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ESBJÖRN NYSTRÖM

Der dänische Dichter Adam Oehlenschläger sollte durch seinen epischen Gedichtzyklus „Helge“ (1814) Tegnér vom Potenzial der altnordischen Stoffe in der zeitgenössischen Versepik überzeugen und den Ansporn zu eigenen Umsetzungen geben. Tegnér nahm als Vorlage für seinen Versuch in dieser Gattung die altisländische Saga „Friðþjófs saga ins frækna“ (im 13. oder 14. Jahrhundert entstanden oder niedergeschrieben), die er laut eigener Angabe seit seiner frühen Kindheit kannte und in einer dreisprachigen Ausgabe (Altisländisch, Schwedisch, Latein) von 1737 benutzte (vgl. Lundquist 1986: 156). Wie Lönnroth darlegt, bleibt die „ambivalente“ Einstellung Tegnérs zum Altnordischen auch noch in „Frithiofs saga“ erhalten – ja, gerade „die Widersprüche und nicht zuletzt das Schwanken, was die Haltbarkeit des götischen Programms betrifft, machen das hervorragendste götische Gedicht, ‚Frithiofs saga‘, zu einem poetischen Meisterwerk“ (Lönnroth 2001:26).4 Es sei Tegnér, so Lönnroth, nur deshalb möglich gewesen, das „götische Programm“ zu erneuern, weil er es nie vollends akzeptiert habe, sondern es „im Licht klassischer Dichtung und seiner eigenen sehr besonderen Variante klassischer Ästhetik umgedeutet hat“ (ebd., 5).5 Bemerkenswert ist vor allem der seelische Ausgleich, den das klassische Gedankenerbe mit sich bringt: zwischen den wilden Urkräften des Nordens und dem beherrschten, harmonischen, schönen Süden. Das klassische Erbe blieb dem Gräzisten Tegnér von entscheidender Bedeutung, was in „Frithiofs saga“ wiederholt durchschimmert, vor allem in der Verehrung von Griechenland. Darüber hinaus hat Tegnér durch Verschiebungen in der Handlung der Intrige und durch Hinzufügung eines neuen philosophischen Inhalts einen gegenüber der Saga neuen Motivkomplex geschaffen, der für seinen epischen Gedichtzyklus zentral ist: das Motiv von Schuld und Versöhnung (vgl. Schück/Warburg 1929: 585). Bemerkenswert an „Frithiofs saga“ ist auch, wie Tegnér die Ausdrucksmittel und Versmaße von Gedicht zu

Im Orig.: „motsägelserna och inte minst tveksamheten om det götiska programmets hållbarhet […] gör Tegnérs främsta götiska dikt ,Frithiofs saga, till ett poetiskt mästerverk“. 5 Im Orig.: „omtolkade den i ljuset av klassisk diktning och sin egen mycket speciella variant av klassisk estetik“. 4


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