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DIE BESTE INVESTITION
Almen kannte der Banker MANFRED UNTERBERGER meist als idyllische Plätze für eine gemütliche Einkehr nach einer gelungenen Bergtour. Nach seiner Pensionierung wurde er „Galterer“. Nach mehreren Stationen verbringt er nun schon den dritten Sommer auf der Gütenbergalm, kümmert sich um das liebe Vieh und durstige Wandersleute.
Seine Pension hatte sich der ehemalige Bankmanager
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Manfred Unterberger ganz anders ausgemalt. Anfangs jedenfalls: Denn da plante er, in seinem neuen Campingbus mit seiner Frau die schönsten Teile Europas zu bereisen und viele, viele Berge zu besteigen. Heute kann er sich das gar nicht mehr vorstellen. Nach zehn Sommern auf der Alm ist er am glücklichsten mit dem kleinen Stück der Welt, das vor seiner Türschwelle liegt: den Wiesen und Bergen im Karwendel.
Manfred Unterberger war 42 Jahre als Mitarbeiter, Geschäftsleiter und 18 Jahre als Vorstand in einer Bank tätig. Als es an die Pensionierung ging, drehte er eine Runde, um sich von langjährigen
Kundinnen und Kunden zu verabschieden. Ein Landwirt meinte dabei, er suche einen „Galterer“, also einen Hirten für das Jungvieh auf der Alm. Manfred Unterberger hätte in der Pension ja zu so etwas jetzt Zeit. Der Angesprochene bedauerte zwar, dass er nicht helfen konnte, hielt die Sache damit aber für erledigt. Der Bauer allerdings nicht. Wenige Tage nach der Begegnung brachte dieser ihm die Bauernzeitung der Landwirtschaftskammer ins Büro. Mit einem Inserat für die Ausbildung von Almhirten. Und ab diesem Zeitpunkt begann es im Kopf von Manfred Unterberger zu rumoren: Eine Ausbildung könnte er ja absolvieren, die würde ihn schließlich zu nichts verpflichten. Es war, wie sich herausstellte, eine Investition in die Zukunft.

Vom Büro auf die Alm.
Also durchlief Unterberger in St. Johann einen einwöchigen Kurs für Almhirten und erhielt am Ende eine positive Teilnahmebestätigung. Es dauerte auch gar nicht lange, da bekam er die Gelegenheit, das Erlernte anzuwenden. Auf einer Alm im Rofan war Not am Mann und der gelernte Banker sprang zwei bis drei Tage pro Woche ein. Im Jahr darauf erhöhte sich sein Arbeitspensum auf fünf Tage. Im dritten Jahr übernahm Unterberger schließlich seine erste eigene Alm, die Weißenbachalm auf 1.600 Metern Höhe: „Da habe ich die Arbeit wirklich gelernt. In der Zeit, wo ich dort oben war, habe ich immer ein paar Kilo an Gewicht verloren.“ Denn das Almgebiet mit 140 Hektar war weitläufig, und das Vieh, das zu betreuen war, zahlreich, nach Gewittern mussten die Quellen und die Brunnentröge wieder freigelegt werden. Zweimal half ihm Bergfreund Eugen Laner aus, an vielen Wochenenden kam auch seine Frau. Nur eines musste und wollte Manfred Unterberger auf der Weißenbachalm nicht: ausschenken und sich um Gäste kümmern. Das erledigte Wirtin Gerda in einem Nachbargebäude.
Almer und Wirt.
Der Wirt in ihm erwachte erst mit dem Wechsel auf die Gütenbergalm auf 1.545 Meter vor zwei Jahren. Als Unterberger diese 42 Hektar große Alm im Karwendel mit seinem Freund Eugen Laner pachtete, bewarben sie sich auch um die Konzession für die „Kleine Almausschank“. Seither werden hochwertige Brettljausen und Getränke – im Besonderen das Bier von der kleinen Achensee Brauerei – angeboten. Für große kulinarische Sprünge wäre in der bescheidenen Almhütte ohnedies keine geeignete Küche vorhanden. Und weil sich ein Almer(er) in erster Linie einmal um sein Vieh kümmern www.fleissiger-willi.com
Gütenbergalm
Der einfachste Weg führt vom Parkplatz im Gerntal (Mautstraße, ca. 500 m nach dem Almgasthof Pletzach) über einen breiten, sehr bequemen Forstweg zuerst in etwa 1,5 Stunden zur Feilalm. muss, hat er auch nicht so viel Zeit, um aufzukochen. Doch bei dem, was er auf seinen fünf Tischen kredenzt, setzt Unterberger strenge Kriterien an: „Nur die besten Produkte. Mein Motto ist ‚klein, aber fein‘. Da habe ich mir in den letzten zwei Jahren einen guten Ruf erworben.“ Außerdem genießt er es, sich mit seinen Gästen ein bisschen zu unterhalten, denn sobald sie weg sind, umfängt ihn wieder die Stille. Unterberger, dessen Markenzeichen eine blaue Südtiroler Schürze ist: „Am Anfang mochte ich das Bedienen nicht, aber inzwischen gefällt mir das auch. Es sind dabei schon fast Freundschaften entstanden, weil es doch sehr viele Leute gibt, die regelmäßig zu mir auf die Alm kommen.“ Besonders freut er sich aber, wenn seine Enkel zu Besuch kommen, auch helfen und in dieses einfache Leben hineinschnuppern. „Das ist ein Geschenk, das ich ihnen bieten kann“, sagt er gerührt.
Von dort geht es auf dem Wirtschaftsweg ein Stück weiter aufwärts und dann beinahe flach nach Westen.
Von einer Einsattelung erreicht man in einem Bogen zehn Minuten später die Alm.
Die Gütenbergalm ist auch mit dem Mountainbike gut erreichbar. Der Ausblick vom Bankerl auf dem Gipfel des Gütenberges auf 1.670 Meter in das westliche Karwendel und der Blick auf den Achensee sind einzigartig.
Die Alm ist je nach Schneelage ab Anfang Juni bis Ende September geöffnet.


Auf sich allein gestellt.
Im ersten Jahr auf der Gütenbergalm wurde Manfred Unterberger von Eugen Laner unterstützt, doch der verletzte sich letztes Jahr vor Beginn der Saison beim Aufstellen der Weidezäune schwer und fiel aus. Unterberger bestritt den Sommer allein, an den Wochenenden half seine Frau tatkräftig mit: „Das war schon anstrengend. Bevor die Gäste kommen, musst du täglich schauen, ob die Weidezäune noch intakt und alle Rinder auf den verschiedenen Weide koppeln vollzählig sind.“ Andererseits gibt ihm die Liebe zu den 43 Kälbern, Galtlingen und Kühen verschiedener Rassen auch viel Energie: „So, wie ich mit den Tieren umgehe, bekomme ich es von ihnen auch wieder zurück.“
Unterberger spricht ganz gerne mit seinen Schützlingen und beobachtet immer wieder fasziniert, wie nach zwei, drei Wochen auf der Alm die Ängstlichen tapfer werden und sich aus Tieren von den unterschiedlichen Bauern eine homogene Herde bildet. Nur eines mag er am Almer-Leben wirklich nicht: „Wenn es zwei Tage regnet, ist mir das egal. Aber wenn es den dritten oder vierten Tag regnet, bekomme ich einen Durchhänger.“ Und wenn das Vieh im Herbst die Alm verlässt, dann erfasst ihn auch die Melancholie: „In der letzten Nacht vor dem Almabtrieb, der so genannten Grunnacht, da schlafe ich unruhig, und wenn das letzte Vieh geht, da kann es schon sein, dass mir Tränen kommen. Auf der anderen Seite ist es das größte Geschenk, wenn der Almsommer unfallfrei verlaufen ist und alle Tiere den Bauern gesund und kräftig übergeben werden können. Die Entspannung kommt erst nach ein, zwei Tagen der Ruhe.“
Den Camper hat Manfred Unterberger inzwischen übrigens verkauft, denn wenn es nach ihm geht, dann will er, solange er noch fit ist, sehr gerne Almer sein.
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