Bike meets architecture

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DEZEMBER 12/2017

HOTOSPECIAL

RED BULL RAMPAGE IST DAS MEGA-EVENT NOCH ZEITGEMÄSS?

MEGA GALLERY

FREE THE RIDE

U N S E R B I L D G E W A LT I G E R JAHRESRÜCKBLICK

GIBT ES IN DEUTSCHL AND NOCH ECHTES FREERIDEN?

NEUE PERSPEKTIVEN

w w w. m t b r i d e r. d e

Deutschland € 4,90 • Österreich € 5,50 Schweiz sfr 9,60 • Benelux € 5,60 • Italien € 6,90 C44850 Spanien € 6,90

D I R TJ U M P F L I R T E T M I T A R C H I T E K T U R

IN DIESER AUSGABE:

P H OTO S P E C I A L : M E GA GA L L E RY • • • R E D B U L L R A M PAG E • • • F R E E T H E R I D E • • • N E U E P E R S P E K T I V E N

#201

E U ROPA S GRÖ S S T E S F R E E R I DE - M AG A Z I N

DEZEMBER 12/2017

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FLIRTING WITH

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ONCRETE NEUE PERSPEKTIVEN BRAUCHT DAS LAND – UND ERIK HÖLPERL LIEFERT.

Wie ihr schon an unserem Cover gemerkt habt, steht diese Ausgabe unter einem etwas anderen Stern: Wir wollen einen neuen Blick auf die Dinge gewinnen. Und die entrückten Schnappschüsse von Erik Hölperl waren da genau richtig.

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Text: Felix Hens Fotos: Erik Hölperl

Erik ist zu den entlegendsten Ecken Europas unterwegs, um Gebäude oder Denkmäler wie dieses zu finden – und zu befahren.

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Ich habe eine Faszination für besondere Orte und Gebäude entwickelt, die sich auch in meinen Serien niederschlägt.

Erik ist ein Fotograf und Filmer aus Weimar, auf den wir durch seine architektonischen Shots aufmerksam geworden sind, die so ganz anders sind als alles, was man sonst so sieht. Außerdem lässt er das Streeten wieder auferstehen, was wir ebenfalls sehr sympathisch finden. Aber genug Gequatsche von uns. Fragen wir den Kerl doch einfach mal selbst, was er so mit den Bildern im Sinn hatte! Hey Erik, danke für deine Zeit und die Inspiration! Kannst du uns zu Beginn vielleicht ein paar Takte zu dir erzählen? Na klar! Ich bin Erik Hölperl, 29 Jahre alt, bin Fotograf und habe Visuelle Kommunikation am Bauhaus studiert. Ich fahre Rad, seit ich 17 bin und bin viel auf dem Dirtbike unterwegs. Ich fahre so ziemlich alles, was zwei Räder und einen Lenker hat, aber auf meinem Mountainbike fühle ich mich am wohlsten. Auch wenn die Fotos es anders aussehen lassen, fahre ich auch häufig Touren oder mit dem Downhillrad den Berg runter. Ich habe eine gewisse Faszination für besondere Orte und Gebäude entwickelt, die sich auch in meinen Serien niederschlägt. Wenn ich nichts mit Rädern mache, fotografiere ich auch „normal“ kommerziell oder für die Presse. Nebenbei bin ich ein zertifizierter Photograph für Krisenregionen, was mich bei meinen Arbeiten

Das Planetarium in Wolfsburg hat eine perfekte Halfpipe als Dach. Wer würde da nicht in Versuchung kommen?

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Ich glaube, es ist wichtig, den Menschen ihre Hinterlassenschaften zu zeigen, damit dieser Stil nicht in Vergessenheit gerät und man sich an die Menschen erinnert, die sie erbaut haben.

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auch in ehemalige Kriegsgebiete führt. Darüber hinaus bin ich inzwischen sogar fast noch mehr für meine Bewegtbilder bekannt. (Anm. d. Red.: Unter www.vimeo.com/erik könnt ihr diese bewundern.) Das klingt ja nach einem wilden Mix! Wie kamst du denn zur Fotografie und was war zuerst da: Fahren oder Knipsen? Beides startete ungefähr zur gleichen Zeit und wuchs in einer ähnlichen Geschwindigkeit nebeneinander. Auch hat es sich gegenseitig nicht behindert, sondern eher in einer Symbiose miteinander entwickelt. Es begann wohl damit, dass wir immer krassere Sachen auf dem Rad machten und das irgendwann auch dokumentieren wollten. Am Anfang habe ich immer nur meine Freunde fotografiert, dann kamen kleinere Aufträge, und irgendwann wurde daraus ein FulltimeJob. Und da man mit reinen Bikebildern nur schwer Geld generieren kann, nahm ich auch

andere Aufträge an, die inzwischen meine Brötchen verdienen. Na, dann haben wir ja alle etwas von deiner Arbeit. Aber was hat dich eigentlich dazu bewegt, Gebäude zu fotografieren, und warum ausgerechnet diese? Wie gesagt habe ich am Bauhaus studiert, dort kommt man zwangsläufig in Kontakt mit der Architektur und anderen Disziplinen. Mein generelles Interesse an diesem Thema war also geweckt, und irgendwann stand ich vor einem Gebäude, das ich einfach außergewöhnlich fand und dachte mir: „Wer das wohl gebaut hat?“ Es war dann ein Leichtes, in der Bibliothek zu recherchieren, um herauszufinden, dass es von Ulrich Müther stammte, einem ostdeutschen Architekt. Stammen denn alle Gebäude, die du fotografiert hast, von Müther? Nein, aber viele. Man erkennt sie an den runden Formen und der auffälligen Konstruktion. Die Denkmäler sind zum Beispiel nicht von ihm. Mir ging es tatsächlich auch nicht um den Architekten, sondern um die Gebäude und darum, sie, naja, wenn man so will „zweckzuentfremden“. Ich möchte einfach eine ungewohnte Interaktion mit den Gebäuden eingehen und mit meinen Bildern davon erzählen.

Klar, um mit dem Bike darauf herumzuspringen, sind sie wohl nicht gedacht. Genau. Außerdem finde ich es spannend, diese Gebäude und Denkmäler wiederzuentdecken: Manche liegen seit Jahren brach oder stehen, wie die Denkmäler, einfach in der Wildnis, als hätte man sie dort vergessen. Es ist, als würde ich sie aus einem langen Schlaf wecken, um mit ihnen zu arbeiten. Manchmal muss ich dafür auch lange fahren, mich in fremde Länder begeben oder wirklich durch die Wildnis schlagen. Das hat für mich etwas von modernem Entdeckertum und macht das ganze nur noch interessanter! Erik der Eroberer, verstehe. Und wie kam es zu der Häufung dieser Bilder? Das ist ganz einfach: Jeder anständige Fotograf arbeitet bei solchen Projekten in Serien – also mit ähnlichen Motiven, Perspektiven oder Produktionsarten. Bei mir waren das eben diese Gebäude oder Denkmäler, die jeweils eine eigene Serie darstellen, zusammen mit meiner Art, sie zu fotografieren.

Was sonst nur Architekten begeistert, findet dank Erik auch Platz in unseren erdgefüllten Herzen.

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Es ist, als würde ich die Gebäude und Denkmäler aus einem langen Schlaf wecken, um mit ihnen zu arbeiten.

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Und jetzt kommen wir zum noch interessanteren Teil, nämlich genau dieser Art der Fotografie. Du bist ja als Fotograf und als Fahrer unterwegs. Da könnte man meinen, dass du „nur“ fährst, tatsächlich machst du aber alles selbst, richtig? Genau. Ich habe vor Jahren damit angefangen, solche Orte zu entdecken. Da war nicht immer jemand dabei, so dass ich mir eine Lösung überlegen musste, wie das Bild entstehen sollte. Also bin ich dazu übergegangen, mit einem Countdown zu arbeiten, den ich vorher in etwa abschätze und dann auf dem Weg zum Dach und beim Anrollen auf den Sprung mitzähle. Nach Ablauf füllt die Kamera dann ein Zeitfenster von zwei Sekunden mit Bildern, in dem dann alles klappen muss. Das war anfangs etwas tricky, inzwischen habe ich aber den Dreh raus und bekomme meist beim ersten Versuch das gewünschte Bild. So kommt es, dass ich bei allen Bildern Fahrer und Fotograf bin. Nur bei wirklich kniffligen Objekten, bei denen ich mich vollkommen auf die Anfahrt konzentrieren muss, hole ich mir manchmal Hilfe dazu; ich stelle alles ein, Belichtung, Blende und Bildausschnitt, die Person muss dann nur noch auf den Auslöser drücken.

Wer baut sowas? Und warum? Bei manchen der Objekte von Eriks Serien könnte man den Eindruck haben, Außerirdische hätten sie auf dieser Erde zurück gelassen.

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In Montenegro ging das sogar so weit, dass ich von Zivilpolizisten festgehalten wurde und nur mit Ach und Krach zu meinem Auto kam

Das klingt nach einem schwierigen Unterfangen. Was für Equipment nutzt du denn? Hast du eine Kletterausrüstung oder so was dabei? Haha, tatsächlich bin ich dazu übergegangen, eine Teleskopleiter mitzuschleppen, die bis auf, ich glaube, vier Meter ausziehbar ist. Damit komme ich eigentlich fast überall hoch – sehe aber auch ein klein wenig aus wie ein Einbrecher. Ansonsten habe ich immer ein Stativ dabei, egal, ob ich alleine oder mit Assistent fotografiere. Generell bin ich ein Canon-Photograph, die Bilder in diesem Heft sind beispielsweise mit einer Canon 5D entstanden. Ich habe gerne Kameras, die sowohl Bilder als auch Filme aufnehmen können, weil ich auf meinen Tripps nur leichtes Gepäck mitnehmen möchte. Da ist die 5D als Vollformat-Kamera mit Video-Funktion natürlich perfekt. Für manche Gebäude nutze ich ein Tilt-Shift-Objektiv, das sonst nur in der ArchitekturPhotographie Verwendung findet. Dadurch entsteht ein ganz eigener Bildstil, der meine Bilder auch ausmacht. Mein Bike ist ein NS Bikes Suburban, das mich schon seit längerem treu begleitet.

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Manche Gebäude Müthers sind inzwischen marode oder werden saniert...

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Wenn man genau darüber nachdenkt, bergen deine Bilder auch gewisses Konfliktpotenzial in sich: Wie wir schon festgestellt haben, sind Häuser eigentlich nicht dafür gedacht, auf ihnen Rad zu fahren. Kam es da schon mal zu Problemen mit Anwohnern oder schlimmerem? Auf jeden Fall! Ich habe da echt schon alles erlebt; es ist krass, wie die Leute durchdrehen, sobald jemand auf einem Dach steht. Aber eins vorweg: Ich bin ja ein großer Fan dieser Gebäude und Denkmäler. Ich möchte also nicht, dass sie beschädigt werden. Also verlasse ich sie immer so, wie ich sie vorgefunden habe. Auch breche ich nirgendwo ein, um aufs Dach zu kommen. Das ist mir wichtig und sollte bei solchen Aktionen immer höchste Priorität genießen. Ich wurde schon von Anwohnern verjagt und von Polizei und Feuerwehr vom Dach beordert – dafür habe ich übrigens eine hohe vierstellige Rechnung bekommen, die allerdings auf die „Wiederverschließung“ des Gebäudes fußte. Und ich war ja nicht eingebrochen, also löste sich das in Wohlgefallen auf. Trotzdem sollte man das immer im Hinterkopf haben, wenn man eine

…andere leben so vor sich hin und freuen sich über neue Bestimmungen.

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Die Photographie half mir, mich auf eine ganz neue Weise auszudrücken und die beinahe endlose Energie zu bündeln, die mich antreibt.

solche Aktion durchziehen will. Man begibt sich in eine für die Menschen ungewohnte Situation, auf die manche mit Unverständnis, andere sogar mit Aggression reagieren. In Montenegro ging das sogar so weit, dass ich von Zivilpolizisten festgehalten wurde und nur mit Ach und Krach zu meinem Auto kam, um dann möglichst schnell aus dem Land zu verschwinden – da herrschen schon andere Sitten als bei uns. Heilige Scheibe, das klingt ja nach einem richtigen Agentenjob! Haha, was einen so antreibt, oder? Ich glaube, es ist wichtig, den Menschen ihre Hinterlassenschaften zu zeigen, damit dieser Stil nicht in Vergessenheit gerät und man sich an die Menschen erinnert, die sie erbaut haben. Da werde ich auch gerne zum Agenten. Eine sehr ehrenhafte Einstellung und wir sind froh, dass du das machst. Gibt es eigentlich ein Gebäude oder einen Architekten, dessen Gebäude du gerne noch auf diese Art fotografieren möchtest? Auf jeden Fall! Es gibt da eine Architektin aus dem Irak, Zaha Hadid, die absolut atemberaubende Gebäude entworfen hat. Sie stehen denen von Müther in nichts nach, gehen teilweise noch ein Stück weiter, sind noch organischer. Wenn ich es irgendwie schaffe, werde ich auf einem dieser Gebäude mein Rad schwingen!

Das Besondere an Eriks Bildern sind nicht nur die Objekte, sondern die Interaktion mit ihnen und seine Technik, sie alleine zu erkunden und zu dokumentieren. Ein wahrer Selfie-König.

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Eigentlich habe ich Höhenangst, trotzdem klettere ich seit Jahren auf den Dächern dieser Gebäude rum. Es ist schon etwas paradox.

Große Pläne – schade, dass sowohl Müther als auch Hadid schon tot sind. Wir bräuchten definitiv mehr solcher Gebäude! Aber sag mal – ist es für dich nicht auch unheimlich, so hoch über dem Boden Rad zu fahren? Wenn du wüsstest – eigentlich habe ich Höhenangst, trotzdem klettere ich seit Jahren auf den Dächern dieser Gebäude rum. Es ist schon etwas paradox. Aber ja, es ist immer noch unheimlich. Aber zwischen der Entdeckung der Objekte und dem eigentlichen Foto vergehen teilweise Jahre. Ich schaue sie mir genau an, besteige sie mehrmals und überlege mir, wie und wo ein Bild zustande kommen könnte. Ich schaue mir Anlauf, Sprung und Landung genau an und überlege mir, was schief gehen könnte, bis ich wirklich sicher bin, dass alles stimmt. Wenn du hier einen Fehler machst, könnte es dein letzter gewesen sein.

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Also bitte. Wer hier nicht an Außerirdische denkt, belügt sich selbst.

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Der Meister und sein Objekt der Begierde: Erik Hรถlperl gรถnnt sich einen Moment der Ruhe, bevor es los geht.

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Ich habe eine Faszination für besondere Orte und Gebäude entwickelt, die sich auch in meinen Serien niederschlägt.

Ja, das ist auch das, was ich dachte, als ich das erste mal eins deiner Bilder sah. Zum Abschluss noch mal kurz philosophisch: Denkst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem bombastischen Stil und den teilweise totalitären Regimen, in denen sie entstanden? (lacht) Also ich denke wirklich, dass Regime, die sehr auf Außenwahrnehmung konzentriert sind, da die Nase vorne haben. Gerade die Sowjets haben sich ja dadurch hervorgetan, dass sie wirklich abgedrehte Gebäude und Denkmäler errichten ließen, um sich zu feiern und von den Unzulänglichkeiten im Inneren abzulenken. Das gleiche findet man aber auch anderswo, beispielsweise in Amerika – wo der Schein ja auch teilweise wichtiger ist als das Sein! Wahre Worte zum Abschluss, ich danke dir, Erik. Mach weiter mit deinen Serien und pass auf deine Schritte auf, damit du uns noch lange erhalten bleibst! Jetzt lassen wir aber wieder die Bilder wirken...

Die perfekte Symbiose aus Architektur und einem Mountainbike – als hätte der Architekt im Sinn gehabt, einem Radfahrer an der Gebäudewand zum Abheben zu verhelfen.

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