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SCHWERPUNKT

– Schwerpunkt: Editor’s Choice –Kinder- und Jugendliteratur

Auch Bilder können poetisch sein. Diese Illustration stammt aus „Tage ohne dich“ (Tyrolia). Ein Interview mit der Autorin und Illustratorin Linda Wolfsgruber lesen Sie auf S. 28

Rhythmus und Reim

Lyrik hat dieser Tage einen schweren Stand. Man liest kaum mehr Gedichte, sie verkaufen sich nur in Ausnahmefällen gut. Diese Ausnahmen sind häufig Bücher mit Gedichten für Kinder. Die Begeisterung für lyrische Sprache und Gereimtes wird uns Menschen in die Wiege gelegt. Ihre Bedeutung für den Spracherwerb und für das Selbstbewusstsein der Kinder ist so groß, dass man eigentlich allen Kindern zur Geburt ein Buch mich Reimen schenken sollte.

Gedichtbücher für Kinder werden trotzdem seltener. Glücklicherweise sind sie aber noch nicht ganz verschwunden. Es werden nach wie vor Titel mit Kindergedichten verlegt. Manche dieser Bücher sind so schön, dass man fast selbst wieder klein sein möchte, um sie wirklich zu verstehen. Zum Beispiel diese vier.

Die Gedichte in „Mit Worten will ich dich umarmen“ (Tyrolia) erzählen über Zuneigung, Angst, Trauer, Abenteuerlust und Entdeckerfreude. Manche reimen sich, aber

Die Gedichte in diesen Büchern handeln von dem, was in einem Kinderleben wichtig ist: Glück, Trauer, Staunen, Freude an der Sprache – also eigentlich von Dingen, die für uns alle wichtig sind

Text: Linn Ritsch nicht alle, oft muss man lächeln, manchmal laut lachen. Viele leben vom stillen Raum zwischen den Worten.

Solche Gedichte für Kinder zu schreiben, ohne belehrend, überkandidelt oder platt zu werden, kann nicht jeder. Lena Raubaum kann es. Beim Lesen, Vorlesen und Zuhören fühlt man, welche Freude die Autorin an Worten hat. Sie sind ihr Werkzeug und Spielzeug. Was ist zum Beispiel der Zeitgeist? In Lena Raubaums Zehnwortgedicht kann er fliegen: „Ich bin nur auf Zeit Geist / manchmal bin ich Fee“. Und wenn die Traurigkeit zu Besuch kommt und einfach nicht mehr gehen will, wird ihr eine Torte angeboten.

Katja Seifert hat die „Gedichte und Gedanken“ illustriert. Ihre Bilder sind genauso zart und liebevoll wie die Texte. Ohne sich aufzudrängen, unterstützen sie die Stimmungen in den Gedichten oder geben den Wortwitzen eine zusätzliche Bedeutung.

Sprachspiele und Wortwitze gibt es auch in Markus Köhles „Ganz schön frech“

(Luftschacht Verlag). Wie der Tag der meisten Kinder beginnt das Buch mit einem Frühstück: „Honig ist die Frucht von Bienen / Müsli ist Gatsch mit Rosinen. Tee ist Energie in Tassen / Schule ist Kinder in Klassen. Semmeln sind Sonnen zum Essen / Was Vitamine sind, hab ich vergessen“.

Es folgen Gedichte über Mut, Tanten und Onkel, das Frechsein und den Schlotterroboter. Sie sprechen mit den Kindern, für die sie geschrieben sind. Markus Köhle spürt sehr genau, worüber Kinder nachdenken und was sie lustig finden. Aber er spricht auch mit den Erwachsenen, die sie vorlesen und mit Stimmfarbe und Rhythmus die Gedichte interpretieren. „Ganz schön frech“ ist in jeder Hinsicht ein buntes Buch. Das wäre es auch ohne Bebilderung – ohne Robert Göschls Illustrationen wäre es aber deutlich ärmer.

An bunten Bildern freuen sich bereits ganz kleine Kinder. Ebenso sehr wie an Gedichten in regelmäßigen Versmaßen: Rhythmisches Sprechen erinnert an das rhythmische Geschaukel im Bauch der Mutter, es wirkt also beruhigend und ruft positive Assoziationen hervor. Das „Alphabet der Träume“ (dtv) von Hanna Johansen kann man daher Kindern vorlesen, lange bevor sie die Buchstabengedichte darin verstehen.

Ein paar Jahre später, wenn die Kinder beginnen das Alphabet zu lernen, kann man die liebevoll illustrierten Texte gemeinsam lesen: Dann stehen die Reime im Vordergrund. Sie sind verspielt, sehr fantasievoll und witzig – und schauerlich. Sich vor dem Einschlafen ein bisschen zu gruseln ist aber sehr schön, schließlich kann man sich an den Vorleser oder die Vorleserin anschmiegen, wenn es zu düster wird. Und den Schauer am Schluss weglachen – oder aus einem Albtraum wieder aufwachen: „Es gibt so viele schlimme Sachen / die man albträumen kann. Lebendig wieder aufzuwachen / ist das Schönste dran“.

Man kann sich kaum entscheiden, was das Schönste an Sigrid Eyb-Greens „Alles dreht sich, alles fliegt (Luftschacht Verlag) ist. Vielleicht die Bilder, die seitenfüllend die Texte umrahmen. Sie sind nicht nur Begleitungen oder Ergänzungen für die Texte, sondern Gedichte für die Augen. Die Gedichte, die Sigrid Eyb-Green nicht gezeichnet, sondern geschrieben hat, führen in eine Fantasiewelt, in der Ringelsocken Ringelspiel fahren, Herr Vogelsang einen Schlafsack für seinen Wurm strickt und der Südwind seine Runden dreht – poetisches Leben.

Alles dreht sich, alles fliegt ISBN: 978-37026-5925-7

Mit Worten will ich dich

umarmen ISBN: 978-37022-3958-9

Markus Köhle: Ganz schön frech! ISBN 978-3903081-43-7

Alphabet der Träume ISBN: 978-3-42364097-8

Lieblingsthemen selbst erLESEN

ISBN 978-3-7886-7728-2 7728-2 ISBN 978-3-7886-

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– Schwerpunkt –Kinder- und Jugendliteratur

Von ängstlichen Prinzen, wütenden Dinosauriern und Abenteuerreisen

Leporello, Wien

Bald anderthalb Jahre ist es her, dass die Leporello Buchhandlung in der Wiener Innenstadt von der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung übernommen wurde und somit neue Ideen und neue Mitarbeiter:innen in die schönen Räumlichkeiten zogen. Wer das Geschäft unweit des Stephansdoms kennt, weiß: Es ist klein und gemütlich. „In unserer Buchhandlung ist der Platz kostbar, weshalb auch unser Sortiment sorgfältig ausgewählt ist“, sagt Klaudia Grünfelder, die seit der Übernahme zum Leporello-Team gehört und die Kinder- und Jugendbuchabteilung mit großer Liebe zur Sache leitet.

Platz für Aufsteller findet sich kaum, Klaudia Grünfelder und ihr Team sorgen jedoch auf den vorhandenen Präsentationsflächen für Abwechslung und bestücken diese so oft wie möglich mit neuen Titeln. Wo kein Platz ist, „werden Bücher kunstvoll übereinandergestapelt“, sagt sie schmunzelnd. Bei (jungen) Kund:innen und Verkäufer:innen gleichermaßen als Präsentationsfläche und Leseecke inmitten der Bücherstapel beliebt sei die Kinderbuchtreppe.

Wichtig sei es, stets Platz für aktuelle Themen zu haben, die Kinder und Jugendliche beschäftigen – etwa für Kathrin Köllers Titel „Queergestreift (Hanser). „Ein wunderbares Sachbuch“, sagt Grünfelder, das rund um das Thema LGBTQ+ kreist. „Kinder und Jugendliche müssen in Buchhandlungen Bücher finden, mit denen sie sich identifizieren können und gesehen fühlen“, sagt Grünfelder. Mit Vorurteilen, Stereotypen und Zuschreibungen aufräumen will auch Karrie Fransman mit „Der Prinz auf

der Erbse und andere umgekrempelte

Märchen“ (Kein & Aber). Hier trifft Aschenpeter, der von seinen Brüdern getriezt wird, auf den kleinen Rotkäppchen und die Wölfin sowie auf den Schönen, der sich in eine Bestie verliebt. Nicht nur die Ideen und Geschichten seien toll, auch die Illustrationen hochwertig und ansprechend – „ein tolles Vorlesebuch mit modernen Märchen“, so die Buchhändlerin.

Sie beobachtet außerdem einen Trend: jenen zu Comic-Romanen. Besonders empfehlen könne sie Band 1 der Comic-Buchreihe „Das magische Baumhaus: Im Tal der Dinosaurier“ (Loewe Verlag). „Die Bücher haben einen ansprechenden Zeichenstil und nicht zu viel Text.“

Ein Herzenstipp für Kinder ab zehn Jahren sei „Die abenteuerliche Reise des Leopold Morsch“ von Gregor Wolf (Ueberreuter Verlag). „Leider sind klassische AbenteuerBücher etwas aus der Mode gekommen, aber ich versuche immer noch Leser:innen dafür zu begeistern.“ Mit einem „Hauch Tolkien“ sei das Buch „etwas schräg, aber wunderbar magisch“.

Für die Kleinsten empfiehlt Grünfelder die im Magellan Verlag publizierten „toll illustrierten“ Vorlese- und Bilderbücher von Rachel Bright, die mit Texten in Reimform Themen wie Angst, teilen lernen, Mut oder Streit abhandelt – so auch der neueste Titel „Der Stampfosaurus“, der vom kleinen Dinosaurier handelt, der zornig ist. „Sehr gut, um mit Kindern behutsam das Thema Wut anzugehen.“

Text: Elisabeth Krenn-Stuppnig

„Kinder müssen in einer Buchhandlung Bücher finden, mit denen sie sich identifizieen können“

Klaudia Grünfelder

ISBN: 978-3-7348-2140-0 ISBN: 978-3-446-27258-3 ISBN: 978-3-0369-5866-8 ISBN: 978-3-7855-3591-2 ISBN: 978-3-7641-2004-7

– Schwerpunkt –Kinder- und Jugendliteratur

Fantastisch, einfühlsam und philosophisch

Buchinsel, Wien

Es ist keine leichte Aufgabe, Jugendliteratur zu empfehlen“, sagt die Buchhändlerin Lioba Bauer von der Buchinsel im 5. Wiener Gemeindebezirk. Besonders männliche Jugendliche der „Generation TikTok“ würden ab Ende des Pflichtschulalters bis zu einem Alter von etwa 15 Jahren weniger zu belletristischen Jugendbüchern greifen – dann, wenn Eltern aufhören, für Lesenachschub zu Lioba Bauer sorgen.

Ein „weltweit bekanntes und oftmals beklagtes Phänomen“, sagt die ehemalige Schulbibliothekarin und AHS-Lehrerin für Deutsch und Geschichte, die ihre Buchhandlung in der Margaretenstraße vor rund zehn Jahren eröffnet hat. Eine Ausnahme würden Fantasyreihen bilden, die jedoch mit ihren meist vielen Bänden in vielen kleineren Buchhandlungen kaum Platz finden. Eine kurze, empfehlenswerte Reihe sei „Die Spiegelreisende“ (Insel Verlag). Christelle Dabos erzählt in vier Bänden die Geschichte der jungen Ophelia. „Sogar ich, absolut kein ,Fantasyfan‘, werde in den Sog dieser Geschichte gezogen“, sagt Bauer.

In die Welt der realen Orte und Emotionen begeben sich Volksschulkinder und deren Eltern hingegen bei der Lektüre von Stefanie Höflers Roman „Helsin Apelsin und der Spinner“ (Beltz Verlag). „Darin wird die Geschichte von Louis, dem ,Neuen in der Klasse‘, erzählt, der sich von den Wutausbrüchen Helsins nicht beeindrucken lässt, ihre Freundschaft gewinnt und gemeinsam mit ihr zahlreiche Abenteuer erlebt.“ Die Geschichte sei „einfühlsam und spannend erzählt ohne vordergründigen pädagogischen Zeigefinger“, meint Bauer. Ebenfalls von Höfler erscheint im Juli eine weitere Empfehlung der Buchhändlerin: „Feuerwanzen lügen nicht“. Eine „spannende Geschichte über Lüge und Wahrheit, die mit originellen Protagonist:innen viele Leser:innen in ihren Bann ziehen wird.“

Dass Kindern philosophische Themen zumutbar sind, zeigt auch „Der Moment, bevor“ (Tyrolia) von Ela Wildberger, mit zarten Illustrationen von Linda Wolfsgruber. Das „stille und besinnliche“ Buch werfe anhand alltäglicher Situationen Fragen zu essenziellen Themen auf, die zu ElternKind-Gesprächen führen. Auch für die Kleinsten hat Bauer eine Buchempfehlung parat: „Das Apfelwunder“ (Fischer-Sauerländer) von Hans-Christian Schmidt mit Illustrationen von Andreas Német sei ein Pappbilderbuch zum Ziehen und Klappen, das „das Leben eines Apfels von der Blüte bis zum Apfelbutzen lebendig vor Augen führt“.

„Kurz und empfehlenswert: ,Die Spiegelreisende‘“

FOTO: MAVRIČ ISBN: 978-3-7022-3954-1 ISBN: 978-3-407-75683-1 ISBN: 978-3-407-75554-4 ISBN: 978-3-458-36486-3

redt wieder wienerisch!

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ISBN 978-3-7704-0247-2 15.00 € (D), 15.50 € (A) Ab 10. September 2022

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