Intransparenz, Skandale, Prozesse: die Schweiz und ihre Rohstoffhändler (Public Eye Magazin Nr. 25)

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PUBLIC EYE MAGAZIN  Nr. 25  September 2020

© Fabian Biasio

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Schweizer «Dirty Diesel»: übler als das Gebräu aus der Buschraffinerie Versteckt im Gewirr der Flussarme des Nigerdeltas wird mit einfachsten Mitteln aus gestohlenem Rohöl Benzin und Diesel gebraut – ohne Raffinerien oder Katalysatoren. Dass dabei dreckiger Treibstoff entsteht, kann kaum überraschen. Doch nun zeigt eine Studie: Der Treibstoff, den die Schweizer Firma Vitol importiert und an ihren Tankstellen verkauft, ist sogar noch übler. ANDREAS MISSBACH

Es ist ein auf den ersten Blick schwer verständliches Paradox: Nigeria exportiert pro Tag zehnmal mehr bestes schwefelreiches Rohöl, als die Schweiz verbraucht – und muss doch in grossem Stil Treibstoffe importieren. Wie wir 2016 in unserer «Dirty Diesel»-Recherche gezeigt haben, kommen diese wie in anderen westafrikanischen Ländern zu grossen Teilen von Schweizer Händlern; und ihr Schwefelgehalt übersteigt die Schweizer Norm oft mehrhundertfach. Die vier staatlichen Raffinerien in Nigeria sind entweder ausser Betrieb oder arbeiten mit stark reduzierter Kapazität. Die Lücke füllen neben den massiven Importen lokal und illegal gebraute Treibstoffe. Die Anzahl von «Buschraffinerien» und deren Produktions­ volumen haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Sie steuern mittlerweile zwischen fünf und 20 Prozent

des gesamten Benzin- und Dieselbedarfs N ­ igerias bei. Die primitiven Anlagen sind hochgefährlich: Sie verschmutzen die Luft, das Wasser und den Boden in den Mangrovensümpfen; immer wieder kommt es zu Explosionen. Aber sie sind eine wichtige Einnahmequelle für die verarmte Bevölkerung im Delta, die sonst nichts vom enormen Erdölreichtum der Region abkriegt. Eine Partnerorganisation von Public Eye, das ­nigerianisch-britische Stakeholder Democracy Network (SDN), hat nun die gesundheitlichen Auswirkungen beim Verbrauch dieser illegalen Treibstoffe unter die Lupe genommen. Sie nahm sich dafür unser Vorgehen bei der «Dirty Diesel»-Recherche zum Vorbild und analysierte Treibstoffproben. Um einen Vergleichsmassstab zu haben, untersuchte das SDN auch offizielle Samples aus Tankstellen von internationalen und lokalen Konzernen – in


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