeit als Bundeskanzler schaffen wolle. Inhaltliche ÖVP-Angebote an Selbstständige zur Stronach-Abwehr? Die Wahlkampfrede des Vizekanzlers darf natürlich nicht überinterpretiert werden. Es ging dabei einerseits darum, die eigene, in Bussen herbeigekarrte Basis auf einen heißen Wahlkampf einzuschwören. Andererseits weiß die Volkspartei, dass sie es sich nicht leisten kann, dass ihr die Unternehmer noch weiter wegbrechen und sich bei der Nationalratswahl etwa für das Team Stronach entscheiden. Aber allein die Tatsache, dass sich Spindelegger in seiner Rede nicht darauf beschränkte, die von ihm als »Faymann-Steuern« bezeichneten SPÖPläne zu einer Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer abzuwehren, machte Hoffnung, denn erstmals setzt sich der ÖVP-Chef mit der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes auseinander. Doch ob die ÖVP die Notwendigkeit einer Neuorientierung ihrer Politik tatsächlich erkannt hat, bleibt offen: Tritt Michael Spindelegger auch dann für die ökonomischen Chancen unseres Landes ein, wenn es nicht um seine Wahlchancen, sondern gegen Ineffizienz in der Verwaltung und um die Zurückdrängung des öffentlichen Sektors geht? Ein weiterer »Lackmustest« für die Politik der ÖVP wird die Bildungsdiskussion sein: Sorgt
sich die Volkspartei endlich um die Lese- und Rechenkenntnisse der Kinder oder drehen sich ihre Positionen weiterhin fast ausschließlich um die Erhaltung der »wohlerworbenen Rechte« beamteter Lehrer? Spindeleggers Rede signalisiert zumindest die Möglichkeit eines Umdenkens. Seine Ideen zu einer Bedingung für die Teilnahme der ÖVP an der nächsten Regierung zu machen, war ihm aber anscheinend doch zu heiß. SPÖ-Darabos: Spindelegger greift in neoliberalen Fundus Die SPÖ nützte Spindeleggers Auftritt, um die eigenen Positionen zu schärfen. So sprach der neue alte Bundesgeschäftsführer – und dazwischen eher glücklose Verteidigungsminister – Norbert Darabos von einem »Wahlkampfauftritt mit Ideen aus dem neoliberalen Fundus und Feindbildern aus der VP-Mottenkiste«. Unter Michael Spindelegger habe sich die ÖVP als Lobby für Millionäre und Konzerne positioniert, mit einer Rede, die von der Industriellenvereinigung diktiert worden sein könnte. Es sei zudem unglaubwürdig, sich gegen neue Schulden auszusprechen und gleichzeitig teure VP-Pläne wie den Kinderfreibetrag oder die Mitarbeiterbeteiligung vorzustellen, ohne einen Finanzierungsvorschlag vorzulegen. Bankgeheimnis – »Ja, aber!« statt »Nein, aber!« Finanzministerin Maria Fekter sieht es als ihren Erfolg, dass es gelungen sei, im Streit um das Bankgeheimnis die bilateralen Quellenbesteuerungsverträge Österreichs mit der Schweiz und mit Liechtenstein beizubehalten. »Nachdem das Mandat für die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Drittstaaten Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco in unserem Sinn genauer präzisiert wurde«, war eine Zustimmung möglich, so Fekter. Vereinbart wurde demnach, dass der OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch gemäß den Entwicklungen bei den G-20 zu verhandeln sei. Auch die Eigentümertransparenz anonymer Trusts – das sind nicht personalisierte Konten etwa bei Banken auf den Kanalinseln – wird verhandelt. Damit haben Luxemburg und Österreich ihre Positionen wieder angeglichen. Die Finanzministerin sieht sich selbst damit im Rahmen der österreichischen Regierungserklärung. In Wahrheit hat sie ihre Haltung jedoch nicht aufgegeben, denn ihre neue »Ja, aber!«- ist ziemlich identisch mit ihrer ehemaligen »Nein, aber!«-Linie.
JUNI 2013