Fazit 143

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„Ich werde so eine Stadtseilbahn sicher sehr namhaft fördern.

Infrastrukturminister Nobert Hofer zur Grazer Murgondel

Fotos: Mahrer/BMDW Marek Knopp, Strache/Gregor Tatschl

Um das türkisblaue Projekt über die nächsten Wahlen am Leben zu erhalten, muss FPChef Heinz-Christian Strache die Sozialpartnerschaft, in der die FPÖ kaum Mitspracherechte hat und die von der SPÖ als Blockadeinstrument verwendet werden kann, deutlich schwächen. SV-Reform – Türkis-Blau ändert nachhaltig das Nachkriegs-Machtgefüge Noch hat die SPÖ in sämtlichen Fragen der Gesundheitspolitik über ihre Stärke in den Gebietskrankenkassen ein beinahe umfassendes Vetorecht. Das will die Regierung im Zuge der Sozialversicherungsreform ändern, indem sie nicht nur die neuen Länderkassen bündelt, sondern gleich viele Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertreter in die verbleibenden GKK-Gremien entsendet. Denn obwohl die Dienstnehmer und Dienstgeber annähernd gleich hohe Beiträge leisten, ist bisher jede GKK nach Köpfen und nicht nach Beiträgen paritätisch zusammengesetzt. Weil es mehr Arbeitnehmer als Arbeitgeber gibt, war bisher klar, dass die Arbeitnehmer mit einer satten Zweidrittelmehrheit das eindeutige Sagen haben. Welcher Partei die Arbeitnehmervertreter angehören, können die GKK-Beitragszahler nur über ihr Stimmverhalten bei der Arbeiterkammerwahl beeinflussen. 16 /// FAZIT JUNI 2018

Und da die SPÖ überall bis auf Tirol und Vorarlberg die AK-Präsidenten stellt, dominiert sie auch überall bis auf Tirol und Vorarlberg die Gebietskrankenkassen. Das ist insofern undemokratisch, da völlig außer Zweifel steht, dass die SPÖ die Mehrheit unter den Arbeitnehmern bei sämtlichen Wahlen mit Ausnahme der AK-Wahlen längst an die FPÖ abtreten musste. Die hat jedoch innerhalb der AK so gut wie nichts zu reden. Daher kann die SPÖ im Namen der Arbeitnehmer sämtliche Reformen und Regierungspläne im Gesundheitsbereich verzögern oder sogar blockieren. Solange sich die politische Grundhaltung von Regierung und Sozialpartnern deckt, ist die Sozialpartnerschaft ein wertvolles Instrument, um sämtliche Gesellschaftsgruppen in die Sozial- und Gesundheitspolitik einzubinden oder um die unterschiedlichen Standpunkte der verschiedenen Interessengruppen in Kompromissen zusammenzuführen. Wenn jedoch die FPÖ mitregiert, funktioniert das System des gesellschaftlichen

Interessenausgleichs in der Sozialpartnerschaft nicht mehr, weil die Freiheitlichen darin keine Rolle spielen. Stattdessen kann sich die Rolle der Sozialpartner wie schon unter »Schwarz-Blau I« im Jahr 2000 umkehren. Für die SPÖ als parlamentarische Opposition ist es wegen der österreichischen Realverfassung nämlich ein Leichtes, über die von ihr dominierten Sozialpartner Reformen zu blockieren oder den sozialen Frieden im Lande zu boykottieren. Daher will die FPÖ diese Realverfassung ändern – freilich ohne das gewünschte Ergebnis als »Dritte Republik« zu bezeichnen. Aus Sicht der türkis-blauen Bundesregierung ist nämlich völlig klar, dass sie ihre Maßnahmen und Reformen nicht von der SPÖ konterkarieren lassen will. Die Sozialversicherungsreform zeigt, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz die Pläne von Vizekanzler Heinz-Christian Strache unterstützt, der die verbleibenden Jahre bis zur nächsten Wahl unter anderem dazu nutzen will, die Rolle der Sozialpartner nachhaltig zu schwächen. Die Sozialversicherungsreform ist daher ein wichtiger Schritt auf dem langen Marsch, der Türkis-Blau noch bevorsteht. Wenn die Liste Pilz und die NEOS strategisch denken, unterstützen sie Strache bei der Demontage der Sozialpartner, weil sie dort ebenfalls kein Mitspracherecht haben. Wenn taktische Mätzchen das Handeln der neuen NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und des politisch wieder auferstandenen Peter Pilz dominieren, könnten sie dennoch dazu verleitet sein, die Sozialpartner in ihrem Abwehrkampf stärken. Die Regierungspläne treffen auch die WKO Mit der Sozialversicherungsreform wird aber nicht nur der SPÖ-Einfluss geschwächt. Wenn die Sozialpartner demontiert werden, verliert auch die Wirtschaftskammer maßgeblich an Bedeutung. Wie in der Arbeiterkammer hat die FPÖ nämlich auch in der WKO so gut wie nichts zu bestimmen. Und für die Un-


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