Fazit 171

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Wenn Sie die Impfung nicht mögen, versuchen Sie es mit der Erkrankung. Herwig Kollaritsch, Coronaexperte und Infektiologe

Fotos: Dominik Butzmann, Parlamentsdirektion/Raimund Appel

Unter Klubchef Herbert Kickl richtet sich die FPÖ strikt auf die Verharmlosung von COVID-19 aus und punktet damit nicht nur auf Corona-Demos.

Warum tut sich Europa so schwer mit der Corona-Bekämpfung? Seit einem Jahr beobachten wir nun, dass sich einige asiatische Länder viel leichter damit tun, das Virus in den Griff zu bekommen als die EU-Staaten oder die USA. Dass im äußerst autoritär regierten China viele Zwangsmaßnahmen, wie sie auch bei der Corona-Bekämpfung notwendig waren, ohnehin zum Alltag gehören, ist bekannt. Aber auch Länder wie Japan, Taiwan oder Südkorea haben kaum Probleme damit, das Virus ohne Lockdowns in Schach zu halten. Alle drei Staaten gelten nach dem conomist emokratieinde des ahres als vollständige emokratien . on den Mitgliedern erreichen nur zehn Länder – darunter Österreich – dieses Ergebnis. 17 EU-Mitgliedsstaaten, aber auch die USA gelten nur als unvollständige emokratien . Beim emokratieinde bewertet die britische Wirtschaftszeitung »The Economist die fünf Kriterien ahlverfahren und luralismus , rbeitsweise der egierung , politische eilhabe , politische Kultur und Bürgerrechte und vergibt dafür jeweils zwischen und unkte. Länder mit insgesamt mehr als 8 Punkten werden als vollständige emokratien bezeichnet, Länder zwischen 6 und 8 Gesamtpunkten als »unvollständige Demokratien . nd änder darunter als Misch14 /// FAZIT APRIL 2021

form zwischen Autokratie und Demokratie oder gar als autoritäres egime . s stimmt also nicht, dass Freiheitsrechte und die in liberalen Demokratien obligatorischen hecks and Balances die Infektionseindämmung aushebeln würden. Die Gründe, warum das Contact Tracing nicht funktioniert und warum so viele Menschen in den flegeheimen starben, sind andere. Außerdem hat man das Gefühl, dass staatliche Zwangsmaßnahmen in Österreich viel zu spät gesetzt werden und deshalb viel zu lange dauern. In ganz aiwan infizierten sich am . März gerade einmal zwei der Millionen inwohner mit Corona, von den 54 Millionen üdkoreanern waren es und unter Millionen apanern konnte das irus bei 1.517 Menschen nachgewiesen werden. Verglichen mit Japan hätte es in Österreich am . März statt . nur euinfektionen geben dürfen. Irgendetwas läuft bei der heimischen Art der Pandemiebekämpfung also vollkommen verkehrt! Hauptursache 1: der völlig überhöhte Datenschutz Die Bedeutung des Contact Tracing war von Anfang an völlig unumstritten. Eine Infektionskrankheit, die auch von Menschen übertragen wird, die zwar infiziert sind, selbst aber gar keine Krankheitssymptome zeigen, kann nur eingedämmt

werden, wenn nicht nur die Erkrankten, sondern auch die s mptomlos Infizierten isoliert werden. Obwohl es wie in Japan, Taiwan oder Südkorea demokratiepolitisch völlig unbedenklich gewesen wäre, ein digitales Contact Tracing über Handys, GPS, oder Bluetooth-Ortung umzusetzen, hatten weder Gesundheitsminister Rudolf Anschober noch Bundeskanzler Sebastian Kurz den Mut – oder die Kraft – , einen in Bezug auf seine tatsächliche Bedeutung für die pers nliche Freiheit v llig überh hten Datenschutz temporär auszuhebeln. Auch technisch hätte das umfassende digitale Contact Tracing über eine Handy-App kein Problem dargestellt. Einige steirische Industriebetriebe haben ihre Mitarbeiter übrigens bereits vor einem Jahr zur Mitnahme von digitalen racern verpflichtet, die im Falle einer Infektion die Kolleginnen und Kollegen warnen, dass sie mit einer coronapositiven Person Kontakt hatten und sich daher testen müssen. Vor dem Hintergrund, dass ein digitales Contact Tracing alle anderen Zwangsmaßnahmen, mit denen die Bürger bis jetzt konfrontiert sind, unnötig gemacht hätte, ist der EU-weite Verzicht darauf ein unverzeihlicher politischer Fehler. Hauptursache 2: der gescheiterte Schutz der Risikogruppen Seit dem Sommer des Vorjahres stehen die günstigen Antigentests in großer Zahl zur Verfügung. Trotzdem hat es der für den Seuchenschutz verantwortliche Gesundheitsminister verabsäumt, eine Teststrategie mit täglichen ests für flegeheimbewohner, Mitarbeiter, Lieferanten und Besucher zu verfügen. Die Angst vor dem Widerstand der Personalvertreter und der Gewerkschaften war einfach zu groß. Im Jänner lag der Preis für diese Mutlosigkeit bei 43 Prozent der 7.000 österreichischen Corona-Toten.

Der Teflonschutz von Kurz für sich und die ÖVP wirkt noch Als vor einem Jahr der erste Lockdown ausgerufen wurde, waren sich die meisten Kommentatoren darin einig, dass, wenn so


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