Europäisches Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011: Ziele und Erwartungen

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Beitrag zu mehr Solidarität und weniger Diskriminierung, zu größerer sozialer Einbeziehung und zur harmonischen Entwicklung der europäischen Gesellschaften. Und schließlich spiegeln Freiwilligentätigkeiten das bürgerschaftliche Engagement der Gesellschaft wider und fördern den Bürgersinn. Freiwillige Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Europäischen Jahr können alle Formen der Freiwilligentätigkeit sein, ganz gleich, ob es sich um formelle, nichtformelle oder informelle Tätigkeiten handelt, für die sich die Betreffenden aus freiem Willen und aus eigenem Antrieb entscheiden und die nicht auf finanziellen Gewinn ausgerichtet sind. Die Europäische Kommission hat ihre Definition der Freiwilligentätigkeit bewusst weit gefasst, um das breite Spektrum von Traditionen und kulturell bedingten Haltungen gegenüber den Freiwilligentätigkeiten abzudecken, die in den unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten anzutreffen sind. Freiwilligentätigkeiten sind heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, da sie in einigen Ländern etwa 5% des Bruttosozialproduktes ausmachen. Schätzungen zufolge engagieren sich 94 Millionen Menschen oder 23% der Europäerinnen und Europäer über 15 Jahren in der einen oder anderen Form auf freiwilliger Basis. Die Freiwilligen sind durchschnittlich zwischen 30 und 50 Jahren alt. Sie sind zumeist erwerbstätig und gut ausgebildet (Hochschulbildung). In elf Mitgliedstaaten übernehmen mehr Männer als Frauen eine Freiwilligentätigkeit, und in weiteren neun Mitgliedstaaten ist ihre Zahl in etwa gleich. Dass sich mehr Männer in der Freiwilligenarbeit engagieren, mag daran liegen, dass die meisten Freiwilligentätigkeiten im Sportsektor angeboten werden, der auch den Großteil der Freiwilligen anzieht. An zweiter Stelle steht der soziale Bereich gefolgt vom Gesundheitssektor. Freiwilliges Engagement ist in Europa traditionell stark verankert. Oft beruht es auf der Mitgliedschaft in Organisationen der Zivilgesellschaft. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Freiwilligentätigkeiten jedoch stark gewandelt, da in den Gesellschaften der Individualismus zugenommen hat und der Stellenwert von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung gewachsen ist. Für den Freiwilligensektor stellt dies eine Herausforderung dar, da er sich an neue Arten und Formen des Engagements anpassen muss, die oft selektiv und kurzfristig sind. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Professionalisierung im Bereich der Freiwilligentätigkeit zu verzeichnen, der zu einem wachsenden Missverhältnis zwischen den Bedürfnissen der Freiwilligenorganisationen und den Erwartungen der Freiwilligen führt. Die Freiwilligenorganisationen stehen außerdem vor dem Problem der nachhaltigen Finanzierung: Da die Zahl der Freiwilligenorganisationen in den letzten zehn Jahren stark gestiegen ist, sind die verfügbaren Mittel heute hart umkämpft. Erschwerend kommt noch hinzu, dass in vielen Ländern kein Rechtsrahmen beispielsweise für die Sozialversicherung von Freiwilligen, ihre Ausbildung, ihren Urlaubsanspruch oder ihre Unterbringung besteht. Um auf diese Fragen Antworten finden zu können, soll das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit sensibilisieren, indem vier Hauptziele verfolgt werden. Das erste Ziel ist es, die Voraussetzungen für die Freiwilligentätigkeit in der EU zu verbessern. Wir erwarten, dass das Europäische

Jahr der Freiwilligentätigkeit Impulse für weitere politische Entwicklungen liefert und dass die Mitgliedstaaten beginnen, sich zu Themen der Freiwilligentätigkeit untereinander auszutauschen. Das zweite Ziel besteht darin, die Freiwilligenorganisationen zu stärken und die Qualität der Freiwilligentätigkeiten zu verbessern. Wir hoffen, dass europaweit neue Netzwerkinitiativen entstehen werden, die zu mehr Kooperation und Austausch führen. Das dritte Ziel betrifft die Anerkennung der Freiwilligentätigkeit. Uns ist sehr daran gelegen, dass die Mitgliedstaaten, die Organisationen der Zivilgesellschaft und die Arbeitgeber die formale Anerkennung der während der Freiwilligentätigkeit erlangten Fertigkeiten und Fähigkeiten voranbringen. Gleichzeitig wollen wir den Freiwilligen durch das Europäische Jahr die Anerkennung der Europäischen Kommission zum Ausdruck bringen. Als viertes Ziel schließlich sollen der Wert und die Bedeutung der Freiwilligentätigkeit sowie ihr Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft und zum Leben jedes Einzelnen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden. Viele interessierte Gruppen und Akteure beteiligen sich aktiv am Europäischen Jahr, wobei sich drei wesentliche Handlungsebenen unterscheiden lassen. Auf EU-Ebene werden vier europäische Konferenzen veranstaltet. Daneben sorgt eine umfassende Informations- und Werbekampagne dafür, Bewusstsein zu wecken, die Debatte über das freiwillige Engagement in Europa anzuregen und Schlüsselbotschaften zu verbreiten. Auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene führen die Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Jahres unterschiedliche Veranstaltungen durch. Sie haben zu diesem Zweck nationale Koordinierungsstellen eingerichtet, die die nationalen Veranstaltungen des Europäischen Jahres durchführen. In allen Mitgliedstaaten finden derzeit Konferenzen, Seminare oder Ausstellungen zu Themen des Europäischen Jahres statt. Außerdem kommt eine „Tour des Europäischen Jahres“ in alle Hauptstädte und bietet nationalen Organisationen und Freiwilligen die Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch in einem europäischen Kontext. Die dritte Ebene umfasst die Aktivitäten der Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Kommission arbeitet eng mit dem Netzwerk „Allianz für das Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011“ zusammen, das insgesamt 38 europäische Freiwilligennetzwerke vertritt, denen wiederum 1500 Freiwilligenorganisationen aus ganz Europa angehören. Die Europäische Kommission kann Freiwilligen und Freiwilligenorganisationen helfen. Ausgehend vom Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit werden Freiwillige und Freiwilligenorganisationen in der Europäischen Union in Zukunft eine wichtigere Rolle als bisher spielen. So wird ihr Beitrag beispielsweise in der nächsten Generation der EU-Programme berücksichtigt werden, die derzeit ausgearbeitet wird. Auch innerhalb der europäischen Wachstumsstrategie „Europa 2020“ wird der Beitrag der Freiwilligentätigkeiten Beachtung finden. Um den Erfolg des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit zu garantieren, ist unser Engagement auf allen Ebenen – auf der europäischen, der nationalen, der regionalen und der lokalen Ebene – vonnöten.

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