St. Moritz Magazin

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naturschönheit

Heinrich Denoth ist für das St. Moritzer Trinkwasser zuständig.

wachsen“, findet die Urlauberin. Heidelbeeren, Wacholder und Alpenrosen stehen hier auf einem Grund, wo Jahrtausende zuvor eine rund 900 Meter dicke Eisschicht lag. Eindrucksvolle Boten aus dieser Zeit gibt es auch jetzt noch: die über 150 Gletscher im Oberengadin. Zu den grössten gehören der Morteratsch- und der Pers-Gletscher, deren Zungen sich beinahe berühren. Wer den kleinen Nervenkitzel nicht scheut, wagt sich auf die im letzten Jahr eröffnete Aussichtsplattform an der Bergstation Diavolezza. Dort schauen die Besucher zwischen ihren Füssen hindurch mehrere Hundert Meter in die Tiefe und geniessen einen Logenblick auf das Eis. Auch vom Tal aus kann man sich dem Naturphänomen nähern. Ein Wanderweg verläuft vom Bahnhof Morteratsch bis zur Spitze der Gletscherzunge. Unterwegs informieren 16 Hinweistafeln über den Klimawandel und den Rückzug des Eises. Doch nicht jeder muss gleich Wanderstiefel anziehen, um die Gletscher des Engadins zu bestaunen. Heinrich Denoth vom Bauamt St. Moritz sieht ein kleineres Exemplar schon von seinem Büro aus in der Sonne glitzern. Ausserdem hat er einen Blick über den St. Moritzersee und kann dessen wechselnde Farben im Jahresverlauf beobachten. „Oft ist er schwarz, bläulich oder grün, je nach Jahreszeit und Sonneneinstrahlung“, erklärt Denoth. Der drahtige 60-Jährige kennt sich gut aus mit dem Trinkwasser und ist begeistert von diesem Element. Er ist auch der TrinkwasserBeauftragte von St. Moritz und dafür verant-

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wortlich, dass die 7’000 Einwohner und 15’000 Touristen in der Hochsaison nur den Wasserhahn aufdrehen müssen, wenn sie Durst haben. „Den höchsten Verbrauch haben wir an Silvester zwischen 19 und 21 Uhr“, sagt Denoth. „In dieser Zeit wird geduscht und gekocht. Danach wird Champagner getrunken.“ Auf dem Weg zu den Wasserreservoirs und 25 Bergquellen gönnt sich der gelernte Sanitärmeister häufig selbst ein prickelndes Schlückchen. Nicht vom Champagner, sondern vom kohlensäurehaltigen rötlichen Heilwasser der berühmten St. Mauritiusquelle. In der Mitte des 19. Jahrhunderts verhalf sie St. Moritz zu einem touristischen Boom und weltweiter Bekanntheit. Von den eleganten Edeldamen, die sich nach ihren Kuranwendungen in herrschaftlichen Kutschen durch den Ort fahren liessen, zeigte sich schon damals der Dichter Jakob Christoph Heer beeindruckt. Er schrieb: Es „kommen in Sankt Moritz alle Völker zur Schönheitskonkurrenz; man sieht so viel Glühendes und Kühl-Erfrischendes, so viel Nordisches und Orientalisches, dass auch einem älteren Knaben unterm Brusttuch wunderlich warm werden kann.“ In den Heilbädern geniessen internationale Gäste auch heute noch die Moor- und Wasser-Treatments. Wer Zweifel an ihrer Wirkung hat, legt sich einfach mal in ein Sprudelbad, lässt sich von den Luftbläschen tragen und bewundert von der Wanne aus den Blick auf den schneebedeckten Piz Julier. Sehr schnell entsteht dann die Gewissheit, dass dieses Wasser etwas Magisches hat. Autor: Stefan Skiera

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