Hut-Couture. Die Designerin Claudia Köcher entwirft und fertigt kreative Kopfbedeckungen
federn vom Bauern aus dem nahen Dorf färbt oder Haute-Couture-Stickereien anfertigt. Auch für sie gibt es keine Trennung zwischen Kunst und Handwerk. „Ich bin Künstlerin, die mit den Händen arbeitet.“ Und das oft viele Stunden lang. „Wenn ich eine Idee habe, muss die raus. Dann ist egal, wie lange das dauert oder wer das irgendwann kaufen und bezahlen soll.“ Einen Monat lang knüpfte sie Tausende winzige Tüllstreifen zu zwei Hasenohren. „Die Stadt hat eine besondere Energie. Ich komme hier runter und habe die Muse, meine Visionen umzusetzen.“ Inspiriert wird sie dabei von den vielen kreativen Geistern vor ihr. So war beispielsweise ihr früheres WGZimmer das Arbeitszimmer von Wassily Kandinsky. Um Kreativität geht es auch in der schicken Artographie-Werkstatt von
Christiane Werth einige Gassen weiter. Sie hat Mediengestaltung studiert, heute entwirft und produziert sie hübsche Büroartikel. Ihr Geschäft ist voll mit schönen Dingen. „Gerade Gegenstände, die man jeden Tag in die Hand nimmt, sollten doch gut aussehen.“ Der Laden ist aus ihrer Abschlussarbeit auf der Bauhaus-Uni entstanden. „Ich hatte schon das gesamte Konzept, ich musste mich nur noch trauen, es umzusetzen.“ Wenige Schritte weiter öffnet sich die Gasse hin zu einem Platz. Hier befindet sich der Markt voller Historie, so weit das Auge reicht. Die bunten, schmuck renovierten Renaissancebauten an seiner Ostflanke sind Weltkulturerbe, vor ihnen plätschert der älteste Brunnen Weimars. Aus ihm haben schon 1540 die Marktschreier Wasser für die heiseren Kehlen geschöpft. Hier atmet man
das klassische Weimar. Wie seinerzeit werden Obst, Gemüse und Kunsthandwerk verkauft, jährlich feiert die Stadt hier den beliebten Zwiebelmarkt. In einer bunten Schlange zwischen Bauarbeitern, Studenten und rüstigen Rentnerinnen mit Spitzensonnenschirm stellt man sich bereits am Vormittag für die Rostbratwurst an. Durch Frauentor und Schillerstraße, vorbei am Denkmal von Goethe und Schiller macht sich die Gruppe Studenten schmatzend und schwatzend auf den Weg zur Universität. Am Wielandplatz gibt es eine kurze Verzögerung und Gelächter. An diesem Morgen hat Christoph Martin Wieland eine Bierflasche in der Hand. Aber für die jungen Rabauken in ihrem Sturm und Drang hatte der alte Dichter ja schon vor 300 Jahren Verständnis.
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