Fazit 142

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Essay von Maryam Laura Moazedi

Diversity als Chance für Lehrende zu lernen »Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen. Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist.« Sir Peter Ustinov

Vielfalt in der Schulklasse: Diversity als Chance für Lehrende zu lernen. Teil 1: Vorurteile, Homophone und ein paar Zitate von Sir Peter Ustinov.

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Selbst banale Marker wie Gewicht, Vorname oder Haarfarbe reichen aus, um einen Diskriminierungsprozess in Gang zu setzen. So zeigen Studien, dass Lehrende gegenüber übergewichtigen Schulkindern eine geringere Erwartungshaltung zeigen, ihnen weniger Erfolgschancen zuschreiben und sie allgemein tendenziell negativer beurteilen. Damit spiegeln sie eine auch von Schulkindern übernommene Haltung wider. Übergewichtige sind an Schulen »beliebte« Mobbing-Opfer. Schon an Volksschulen steigt die Wahrscheinlichkeit gemobbt zu werden um 63 Prozent für Kinder, die nicht schlank sind. Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren beschreiben übergewichtige Gleichaltrige als faul, wenig intelligent, gierig und unbeliebt. In einer Umfrage meinten 92 Prozent der Jugendlichen, sie wären mindestens ein Mal Zeugen von gewichtsbedingtem Mobbing geworden. Die 2013 in Deutschland durchgeführte Untersuchung von Helbig und Jähnen ergab, dass überwichtige SchülerInnen seltener gute Noten bekommen als schlanke, dass die Wahrscheinlichkeit in Mathematik ein Sehr gut oder Gut zu bekommen um 10 Prozent sinkt und bei adipösen Jugendlichen ein seltenerer Gymnasialübergang gegeben ist. Gesundheitliche Probleme oder ungünstige Persönlichkeitseigenschaften werden als Ursachen für das vergleichsweise schlechte Abschneiden ausgeschlossen. Auch Vornamen können zu Vorannahmen führen und zum Schulproblem werden. Einer 2009 durchgeführten Befragung von 500 deutschen GrundschullehrerInnen zufolge können Vornamen der Kinder bei Lehrerinnen und Lehrern Vorurteile auslösen. Kinder namens Chantal, Justin oder Maurice werden mit Leistungsschwäche verbunden und schlechter benotet, bei Kevin kommt sogar die »Diagnose« der Verhaltensauffälligkeit hinzu. Beliebt sind unter Lehrkräften Namen wie Charlotte, Sophie, Marie, Hannah, Alexander, Maximilian und Simon – nicht nur die Namen, sondern Kinder mit diesen Namen. Kevin geht nicht. Levin ist da etwas ganz Anderes. Alte deutsche und deutsch klingende Namen - wie Emma, Lotte, Lena, Leonie, Friedrich, Otto oder Jakob - die Tradition vermitteln sollen und konservativ klingen sind in unseren Breitengraden seit Jahren im Trend. In manchen Ländern ist das Mobbing von Rothaarigen ein nicht zu unterschätzendes Problem. Betroffen sind sowohl Frauen als auch Männer wobei Stereotypen über männliche Rothaarige meist negativer ausfallen als jene über weibliche Rothaarige. Zudem sind Reaktionen auf Männer häufig mit körperlicher Gewalt verbunden. Selbst Prinz Harry soll in der Schule haarfarbenbedingtes Mobbing erfahren haben. Diskutiert wird auch, ob das Aussehen der Kinder in die Leistungsbeurteilung einfließt. Schon in den 1970er-Jahren gaben Clifford und Walster Schullehrerinnen und -lehrern Fotos von Kindern mit der Aufforderung, de-

Foto: Paperwalker

ehrerinnen und Lehrer sind nicht vor Vorurteilen gefeit. Wer ist das schon. Als Personen, die die Lebensqualität, das Selbstbild, die Motivation und Zukunftschancen junger Menschen mit beeinflussen können, hat das Ausleben ihrer Vorurteile in Schulklassen allerdings potenziell schwerwiegende Folgen. Anders betrachtet haben Lehrende die Chance, konstruktiv mit in der Gesellschaft vorherrschenden Vorurteilen umzugehen und das Leben ihrer Schülerinnen und Schüler langfristig positiv zu prägen. Der Umstand, dass Vorurteile bei näherer Betrachtung einen durchaus absurden Charakter annehmen können wirkt nicht mildernd auf die Konsequenzen für Betroffene.

Mag. Maryam Laura Moazedi ist Diversity-Fachfrau und -Bloggerin, sowie Universitätslektorin an der Grazer Karl-Franzens-Universität. moazedi.org

Fazit Mai 2018 /// 39