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Heimat 2.0
Sehnsucht nach Heimat.
Das musste auch Carmen Lenz erfahren. Sie ist Mitglied der fünfköpfigen Formation ClariMusi aus Hatting, die Volksmusik mit stark jazzigem Einschlag spielt. Lenz ist Musiklehrerin und hat eine Diplomarbeit zur „Neuen Volksmusik“ geschrieben. Sie erzählt: „Es hat auch Kritik an uns gegeben aus der traditionellen Volksmusik, weil man das, was wir machen‚ nicht tut‘. Es ist uns nicht oft passiert, aber wenn, dann in Tirol.“ ClariMusi entstand 2005 aus einem „Trainingsprojekt“ für die
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ALS VORLÄUFER DER HEUTIGEN BEWEGUNG KÖNNTE MAN WERNER PIRCHNER NENNEN.

© ANJA KÖHLER Rhythmusgruppe der Hattinger Bigband. Carmen Lenz erinnert sich: „Wir haben angefangen, miteinander zu spielen, und irgendwann hat jemand in einen Landler einen anderen Teil hineingenommen. Das hat eine Eigendynamik bekommen, weg vom Landler mit einem Latin-Teil hin zu Eigenkompositionen. Aber wir sind in der Jazzrichtung geblieben.“ Darum definieren sie sich jetzt auch als Volksjazzer aus Tirol und nicht als „Neue Volksmusiker“. Das sei nicht nur bei ClariMusi so: „Weil sie gerade die Kategorisierung vermeiden wollen, spielen viele Gruppen möglichst viel Crossover, wo sehr viel möglich ist.“ Man könne auch die Gruppen schwer miteinander vergleichen. ClariMusi hebe sich zum Beispiel durch das Drumset ab, sagt Carmen Lenz, die selbst Akkordeon, Klarinette und Klavier spielt. Eine gemeinsame Klammer fällt ihr bei aller Individualität zum Thema aber doch ein: Heimat. „Je globalisierter, komplexer die Welt wird, umso mehr sehnen sich die Leute nach etwas, das sie kennen, das sie mit Heimat verbinden und das doch nicht altbacken ist. Heimat 2.0 sozusagen“, findet sie. Und die könne „Neue Volksmusik“ bieten.
Eine Zwangseingemeindung.
„Natürlich nicht“ der „Neuen Volksmusik“ rechnen sich auch Franui zu. Andreas Schett, künstlerischer Leiter: „Wir wurden dort eingemeindet, weil wir Volksmusikinstrumente spielen.“ Die Osttiroler „Musicbanda“ existiert seit 1993 in nahezu derselben Besetzung. In den Anfängen seien Franui von der steirischen Gruppe Broadlahn beeindruckt gewesen. Andreas Schett erinnert sich: „Das war eine sehr interessante Zeit, in der vieles aufgebrochen ist. Es hat diverse Felder gegeben, die der Neuen Volksmusik zugerechnet wurden, aber für mich haben Hubert von Goisern und Broadlahn nicht viel
Carmen Lenz, ClariMusi
gemeinsam.“ Und Franui selbst haben ohnedies einen ganz speziellen Weg genommen. Die zehnköpfige Gruppe hat sich Lieder von Brahms, Schubert, Schumann und Mahler oder Divertimenti von Mozart bis Satie „angeeignet“, in den bekanntesten und größten Konzert- und Opernhäusern Europas gespielt und versteht sich laut Eigendefinition als „Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik“. Der Volksmusik will man in Zukunft aber weiter auf den Grund gehen. Das, was man heute kenne, sei in Wahrheit in den letzten 150 Jahren entstanden, so Schett. Franui wollen sich auf die Spuren dessen begeben, was davor war, sich also statt der neuen der ganz alten Volksmusik zuwenden. Einen Forschungsansatz lieferte aus traurigem Anlass Alfred Quellmalz. Dieser hatte von 1940 bis 1942 im Auftrag der Nationalsozialisten Südtiroler Liedgut aufgenommen, ehe die Bevölkerung für die Auswanderung aus dem faschistischen Italien optieren und in anderen Teilen Europas angesiedelt werden sollte. Mit dieser Sammlung beschäftigte sich auch schon Thomas Nußbaumer.
Und während sich so ziemlich alle Tiroler Vertreter der „Neuen Volksmusik“ eigentlich nicht dieser zugehörig fühlen, schwappt sie gerade in einer neuen Popularitätswelle übers Land. Andreas Schett: „Es ist gefühlt mindestens die fünfte, die wir erleben.“
Uwe_Schwinghammer
© CLARIMUSI


ClariMusi bezeichnen sich als Volksjazzer, mit der „Neuen Volksmusik“ wollen sie nichts am Hut haben.
ENGLISHFOLK MUSIC GETS THE BLUES
The term „new folk music“ has been around for a good 30 years. But the term is used almost exclusively by outsiders.
English Summary


When Styrian harmonica and flamenco guitar, double bass and folk harp combine and all this still has a touch of alpine synth-pop, then this is the Herbert Pixner Projekt. If it sounds like a folk music symphony concert, then it is Pixner again. And if it sounds like traditional Bavarian dialect, then that is ... Herbert Pixner once more. He and his band are currently regarded as the figureheads when it comes to “new folk music”. Just that nobody likes this label. So new folk music is virtually a genre without proponents. At least officially.
Thomas Nussbaumer, musicologist and professor at the Mozarteum in Innsbruck, has dealt in detail with the history of “New Folk Music”. “The term has been in use since 1992 or 1993 and spread through the media.” Since then, the phenomenon has had a name and many bands in the German-speaking Alpine region are and have been classed as members of the new genre: from the Upper Austrian duo Attwenger to the Bavarian Biermösl Blasn, from Die Knödel to the aforementioned Herbert Pixner Projekt. And they all have one thing in common, Nußbaumer knows: “They reject the concept of new folk music. They do not want to be crammed into this pigeonhole.” It is often a crossover of folk music, pop, jazz, new contemporary music. Equally important is the new, often critical examination of traditional folk music. This has not always been free of tension. “There has also been criticism of us from traditional folk music, because people ‘don’t do’ what we do,” says Carmen Lenz. She is a member of the five-piece formation ClariMusi from Hatting, who define themselves as folk jazz musicians from Tyrol. Despite all their individuality on the subject, Lenz can think of one common denominator: their homeland. “The more globalised and complex the world becomes, the more people yearn for something they know, something they can associate with home and which is not outdated. Homeland 2.0, so to speak,” she says. And “new folk music” can offer that.
MERRY ZIRBMES
Die Sache ist ja die: Weihnachtsbäume sind zwar ganz nett, machen aber auch ganz schön Schmutz. Und seien wir ehrlich: Sonderlich nachhaltig sind sie auch nicht, außer sie leben noch und man setzt sie in den Garten. Mit dem Zirbenholzbaum von Building Project aus Ampass gibt’s eine langlebige Alternative, die noch dazu gut ausschaut – schon ohne Deko. Zu haben in verschiedenen Größen ab 40 Zentimetern zum Verschenken bis zu 220 Zentimetern für große Räume, Hotels oder Büros. www.building-project.at

KURZ & BÜNDIG

GINSALABIM
Es gibt mittlerweile schier unzählige Ginhersteller – auch in Tirol. Nicht alle Varianten davon schmecken auch. Den London Dry Gin von Tirolikum können wir jedoch gerne empfehlen. Gemacht wird er von Peter und Thomas Kronbichler aus Walchsee, kürzlich hat er Gold bei den World Spirits Awards 2020 gewonnen. Zu Recht, wie wir finden. Zitrusaromen sorgen für eine angenehme Frische, dazu kommen feine Kräuter, der Wacholder darf aber im Vordergrund bleiben. www.tirolikum.at
SPIELERISCH SCHLAUER WERDEN
Die Tiroler Landeshauptstadt kann man auf ganz viele verschiedene Arten entdecken – und manchmal muss man dafür gar nicht vor Ort sein. Das neue Innsbruck Spiel beinhaltet 440 Wissens- und Aktionskarten, macht richtig Spaß und vermittelt dazu reichlich Faktenwissen. Ines Graus hat’s illustriert. Erhältlich um 45 Euro in der Wagner’schen in der Museumstraße. LESEN

Tirol. Eine Landvermessung in 111 Begriffen.
Dominik Prantl Tyrolia Verlag 86 Seiten, EUR 14,95
Humoriges Glossar über das weltweit schönste Bundesland Österreichs.
KOCHEN
So schmeckt Tirol.
Eva Eder Tyrolia Verlag 192 Seiten EUR 24,95
Kochen und essen mit den Jahreszeiten und regionalen Produkten.
„Wenn das Leben dir einen Berg gibt, zieh die Wanderschuhe an und geh!“

AUF LEISEN SOHLEN
Das Tiroler Traditionsunternehmen Gottstein aus Imst fertigt seit fast 100 Jahren Hausschuhe aus Wolle und Filz. Das mag nun ein wenig altfadrisch klingen, ist aber wirklich super. Wir mögen die Pantoffel „Camping“ aus reiner Schurwolle, die für einen guten Wärmeaustausch sorgen, sodass man auch an warmen Sommertagen nicht an den Füßen schwitzt. Erhältlich um rund 50 Euro unter anderem im Onlineshop unter www.gottstein.at, wo es noch viele andere Modelle gibt – für zuhause, für die Hütte, mit Lammfell, für Kids und alle.

KURZ & BÜNDIG

EIN ORT FÜR MÖBELKLASSIKER
Ursprünglich wurde der Keller in den Wetscher Wohngalerien in Fügen im Jahr 1882 als Brauerei gebaut. Als Franz Wetscher den Braukeller und das Wirtshaus 1928 übernahm, nutzte er ihn zur Pflege und Lagerung von Hölzern. Heute beherbergt der Braukeller Ikonen der Designgeschichte und ist Schauplatz für immer wieder wechselnde, spannende Sonderausstellungen. In dieser besonderen Atmosphäre lassen sich die Wurzeln und Geschichte der Firma Wetscher besonders gut erkunden und man kann förmlich spüren, welche Tiefe das Thema Einrichten bei Wetscher hat. www.wetscher.com ESSEN
Weißes Gold.
Unter dem Namen „Essenz der Alpen“ gibt es nebst dem Alpen Fleur de Sel (zarte Salzflocken mit feiner, knuspriger Konsistenz) handgeschöpftes Alpensalz und Zirbensalz. 50-g-Glas um je 4,49 Euro unter
essenzderalpen.at LET THE SUN SHINE
Die Kombination aus sonnigem Gelb und warmem Braun ist die Besonderheit von „Easy Peasy“ von Mindly Ceramics aus Absam. Die handgetöpferte Geschirrkollektion umfasst zwei verschieden große Kaffeebecher, eine Schüssel und einen Dessertteller. Alle Teile werden einzeln gefertigt. Zu haben für 25 bis 29 Euro auf mindly-ceramics.com.

DER ANTI-RITTER
Ein Ritter sollte stark, tapfer und edel sein. Das fand Kinderbuchautor und Illustrator Jörg Hilbert zu stereotyp und erfand stattdessen Ritter Rost: schwach, ängstlich … und rostig. In der aktuellen Sonderausstellung im Innsbrucker Zeughaus (schauen Sie sich unbedingt auch die Dauerausstellung an!) tapst der tollpatschige Ritter durchs Museum. Hilberts Zeichnungen sind noch bis 7. März 2021 zu sehen. Infos unter
www.tiroler-landesmuseen.at
IMPRESSUM
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