ECHT Oberfranken - Ausgabe 36

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O BERFRANKEN – EINE SPANNENDE GESCHICHTE

Ansicht Kloster Langheims von Johann Baptist Roppelt aus dem Jahr 1793 (VIII A 60bb).

Mauritius Knauer und der sogenannte Hundertjährige Kalender Mauritius (Moritz) Knauer, 1613 oder 1614 in Weismain im heutigen Landkreis Lichtenfels geboren, war Abt des ehemaligen Zisterzienserklosters Langheim in der heutigen Ortschaft Klosterlangheim. Zu Zeiten Knauers gehörte die Gegend zum Fürstbistum Bamberg. Mit Hilfe eines Stipendiums konnte der begabte Knabe ab etwa 1628 am Collegium Ernestinum in Bamberg studieren, 1631 trat er in den Zisterzienserorden ein. Nicht zuletzt, um den Gefahren des 30-jährigen Krieges zu entgehen, wurde Knauer nach Wien entsandt, wo er an der philosophischen Fakultät promovierte. 1640 wurde er im Wiener Stephansdom zum Priester geweiht. 1644 kehrte Knauer nach Langheim zurück, wurde dort 1646 Prior und 1649 Abt. In dieser Funktion gelang es ihm, die immensen Schäden aus dem 30-jährigen Krieg zu beseitigen und auch ihn gegenüber dem Hochstift Bamberg zu verteidigen und durch Käufe zu mehren. Überliefert sind etwa Maßnahmen zur Verbesserung von Landwirtschaft und Viehzucht,

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Beteiligungen an einem Bergwerk und Eisenhammer, aber auch sehr geschicktes Vorgehen beim Sichern von Zolleinnahmen. Knauer war sehr interessiert an Mathematik und Astronomie – er ließ sogar ein kleines Observatorium errichten sowie an Medizin. Um die klösterliche Landwirtschaft voran zu bringen, beobachtete der Abt sieben Jahre lang von 1652 bis 1658 tagtäglich das Wetter und hielt die Ergebnisse in einem Wettertagebuch fest. Er nannte es „Calendarium oeconomicum practicum perpetuum“, was so viel wie „beständiger Hauskalender“ bedeutet. An eine Veröffentlichung hatte Knauer nie gedacht. Gedruckt wurden die Aufzeichnungen erst 1704, nachdem 1701 der Erfurter Arzt Christoph von Hellwig seinen auf Knauers Manuskript aufbauenden 100-jährigen Kalender herausgeben hatte. Dieser Titel geht vermutlich auf den Erfurter Buchhändler Weinmann zurück. Mit einem geschickten Marketingkonzept wurde der Kalender zum Selbstläufer und Bestseller. Und dabei spielten die unzähligen Fehler, Ver-

Mauritius Knauer in einem zeitgenössischen Stich (HV.Msc.463, fol.24v).

wechslungen und Veränderungen überhaupt keine Rolle. Während Mauritius Knauer versucht hatte, streng innerhalb seines wissenschaftlichen Weltbilds zu arbeiten und es mit genauen Beobachtungen zu unterfüttern, standen beim späteren Druck schlicht Umsatzerwägungen der geschäftstüchtigen Herausgeber im Vordergrund. Sie haben daraus „einerseits das beliebteste und wohl am meisten gelesene meteorologische Volksbuch im deutschen Sprachraum und andererseits ein verspottetes Zeugnis des Aberglaubens gemacht.“ (Hans Jürgen Rieckenberg). Abt Knauer starb am 9. November 1664 im Alter von etwa 50 Jahren.

Weiterführende Literatur:

Quellen:

E. Heimeran: Echter Hundertjähriger Kalender, München 1934. F. Klemm: Die Entwicklung der meteorologischen Beobachtungen in Franken und Bayern bis 1700 (Annalen der Meteorologie 8), Offenbach 1973, S. 38 – 43. G. Dippold: Mauritius Knauer und der hundertjährige Kalender, in: Calendarium oeconomicum practicum perpetuum, Neustadt/Aisch 1988, S. 1 – 25. G. Dippold: Mauritius Knauer. Abt und Gelehrter, in: ders. (Hrsg.): Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura, Bd. 2, Weismain 1996, S. 393 – 410 (online).

Raimund Baumann, Hans Jürgen Rieckenberg in Neue Deutsche Biografie 12.

ECHT Oberfranken

Alle Abbildungen wurden uns freundlicherweise von der Staatsbibliothek Bamberg zur Verfügung gestellt.


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