gleich mit dem Master in Klaviermusik weitermachen. Allerdings hatte er nur eine Drei im Bachelorzeugnis. Nichts Schlimmes für In Suck, aber bei der Zulassung hieß es dann, er erfülle die Anforderungen nicht. Er müsse eine Zusatzprüfung machen. „Das war eine komische, unzulässige Änderung in den Zulassungsbestimmungen. Nach dieser Regelung gilt das Bachelorzeugnis gleichzeitig als Aufnahmezeugnis für den Master. Eine Zwei in der Abschlussprüfung ist da Minimum. Ich fand das eine Frechheit“, sagt er. In Suck lässt sich das nicht gefallen, diskutiert mit der
In Suck Jang ging für seine Masterzulassung bis zum Verfassungsgericht – und verlor
Kann es sein, dass nicht die Uni zu stressig ist, sondern wir uns zu wichtig nehmen? Dass wir so viel über uns selbst nachdenken, bis wir in die Depression fallen?
Stress als Motivation Manche sehen psychischen Stress auch als positive Herausforderung: In Suck Jang lebt seit 16 Jahren in Österreich, ursprünglich kommt er aus Südkorea. Wenn er über seine Erfahrungen mit der Uni-Bürokratie spricht, geht es um Ungerechtigkeit, zweifelhafte Postenvergaben und inkompetentes Personal: „An der Uni wirst du nicht etwas, weil du etwas leistest, sondern weil du Beziehungen hast.” Nach seinem Bachelor in Instrumentalmusik in Salzburg wollte er
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Zulassungsstelle, mit Professoren, Assistenten und landet schließlich vor dem Verfassungsgericht – und verliert. Trotzdem kann er nach eineinhalb Jahren seinen Master beginnen, weil sich Professoren für ihn eingesetzt haben. Beziehungen muss man halt haben. Für In Suck ist die Zeit, in der es unklar war, ob er seine Ausbildung weitermachen kann, „extrem stressig” gewesen: Er entwickelt Gastritis und leidet bis heute unter Migräne, die er mit Medikamenten unterdrückt. Trotzdem empfindet er Stress als nichts Schlechtes. Im Gegenteil:
„Diese Situation war eine Herausforderung für mich, in der ich merkte, wer meine wahren Freunde sind.“ Stress im Studium habe er auch so, sagt In Suck. Aber das Bild des Musikstudenten, der besonders unter Leistungsdruck zu leiden hat, stimmt nicht mehr: „Heutzutage ist es doch in jedem Studium stressig. Egal ob Musik, Sport oder Publizistik.“
Das Leben geht weiter Kann es sein, dass das Problem ganz wo anders liegt? Dass nicht die Uni zu stressig ist, sondern wir uns selbst zu wichtig nehmen? Dass wir so viel über uns selbst nachdenken, bis wir in die Depression fallen? Die Psychologin Madeleine Garbsch sagt: „Reflexion ändert nichts daran, ob ich krank bin. Jemand, der weniger reflektiert, würde vielleicht eher Alkohol trinken.“
Zumindest bei Marie und In Suck sind bürokratische Hürden Teil des Problems. Auch Rahels Depressionen begannen während des Studiums. Tina bezeichnet die Uni zwar als Rückzugsort, doch durch ihre Krankheit fällt ihr das Studium auch schwerer als anderen. Was die vier Schicksale verbindet, ist, dass die Betroffenen sich irgendwann aufgerafft haben. Sie haben erkannt, dass es ein Problem gibt und versuchen, es in den Griff zu bekommen. Genauso wie jede Krankheit anders verläuft, hat auch jeder andere Vorschläge, wie man damit umgehen soll. Das Wichtigste ist, sich professionelle Hilfe zu holen, sagen die Experten. Bei entsprechenden Stellen an der Uni oder in weiterer Folge bei Psychologen. Tina rät außerdem, dass man aktiv bleiben und die eigenen Ängste bekämpfen sollte. Sie macht sich beispielsweise Termine und zwingt sich so, auch dann außer Haus zu gehen, wenn es ihr sehr schwer fällt. Wenn die Probleme direkt im UniSystem verankert sind, ist es hilfreich, sich Mitstreiter zu suchen, denen es ähnlich geht, sagt Marie. „Auch wenn jeder individuelle Probleme hat, kann man sich gegenseitig Halt geben.“ Vor allem aber sollte man auf die Signale des eigenen Körpers hören und die Probleme annehmen, meint In Suck Jang. Früher übte er acht bis zehn Stunden pro Tag, „weil ich weiterkommen wollte“. Heute übt er manchmal im Durchschnitt nur drei Stunden pro Woche, ein andermal vier bis sechs Stunden am Tag. Zufriedenheit ist ihm wichtiger, als der Beste zu sein. Und Marie sagt einen Satz, der so selbstverständlich klingt, aber vielleicht der wichtigste von allen ist: „Zwischendurch sollte man nicht vergessen, zu leben.“
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INFOBOX FÜR ANLAUFSTELLEN Behindertenbeauftragte der Universitäten z.B.: Uni Wien – Birgit Virtbauer, Referat Student Point, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1 Graz – Barbara Levc, Universitätsplatz 3 Pro Mente Wien – Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit http://www.promente-wien.at/ Psychologische Studierendenberatung (6 Stellen in Österreich) www.studentenberatung.at z.B.: 1080 Wien, Lederergasse 35/4, Tel: 01/402309
Foto: priavt
bekommen? Es sind Fragen, die sich wohl jeder Studierende stellt – manche kommen damit zurecht, andere zerbrechen daran. Dass man zur zweiten Gruppe gehört, ist nicht leicht zuzugeben. „Man bindet das nicht jedem auf die Nase, weil es nicht jeder versteht”, sagt Rahel. Ihre Studienkollegen erfuhren damals nichts von ihren Problemen, Rahel wollte nicht schwach erscheinen. „In sehr leistungsorientierten Fächern wie zum Beispiel BWL ist es besonders hart, wenn man Schwäche zeigt. Dabei ist es keine Schwäche, Depressionen sind Krankheitsphasen. Andere Leute sind dauernd verkühlt oder bekommen einen Bandscheibenvorfall”, sagt Bründler. „Fakt ist, dass man etwas braucht, das einem hilft.” Doch ist es am Ende wirklich so einfach? Ist die Depression nichts anderes als ein Schnupfen? Rahel hat ihr Studium mittlerweile abgeschlossen, mit einiger Verspätung. „Manche in der Gruppe merken schnell, dass es ihnen besser geht und kommen dann nicht mehr. Es ist schön, wenn das passiert”, sagt Rahel. Doch das ist nicht die Regel – die schnelle Heilung gibt es meist nicht. Oft kommen sie wieder – wenn die scheinbar unlösbaren Fragen wieder lauter werden. „Ein Teilnehmer war zwei Jahre dabei”, sagt Rahel. Das Studium wird immer verschulter, gleichzeitig geht jeder Fünfte nebenbei zumindest einem geringfügigen Job nach. Was aber, wenn man depressiv ist, sich fürs Arbeiten zu schwach fühlt und wegen stockendem Studienfortschritt keine Beihilfen mehr bekommt? Eine Depression ist kein Rollstuhl, eine Manie macht nicht blind. Psychische Beeinträchtigungen kann man in den meisten Fällen nicht sehen, man bekommt dafür auch keine extra Beihilfen. Statt dessen brauchen Studierende mit psychischen Problemen oft viel Geld für Therapien. Der finanzielle Druck nimmt zu, statt ab.
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27.09.2012 13:44:41 Uhr