Die Regierung macht die Bevölkerung zum Sündenbock für den Anstieg der Neuinfektionen. Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Chefin
Fotos: BMF, Jakob Glaser
Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß: »In besonderen Zeiten braucht es besondere Maßnahmen, um die Risikogruppen zu schützen.«
Eigene Corona-Ampel für Pflegeheime Die Corona-Pandemie hat das Zusammenleben einschneidender verändert als sämtliche negativen Ereignisse und positiven Errungenschaften zusammen. Während das Virus für Jugendliche weitgehend harmlos ist und die meisten unter 60-Jährigen damit nicht schlechter zurechtkommen als mit einer Grippe, stellt Corona für Menschen mit gewissen Vorerkrankungen und für die über 70-Jährigen tatsächlich ein tödliches Risiko dar. Insbesondere im Pflegebereich kam es zu zahlreichen Todesfällen. Die Betreuung von älteren Menschen ist die zentrale Herausforderung der Pandemie. »In besonderen Zeiten braucht es besondere Maßnahmen, um Risikogruppen zu schützen«, zeigt sich Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß überzeugt. Daher wurde mit eigenen Corona-Ampeln für den stationären, ambulanten und mobilen Pflege- und Betreuungsbereich ein praxisnahes und transparentes Instrument aufgebaut, mit dem die zweite Welle bewältigt werden soll. Die Basis der Corona-Ampeln für den Pflege- und Betreuungsbereich stellt die Coro16 /// FAZIT NOVEMBER 2020
na-Ampel des Bundes dar, bei der die Regionen durch die Corona-Kommission eingestuft werden. In der Folge können die Maßnahmen in Abstimmung mit den Trägern und der zuständigen Gesundheitsbehörde je nach Bedarf verschärft werden. In den Pflegeheimen weisen die Ampelfarben Grün und Gelb auf einen Normalbetrieb mit verschärften Hygienevorkehrungen hin. Bei Orange wird ein Pflegeheim unter erhöhten Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen sowie Schutzmaßnahmen geführt. So sind Besuchs- bzw. Begegnungszonen einzurichten und bevorzugt zu verwenden. In diesen kann der geforderte Abstand eher eingehalten werden. Schaltet die Ampel auf Rot, kann ein Heim nur unter Einhaltung von höchsten Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen sowie Schutzmaßnahmen weiter betrieben werden. In dieser Phase können im Innenbereich etwa FFP2Schutzmasken vorgeschrieben werden. Außerdem wird der Zugang massiv eingeschränkt. Palliativ- und hospizbetreuten Bewohnern werden in jeder Ampelphase individuelle Besuchs- und Begleitmöglichkeiten angeboten. Diese können mit der Leitung der jeweiligen Einrichtung individuell vereinbart werden. Ähnliche Vorschriften gelten für Tageszentren und andere Betreuungseinrichtungen. Die Corona-Ampel ist ein Konzept, um die Risikogruppen individuell besser vor einer Infektion zu schützen als die weniger gefährdeten Bevölkerungsschichten. Der rasante Anstieg fordert ein ständiges Überdenken der Corona-Strategie Bei der Teststrategie der Bundesregierung scheiden sich die Geister. Für die einen Experten werden die Falschen, für andere zu viel oder zu wenig getestet. Tatsächlich stellen das Contact Tracing sowie die Verwaltung der Quarantäneanordnungen und -aufhebungen, aber auch das gefühlt ewige Warten auf die PCR-Testergebnisse alle Beteiligten vor gewaltige Herausfor-
derungen. Die Mitarbeiter an den Bezirkshauptmannschaften sind teilweise bis Mitternacht im Einsatz und völlig überlastet. In den meisten Nachbarländern wurde das Contact Tracing bereits aufgegeben und auch bei uns ist es – sollten die Infektionszahlen weiter steigen – nicht aufrechtzuerhalten. Die Corona-Pandemie stellt die Verantwortlichen vor Probleme, wie es sie noch nie gab. So führt der Mangel an klaren Handlungsrichtlinien im Umgang mit der Pandemie zu einem ständigen »Trial and Error«. Und natürlich bleiben die auftretenden Widersprüche, wie sie etwa bei der Bewertung der Masken auftraten, niemandem verborgen. Dazu kommt die komplizierte Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern. Die neuen Antigentests, die innerhalb von 15 Minuten ein zu über 90 Prozent richtiges Ergebnis liefern, können tatsächlich für eine Entlastung der Gesundheitsbehörden sorgen. Der Gesundheitsminister Rudolf Anschober ermöglicht diese Tests vorläufig aber nur für symptomatische Patienten und verknüpft sie mit einer Testung in jenen Arztpraxen, die sich freiwillig dazu bereit erklären. Da diese Tests aber auch für asymptomatische Personen und nicht nur von Arztpraxen und Spitalsambulanzen angewendet werden können, ist bereits davon die Rede, sie auch in Schulen, Alters- und Pflegeheimen bzw. bei sensiblen Berufsgruppen einzusetzen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober rechnet in den nächsten Tagen bis Wochen mit weiteren validierten Testverfahren und kündigte an, die Verordnungen zur Teststrategie rasch anzupassen. Gesellschaftlicher Lockdown soll ökonomischen Lockdown verhindern Dass zwar 50 Leute im gleichen Pendlerbus in die Arbeit fahren dürfen, aber nur sechs bei einer privaten Feier gemeinsam feiern dürfen, stößt vielerorts auf Unverständnis. Denn auf den ersten Blick erscheinen die neuerlichen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen des Bundes völlig willkürlich getroffen worden zu sein. Doch die Regierung folgt einer eigenen