FOTOS: MANON STEINER (2), PRIVAT; KLEBENSCHRIFT: KURT RUDOLF
Csaba (25) hat ein Praktikum im Ausland absolviert – und ist davon begeistert. Allerdings hätte er sich seinen Aufenthalt in Deutschland nicht ohne elterliche und staatliche Unterstützung leisten können.
Marina (23) muss für ihr Studium ein Pflichtpraktikum absolvieren und findet das System gar nicht mal so schlecht. Nach ihrem Studium wird sie ziemlich sicher einen Job finden. einfach irgendjemanden anzustellen und zu schauen, ob das funktioniert. Dieses Risiko will und kann man heute viel weniger eingehen.“ Deshalb würden viele Unternehmen Praktika vergeben, sagt die 31-Jährige. „Oft führt das ja auch zu einer Anstellung.“ Leitl hat ein Problem mit dem Begriff „Generation Praktikum“: „Als hätten Studierende heute keine Wahl. In der Realität kann man sich aber durchaus entscheiden: Mach ich ein Praktikum oder einen Studentenjob? Generation Praktikum, das wirkt, als käme es von außen.“ Also müssen wir doch nicht? Jein, lautet ihre Antwort. Eine bestimmte Anzahl an Praktika werde zwar nicht erwartet, sagt Leitl. Praktische Erfahrungen in einem bestimmten Bereich seien jedoch von Vorteil. „Woher du sie hast, ist unwichtig.“ Für die Jobaussichten ist es also egal, ob man sich während des Studiums bei diversen Projekten engagiert, Sommerjobs annimmt oder eben ein Praktikum macht? Das stimmt nur in der Theorie. Viele Studierende haben nicht die Wahl, wie Marina R. Die 23Jährige belegt Physiotherapie an der FH Campus Wien und muss im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung insgesamt zehn Praktika machen. Das ist im Studienplan so vorgesehen. Die Praktika werden den Studierenden zugeteilt – und sind unbezahlt, sagt Marina. Die Anforderungen sind groß: „In den letzten drei Monaten DURST 1/14
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unseres Studiums bekommen wir ein 40-Stunden Praktikum aufgehalst, müssen nebenbei unsere Bachelorarbeit schreiben und Abschlussprüfungen machen.“ Generell findet sie das System aber nicht schlecht, da gerade in ihrem Beruf Praxiserfahrung enorm wichtig ist: „Es ist Teil der Ausbildung und deshalb schwer zu sagen, ob es gerechtfertigt ist. Mich stört, dass es in Wien nicht für alle eine Praktikumsstelle gibt. Ich muss mir dann selber etwas in einem anderen Bundesland suchen.“
HARTE KONKURRENZ Zu viele Studenten, zu wenige Praktika, von einer anschließenden Anstellung und fairen Bezahlung ganz zu schweigen. Die Konkurrenz ist groß und gute Praktikumsplätze sind rar. Dessen ist sich auch Leitl vom Uniport bewusst: „Es hat mit Angebot und Nachfrage sowie Unternehmenswerten zu tun. Es gibt zum Glück auch jene, die bewusst zahlen.“ Das ist laut einer Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) vom November 2013 aber nur maximal die Hälfte der Unternehmen. Demnach sind nur ein Drittel der rund 40.000 Pflichtpraktika und zwei Drittel der freiwilligen Praktika bezahlt, wobei Frauen öfter Praktika machen und seltener bezahlt werden. Bei technischen Studien sei die Lage
generell besser. Dennoch muss man bei bezahlten Praktika, die meist unter dem Mindestlohn ausfallen, häufig die Arbeit eines Vollzeit-Angestellten übernehmen. Auch Marina findet: „Du kannst dir alle zehn Finger abschlecken, wenn du einen bezahlten Job bekommst. Oft machst du als Praktikant ja wirklich Arbeit, die jemand anderer machen sollte.“ Die Erfahrung hat sie selbst schon gemacht. „Ich hatte ein Praktikum, bei dem meine Praktikumsleiterin die Hälfte der Zeit nicht da war. Da habe ich alle Patienten übernommen. Das war anstrengend, aber auch sehr interessant.“ Vor allem der Umgang mit Praktikanten lasse in Teilen ihrer Branche zu wünschen übrig, sagt die 23Jährige. „In einem Praktikum wurde mir gleich am Anfang ein Zettel mit der Krankenhaushierarchie hingelegt. Dann hat die verantwortliche Dame gesagt: Hier ist deine Vorgesetzte, hier bin ich und da ganz unten bist du. Sie hat uns auch gleich zu einer 40-Stunden-Woche verdonnert, obwohl wir eigentlich eine 35-Stunden-Woche vereinbart hatten.“ Immerhin hat Marina nach ihrem Studium einen Job. Diese Sicherheit ist heutzutage ein Privileg – vor allem bei Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften, wo die Praktika tendenziell am schlechtesten sind. Das weiß auch Sarah Kohlmaier. Die 29-Jährige hat Kultur- und Sozialanthropologie studiert und berät heute am Uniport Studierende, die genauso unentschlossen sind, wie sie selbst es einmal war. Früher hat sie Studentenjobs einem Praktikum vorgezogen. Bereut hat sie das erst im Nachhinein: „Ich habe unterschätzt, wie wenig praktisch anwendbar mein Studium ist. Bis ich wirklich fachlich arbeiten konnte, musste ich erst lernen, mich in der Arbeitswelt zurechtzufinden.“ Mittlerweile weiß sie: „Der Preis kann höher sein, wenn man es erst nach dem Studium macht oder darauf wartet, bis das perfekte Praktikum daherkommt.“ Leitl bestätigt: „Ich werde nie den Satz einer Seminarleiterin aus der Praxis vergessen, die meinte: Wenn ihr direkt aus dem Studium kommt, werdet ihr keine Chance haben. Ich will Leute mit praktischer Erfahrung.“ Damals, als Leitl Psychologie im Diplom studierte, war zumindest ein Praktikum verpflichtend. Doch sie hatte Glück: „Ich hatte eine Betreuerin bei meinem Praktikum, die ihren Job sehr ernst genommen hat. Sie bildete mich gut weiter und stellte mich Kollegen vor. So konnte ich
mir ein Netzwerk aufbauen.“ Trotz Kritik an gängigen Praktikumsverhältnissen weiß sie, wie wichtig ihre Erfahrungen für ihre Karriere waren: „Man sollte sich über die momentane gesellschaftspolitische Situation im Klaren sein und sich überlegen, wie man dazu steht. Ich persönlich finde es nicht gut, habe mich aber trotzdem bewusst für ein unbezahltes Praktikum entschieden. Weil der Nutzen für mich größer war.“
EUROPAWEITE STANDARDS FEHLEN Fakt ist, dass der Arbeitsmarkt härter geworden ist. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Absolventen beinahe verdoppelt, was vor allem mit der Umstellung auf das Bologna-System zu tun hat, das einen schnelleren und leichteren Studienabschluss ermöglicht. Daher ist es wenig verwunderlich, dass die generellen Anforderungen an Absolventen gestiegen sind. Ein Bachelor alleine reicht heute kaum aus. Zumindest nicht ohne einschlägige Praxiserfahrung. Das wissen auch junge Akademiker. Laut der Studierenden-Sozialerhebung von 2011 haben 43 Prozent aller Studierenden in Österreich zumindest ein Praktikum freiwillig absolviert, davon sind Fachhochschulen ausgenommen. In anderen EU-Staaten sieht es ähnlich aus. Nach der Eurobarometer-Umfrage der Europäischen Kommission vom Mai 2013 haben 46 Prozent der insgesamt 12.921 Befragten zwischen 18 und 35 Jahren zumindest ein Praktikum gemacht, davon mehr als die Hälfte unentgeltlich. Etwa jedes dritte Praktikum sei in Bezug auf Lerninhalt oder Arbeitsbedingungen unzureichend, so die Kritik der Studienautoren. Dass es Beschäftigungsverhältnisse wie diese gibt, sei zum Teil auf unzureichende oder inexistente Regelungen zurückzuführen. Oft seien sich Praktikanten aufgrund der mangelnden gesetzlichen Definition nicht über ihre Rechte im Klaren. Der Unterschied zwischen einem Arbeitsverhältnis (Eingliederung in den Arbeitsprozess, Weisungsgebundenheit, persönliche Arbeitspflicht, Recht auf Entgelt) und einem Ausbildungsverhältnis sei oft schwammig und werde meist nicht vertraglich geregelt, kritisiert die Arbeiterkammer Wien. Deshalb solle man sich vor Antritt des Praktikums über die „genaue Tätigkeit, Beginn und Ende der Beschäftigung, Arbeitszeit, Entlohnung, eventuell Kost und Quartier sowie die Kollektivvertrags-Zugehörigkeit des Betriebes
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