Unternehmensentwicklung auf sportliche Art

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Markus M端ller

Unternehmensentwicklung auf sportliche Art Sportpsychologie und mentales Training im Fokus der Personal- und Unternehmensentwicklung


Der Inhalt dieses Buches entstand im Jahr 2011 im Rahmen einer Masterthese an der Hochschule für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Olten. Der Inhalt und die Darstellung dieses Buches weichen minimal von der Originalarbeit ab.

Sollten Fragen zur Originalarbeit oder zu Teilen davon aufkommen, der Autor ist gerne bereit, Auskunft zu erteilen:

Markus Müller SOULWORXX markus.mueller@soulworxx.ch

1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten Copyright © 2012 by SOULWORXX Markus Müller Umschlaggestaltung by SOULWORXX Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Autors ist unzulässig.


Abstract Die Publikation « Unternehmensentwicklung auf sportliche Art - Sportpsychologie und mentales Training im Fokus der Personal- und Unternehmensentwicklung» streift einführend Geschichte, Theorie und Praxis der Sportpsychologie. Sie beschreibt verschiedene Betreuungsformen im Sport und vergleicht Sport und Wirtschaft aus systemischer Sicht. Auf einen Verständnisvergleich, wie Coaching im Sport anders als in der Wirtschaft verstanden wird, folgt der Beschrieb von zwei empirischen Studien, die belegen, dass ehemalige Leistungssportler aufgrund ihrer Persönlichkeitsmerkmale die «besseren Arbeitskräfte» sind. Der Autor baut auf diese Erkenntnis die These auf, dass die Elemente des psychologischen und mentalen Trainings aus dem Leistungssport auch in der Wirtschaft ihre Wirkung nicht verfehlen sollten. Entsprechend werden in der These die wichtigsten neun Bereiche «Entspannung», «Idealer Leistungszustand ILZ», «Konzentration», «Flow» als spezielle Art der Konzentration, «Visualisieren», «Motivation», «Zielsetzungstraining», «psychologische Unterstützung bei Verletzungen» und «kritische Situationen am Beispiel von Karriereübergängen» dokumentiert und analoge Einsatzbereiche in der Wirtschaft gesucht. Aus den Erkenntnissen formuliert der Autor ein mehrstufiges Change Management Modell, das als Startpunkt einen Partizipationsprozess für Mitarbeitende zur Erhöhung der Identifikation zum Unternehmen vorsieht. Danach soll ein institutionalisiertes und permanentes Zielsetzungsmanagement in den Fokus rücken. An dritter Stelle folgt die individuelle Leistungsoptimierung und Unterstützung der Mitarbeitenden. Der vierte Punkt des Veränderungsprozesses setzt beim individuellen Life Management (Worklife Balance, Support bei Verletzungen oder für die Zeit nach der Pensionierung). Zuletzt wird der Fokus auf die Führungskräfte gelegt. Führungskräfte sollen sich vermehrt um das People Management kümmern und weniger operative Arbeiten haben.

Das Modell wird schliesslich durch einige qualitative Interviews mit Wirtschaftsvertretern verifiziert. Theoretisch wird das Modell umfassend akzeptiert. Allerdings besteht bei einigen Gesprächspartnern Skepsis darüber, ob das Modell für einen Praxiseinsatz in grösseren Unternehmen geeignet ist. Bei der Komplexität von grossen Betrieben wäre zwar gerade ein solcher Veränderungsprozess erwünscht, aber kaum innert nützlicher Frist umsetzbar. Abgerundet wird die These mit einigen Gedanken zum Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen der heutigen Wirtschaft.

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Inhalt Inhalt III 1 Abkürzungsverzeichnis................................................................................................. 1 2

Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. 2

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Tabellenverzeichnis....................................................................................................... 2

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Vorwort .......................................................................................................................... 3

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Einleitung ....................................................................................................................... 4

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Geschichte und Theorie der Sportpsychologie ........................................................... 7

7

Die Praxis der Sportpsychologie ................................................................................ 11

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Betreuungsformen im Sport....................................................................................... 13 8.1 Psychologische und mentale Betreuung im Detail................................................... 17

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Vergleich Sport und Wirtschaft aus systemischer Sicht.......................................... 18

10

Verständnisvergleich Coaching in Sport und Wirtschaft ....................................... 22

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Sind Leistungssportlerinnen und -sportler die besseren Arbeitskräfte? ............... 26

12

Die Bereiche des psychologischen und mentalen Trainings .................................... 30 12.1 Belastungs- und Erholungsdynamik......................................................................... 30 12.1.1 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 30 12.1.2 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 30 12.1.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 33 12.1.4 Transfermethodik ............................................................................................... 34 12.2 Aktivierung (Idealer Leistungszustand ILZ)............................................................ 37 12.2.1 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 37 12.2.2 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 39 12.2.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 40 12.2.4 Transfermethodik ............................................................................................... 41 12.3 Konzentration ........................................................................................................... 42 12.3.1 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 42 12.3.2 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 44 12.3.3 Der «Flow» als spezielle Art der Konzentration................................................ 46 12.3.4 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 47 12.3.5 Transfermethodik ............................................................................................... 48 12.4 Bildhaftes Vorstellen/Visualisierungstraining ......................................................... 49 12.4.1 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 49 12.4.2 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 50 12.4.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 52 12.4.4 Transfermethodik ............................................................................................... 53 III


12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.5.4 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.7 12.7.1 12.7.2 12.7.3 12.7.4 12.8 12.8.1 12.8.2 12.8.3 12.8.4

Motivation ................................................................................................................ 55 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 55 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 55 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 58 Transfermethodik ............................................................................................... 59 Zielsetzungstraining ................................................................................................. 60 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 60 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 60 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 63 Transfermethodik ............................................................................................... 65 Psychologische Unterstützung bei Verletzungen..................................................... 67 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 67 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 67 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 68 Transfermethodik ............................................................................................... 69 Kritische Situationen am Beispiel von Karriereübergängen .................................... 70 Beschreibung der Thematik ............................................................................... 70 Grundfertigkeiten ............................................................................................... 72 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft ........................................................ 72 Transfermethodik ............................................................................................... 74

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Erkenntnisse ................................................................................................................ 75 13.1 Formulierung eines Modells..................................................................................... 75 13.1.1 Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse............................................. 76 13.1.2 Mehrstufiges Modell der Leistungsoptimierung ................................................ 78 13.1.3 Philosophie-Wechsel im mittleren und oberen Management ............................ 81 13.1.4 Kompetenzerweiterung im Unternehmen .......................................................... 82 13.2 Verifizierung des Modells mit qualitativen Konsultativinterviews ......................... 83 13.3 Einfluss auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ....................................... 86 14

Epilog............................................................................................................................ 88

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Quellenverzeichnis ...................................................................................................... 89

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Anhang ......................................................................................................................... 93

IV


1 Abk端rzungsverzeichnis AT CSR ILZ IZOF KMU PC PMR S.C.O.R.E. S.M.A.R.T. SVK vs.

Autogenes Training Corporate Social Responsibility Individueller Leistungszustand Individual Zone of Optimal Functioning Kleine und mittlere Unternehmen Personal Computer Progressive Muskelrelaxation Symptom (Ist-Zustand), Cause (Ursache), Outcome (Zukunft), Resource (Ressourcen), Vision/Metaziel (Zukunft) Spezifisch, messbar, attraktiv/angemessen, realisierbar, terminierbar Shareholder Value Konzept versus

1


2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Rahmenbedingungen Entwicklung Sportpsychologie (Gabler et. al. 2004: 14).. 9 Abbildung 2: Mögliches Betreuungssystem im Spitzensport, eigene Grafik .......................... 15 Abbildung 3: Mögliches Betreuungssystem in der Wirtschaft, eigene Grafik ........................ 20 Abbildung 4: Logische Ebenen nach Dilts............................................................................... 22 Abbildung 5: Bochumer Inventar, gängiger psychologischer Test.......................................... 28 Abbildung 6: Kutscherstellung (symbolisiert) ......................................................................... 32 Abbildung 7: Beziehung Leistungsqualität und Erregungsniveau (YERKES/DODSON), Alfermann/Stoll, 2005:74................................................................................ 37 Abbildung 8: Energiezonen nach MARTENS, ........................................................................ 38 Abbildung 9: Aufmerksamkeitsfoki, sinngemäss nach Alfermann/Stoll, 2005: 33................. 44 Abbildung 10: Visualisierung und ihre Formen, Alfermann/Stoll, 2005:57............................ 49 Abbildung 11: Mentales Training nach Eberspächer (1995), Alfermann/Stoll, 2005: 58 ....... 49 Abbildung 12: Ablaufschema Zielsetzungsprozess, sinngemäss abgeleitet nach Baumann, 2006: 154 - 166...................................................................... 62 Abbildung 13: Zielberg, sinngemäss abgeleitet nach Baumann, 2006: 154 - 166................... 65 Abbildung 14: Entwicklungsmodell einer Sportkarriere nach Wyllemann & Lavallee, 2004: 507 - 527........................................................ 70 Abbildung 15: Modell für Übergänge in sportlichen Karrieren (sinngemäss übersetzt nach Stambulova, 2003: 97 - 109) .............................. 71 Abbildung 16: Mehrstufiges Modell der Leistungsoptimierung, eigene Grafik ...................... 81 Abbildung 17: Nachhaltiger Shareholder Value ...................................................................... 86

3 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Leistungsniveaus/Aufwand im Sport, eigene Aufstellung...................................... 14 Tabelle 2: Leistungsniveaus/Aufwand in der Wirtschaft, eigene Aufstellung......................... 19 Tabelle 3: Transfer Entspannungsmethoden, eigene Aufstellung............................................ 36 Tabelle 4: Transfer Aktivierung, eigene Aufstellung............................................................... 41 Tabelle 5: Transfer Konzentration, eigene Aufstellung ........................................................... 48 Tabelle 6: Transfer Motivation, eigene Aufstellung ................................................................ 59 Tabelle 7: Transfer Zielsetzungstraining, eigene Aufstellung ................................................. 66 Tabelle 8: Kompetenzerwartungstraining nach Hermann/Eberspächer, 1994: 97................... 68 Tabelle 9: Transfer Psychologische Unterstützung bei Verletzungen, eigene Aufstellung ..... 69 Tabelle 10: Transfer am Beispiel von Karriereübergängen, eigene Aufstellung ..................... 74 Tabelle 11: Zusammenfassung gewonnener Erkenntnisse....................................................... 76

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4 Vorwort Ist Sport aktive körperliche Betätigung? Oder ist Sport eine gesellschaftliche Institution? Oder kann man Sport heute gar als Markt und damit als wirtschaftliches System bezeichnen? Wahrscheinlich ist es gegenwärtig eine Mischung von alldem. Für mich jedenfalls bedeutete Sport ursprünglich Vergnügen und Freude. Als jugendlicher Leistungssportler wurde aber meine Passion auch zur Arbeit. Und als Erwachsener lernte ich, dass Sport körperlich wie geistig auch Schwerstarbeit bedeuten kann. Mit dem Fortschreiten meiner (klassischen) beruflichen Karriere wurde auch mein Job immer mehr zum Leistungssport. Stress, Leistungsdruck und hohe Erwartungen waren immer mehr nicht nur im Sport begleitende Faktoren.

So vermischten sich die Eigenheiten leistungssportlicher Betätigung immer mehr mit den Vorstellungen, wie moderne Wirtschaft heute funktioniert. Aber wenn sich diese Werte immer mehr vermischten, wo blieb da der Sport als Erholung? Als eigentliche Körperkultur, die dem Geist und der Physis gut tut?

Erst nach Abschluss meiner Leistungssportkarriere kam jene Distanz auf, die es brauchte, um meine duale Karriere in Sport und Wirtschaft genügend rational zu betrachten. Zu erkennen, dass ich mich selbst eigentlich permanent im Hochleistungsmodus befand. Ich lernte zu differenzieren, lernte die ursprüngliche Bedeutung von Sport für mich wieder schätzen und erkannte aber auch, wie viele Gemeinsamkeiten die beiden Bereiche Wirtschaft und Leistungssport eigentlich haben.

Mit der folgenden Arbeit versuche ich, meine vertieften Erfahrungen und Kenntnisse beider Bereiche sozusagen zu verschmelzen, um wiederum neue Erkenntnisse für mich zu gewinnen. Und wenn dies dem Leser letztlich auch gelingen sollte, dann hab ich noch mehr erreicht als gewünscht.

In diesem Sinne wünsche ich viele Erkenntnisse bei der Lektüre.

Markus Müller

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5 Einleitung Die Leistungsdichte im Spitzensport wird immer höher. Ausgeklügelte Trainings- und Betreuungssysteme erlauben heutigen Athletinnen, Athleten und Teams ihre ganzen Leistungspotentiale auszuschöpfen. In bestimmten Disziplinen haben Weltrekorde schon seit Jahrzehnten Bestand und werden kaum mehr gebrochen. Ein Indiz dafür, dass die Leistungen bis an ihre Grenzen optimiert sind. Eines der jüngsten wissenschaftlichen Gebiete, die sich mit der Leistungsoptimierung beschäftigen, ist die Sportpsychologie. Dabei werden alle psychologischen und mentalen Themen bearbeitet, welche die Leistung von Sportlerinnen und Sportler optimieren können. Auch in der Wirtschaft werden Mitarbeitende immer mehr zu «Unternehmensathletinnen und -athleten». Sowohl körperlich wie auch mental erleben heute selbständige wie auch angestellte Personen einen hohen Druck. Prozesse werden optimiert, Gewinne maximiert, Humankapital wird nach Belieben auf- und abgebaut, die verlangte Mobilität wird immer grösser und Mitarbeitende haben mit der globalisierten Wirtschaftswelt und der Online-Kommunikation fast 24 Stunden erreichbar zu sein.

Höchstbelastung. Normalzustand im Leistungssport als auch im Wirtschaftsleben

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Die Anforderungen, denen Leistungssportlerinnen und -sportler wie auch Arbeitskräfte heute standhalten müssen, sind also in hohem Mass vergleichbar. Während aber im Leistungs- und Spitzensport den Athletinnen und Athleten in der Regel ein Sportpsychologe oder Mentaltrainer zur Verfügung steht, sind in der Wirtschaft Mitarbeitende noch oft auf sich alleine gestellt. Leistungsoptimierung und Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit bleiben sehr oft Sache des Individuums. Unternehmen unterstützen zwar ihre Mitarbeitenden dabei immer öfter, das ist erfreulich, trotzdem bleibt ein umfassender Support doch noch eher die Ausnahme. Und je kleiner die Unternehmung, desto mehr bleiben die Mitarbeitenden auf sich alleine gestellt. Die Instrumente und Erkenntnisse aus dem Leistungssport wären vorhanden. Sie sind wahrscheinlich auch einigermassen einfach auf die Wirtschaft zu adaptieren, doch noch fehlen abgesicherte Modelle und Techniken.

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Fragestellung Und genau hier setzt diese Publikation an. Der Autor untersucht Techniken, Aspekte und Modelle aus dem Leistungssport auf deren Anwendbarkeit und Übertragbarkeit auf die Wirtschaft. Die wichtigsten Anwendungsbereiche der angewandten Sportpsychologie werden durchleuchtet und sollen Aufschluss geben, ob und welche Aspekte aus dem mentalen und psychologischen Bereich des Leistungssports sich in die heutige Wirtschafts- und Unternehmenswelt transferieren lassen. In erster Linie wird dabei die umfassend vorhandene Lektüre über Sportpsychologie, Unternehmens- und Personalentwicklung für die Gewinnung der entsprechenden Erkenntnisse herangezogen. Schliesslich werden Techniken aus dem systemischlösungsorientierten Coaching auf deren Eignung zum Transfer der sportpsychologischen Themen in die Unternehmenswelt überprüft.

Die Sportpsychologie hat schon oft in die Wirtschaft geschielt. Auch die bekanntesten Sportpsychologen der Schweiz sind mittlerweile beliebte Referenten in der Wirtschaft. Was ist das Geheimnis von Simon Ammanns Erfolg? Was macht den Erfolg des Tennisspielers Roger Federer aus? Wieso holt eine U17-Mannschaft des Schweizer Fussballverbandes 2009 bei ihrer ersten Teilnahme an Weltmeisterschaften als Aussenseiter gleich den Titel? Sportpsychologen wissen viele Antworten auf solche Fragen. Doch nachhaltig und vor allem leicht auf die Wirtschaft zu applizieren sind solche Referate nur selten. Dafür existiert noch zu wenig angewandte Forschung und Literatur. Es wäre daher schön, wenn das vorliegende Buch etwas beitragen könnte, den Kompetenztransfer vom Leistungssport auf die Wirtschaft zu intensivieren.

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6 Geschichte und Theorie der Sportpsychologie Was hat Leistungssport überhaupt mit der Unternehmenswelt und der Wirtschaft zu tun. Eine ganze Menge, so geht es doch heute an beiden Fronten um Leistung und Leistungsoptimierung. Und um diese Attribute kümmert sich die Sportpsychologie. Um zu verstehen, wie sich die noch verhältnismässig junge Disziplin der Psychologie mit den verbundenen Bereichen interagiert, lohnt sich ein kurzer Ausflug in die Anfänge der Wissenschaft. Das vorliegende Kapitel beschreibt, wie die Sportpsychologie aus der olympischen Idee wuchs und wie sie sich immer mehr um die breit gefächerten Bedürfnisse von Athletinnen und Athleten zu kümmern begann.

Die Wurzeln der Sportpsychologie ruhen auf dem 1913 in Lausanne durchgeführten olympischen Kongress zur «Psychologie und Physiologie des Sport» (vgl. de Coubertin, 1913). Der Beginn der europäischen Sportpsychologie fand in Deutschland statt. 1920 wurde in Berlin die Deutsche Hochschule für Leibesübungen (DHfL) gegründet (vgl. Gabler et al. 2004: 16). Die Ausbildungsstätte verstand den Menschen als leib-seelische Einheit und deshalb wurde die Psychologie von Beginn weg in die Studienpläne aufgenommen. Bis 1933 entstanden zahlreiche Veröffentlichungen zu sportpsychologischen Themen, in denen bereits die Grundthemen der heutigen Sportpsychologie vorweggenommen wurden. Die folgenden Jahre standen stark im Einfluss des nationalsozialistischen Regimes. Wissenschaftlich verlor die Sportpsychologie an Bedeutung, so wurde der Sport in der damaligen Zeit sehr stark für politische Zwecke instrumentalisiert. Erst im Laufe der 1950er-Jahre gewann die Sportpsychologie in Deutschland wieder an Wichtigkeit. Ein Meilenstein in der Entwicklung war dabei die Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) im Jahr 1950 und vor allem die 1947 erfolgte Gründung der Sporthochschule Köln. Der Ausbau der Sportpsychologie in den 1960er-Jahren war mit einer sprunghaft angestiegenen Anzahl an Veröffentlichungen verbunden. In der Zeit von 1966 bis 1979 entstanden rund 15‘000 Arbeiten zu psychologischen Phänomenen im Sport. In all den Jahren davor waren lediglich 3‘300 Arbeiten veröffentlicht worden (vgl. Gabler et al. 2004:16-25). Die 1960er-Jahre standen auch im Zeichen des internationalen Auf- und Ausbaus der Sportpsychologie. Wichtige Impulse setzten dabei die internationalen Kongresse. Dabei fand 1965 in Rom der erste Weltkongress der Sportpsychologie statt.

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Drei Jahre später fand im bulgarischen Varna der erste europäische Kongress unter dem Motto «Citius, Altius, Fortius» statt. Im Jahr darauf wurde die Féderation Européenne de Psychologie des Sports et des Activités Corporelles (FEPSAC) gegründet. In der Schweiz wurde die Wissenschaft in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre wahrgenommen. Dabei darf Guido Schilling als einer der Gründerväter der Schweizerischen Bewegung bezeichnet werden. Er nahm 1965 am Weltkongress in Rom teil und seit damals, so Schilling, liess ihn die Sportpsychologie nicht mehr los (vgl. http://www.guidoschilling.com). 1969 wurde die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (SASP) gegründet. Guido Schilling und später mit ihm zusammen auch Roland Seiler prägten und prägen die Sportpsychologie - nicht nur in der Schweiz - bis heute. Mit der zunehmenden Professionalisierung des Leistungs- und Spitzensportes bekam auch die Sportpsychologie einen immer höheren Stellenwert. Dass die Wissenschaft der Sportpsychologie richtiggehend popularisiert wurde, darf wohl dem amerikanischen Sportpsychologen Dr. James E. Loehr (vgl. Loehr 1991 und 1994) verdankt werden. Loehr war in den 1980er-Jahren massgeblich an den Erfolgen bekannter Sportler wie Dan Jansen (Eisschnelllauf) oder Monica Seles, Martina Navratilova, Chris Evert, Jim Courier und Pete Sampras (Tennis) beteiligt. Seine beiden Bücher «Persönliche Bestform durch Mentaltraining» und «Die neue mentale Stärke» wurden millionenfach verkauft. Durch den Begriff «Mentaltraining» erreichte die Sportpsychologie zum ersten Mal eine breite Masse an Sporttreibenden. Bald darauf wurde mentales Training salonfähig und heute gehören mentale Techniken mehr oder weniger zur Grundausbildung von leistungsorientierten Sportlerinnen und Sportlern.

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Abbildung 1: Rahmenbedingungen Entwicklung Sportpsychologie (Gabler et. al. 2004: 14)

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Womit beschäftigen sich die Sportpsychologie im Allgemeinen sowie das mentale und psychologische Training im Leistungssport überhaupt? Auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren die Grundlagen der Sportpsychologie? Die Sportpsychologie kann als Querschnittswissenschaft bezeichnet werden. Sie bewegt sich im Spannungsfeld von Psychologie, der Sportwissenschaften und der eigentlichen Sportpraxis. Sie verarbeitet Erkenntnisse aus den beschriebenen Bereichen und fokussiert diese auf die Anwendungen im Sport. Dabei wird nicht bloss von Spitzensport gesprochen. Speziell auch im Breiten-, im Gesundheits- oder Nachwuchssport spielt die Sportpsychologie eine wichtige Rolle. Immer mehr erhält die Sportpsychologie auch in der Gesundheitsprävention und Rehabilitation eine gewichtige Stimme. Bis vor wenigen Jahren war die Sportpsychologie noch stark in der Forschung und Lehre tätig. Relativ selten wurden Fachpersonen aus der Sportpsychologie an der Seite von Sportlerinnen und Sportlern gesehen. So mag es auch nicht erstaunen, dass der Dachverband der Schweizer Sportverbände (Swiss Olympic) erst seit 2006 einen Sportpsychologen im offiziellen Betreuungsstab hat.

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7 Die Praxis der Sportpsychologie Wer kann durch den Sport seinen Lebensunterhalt bestreiten? In zahlreichen Sportarten, die weniger Aufmerksamkeit durch Öffentlichkeit und Medien erhalten, können sich auch die Besten der Besten kaum hauptberuflich mit ihrem Sport beschäftigen. Nur verhältnismässig wenige Sportarten, die medien- und öffentlichkeitswirksam sind, erlauben den Protagonisten ein Auskommen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die meisten Leistungssportlerinnen und -sportler betreiben «ihren» Sport nach wie vor als aufwändiges Hobby. Lediglich absolute Spitzensportler oder -verbände vermögen, einen breiten Betreuungsstab zu engagieren. Deshalb können in der Schweiz heute wenige Sportpsychologinnen und -psychologen von der angewandten Arbeit im Sport leben. Sehr viele sind in Forschung und Lehre tätig. Weitere sind in der Prävention oder Rehabilitation (z.B. Paraplegikerzentrum Nottwil) beschäftigt.

In den letzten zwanzig Jahren wächst die Zahl der Mentaltrainerinnen und -trainer, sowie Mentalcoaches. Die Bezeichnung ist trendig und der Titel ist nicht geschützt. Viele Sportpsychologinnen und -psychologen bezeichnen sich bei der Arbeit mit Sportlern noch heute nicht selten als Mentaltrainerinnen und -trainer, denn erst langsam gelten Sportpsychologinnen und -psychologen nicht mehr als «Ärztinnen und Ärzte für die Psyche». Vielerorts hält sich aber noch immer hartnäckig das Vorurteil, dass Leistungssportlerinnen und -sportler krank sind, die eine Sportpsychologin bzw. einen Sportpsychologen aufsuchen. Dabei ist aber speziell zu erwähnen, dass sowohl Fachpersonen aus der Sportpsychologie wie dem mentalen Coaching ausschliesslich mit psychisch gesunden Personen arbeiten. In ihrer Arbeit geht es um Leistungssteigerung oder -optimierung. Verhaltensstörungen wie bspw. die Anorexia Athletica (Sportanorexie oder Sportmagersucht) werden in der Regel durch Sportpsychologinnen und psychologen nicht behandelt. Sie werden diagnostiziert und danach werden die jeweiligen Personen an Therapeutinnen, Therapeuten oder andere Fachpersonen überwiesen.

Im landläufigen Verständnis der Rollen in der Sportpsychologie bezeichnet man Mentaltrainerinnen und -trainer gerne als jene Personen, die mit Sporttreibenden angewandt arbeiten und ihnen die Grundlagen und Techniken des mentalen und psychologischen Trainings vermitteln. Nur ganz selten sind in der Praxis allerdings solche Lehrpersonen im Einsatz.

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In der Regel ist eine Mentaltrainerin, ein Mentaltrainer für die Klientinnen und Klienten eine Vertrauensperson. Dabei werden sehr rasch Probleme, Blockaden und Krisensituationen besprochen, die eine Mentaltrainerin oder ein Mentaltrainer nur selten kompetent bearbeiten können. Normale Betreuungssituationen im Mentaltraining führen in der Regel sehr rasch in mehr oder minder komplexe Coachings. Dabei gibt es aber offiziell in der Schweiz keine eigentlichen Mentalcoaches. Im Gegensatz zu Österreich. Im östlichen Nachbarland der Schweiz ist durch ein Psychologiegesetz klar geregelt, wer sich «Sportpsychologe», «Mentalcoach» und «Mentaltrainer» nennen darf. Die ungeklärte Situation führt in der Schweizer Praxis heute oft zu schwierigen Situationen. Wer soll und darf mit Klienten was tun. Im Normalfall gilt heute die Regel «Was funktioniert, ist erlaubt». Unterstützt wird die komplizierte Situation dadurch, dass es in den letzten Jahren einen Wildwuchs an Ausbildungen für Mentaltrainerinnen und -trainer gab. Viele Organisationen bieten Kurzlehrgänge, die kaum mehr als einige Tage oder Wochen dauern. Seit 2005 bietet die Hochschule für Angewandte Psychologie HAP in Zürich ein «Certificate of Advanced Studies in mentalem und psychologischem Training im Sport» an. Erst seit kurzem existiert in der Schweiz auch ein Curriculum in Sportpsychologie. Die «Branche» ist relativ schlecht organisiert, einzig die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (SASP) steht für ein inoffizielles Label bei qualifizierten Fachpersonen in der Sportpsychologie und Mentaltraining/-coaching. Zusammenarbeitsmodelle zwischen Psychologinnen/Psychologen und Mentaltrainerinnen/-trainern und -coaches gibt es dabei allerdings keine. Noch ist unklar, wo sich die verschiedenen Gruppen ergänzen und wo sie sich gar konkurrieren.

Heute besteht die Tendenz, dass nur noch anerkannte Sportpsychologen mit einem Hochschul-Curriculum im Spitzensport tätig sein dürfen. Die Neuorganisation der «Branche» ist in vollem Gange, so sind mittlerweile viele hoch qualifizierte Mentalcoaches, -trainerinnen und trainer in der Praxis tätig, die ein stark vernetztes Wissen haben. Viele dieser qualifizierten Fachkräfte beginnen sich heute an der Wirtschaft zu orientieren, da im Leistungssport kaum Geld zu verdienen ist. Lediglich im Spitzensport, der attraktiv für Medien und Sponsoren ist, gibt es genügend finanzielle Mittel für Mentalcoaches, um davon leben zu können. Da aber dieser «Markt» immer mehr universitären Sportpsychologinnen und -psychologen vorenthalten ist, richten sich Mentalcoaches ohne Hochschulabschluss vermehrt an anderen Betätigungsfeldern aus.

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Sei dies im Breitensport, im Gesundheitssport oder eben in der Wirtschaft. So entstehen nach und nach Betätigungsfelder, die noch wenig erforscht sind.

8 Betreuungsformen im Sport Die Formen der Betreuung im Sport sind heute so vielfältig wie es Sportarten gibt. Generell gilt Folgendes: Je professioneller der Sport, je besser medial geeignet, je höherklassig die Athletin, der Athlet oder das Team, so grösser und kompletter der Betreuungsstab. Im Spitzensport wird im Allgemeinen nichts mehr dem Zufall überlassen. Selbst in so bodenständigen Sportarten wie bspw. dem Schwingen ist ein umfassender Betreuungsstab die Regel.

Die Betreuungsformen im heutigen Leistungssport sind vielfältig

Um die Betreuungsformen besser zu klassifizieren, teilt der Autor die Sportwelt in sechs Leistungsniveaus ein (vgl. folgende Tabelle). Selbstverständlich kann die Tabelle nicht als allgemein gültig betrachtet werden.

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Betrachtet man bspw. die Sportarten Fussball und Triathlon, so betreibt eine ambitionierte Triathletin rasch einmal einen Wochenaufwand von zehn Trainingsstunden. Ein Fussballer mit einem solchen Aufwand hingegen bewegt sich locker auf der fünften Stufe und dürfte bereits ein bescheidenes Entgelt für seine Dienste erhalten.

1

Leistungsniveau

Arbeitspensum

Finanzierung

Aufwand/Woche

Gesundheitssport/Fitness

Nebenbei unregelmässig

Wenig Ausgaben, keine Erträ-

1 bis 2 Stunden

ge

(GS/F) 2

3

4

Breitensport

Hobby, ein- bis zweimal pro

Wenig Ausgaben, keine Erträ-

(BS)

Woche

ge

Leistungsorientierter Brei-

Hobby, am Abend und am

Höhere Ausgaben

tensport (LBS)

Wochenende

als Natural-Einnahmen

Leistungssport

Nebenberuflich

Materialsponsoring, Spesen,

Hochleistungssport

Arbeitspensum reduziert

Spesen, Sponsoring, wenig

Spitzensport

7 bis 12 Stunden

13 bis 24 Stunden

Preisgeld

(HLS) 6

4 bis 7 Stunden

oft kostenneutral

(LS) 5

2 bis 4 Stunden

Pro/Elite, oft hauptberuflich

Salär, Preisgelder, Sponsoring,

> 24 Stunden

Werbung, Auftritte

(SpS)

Tabelle 1: Leistungsniveaus/Aufwand im Sport, eigene Aufstellung

Sporttreibende auf den Stufen «1» bis «2» nehmen im Grossen und Ganzen kaum zusätzliche Betreuung in Anspruch. Sportlerinnen und Sportler im leistungsorientierten Breitensport beanspruchen punktuell eine spezielle Betreuung. Oft in Form von Massagen oder Fachseminare. Üblicherweise läuft auf dieser Stufe vieles autodidaktisch.

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Auf der vierten Stufe findet bereits eine Leistungsoptimierung statt. Oft werden zusätzliche Dienste gegen ein geringes Entgelt in Anspruch genommen (normalerweise Milizsystem).

Auf Stufe «5» stecken viele Athletinnen und Athleten bereits beträchtliche (Eigen-)Mittel in ihren Sport und haben in der Regel ein kleines bezahltes oder freiwilliges Betreuungsteam. Erst auf Stufe «6», also dort wo im Allgemeinen umfassendere finanzielle Mittel vorhanden sind, ist ein breiteres Betreuungsteam üblich. Siehe dazu auch die folgende Abbildung, die ein denkbares, wahrscheinliches Betreuungssystem im Spitzensport skizziert.

Abbildung 2: Mögliches Betreuungssystem im Spitzensport, eigene Grafik

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Es ist offensichtlich, dass sich die Athletin/der Athlet, bzw. das Team nur noch um seine eigentliche Hauptaufgabe, das Training und den Wettkampf kümmern muss. Auf diese Weise wird eine eigentliche Leistungsoptimierung ermöglicht. Nebensächliche Aufgaben werden delegiert, neben Training und Wettkampf verbleibt genügend Zeit für die körperliche und geistige Regeneration.

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8.1 Psychologische und mentale Betreuung im Detail Sportpsychologinnen, Sportpsychologen, Mentaltrainerinnen und -coaches sind in der Regel nicht Bestandteil des regulären Betreuungsstabs. Sie halten bewusst eine gewisse Distanz zu Teams und Einzelexponenten. Das gewährleistet im Betreuungsverhältnis einen «gesunden» Abstand. Sehr oft sind auch Beziehungsverhältnisse zur Trainerin, bzw. zum Trainer ein Thema und in solchen Fällen gehört eine professionelle Distanz im Coaching zu den Grundbedingungen. In sehr vielen Fällen entwickelt sich ein ganz spezielles Verhältnis zwischen Mentalcoach und Coachee. Da über sehr Persönliches gesprochen wird, entwickelt sich ein sehr enges Vertrauensverhältnis, das eine grosse Diskretion erfordert. Dazu kommt, dass auch heute noch in nicht wenigen Sportarten mentale Betreuung als uncool und unnötig angesehen wird.

Die folgende Aufstellung zeigt in absteigender Reihenfolge die Intensität verschiedener gängiger Betreuungsverhältnisse im Sport: 1. Mitglied des Regel-Stabs, bezahlte Dienstleistung, permanent für Athletinnen und Athleten ansprechbar 2. Fixe Präsenzzeiten im athletischen Umfeld 3. Feste Engagements über eine gewisse Anzahl von Stunden, normalerweise in der Praxis, bzw. in den Coachingräumen des Coaches oder an einem Ort nach Wahl der Klientin oder des Klienten. Eine Regelgrösse sind dabei bis zu acht Stunden Coaching. Die Grössenordnung entspricht auch gleichzeitig der maximalen Leistung, die Swiss Olympic ihren Kaderathletinnen und -athleten im mentalen und psychologischen Bereich finanziert. 4. Seminare und Sensibilisierungs-Workshops 5. Als Sonderformen sind auch zu erwähnen: Teamcoachings, persönliche Coachings von einzelnen Athletinnen und Athleten aus einem ganzen Team und Coach-theCoach-Betreuungsverhältnisse.

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9 Vergleich Sport und Wirtschaft aus systemischer Sicht Das «System Leistungssport», so wie es eben skizziert wurde, hat den Beweis längst erbracht, dass innerhalb dieses Zusammenhangs Spitzenleistungen möglich sind. Mitunter dürfte ein Hauptgrund sein, dass sich die Protagonisten, also die Leistungssportlerinnen und -sportler voll und ganz auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können. Natürlich ist die Konzentration auf eine Kernaufgabe auch in der Wirtschaft möglich. Paradoxerweise sind es jedoch eher Mitarbeitende auf unteren Führungsniveaus, bzw. angestellte Personen ohne Führungsaufgaben, die sich im Wesentlichen auf ihr Kerngebiet konzentrieren können. Je höher eine Fachkraft in der Führungshierarchie steigt, desto umfassender und anspruchsvoller wird das Aufgabengebiet. Neben dem eigentlichen «People Management» ist die Führungskraft üblicherweise zu einem gewissen Mass auch im operativen Geschäft eingebunden. Eine Management-Aufgabe, die sich auf die reine Führungsarbeit beschränkt, ist relativ selten.

Eine Situation, die es im Leistungssport nur mehr selten gibt. Sogenannte Spielertrainer werden immer rarer, da auch das System Leistungssport immer komplexer und anspruchsvoller wird.

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang die Systeme «Leistungssport» und «Wirtschaft» detaillierter miteinander zu vergleichen. Dazu wird Tabelle 1 (Leistungsniveaus/Aufwand im Sport) mit wirtschaftsorientierten Ausdrücken ausgefüllt. Die Termini sind nicht ganz adäquat zu übertragen. Es wird deshalb versucht, artverwandte Ausdrücke und Inhalt zu nehmen. Mit «Leistungsniveaus» wird die Stellung in der Mitarbeiter-Hierarchie betitelt. Statt «Arbeitspensum» wird «Arbeitseinsatz» verwendet. Dies soll Hinweise darauf geben, wie stark die Mitarbeitenden zeitlich in ihrer Anstellung belastet sind. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass je höher das Einkommen von Mitarbeitenden, je höher die Ansiedlung auf der Hierarchiestufe, desto höher der geforderte Arbeitseinsatz ist. Statt «Finanzierung» wird der Begriff «Support» verwendet. Es wird hierbei von folgender Annahme ausgegangen: je höher im Sport die Finanzierung durch externe Quellen ist, desto besser sind die Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Egal ob auf körperlicher (z.B. Physiotherapie), mentaler (z.B. Mentalcoach) oder auf Sachebene (z.B. Reisespesen, bezahlte Trainingslager etc.). Der Titel «Aufwand/Woche» wird schliesslich wieder unverändert übernommen. 18


Leistungsniveau

Arbeitseinsatz

Support (z.B. Coach)

Aufwand/Woche

1

Arbeitskräfte ohne Fachaus-

Regelarbeitszeit

In der Regel nicht notwendig

40 Stunden

2

Qualifizierte Fachkräfte

Wenig, angeordnete Überzeit

In der Regel nicht notwendig

40 - 42 Stunden

3

Lower Management

Zu leistende Überstunden

In der Regel selbst bezahlt

42 - 45 Stunden

Oft hohe Einsatzzeiten über

Teilweise als Fringe Benefits

45 - 50 Stunden

das Regelmass hinaus

(z.B. Fitness Center Abos…) Teilweise Support bei Coaches

bildung

entsprechen der Regel 4

Middle Management

5

Upper Management

Stark leidende Worklife Ba-

Ca. 50 Stunden

lance

etc.

6

Top Management

Hauptlebensinhalt, aber in der

Voller Support plus Fringe

In der Regel ca. 50 Stunden

Regel mit Support

Benefits sind die Regel

und mehr

Tabelle 2: Leistungsniveaus/Aufwand in der Wirtschaft, eigene Aufstellung

Vergleicht man die beiden Tabellen nun miteinander fällt auf, wie ähnlich die beiden Systeme grundsätzlich sind. Die verschiedenen Niveaus sind vergleichbar. Auch der Arbeitseinsatz bzw. das -pensum sind weitgehend analog. Ebenso die Spalte «Finanzierung»/«Support» und «Aufwand/Woche». Je höher das Leistungsniveau im Sport, je höher die Hierarchie im Unternehmen, desto umfassender werden die zusätzlichen Unterstützungsleistungen. Zudem gibt es im Sport, wie auch in der Wirtschaft Stufen, bei denen das geforderte Pensum sehr hoch ist (siehe Niveaus 4 und 5), ja sogar vergleichbar mit der Spitzenstufe, wo aber die Supportleistungen wesentlich niedriger sind. Dabei soll eine Metapher aus dem Tennis zum Einsatz kommen, welche den Vergleich verdeutlicht. Mitte Januar 2011 werden im ATP World Ranking der (männlichen) Tennis-Professionals über 1‘750 Athleten geführt. Der Trainingsaufwand wird wohl bei den meisten Sportlern vergleichbar sein. Aber nur die wenigsten Athleten wie Roger Federer oder Raphael Nadal werden Privatjets oder Hotelsuiten zur Verfügung haben.

Tatsache bei diesem ungewöhnlichen Vergleich ist, dass sowohl im Leistungssport als auch in der Wirtschaft die Spitzenstufen über umfassende Zusatzleistungen verfügen können. Deshalb soll nun auch das Betreuungssystem im Spitzensport auf die Wirtschaft adaptiert werden. Es wird verglichen, welche der Aufgabenbereiche bzw. unterstützenden Dienstleistungen im Sport auch im Unternehmen heute üblich sind.

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Abbildung 3: Mögliches Betreuungssystem in der Wirtschaft, eigene Grafik

Die blauen Felder können fast unverändert dem Betreuungssystem in der Wirtschaft gegenübergestellt werden. Die Aufgabenbereiche in den gelben Feldern sind zwar in der Wirtschaft durchaus zu finden, so gehören aber bspw. eine Personaltrainerin oder ein Personaltrainer sehr selten zu den unterstützenden Leistungen, die ein Unternehmen seinen Spitzen-Arbeitskräften zur Verfügung stellt. Diese beiden Leistungen werden allenfalls durch die Arbeitenden selbst beigezogen und finanziert. Insbesondere bei der körperlichen Gesundheit ist noch immenses Potential vorhanden. Dabei geht es speziell um jene Aspekte der körperlichen Gesundheit, die durch den Einsatz an Büro- oder PC-Arbeitsplätzen im Mittelpunkt stehen. 31% der Berufstätigen in der Schweiz geben an, dass ihre Gesundheit durch ihre Arbeit beeinträchtigt wird. Die am häufigsten genannten Gesundheitsbeschwerden sind Rückenschmerzen (18%), Stress (17%) und Muskelschmerzen in den Schultern oder im Nacken (13%) (vgl. 4. Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen). Durch ein angepasstes körperliches Training könnten im Sinne einer gesundheitlichen Prävention viele Ausfälle im Arbeitsleben vermieden werden, was die volkswirtschaftlichen Folgekosten um einen immensen Betrag vermindern würde.

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In den gleichen Bereich fallen die stressbedingten Arbeitsausfälle. Gemäss der erwähnten europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen bestätigen 17 % der Berufstätigen, an Stress zu leiden. Ein noch drastischeres Bild zeichnen die aktuell verfügbaren Angaben der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (vgl. Schweizerische Gesundheitsbefragung). Dabei leiden 44 % der Erwerbsbevölkerung unter starken nervlichen Anspannungen bei der Arbeit. Wiederum 38 % der Frauen und 21 % der Männer, die unter sehr grosser nervlicher Anspannung wegen ihrer beruflichen Tätigkeit leiden, werden von starken körperlichen Beschwerden geplagt. Hierbei erstaunt es massiv, dass die Supportdienstleistungen, in Abbildung 3 rot hinterlegt, in der Wirtschaft noch kaum vertreten sind. Langsam beginnt sich zwar «Wohnen mit Dienstleistungen» (bspw. die stark nachgefragte Albisrieder Wohnüberbauung «James») zu etablieren. Diese Wohngelegenheiten nehmen den Bewohnern Dienstleistungen wie z.B. Waschen, Bügeln, Einkaufen etc. ab. Im weitesten Sinne amten die entsprechenden Portiers als Umfeldmanager für ihre Bewohnerinnen und Bewohner. Auch im Bereich der geistigen Gesundheit von Arbeitnehmenden gibt es immer mehr Dienstleister. So spezialisieren sich immer mehr Coaches für die mentale Gesundheitsprävention (Worklife Balance, Stressprävention). Eigentliche Mentalcoaches, die Bestandteil eines Unternehmensstabs sind, werden heute leider in der Praxis noch viel zu selten eingesetzt. Dabei versteht sich ein Mentalcoach, im Sinne des Leistungssports, als Leistungsförderer und -optimierer. Und Leistungsoptimierung sollte an sich ganz im Sinne einer modernen Unternehmensphilosophie sein, die auf Gewinnoptimierung abzielt.

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10 Verständnisvergleich Coaching in Sport und Wirtschaft Im Gegensatz zur Wirtschaft werden im Sport die Begriffe «Coach» und «Coaching» sehr breit eingesetzt. Zur Veranschaulichung dieser Aussage wurde in der Internet-Suchmaschine «Google» auf deutschsprachigen Seiten nach den Begriffen «Coach Sport» und «Coach Wirtschaft» gesucht (Stand Mitte Januar 2011). Die Suche nach «Coach Sport» liefert 1‘730 Suchergebnisse. Jene nach «Coach Wirtschaft» deren 249. Im umgangssprachlichen Gebrauch wird der Trainer im Sport oft auch als Coach bezeichnet. Speziell im amerikanischen Sprachgebrauch steht der Ausdruck Coach sehr oft für Personen, die sowohl das Training ausserhalb des Wettkampfes als auch das Coaching während des Wettkampfes koordinieren und durchführen. Interessanterweise greift dabei der Coach – im Sinne der wettkampfbegleitenden Person – sehr oft und sehr direktiv ein. Während Wettkämpfen agiert der Coach häufig aus einer eng begrenzten Coachingzone (vor allem aus dem Fussball bekannt). Der Coach versucht dabei sehr direkt mit konkreten Anweisungen eine Verhaltensänderung von Akteuren zu erreichen. An sich widerspricht dies der landläufigen Meinung, dass ein Coach nicht direktiv wirken soll. Gemäss der Theorie oder Lehre von Dilts (vgl. Dilts, 2005: 22 – 23) soll

Abbildung 4: Logische Ebenen nach Dilts

der Coach ein breites Spektrum an Rollen wahrnehmen können. Nach dieser Definition würde der Trainer auf der Verhaltensebene als Performance Coach walten. Nichtsdestotrotz soll auch im Sport eine klare Unterscheidung vorgenommen werden. Hotz gelingt dabei in seinem Artikel im Fachmagazin «Leistungssport» eine sehr treffende Unterscheidung der beiden Aufgaben (vgl. Hotz, 1994: 16 – 19). Während der Trainer für die Leistungsentwicklung zuständig ist, so ist der Coach für die 22


Leistungsentfaltung zust채ndig. Dabei wirkt der Coach im deutschsprachigen Gebrauch als psychologische Fachperson, die auf den Punkt die optimale Leistung aus den Akteuren zu holen versucht. Der Trainer kann zwar im Wettkampf durchaus zum Coach werden, aber l채ngst nicht jeder Coach ist auch ein guter Trainer (vgl. Hotz, 1994: 17).

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Wie bereits in Abbildung 2 aufgezeigt, bewegt sich die psychologische Betreuung im Sport zwar im Umfeld des Teams, nimmt jedoch in der Regel Kontakte zu Athletinnen und Athleten direkt und nicht über den Trainer wahr.

In der Wirtschaft wird die Aufgabe des Coachs anders wahrgenommen. Hier wirkt der Coach begleitend. Er soll Prozesse beobachten und konkrete Handlungsanweisungen überwiegend unterlassen. Die eigentliche Arbeit machen die Coachees. Es gibt auch hier Managementoder Verkaufstrainer, die im Gegensatz zum Sport nicht unbedingt gute Coaches sein müssen.

Wie widersprüchlich und verschiedenartig die Ausdrücke «Coach» und «Coaching» verwendet werden, zeigt eine sehr umfassende Ausführung von verschiedenen Definitionen in Sport und Wirtschaft von Oskar Handow. Handow stellt 2003 in seiner Dissertation (vgl. Handow, 2003: 75 – 83) fest, dass selbst heute kaum einheitliche Definitionen bestehen. Man könnte gar sagen, dass es so viele Definitionen von Coaching gibt, wie es praktizierende und lehrende Coaches gibt.

Im Sport fungieren also Trainerinnen und Trainer oft gleichzeitig als Coaches. Sportpsychologinnen und -psychologen, bzw. Mentalcoaches nehmen hingegen im engeren Sinne des Wortes die Aufgabe als «echte» Coaches (im Sinne von aussenstehenden Vertrauenspersonen) wahr. In der Wirtschaft agieren Linienvorgesetzte (in diesem Sinne mit dem Trainer im Sport vergleichbar) normalerweise nicht als Coaches. Sicher gibt es in Führungsfunktionen manche Coaching-Aufgaben wahrzunehmen. Eine Führungskraft ist deswegen noch lange kein guter Coach.

Die vorliegende Publikation geht im eigentlichen Teil der Thesenentwicklung nicht auf die Breite der Coachingdefinitionen ein. Sie verbleibt im engeren Sinne der aussenstehenden Begleitung von Sportlern (wie sie Sportpsychologinnen und -psychologen als auch Mentalcoaches im Sport wahrnehmen).Sowie auch in der engeren Wirtschaftsdefinition, wo der Coach in der Regel nicht direkte linienvorgesetzte Person ist. Sie geht trotzdem auf den Trainingsaspekt ein. Denn wie bereits im vorangegangenen Kapitel beschrieben, findet in der Wirtschaft selten ein eigentliches, systematisches Training der mentalen Fähigkeiten statt.

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Ein Training, das im engeren Sinne mit einer Leistungsentwicklung gleichgesetzt werden kann. Wie auch bereits im Kapitel «Die Praxis der Sportpsychologie» beschrieben, agieren Mentaltrainerinnen und -trainer nicht oft als blosse Lehrpersonen. Sie werden häufig mit Blockaden und Problemen von Sportlerinnen und Sportlern konfrontiert. So hätte also das mentale Training im Sinne von Dilts, wo der Coach auf der Verhaltensebene auch als Lehrer tätig ist, durchaus auch in der Wirtschaft Platz.

Eine Frage, die sich nun aufdrängt ist jene, ob Athletinnen und Athleten mit all ihren herausragenden körperlichen und mentalen Eigenschaften nicht per se schon die besseren Arbeitskräfte als «normale» Arbeitskräfte sind. Die bisherigen Ausführungen implizieren diese Annahme schon beinahe.

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11 Sind Leistungssportlerinnen und -sportler die besseren Arbeitskräfte?

Sind Leistungssportler bessere Arbeitskräfte? Verschiedene Studien bejahen dies.

Dieser Frage wurde bereits in verschiedenen Studien nachgegangen. Eine empirische Studie des Competence Center der Hochschule Pforzheim, die mit Unterstützung des Deutschen Olympischen Bundes initiiert wurde, kommt zum grundsätzlichen Schluss, dass Leistungsund SpitzensportlerInnen als leistungsfähige Arbeitskräfte massiv unterschätzt werden (vgl. Schwaab, 2010: 5 – 7). Dabei zeigt sich, dass ehemalige Leistungssportlerinnen und -sportler gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne vergleichbaren Hintergrund in den meisten Verhaltensdimensionen sehr viel höhere Werte erzielten. Die grössten Verhaltensunterschiede fanden sich bei den «Anforderungen an sich selbst (+ 2.64)», bei der «Belastbarkeit in arbeitsintensiven Phasen (+ 2.57)» und bei der «Motivation, im Beruf Leistung zu erbringen (+ 2.43)» als auch beim «Willen, Widerstände zu überwinden (ebenfalls + 2.43)».

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Die geringsten Verhaltensunterschiede äusserten sich bei den «Erwartungen an die Ausstattung des Arbeitsplatzes (+ 0.41)», bei der «Bereitschaft, Kritik anzunehmen (+ 0.51)» und bei der «Delegation von Entscheidungsbefugnissen (+ 0.59)».

Bei der Pilotstudie nahmen 61 Personen teil (n = 61). Die Skalierung bedeutete dabei: Verhaltensdimensionen, die bei Leistungssportlerinnen und -sportlern am deutlichsten stärker ausgeprägt waren (bzw. bei denen Athletinnen und Athleten sich relativ wenig von anderen Mitarbeitenden unterschieden): Verhalten sehr viel schwächer ausgeprägt (- 4), gleich ausgeprägt (0) oder sehr viel stärker ausgeprägt (+ 4).

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Bemerkenswert also, dass sämtliche Verhaltensdimensionen bei ehemaligen leistungsorientierten Athletinnen und Athleten, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, stärker ausgebildet sind.

Abbildung 5: Bochumer Inventar, gängiger psychologischer Test

Eine weitere Studie zu diesem Thema wurde durch Marcel Goelden an der Universität Münster durchgeführt (vgl. Sporthilfe.de, Fachmagazin der deutschen Sporthilfe, 2/2009: 40 – 41). Befragt wurden 1‘800 Berufseinsteiger (vornehmlich Hochschulabsolventen) und 550 LeistungssportlerInnen. Die Daten wurden mittels einem psychologischen Fragebogen (BIP: Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung) erhoben. Auch diese Studie stellt fest, dass sich Athletinnen und Athleten bei vielen Punkten beachtlich von «normalen» Berufseinsteigern unterscheiden. Bei dieser Studie schnitten ehemalige Leistungssportlerinnen und -sportler lediglich bei den Items Gestaltungs- und Führungsmotivation sowie Flexibilität leicht schlechter als die Vergleichsgruppe ab. Bei allen anderen elf Items schnitten die «sportlichen» Kolleginnen und Kollegen wiederum, teilweise markant besser ab.

Die dritte Studie, die in dieser Publikation zitiert wird, stammt von Nicole Lau. Sie geht in ihrer Arbeit vom Aspekt aus, dass Leistungs-, Spitzensportlerinnen und -sportler in ihrer sportlichen Betätigung per se als Arbeitnehmende der besonderen Art bezeichnet werden können. Sie resümiert (vgl. Lau, 2006: 21), dass Hochleistungssportlerinnen und -sportler mit besonderen Situationen umgehen können.

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Sie konstatiert, dass nachsportliche Berufskarrieren positiv beeinflusst werden und impliziert mit dieser Aussage, wie bereits die zitierten Kolleginnen und Kollegen feststellten, dass ehemalige Leistungssportlerinnen und -sportler in vielen Bereichen des Berufslebens, das nach der sportlichen Karriere folgt, nachweisbar bessere Persönlichkeitseigenschaften aufweisen. Und oft bessere Leistungen zu erbringen vermögen. Natürlich wird vorausgesetzt, dass entsprechende fachliche Grundlagen für die jeweilige Arbeit vorhanden sein müssen.

Nun drängt sich folgende Frage auf: Wenn ehemalige Leistungssportlerinnen und -sportler in den meisten Bereichen gegenüber ihren «nichtsportlichen» Kolleginnen und Kollegen derart überdurchschnittliche Eigenschaften aufweisen… wieso wird in der Breite nicht mehr Wert darauf gelegt, die entsprechenden psychologischen Eigenschaften vertiefter zu trainieren? Natürlich, einige Persönlichkeitseigenschaften sind nicht trainierbar. Mentale Stärke ist in der Regel trainierbar und in der Tat stellt sich die Frage, wieso die Techniken des mentalen und psychologischen Trainings im Leistungs- und Spitzensport noch nicht verbreiteter im Arbeitsleben Einzug gefunden haben.

Im folgenden Kapitel werden nun die neun wichtigsten mentalen und psychologischen Trainingsbereiche beschrieben. Es wird danach reflektiert, ob und wie die entsprechenden Praktiken auch im Arbeitsleben angewendet werden können. Und mit welchen möglichen Methoden aus dem systemisch-lösungsorientierten Coaching sie transferiert werden könnten.

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12 Die Bereiche des psychologischen und mentalen Trainings 12.1 Belastungs- und Erholungsdynamik

12.1.1 Beschreibung der Thematik In vielen Sportarten sind heute sehr grosse Trainingsumfänge nötig, um an die Spitze zu gelangen, bzw. um dort zu verbleiben. Die Kunst im heutigen Leistungs- und Spitzensport besteht darin, die meist enormen körperlichen Trainingsumfänge so zu kompensieren, dass innert nützlicher Frist wieder ähnlich hohe und höhere Belastungen wie vorangegangen bewältigt werden können. Speziell in Ausdauersport-Disziplinen sind Trainingsumfänge gegenüber früher massiv gestiegen. So sind beispielsweise im Langdistanz-Triathlon dreissig Stunden Wochenumfang keine Seltenheit. Solches verleitet viele Athleten, der Maxime «mehr ist besser» nachzueifern. Oft braucht es viel Vertrauen in die eigene Leistung und in die Trainingspläne, damit der Leitsatz in «weniger ist oft mehr» umgewandelt werden kann. So gesehen, erstaunt es nicht, dass es im heutigen leistungsorientierten Sport zu den Grundfertigkeiten gehört, eine lang anhaltende Entspannungsmethode zu beherrschen. Zumal die entsprechenden Entspannungspraktiken unterstützend wirken, Erholungsphasen optimaler zu nutzen und Erholungszeiten zu verkürzen. Die Beherrschung von Entspannungsmethoden hat neben dem positiven Einfluss auf die sportlichen Leistungen auch eine grosse Wirkung auf das alltägliche Leben neben der sportlichen Tätigkeit. Eine angenehme «Nebenwirkung» also bei Aus- oder Weiterbildung, im stressigen Berufsleben oder in sonstigen Lebenssituationen, welche stark beanspruchen.

12.1.2 Grundfertigkeiten Die beiden klassischen Praktiken, die im Sport oft angewendet werden, sind die «Progressive Muskelrelaxation» und das «Autogene Training». Daneben existieren noch viele andere Entspannungsarten, bspw. fernöstliche Methoden wie «Tai Chi» oder «Chi Gong». Die beiden letzteren sind nicht einfach zu lernen.

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Sie vermitteln neben der körperlichen und geistigen Entspannung auch ein stark verbessertes Körpergefühl, was für viele Sportlerinnen und Sportler ebenfalls von Wichtigkeit ist. Dasselbe gilt für «Yoga», der mit seiner entspannenden und ebenso tonisierenden Wirkung auch bei Leistungssporttreibenden immer beliebter wird.

Naive Entspannungsarten, eine einfache Alternative zu den klassischen Entspannungstechniken

Neben den klassischen Entspannungsarten haben die meisten Sportlerinnen und Sportler, oft ohne dass sie es sich bewusst sind, auch «naive» Entspannungsmöglichkeiten im Repertoire. Naiv werden diese genannt, weil sie intuitiv und ohne wissenschaftlichen Hintergrund angewandt werden. Die Bandbreite an naiven Methoden ist schier unermesslich, denn für jedermann gilt etwas anderes. Für die eine Person ist das Hören klassischer Musik eine Entspannung, eine andere schwört auf das Lesen von Büchern oder eine dritte entspannt sich mit Videospielen. Bei den «naiven» Methoden geht es in erster Linie um Ablenkung von der eigentlichen Aufgabe, was den Muskeltonus und die Atmung in der Regel senkt.

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Das Kapitel beschränkt sich auf eine Kurzerklärung der beiden wissenschaftlich fundierten Entspannungsmethoden der «Progressiven Muskelrelaxation» (PMR) und des «Autogenen Trainings» (AT), geht aber in der Transfermethodik auch kurz auf die naiven Methoden ein.

Die Progressive Muskelrelaxation PMR Die Progressive Muskelrelaxation wirkt über die Wahrnehmung der Muskelentspannung bzw. des Muskeltonus auf die Befindlichkeit ein. Die Methode wurde von Jacobson (vgl. Olschewski, 1996: 27) zum Abbau von Angst und Spannung entwickelt. Er entdeckte, dass durch systematische An- und Entspannung verschiedener Muskelgruppen und durch den Lernvorgang, sich auf die daraus resultierenden Gefühle der Spannung und Entspannung zu konzentrieren und sie zu unterscheiden, jemand fast alle Muskelverspannungen beseitigen und das Gefühl tiefer Entspannung erleben kann. Die Entspannungsübungen werden im Liegen Abbildung 6: Kutscherstellung (symbolisiert)

oder im Sitzen (Kutscherstellung) mit geschlossenen Augen durchgeführt. Zunächst werden insgesamt 14 Muskelgruppen in

vorgegebener Reihenfolge angespannt.

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Anschliessend werden diese wieder entspannt. Eine komplette Session PMR dauert 15 – 20 Minuten. Fortgeschrittene reduzieren den Zeitaufwand dadurch, dass sie angesprochene Muskelgruppen kombiniert an- und entspannen. Mit zunehmender Routine kann ein Entspannungserlebnis in wenigen Augenblicken erzielt werden.

Das Autogene Training AT Autogenes Training arbeitet mit Wärme- und Schweregefühlen im Körper. AT baut Spannungen ab, kann Angst reduzieren und hilft mit, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren. AT verbessert die Konzentrations- und Merkfähigkeit, steigert die Leistung und verschafft einen besseren Umgang mit Stress. Während des AT‘s werden die Alphawellen des Gehirns verlangsamt, was einen angenehmen Zustand zwischen Wachsein und Schlaf verschafft. Die Hauttemperatur steigt bei Geübten zwischen 0.8 und 1.8 °C. Das Denken wird bildhafter, traumähnlicher obwohl der Wachzustand erhalten bleibt. Nacheinander werden zuerst in den Armen und danach in den Beinen eine Wärme- und ein Schweregefühl vermittelt. Dann wird die Konzentration auf eine ruhige, regelmässige Atmung sowie einen ruhigen und regelmässigen Puls gerichtet. Abschliessend wird dem Sonnengeflecht (Körperzentrum im Rumpf) wiederum ein Wärme- und Schweregefühl und der Stirn eine angenehme Frische und Kühle vermittelt (vgl. Schultz, 2003: 16 – 79).

AT wird nie unter Zeitdruck geübt. Eine komplette Session AT dauert 15 – 20 Minuten. Wie bei der PMR können Fortgeschrittene einzelne Bereiche zusammenfassen (bspw. Beine und Arme) und somit ein Entspannungsgefühl in einem verkürzten Zeitraum erzielen.

12.1.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Die beiden Entspannungsmethoden AT und PMR können praktisch unbeschränkt auf die Wirtschaft übertragen werden. Körperliche und geistige Anstrengungen sind auch im Arbeitsalltag omnipräsent. Sowohl AT wie auch PMR sind für fast alle Menschen zu empfehlen. Kontraindikationen sind kaum bekannt. Schölmerich nennt für die PMR schwere Zwangssyndrome, akute Migräneattacken, Gefässspasmen, Extrasystolen und Bronchospasmen. Zum AT nennt er zusätzlich Angst vor Kontrollverlust oder koronare Durchblutungsstörungen (vgl. Schölmerich: 1323 – 1324).

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Alles Kontraindikationen, die im Kontext dieses Buches, wo es sich um Leistungsoptimierung und Prävention handelt, kaum vorkommen dürften.

Es muss unterschieden werden, ob die Anwendung in Eigenregie der angestellten Personen zustande kommt oder ob die Unternehmung jeweils eine Infrastruktur und/oder Instruktionspersonal zur Verfügung stellt.

In Eigenregie Arbeitnehmende Die beiden Methoden sind grundsätzlich unabhängig von Ort und Zeit einsetzbar. PMR als auch AT funktionieren gut in der Kutscherstellung. Somit eignen sich beide Praktiken prinzipiell sogar für den Büro-Arbeitsplatz. Vorausgesetzt, der Arbeitsplatz lässt sich so einrichten, dass während einer kurzen Zeitspanne Störungen nicht möglich sind. Für Grossraumbüros eignet sich daher sowohl AT als auch PMR eher schlecht.

In Regie der Unternehmung Für die beiden Entspannungsmethoden benötigt es im Wesentlichen Räume in die ein Rückzug möglich ist. Die Räume sollten leicht abgedunkelt und blickdicht sein. Sie sollten mit Stühlen und Yoga- oder Gymnastikmatten eingerichtet sein. Ein speziell zu berücksichtigender Aspekt ist die Philosophie der Unternehmung. Es ist darauf zu achten, dass Unterbrüche der Arbeit für eine kurze Entspannungs-Session nicht verpönt sind und zu unterschwelligem Anschwärzen der Arbeitskolleginnen und -kollegen führen. Die Arbeitsunterbrüche sollten von Firmenseite nicht bloss akzeptiert sondern ausdrücklich gefördert werden.

12.1.4 Transfermethodik Ein eigentlicher Transfer findet hier nicht statt, da sowohl AT als auch PMR in der Breite keine Fremdwörter mehr sind. Es ist bei der Implementierung lediglich zu unterscheiden, ob Unternehmung oder Angestellte die Führung haben sollen. Überlässt die Unternehmung den Arbeitenden den «Lead», so kann davon ausgegangen werden, dass der Wirkungsgrad weit weniger hoch sein wird, als wenn sich das Unternehmen aktiv in die Umsetzung involviert. Folgender Transfer, bzw. folgende Implementierung ist denkbar:

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 Ein autodidaktisches Lernen durch das Individuum mittels einer Audio-CD ist durchaus möglich. Allerdings dürfte der Dropout-Quotient relativ hoch sein. Es kann davon ausgegangen werden, dass zwar viele Personen den Einstieg finden, aber auch zahlreiche nach einer Einführungsphase das Interesse wieder verlieren. Lediglich Personen mit einer sehr hohen Selbstwirksamkeit und einem grossen Willen dürften eine regelmässige Entspannung anstreben.  Die Unternehmung kann das Erlernen der Entspannungsmethoden in externen Kursen finanziell unterstützen oder interne Kurse anbieten. Die routinemässige Durchführung kann schliesslich mit engagierten Trainerinnen, Trainern und Entspannungscoaches geführt angeboten werden. Eine weitere Möglichkeit bieten Multimedia-CoachingAnwendungen, welche die Angestellten individuell oder in der Gruppe nutzen.

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Naive Entspannungsmethoden Eine Coachingsitzung eignet sich sowohl im Leistungssport als auch in der Wirtschaft hervorragend dafür, um herauszufinden, auf welche naiven Entspannungsmethoden Klientinnen und Klienten ansprechen. Denkbar sind im Folgenden folgende Techniken:

Metaplan-Technik

Mit der Metaplan-Technik (vgl. Schweizer, 2008: 91) erarbeitet der Coach zusammen mit dem/der Coachee eine Auswahl an naiven Entspannungsmöglichkeiten. Die Technik hilft, visualisierte Ideen kategorisch zu ordnen (vgl. Münch, 1997: 111). In einer zweiten Phase werden die verschiedenen Techniken priorisiert bis so viele übrig bleiben, dass der/die Coachee die verschiedenen Techniken im «Hausgebrauch» testen kann (siehe auch Beobachtungsaufgabe am Ende der Tabelle).

Neun-/Zwölf-Felder-

Die Neun- oder die Zwölf-Felder-Aufstellung eignet sich sehr gut, wenn die

Aufstellung

Coachees Schwierigkeiten haben, sich etwas vorzustellen. Durch die räumliche Anordnung kann ein zusätzlicher Erfahrungskanal angewendet werden (vgl. Sparrer, 2006: 250). Über Fragen wie bspw. «Was war früher erfolgreich»? «Welche Slogans, Rituale, Massnahmen waren in anderen Situationen schon hilfreich»? können mit der/dem Coachee frühere Situationen systematisch durchschritten werden. Für den vorliegenden Einsatz muss die Fragestellung des Coachees situationsgerecht angepasst werden.

Beobachtungsaufgabe

Mit der Beobachtungsaufgabe wird das Coaching in eine weitere Phase überführt. Die Coachees erhalten einen Bogen (siehe Anhang 1) mit dem sie verschiedene in den Coachings theoretisch erarbeitete Techniken systematisch auf ihre Wirksamkeit überprüfen.

Tetralemma-Arbeit

In der Regel reicht die beschriebene Beobachtungsaufgabe aus, damit die Coachees für sie geeignete Massnahmen finden. Sollten mehrere Techniken übrigbleiben, die ähnliche Wirkungsgrade erfüllen, können mit der TetralemmaArbeit (vgl. von Kibéd/Sparrer, 2009: 87 – 93) Varianten verglichen werden. Gleichzeitig lassen sich dadurch sogar allfällige kreative, zusätzliche Ansätze finden.

Tabelle 3: Transfer Entspannungsmethoden, eigene Aufstellung

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12.2 Aktivierung (Idealer Leistungszustand ILZ)

12.2.1 Beschreibung der Thematik Der ideale Leistungszustand (ILZ) oder im Original der englischen Sprache «Individual Zone of Optimal Functioning» (IZOF) genannt, beschreibt jenen Zustand einer Athletin, bzw. eines Athleten, in dem sie/er sich bezüglich der emotionalen, körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit in einem Zustand der optimalen LeistungsfäAbbildung 7: Beziehung Leistungsqualität und Erregungsniveau (YERKES/DODSON), Alfermann/Stoll, 2005:74

higkeit befindet (vgl. Hanin, 2000: 66). Hanin beschreibt dabei, dass

zwischen Angst und sportlicher Leistung eine Beziehung besteht. Seine Beobachtungen führten zum Schluss, dass nicht ein bestimmtes Niveau von Emotionen, wie z.B. Angst oder Freude, eine ideale Leistung bei allen Sportlern hervorruft, sondern dass dieses Niveau individuell verschieden ist (vgl. Alfermann/Stoll, 2005: 75).

Abgeleitet von diesem Hanin-Modell arbeitet man in der Praxis schon seit Langem mit der umgekehrten U-Funktion, die eine Beziehung zwischen Qualität der Leistung und des Erregungsniveaus beschreibt (vgl. YERKES und DODSON aus Alfermann/Stoll, 2005: 74). Auf einfache Weise wird damit aufgezeigt, dass eine hohe Erregung nicht per se mit einer Leistungssteigerung korreliert. Steigt die Erregung über ein bestimmtes Mass, hat dies einen kontraproduktiven Einfluss auf die optimale Leistungsfähigkeit von Athletinnen und Athleten.

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Martens hat dieses Modell noch detaillierter ausgearbeitet (vgl. Baumann, 2006: 284). Er beschreibt dabei nicht nur überhöhte und zu niedrige Energieniveaus sondern unterteilt die beiden Bereiche zusätzlich in positive und negative Energie. Für beobachtende Personen sind die jeweiligen Energieniveaus von Athletinnen und Athleten in der Vorstartphase selten gut wahrzunehmen. Ein Indiz für das jeweili-

Abbildung 8: Energiezonen nach MARTENS, Baumann, 2006:284

ge Befinden geben sogenannte

Vorstartrituale. Bestens bekannt sind Sprinterinnen und Sprinter auf der 100-Meter-Distanz, die sich hüpfend auf die Oberschenkel schlagen. Oder Bobfahrer, die sich vor dem Start lauthals und wenig zimperlich berühren. Beides sind klassische Aktivierungstechniken, um das psychische Energieniveau in einen höheren positiven Zustand zu verschieben. Die beiden Varianten finden einige Minuten vor dem eigentlichen Start statt. Unmittelbar vor dem Start bringen sich die Personen in einen hochkonzentrierten Zustand und vermindern das Energielevel nochmals leicht. Das Steuern in den optimalen Leistungszustand beginnt aber nicht bloss wenige Minuten vor Spielbeginn, bzw. vor dem Start. Nervosität und Angst bauen sich je nach Situation und Persönlichkeit bereits Stunden vor dem Ernstkampf auf. Hier gilt es also, die psychische Energie über einen recht grossen Zeitraum hinweg in einen ganz kleinen Aktivierungsbereich zu manövrieren und sie darin zu halten. Eine schwierige Aufgabe, zumal es dafür keine generell gültigen Regeln gibt. Jede Sportlerin und jeder Sportler haben sich mit ihrem ganz individuellen optimalen Leistungszustand über längere Zeit auseinanderzusetzen und müssen lernen, mit welchen Massnahmen sie sich entweder aktivieren oder entspannen können. Der Lernprozess verlangt eine hohe Selbstkenntnis und ein sehr feines Körpergefühl.

Die angewandten, klassischen Grundfertigkeiten sind in länger anhaltende und rasch wirksame Methoden zu unterteilen.

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12.2.2 Grundfertigkeiten Zu den Grundfertigkeiten des Aktivierungstrainings gehören die bereits beschriebenen länger anhaltenden Entspannungstechniken. Diese werden nicht unmittelbar vor einem Ernstkampf angewandt. Die Entspannung ist bei beiden Techniken zu tief und sollte maximal zwei bis drei Stunden vor einem Rennen oder Spiel zur Anwendung kommen.

Eine weitere beliebte Methode ist das bereits beschriebene Körperkontakt-Ritual (siehe Bobfahrer), um das körperliche Energieniveau zu erhöhen.

Des Weiteren kommen häufig Konzentrationsübungen, innere Selbstgespräche zur Emotionsregulierung und als bekannteste Grundfertigkeit Atemübungen zur Anwendung. Bei den Atemübungen wird zwischen Aktivierungs- und Entspannungsatmung unterschieden. Ganz einfach ausgedrückt, wird beim Aktivierungsatmen der Atem rascher aus- als eingeatmet. Das kann bis zu einem leichten Herauspressen des Atems gehen. Nach einer Durchführung während 30 bis 60 Sekunden erhöht sich der Puls in der Regel bereits um 10 bis 20 Schläge pro Minute. Bei der Entspannungsatmung hingegen wird darauf geachtet, den Atem langsamer aus- als einzuatmen. Der Atem soll dabei passiv und entspannt ausströmen und nicht aktiv unterstützt entweichen. Bei dieser Technik geschieht das Gegenteil des Aktivierungsatmens, der Puls kann innert kurzer Zeit um 10 oder mehr Schläge pro Minute gesenkt werden. Ein entscheidender Faktor bspw. für Sportschützen, die fähig sein müssen, ihren Puls vor dem Abzug massiv zu senken, um eine ruhige Hand zu erhalten, die nicht durch einen Herzschlag minimal bewegt wird.

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12.2.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Die Techniken der Aktivierung können, wie bereits die Entspannungstechniken, mehr oder weniger uneingeschränkt auf den Einsatz in der Wirtschaft übertragen werden. Grundsätzlich gibt es wohl fast keine berufliche Betätigung, bei denen Arbeitende nicht immer wieder «auf den Punkt» bereit sein müssen.

Der optimale Aktivierungsgrad darf allerdings nicht autonom betrachtet werden, sondern steht in enger Korrelation zur Motivation von Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer Arbeit. Hochmotivierte Personen sind wesentlich einfacher für die Belange des ILZ zu sensibilisieren, als Mitarbeitende, die ihre berufliche Betätigung eher extrinsischen Motiven, wie der blossen Geldbeschaffung, unterordnen. Motivation wiederum steht in engem Zusammenhang mit adäquaten, individuellen Zielsetzungs- und Monitoringprozessen. Auf die beiden erwähnten Punkte «Motivation» und «Zielsetzungen» wird in den jeweiligen Kapiteln detaillierter eingegangen.

Im Wesentlichen beschränkt sich das vorliegende Kapitel mit qualifizierteren Aufgaben. Im Gegensatz zum Sport heissen diese hier nicht «Wettkämpfe» oder «Meisterschaftsspiele», sondern Managementmeetings, Vorstellungs- oder Verkaufsgespräche. Oder Operationen in der Chirurgie-Abteilung eines Spitals. Oder komplizierte Flugmanöver beim Landeanflug eines Passagierflugzeugs etc. Im Alltag geschehen qualifiziertere wie auch weniger hochstehende Arbeitsaufgaben oft automatisiert. Wie im Trainingsdrill beim Sport werden in der Wirtschaft bestimmte Abläufe so oft ausgeführt, dass sie mit der Zeit automatisiert ablaufen. Mit dem Vorteil, dass die Denkleistung für Standardprozesse minimiert werden. Allerdings auch mit dem Nachteil, dass selten mehr «bewusst» gearbeitet wird. Damit wird auch dem aktuellen Energieniveau kaum mehr ausdrücklich Beachtung geschenkt. Die Konzentration richtet sich in der Arbeit meist auf die zu erledigende Aufgabe. Es liegt also eine externale, enge oder weite (je nach Arbeitsinhalt) Konzentration vor (vgl. dazu auch Kapitel «Konzentration»). Marathonläufer und läuferinnen beispielsweise sind fähig, ihre Konzentration andauernd zwischen verschiedenen Ausrichtungen hin und her zu wechseln. Damit sind diese Athletinnen und Athleten fähig, auch minimale Veränderungen in der körperlichen Leistungsfähigkeit (z.B. durch sich anbahnende Muskelverhärtungen oder Schmerzen in Gelenken etc.) sehr früh zu erkennen und entsprechend zu reagieren. 40


Diese Fähigkeit geht der arbeitenden Bevölkerung meist ab, da - wie bereits beschrieben viele Arbeitsprozesse automatisch erledigt werden und es eines regelmässigen Trainings bedarf, um die Konzentrationsarten beliebig wechseln zu können.

12.2.4 Transfermethodik Die Übertragung der verschiedenen Prozesse aus dem Leistungssport in die Wirtschaft müssen aufgrund der verschiedenen beschriebenen Aspekte differenziert betrachtet werden. Einerseits geht es darum, zu lernen den eigenen Körper während der konzentrierten Arbeit wahrzunehmen und den Leistungsstatus bewusst abzurufen. Andererseits muss je nach Person ein individuell angepasstes Handlungsrepertoire aufgebaut werden, um den Energiestatus in eine gewünschte Richtung lenken zu können. In der ersten Phase des Lernprozesses dürfte eher der lösungsorientierte Coach gefragt sein. Hierbei geht es darum, den Coachee auf seinem/ihrem Weg der Verhaltensänderung zu begleiten und kreative Lösungen für Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Im zweiten Prozessteil sind schliesslich eher Trainerinnen und Trainer gefragt, die gewisse Techniken vermitteln.

Beobachtungsaufgabe

Damit soll das Bewusstsein für die energetischen Zustände der Coachees in verschiedenen Situationen geschult werden. Die Beobachtungen sollen in einem Protokoll festgehalten werden (vgl. Anhang 2).

Skalierungen

Skalierungen können eingesetzt werden, um die Prozessfortschritte in Anwendung der verschiedenen Techniken zu überwachen und die Coachees abermals bewusster und sensibler gegenüber sich selbst werden zu lassen.

Atemübungen

Vermittlung der Techniken des Aktivierungs- und Entspannungsatmens

Metaplan- oder

Wie bereits bei den Entspannungsmethoden eignen sich auch diese Techniken,

Neun-/Zwölffelder-

um auf kreative und systemische Weise ein individuelles Handlungsrepertoire

Technik

zu erarbeiten. Ebenso eignet sich die Neun-/Zwölffeldertechnik, um energetische Zustände in früheren Situationen mental zu reaktivieren, womit das Körperbewusstsein trainiert werden kann.

Ressourcen-WALK-Shop

Der Ressourcen-WALK-Shop eignet sich gut in Veränderungsprozessen (vgl. Röhrig, 2009: 122). Nicht nur für Prozessabläufe in Firmen, sondern ganz speziell bei persönlichen Veränderungsprozessen, da es an sich bereits um energetische Leistungszustände geht und diese durch die körperliche Bewegung perfekt betont werden.

Tabelle 4: Transfer Aktivierung, eigene Aufstellung

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12.3 Konzentration

12.3.1 Beschreibung der Thematik Wird die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Bereich des Wahrnehmungsfeldes gelenkt, nennt man dies Konzentration (vgl. Friedrich, 2005: 227). Eine fortgeschrittenere Art der Konzentration ist das kontrollierte, willentliche Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Wahrnehmungsformen. Ein hohes Mass an Konzentration ist in den meisten Sportarten wichtig, um Erfolge zu erringen.

Konzentration auf den Punkt. Im Sport, als auch in der Wirtschaft unabdingbar

Die Konzentration ist eines der wichtigsten Themengebiete im psychologischen Bereich von Leistungssportlerinnen und -sportlern. Jene, die sich zu jedem Zeitpunkt im richtigen Fokus befinden, haben die grĂśssten Chancen, ein Spiel oder Wettkampf fĂźr sich zu entscheiden.

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Coaches, Trainerinnen und Trainer können ihren Schützlingen keine Konzentration «befehlen»! Obwohl der Ausruf «Konzentriert Euch!» sehr häufig von Trainerinnen und Trainern gehört wird, dient dieser Satz höchstens dazu, die Athleten zu ermahnen, den jeweiligen, individuellen Konzentrationslevel abzurufen bzw. zu überprüfen. Nur wenn ein klar definiertes Ziel vorhanden ist, kann die gewünschte Wahrnehmung erzielt werden (vgl. Friedrich, 2005: 227). So müssten Betreuungspersonen klar formulieren «Konzentriere dich auf die ständig gleiche Täuschung des Angreifers». Friedrich formuliert eine weitere Voraussetzung, damit ein nützlicher Wahrnehmungsfokus hergestellt werden kann. Er schreibt, «nur wer motiviert ist, kann sich konzentrieren» (vgl. Friedrich, 2005: 228). Diese Aussage verdeutlicht auch, wie komplex das Zusammenspiel der psychischen Vorgänge im Leistungssport ist (siehe auch Kapitel «Motivation»). Einzelne Bereiche können zwar losgelöst trainiert werden, im Sinne der Ursachenforschung, speziell bei Blockaden oder Kriseninterventionen, müssen stets verschiedene Bereiche des psychologischen Trainings betrachtet werden.

Das eigentliche Konzentrieren ist ein Vorgang, den Sportlerinnen und Sportler für sich selbst lernen müssen. Dabei gilt es in erster Linie zu erarbeiten, welche Konzentrationsart für die jeweilige Sportart die wichtigste ist.

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Weiter gilt es, sich möglichst rasch in den gewünschten Aufmerksamkeitsfokus versetzen zu können. Wer schliesslich die hohe Schule der Konzentrationsfähigkeit beherrscht, ist fähig, innert Sekunden zwischen verschiedenen Aufmerksamkeitsfoki hin und her zu wechseln.

Die Sportpsychologie unterscheidet zwischen vier verschiedene Arten der Konzentration. Bei der internal engen geht es darum, den Fokus auf einen eng eingeschränkten Körperteil zu legen. Bspw. auf den Herzschlag, was bei Sportschützen vor jedem Schuss gefragt ist. Die internal weite Konzentration kommt dort zur Anwendung, wo die Befindlichkeit des gesamten Körpers andauernd abgerufen und kontrolliert werden muss. Das ist z.B. bei MarathonläufeAbbildung 9: Aufmerksamkeitsfoki, sinngemäss nach Alfermann/Stoll, 2005: 33

rinnen und -läufern während eines gesamten Wettkampfs der Fall. Die externalen Aufmerksamkeitsfo-

ki finden sich vorherrschend in Spielsportarten. Während die external weite Konzentration während eines Spiels gefragt ist (Wo befindet sich der Ball? Wohin laufen meine Mitspielerinnen oder Mitspieler? Welche Weisungen erteilt der Coach?), gilt es bei Standardsituationen wie z.B. einem Penaltyschiessen im Fussball als Schütze den Fokus voll und ganz auf den Ball und den Torhüter zu richten. Ablenkungen durch mitspielende Personen und das Publikum sind möglichst vollständig auszublenden. Dies nennt man external enge Fokussierung.

12.3.2 Grundfertigkeiten In der Literatur finden sich, speziell in der Forschung zu ADS und ADHS, zahlreiche Arbeiten zur maximalen Konzentrationsdauer von Kindern. In der Regel wird davon ausgegangen, dass sich junge Erwachsene (vgl. http://www.flow-learning.de/analyse_konzentration.html oder http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/GEDAECHTNIS/Aufmerksamkeitsstoerungen.shtml) kaum länger als 45 Minuten am Stück konzentrieren können. Bei Erwachsenen kann davon ausgegangen werden, dass die generelle Konzentration nicht grundlegend länger als diese 45 Minuten aufrecht erhalten werden kann. Je tiefer und fokussierter die Konzentrationsart ist, desto kürzer ist auch die entsprechende Dauer. 44


Viele leistungssportliche Engagements dauern insgesamt länger als 45 Minuten. Deshalb gilt es einerseits, zu lernen, wann die Wahrnehmungsfoki bewusst im Sinne einer Ablenkung oder Sinne einer «ENT-SPANNUNG» vom eigentlichen Ziel abgelenkt werden können oder sollen. Andererseits gilt es bei den Grundfertigkeiten einen ganzheitlichen Fokus einzusetzen. Es gibt wohl auch hierbei nicht DIE allgemein gültigen Grundfertigkeiten, die geübt werden können, um eine erhöhte Konzentrationsfähigkeit herzustellen. Toni Innauer, ehemaliger österreichischer Spitzen-Skispringer und Trainer hat von seinen Athleten einst gefordert «Konzentriert euch im Alltag ausschliesslich auf die Tätigkeit, die ihr gerade verrichtet: essen, denken, sich mit dem Partner unterhalten. Wer im Alltag lernt, sich zu konzentrieren, braucht im Sport nichts Neues zu lernen» (vgl. Friedrich, 2005: 228).

Abgeleitet von diesen Ausführungen können folgende Grundfertigkeiten aufgeführt werden, die notwendig sind, um eine erhöhte allgemeine und spezifische Konzentrationsfähigkeit zu erreichen: 

Detailliertes Zielsetzungsmanagement auf verschiedenen zeitlichen Achsen (kurz-, mittelund langfristig); (siehe dazu auch Kapitel «Zielsetzungstraining»)

Damit verbunden, eine Erhöhung der Sinnhaftigkeit und damit eine entsprechende Erhöhung der Motivation; (siehe dazu auch Kapitel «Motivation»)

Erhöhung des allgemeinen körperlichen und geistigen Bewusstseins (siehe dazu auch Anhang 4)

Auseinandersetzen mit den persönlich benötigten Aufmerksamkeitsfoki (siehe dazu auch Anhang 3)

Methoden zur Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit wie bspw. verschiedene Meditationstechniken

Kenntnisse von naiven und tieferen Entspannungstechniken

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12.3.3 Der «Flow» als spezielle Art der Konzentration Mihaly Csikszentmihalyi darf landläufig als «Vater des Begriffes Flow» bezeichnet werden. Er bezeichnet Flow als «Freude, Kreativität und den Prozess vollständigen Einsseins mit dem Leben» (vgl. Csikszentmihalyi, 2003: 11). Obwohl die Formulierung esoterisch ausgelegt werden kann, wurzelt sie tief in den Erkenntnissen fernöstlicher Philosophien wie dem Yoga oder dem Taoismus. Csikszentmihalyi erforschte die verschiedenen Aspekte des «Flow über viele Jahre hinweg». Csikszentmihalyi geniesst auch in Sportkreisen hohes Ansehen, so geht es doch auch im Sport sehr oft um einen Zustand der vollständigen Konzentration, dem Ausschalten sämtlicher externer Störfaktoren und der vollständigen Hingabe in die eigentliche Aufgabe. Auch Csikszentmihalyi führt an, dass man «Flow» nicht eigentlich trainieren kann, sondern zuerst überlegt, wie das Bewusstsein funktioniert und wie es gesteuert wird (vgl. Csikszentmihalyi, 2003: 19). Die Vorgehensweise des Autors korrespondiert mit den aufgeführten Grundfertigkeiten im vorigen Abschnitt.

«Flow» ist also nicht eine Fähigkeit, der automatisierte Fluss ergibt sich aus einer Fülle von Voraussetzungen, Eigenschaften und Fertigkeiten. In seinem Werk «Flow im Beruf» schreibt Csikszentmihalyi, dass der an sich hoch erwünschte Zustand, im heutigen Berufsleben kaum mehr erreicht werden kann. Als Gründe führt er an, dass nur wenige Jobs mit klaren Zielsetzungen verbunden sind, bzw. dass diese Zielsetzungen auch mit den Zielsetzungen der angestellten Personen übereinstimmen. Zudem verstehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute zwar, was sie machen. Aber immer seltener, warum sie es machen. Die Spezialisierung auf immer enger gefasste Gebiete unterstützt diese Tendenz noch mehr. Als weiteres Hindernis bezeichnet Csikszentmihalyi die immer schlechtere Feedback-Kultur in Unternehmen. Des Weiteren entsprechen viele Handlungsanforderungen nicht den eigentlichen Qualifikationen der arbeitenden Personen und die Steuerungsmöglichkeiten für Angestellte werden immer kleiner (vgl. Csikszentmihalyi, 2004: 126-132).

Auch beim Thema der «Konzentration» ist rasch abzuleiten, dass was für den Leistungssport recht ist, für die Wirtschaft nicht schlecht sein kann. Werte wie hohe Konzentrationsfähigkeit in verschiedenen Situationen, zielorientiertes Arbeiten, hohe Motivationsfähigkeit und Selbststeuerung sind Eigenschaften, die von heutigen Angestellten erwartet werden.

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Die nötigen Rahmenbedingungen werden jedoch selten zur Verfügung gestellt, damit die Eigenschaften umfassend entfaltet werden können. In der Folge werden einige Überlegungen angestellt, wie die beschriebenen Erkenntnisse auf die Wirtschaft übertragen werden könnten.

12.3.4 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Mit Fug und Recht darf behauptet werden, Konzentration sei etwas Universelles im heutigen Arbeitsleben. Nicht nur Manager müssen sich in Verhandlungsmarathons über längere Zeit konzentrieren, auch sogenannt «einfachere» Berufe, wie bspw. LKW-Führerinnen und Führer, Kassiererinnen und Kassierer oder Reinigungsfachkräfte können es sich kaum mehr leisten, mit dem «Kopf nicht bei der Sache» zu sein. Auf der Strasse sind rasch Unfälle passiert, an der Kasse entstehen im Nu Fehler, selbst Reinigungskräfte können bspw. bei Verwendung eines falschen Reinigungsmittels grosse Schäden verursachen. Selbst der noch sehr junge Begriff des «Boreout», den Rothlin 2007 in seinem Werk « Diagnose Boreout: warum Unterforderung im Job krank macht» prägte, fällt in den Anwendungsbereich «Konzentration/Flow». Beim Boreout geht es um das Gegenteil des Burnouts, der notorischen und chronischen Unterforderung, was im engeren Sinn auch mit einer schlechten Übereinstimmung von persönlichen Fähigkeiten und Zielsetzungen mit den Absichten und Zielen des Unternehmens in Zusammenhang steht.

Im Gesamtkontext der ganzheitlichen Personal- und Unternehmensentwicklung sollte dem vorliegenden Querschnittsbereich künftig eine massiv gesteigerte Wertschätzung entgegengebracht werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass Mitarbeitende, deren persönlichen Ziele mit den Firmenzielen abgestimmt sind, die so eingesetzt werden, wie es ihren Fähigkeiten entspricht, die von Vorgesetzten in einer umfassend gelebten Feedback-Kultur ständig Rückmeldungen erhalten, wesentlich höher motivierte Mitarbeitende sind. Und mit höher motivierten Personen sind Unternehmensziele wiederum wesentlich einfacher und schneller zu erreichen.

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12.3.5 Transfermethodik In einem so komplexen Zusammenhang kann nicht von EINER BESTIMMTEN Transfermethode gesprochen werden. Zielsetzungsprozesse erfordern andere Methoden als Konzentrationstrainings im engeren Sinne. Bewusstwerdungsprozesse wiederum bedürfen anderer Vorgehensweisen als bspw. das Erlernen einer Entspannungsmethode. Bei einzelnen Prozessen wird deshalb auf die jeweiligen Kapitel verwiesen.

Techniken zum

Siehe Kapitel «Zielsetzungstraining»

Zielsetzungsmanagement Techniken zum

Siehe Kapitel «Motivation»

Motivationstraining Bewusstwerdung/

Das Bewusstwerden von Gedankenabläufen ist ein komplexer und zeitintensiver

Verhaltensänderung

Prozess, für den sich Beobachtungsaufgaben und Skalierungen gut eignen. Anhang 4 zeigt ein simples Arbeitsblatt, das Coachees über einen bestimmten Zeitraum begleitet. Das Arbeitsblatt ist Mittel zum Zweck, um nicht-bewusste Denkabläufe ins Bewusstsein zu holen. Der nächste Arbeitsprozess besteht darin, die Gedanken in «nützliche/unterstützende» und «nicht förderliche/bremsende» Gedanken zu trennen. Hierbei amtet der Coach als Begleitung.

Erarbeitung persönlich

Die Hauptarbeit wird hierbei in einer Art kreativem Visualisierungsprozess

benötigter Aufmerksam-

geleistet. Sämtliche Aspekte des Trainings-/Wettkampf-, bzw. Berufsalltags

keitsfoki

werden durchgespielt und mit den vier beschriebenen Konzentrationsarten in Verbindung gebracht. Als Arbeitsgrundlage kann ein Formular (siehe Anhang 3) dienen. Ein Coach kann diesen Prozess mit sämtlichen Techniken des «sich in eine Situation hineinbegeben» unterstützen. Namentlich kann dies z.B. Timeline-Arbeit oder die Zuhilfenahme einer Neun- bzw. Zwölffeldermatrix sein.

Schulungen/Trainings

Vermittlung/Anleitungen verschiedener Meditationstechniken zur Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit, bzw. von Entspannungstechniken

Veränderungs-

In der Prozessbegleitung schliesslich eignen sich die beiden Techniken des

Management

Coaching Timeouts und des Skalenspaziergangs sehr gut (vgl. Röhrig, 2009: 207-216).

Tabelle 5: Transfer Konzentration, eigene Aufstellung

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12.4 Bildhaftes Vorstellen/Visualisierungstraining

12.4.1 Beschreibung der Thematik Alfermann/Stoll bezeichnen das «Visualisieren» als psychischen Prozess und als Technik im systematischen Training von Athletinnen und Athleten (vgl. Alfermann/Stoll, 2005: 50). Dabei wird unterschieden, ob diese sich im Geist selbst in Aktion erleben (innere Wahrnehmung), sich – wie in einem Filmclip – von aussen «zuschauen» (äussere Wahrnehmung) oder einen Wettkampfablauf sehr realitätsnah mit allen Sinnen erleben (kinästhetisch). Eberspächer, einer der renommiertesten deutschen Sportpsychologen, versteht unter mentalem Training das planmässig wiederholte, bewusste «sich Vorstellen» einer sportlichen Handlung ohne deren gleichzeitige praktische Ausübung (vgl. Alfermann/Stoll, 2005: 58). Eberspächer unterscheidet dabei zwischen subvokalem Training, bei dem sich der Bewegungsablauf per Selbstinstruktion vorgesagt wird. Unter dem verdeckten Wahrnehmungstraining versteht Eberspächer dasselbe wie Alfermann und Stoll unter der «äusseren Wahrnehmung» beim Visualisieren verstehen. Das Trainieren unter «innerer Wahrnehmung» bezeichnet er schliesslich als ideomotorisches Training, wobei sich die Trainierenden möglichst intensiv mit allen Sinnen in den Bewegungsvorgang hineinbegeben.

Abbildung 10: Visualisierung und ihre Formen, Alfermann/Stoll, 2005:57

Abbildung 11: Mentales Training nach Eberspächer (1995), Alfermann/Stoll, 2005: 58

Gubelmann umschrieb in seiner Dissertation das Visualisieren als «geistiges Probehandeln motorischer Fähigkeiten» (vgl. Gubelmann, 1998). Der Ausdruck illustriert auf prägnante Weise die oben beschriebenen Definitionen von Visualisierungstraining.

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Bestimmte Bewegungsabläufe oder Wettkampfsituationen werden im Geist geübt. Gubelmann beschrieb jedoch nicht bloss das Visualisieren, er führte auch eine experimentelle Untersuchung mit knapp 300 jugendlichen Schülerinnen und Schülern durch. Dabei liess er diese ohne vorheriges Training einen Hindernisparcours durchlaufen. Danach übten die adoleszenten Studierenden den Parcours nur noch durch geistiges Vorstellen nach einem normierten Ablauf (vgl. Gubelmann, 1998: 112 – 123). Beeindruckend dabei ist die Leistungssteigerung beim zweiten Durchlaufen des Parcours. Unabhängig von Geschlecht, Alter, körperlichem und schulischem Leistungsniveau steigerten die Probandinnen und Probanden ihre Leistungen um bis zu zehn Prozent (vgl. Gubelmann, 1998: 125 – 140).

Sich etwas bildlich vorstellen zu können, erleichtert die Arbeit im realen Leben

12.4.2 Grundfertigkeiten Die Fertigkeit des Visualisierens kann nicht per se erlernt werden. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, existieren verschiedene Arten des geistigen Probehandelns. Je nach Sportart und vor allem nach individuellen Bedürfnissen und Niveaus der Athletinnen und Athleten wird die jeweils geeignete Form des Vorstellungstrainings gesucht.

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Beckmann und Elbe beschreiben ein geeignetes Vorgehen, wie ein geistiges Simulationstraining mit Athletinnen und Athleten durchgeführt werden soll (vgl. Beckmann/Elbe, 2008: 82 – 86). Sie berichten, dass vor dem eigentlichen Vorstellungstraining ein Entspannungstraining eingeschaltet werden sollte, da sich Visualisierungstrainings mit integrierter Entspannung als erfolgreicher erwiesen haben. Die Imagination soll zudem positiver Natur sein. Es soll vermieden werden, sich Fehler oder Misserfolge vorzustellen. Des Weiteren soll die Durchführung des geistigen Trainings möglichst den Umgebungsbedingungen des realen Trainings entsprechen (gleiche Zeitdauer wie reale Bewegungsabläufe etc.).

Ob Athletinnen und Athleten die Vorstellungsübungen in «Eigenregie» durchführen, hängt auch davon ab, wie das Vorstellungsvermögen der Sporttreibenden ausgebildet ist. Bei Sportlerinnen und Sportlern, deren Imaginationskraft nicht sehr hoch ist, hat sich die Sporthypnose als probates Mittel bewährt. Bei Sporthypnose darf man sich allerdings nicht eine Person vorstellen, die in Trance Dinge tut, die sie sonst nicht tun würde. Viel eher kann man von einer Art vertieften, angeleiteten Visualisierung sprechen, bei der Triggerwörter von Athletinnen und Athleten immer wieder verwendet werden.

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Edgette und Rowan haben hierzu ein eigenes Modell entwickelt. Ihr SSHR-Modell (vgl. Edgette/Rowan, 2007: 35) basiert auf Erkenntnissen der modernen Sportpsychologie und ergänzt diese mit klinischen Methoden der Hypnose. Speziell erwähnenswert ist dieses Modell in vorliegendem Zusammenhang, weil Edgette und Rowan explizit auch Elemente des systemischen, lösungs- und ressourcenorientierten Coachings mit einbeziehen (vgl. Edgette/Rowan, 2007: 46).

Das Vorgehen, das sich in der Praxis der Sportpsychologie sehr breit durchgesetzt hat, ist jenes von Eberspächer (vgl. Eberspächer, 2004: 97 – 101). Er unterteilt das Vorgehen in fünf Schritte. Im ersten Schritt wird der Bewegungsablauf durch eine Fachperson instruiert, bzw. erklärt. Im zweiten Schritt verinnerlicht die lernende Person die Abläufe, indem diese mit eigenen Worten und Ausdrücken möglichst detailliert beschrieben werden. In der nächsten Phase werden die Bewegungsabläufe internalisiert. Dies geschieht durch subvokales Training, sozusagen durch mentalen Drill, indem die Abläufe immer wieder geistig durchgegangen werden bis sie weitgehend automatisiert ablaufen. Im vierten Schritt werden die Bewegungen in Teilabläufe unterteilt und die entscheidenden Übergänge werden als Knotenpunkte beschrieben. Diese Knotenpunkte werden schliesslich symbolisch markiert und rhythmisiert. Zur Bezeichnung der Knotenpunkte verwenden die Athletinnen und Athleten eigene Wörter. Eberspächer verwendet bspw. für die Beschreibung der Knotenpunkte des Bewegungsablaufes eines Golfers die Wortfolge «Blick», «Stand», «Zuuug» (explizit ausgedehnte Sprachweise) und «Ab». Im Trainingsalltag hat sich zur Begleitung des beschriebenen Prozesses die Verwendung eines speziellen Formulars bewährt (siehe Anhang 5). Das Protokoll unterstützt den mentalen und damit letztlich auch den realen Trainingsprozess.

12.4.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Geistiges Probehandeln ist im Leistungssport weit verbreitet. Überall dort, wo komplexere Spiel- und Wettkampfsituationen, bzw. Bewegungsabläufe einstudiert und automatisiert werden müssen, leistet das Vorstellungstraining grosse Dienste. Es liegt nahe, dass die Wirtschaft auch von den Erkenntnissen des Visualisierungstrainings profitieren kann. Noch liegt nicht viel Literatur zu diesem Thema vor.

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Sehr ausführlich beschreiben Mayer und Hermann (vgl. Mayer/Hermann, 2009: 185 – 210) fünf Berufsgattungen, die bereits detailliertere Erfahrungen mit Visualisierungstraining gemacht haben. Dabei trainierten die Zielgruppen jeweils in Anlehnung an das System von Eberspächer. Im Einzelnen handelt es sich um Fachpersonen aus der Chirurgie, der Zahnmedizin, Pilotinnen- und Piloten, Musikerinnen- und Musiker bzw. Berufsleuten aus Produktion und Fertigung. Bei den ersten vier Berufsgattungen ist filigranes Arbeiten gefragt. Ebenso müssen aber alle Fachpersonen dieser Berufsgruppen auf allfällige Abweichungen von ursprünglich geplanten Arbeitsabläufen vorbereitet sein. Sei es z.B. beim Ausfall eines Flugzeugtriebwerkes, beim plötzlichen Herzstillstand eines Patienten während eines komplexen chirurgischen Eingriffs oder bei einem Saitenriss einer Violinistin während einem Solo in der Oper, ein adäquates Alternativszenario muss innert Sekunden abrufbar sein. Ohne dass dabei Panik ausbricht. Ein wenig anders verhält es sich bei Fachleuten aus der Produktion und Fertigung. Obwohl auch hier oft komplexere Arbeitsabläufe gefragt sind, kann das Visualisierungstraining bei der Automatisierung von einfachen, repetitiven Arbeitsabläufen helfen, Fehler zu verhindern, die aus Unachtsamkeit entstehen.

Die aufgeführten Beispiele zeigen in anschaulicher Weise, dass ein angepasstes Vorstellungstraining überall in der Wirtschaft eingesetzt werden kann, wo – ähnlich wie im Leistungssport – komplexe Abläufe einstudiert werden müssen. Oder wo Situationen auftreten können, die ungeplant sind und ein rasches Handeln erfordern. Das mentale Training kann also bspw. das Üben von diffizilen Gesprächssituationen oder heiklen Verhandlungen unterstützen. Es hilft Schifffahrtskapitänen oder Lastwagenführerinnen und -führern in Verkehrssituationen. Es kann die «realen» Ausbildungen von feinmechanischen Berufen optimal ergänzen. Die Anwendungspalette ist ausserordentlich breit.

12.4.4 Transfermethodik Die Methodik, die im Leistungssport angewandt wird, braucht nicht grundlegend an Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst zu werden. Das Vorgehen ist weitgehend vergleichbar. Gleich wie im Sport sind einerseits Lehrpersonen gefragt, die den Auszubildenden die grundsätzlichen Abläufe zu vermitteln vermögen.

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In Zusammenarbeit mit diesen Lehrpersonen kÜnnen Coaches als prozessbegleitende Fachleute wirken. Die Kenntnis der mentalen Trainingsmethode gepaart mit den spezifischen Berufskenntnissen dßrften in der Regel in allen Fällen Vorteile bringen.

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12.5 Motivation

12.5.1 Beschreibung der Thematik Einführend wird mit einem kleinen Exkurs in die Motivationspsychologie der Unterschied zwischen Motiven und Motivation erläutert. Alfermann/Stoll erläutern die Differenz so, dass Motive stabile Persönlichkeitsmerkmale zum Aufsuchen oder Meiden thematisch ähnlicher Situationen sind. Motive sind dabei nicht direkt beobachtbar, sondern stellen ein hypothetisches Konstrukt dar, das erklären hilft, warum Menschen so und nicht anders handeln. Motivation hingegen ist jeweils ein aktueller Prozess oder Zustand, wo Handeln aktiviert oder intensiviert wird und damit eine Richtung oder ein Ziel erhält (vgl. Alfermann/Stoll, 2005: 101). Spricht man also von Motiven bei Leistungssportlerinnen und -sportlern, geht es um die Frage, warum Volksläuferinnen und -läufer bspw. den Aufwand eines zehnstündigen wöchentlichen Trainings auf sich nehmen, um jeweils am Wochenende einen Volkslauf im vierzigsten Schlussrang zu beenden. Oder worin die Motive von adoleszenten Handballerinnen und Handballern liegen, die ein Studium durchlaufen und gleichzeitig wöchentlich sechs bis acht Trainings im Klub und der Junioren-Nationalmannschaft absolvieren.

Hartmut Gabler, Diplom-Psychologe und Diplom-Sportlehrer mit einem Arbeitsschwerpunkt in der Erforschung von motivationalen Grundlagen des Sporttreibens unterscheidet bei der Motivation intrinsisch und extrinsisch motivierte Handlungen. Dabei kann Sport – intrinsisch – seiner selbst willen betrieben werden. Weil man Spass daran hat oder weil man nach dem Training die Muskeln so «wunderbar ermüdet» spürt. Extrinsische Motivation hingegen besteht bspw. darin, soziale Anerkennung zu erlangen oder möglichst hohe Siegprämien zu erhalten (vgl. Gabler, 2002: 160).

12.5.2 Grundfertigkeiten Bereits die Einführung zum Thema verdeutlicht deren Komplexität. Worin liegen die stabilen Persönlichkeitsmerkmale, um erfolgreich im eigenen Tun sein zu können?

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Hierbei sind gute Kenntnisse der Persönlichkeit (speziell von jungen) Sportlerinnen und Sportlern notwendig, da an den Motiven nicht eigentlich «gearbeitet» werden kann. Wo hingegen aktiv gearbeitet wird, ist in der Motivation, gewisse Dinge zu tun oder zu lassen. Hierbei kann die persönliche Situation willentlich und selbstgesteuert verändert werden. Im Bereich der Motive beschreibt Baumann, wie wichtig Freude, Vergnügen und Zufriedenheit an einer Sache sind, um erfolgreich sein zu können (vgl. Baumann, 2006: 126). Viele Athletinnen und Athleten beschrieben ihre schönsten Erfolge mit Aussagen wie «es hat einfach Spass gemacht, zu gewinnen» oder «ich habe mich einfach gut gefühlt, meine beste Leistung zu zeigen». Doch wann entsteht Freude? Wann hat man Spass am eigenen Handeln? Wohl, wenn die persönlichen (Grund-)Bedürfnisse wie das Bedürfnis nach psychischer Sicherheit, nach Anerkennung oder nach Vertrauen optimal befriedigt werden (vgl. Baumann, 2006: 136 – 138). Das herauszufinden, ist im Sport üblicherweise Aufgabe von Trainern, Sportpsychologen und Mentalcoaches. Im Extremfall wird einem Schützling also eher vorgeschlagen, dass er seine sportliche Laufbahn beenden oder verändern sollte, um auf einen für sie, bzw. für ihn befriedigenden Verlauf zu gelangen. Wobei als Erfolg hierbei auch Freude und Spass an der Sache und nicht bloss Siege oder finanzielle Anerkennung betrachtet werden müssen. Die Verbindung zur intrinsischen Motivation liegt also nahe.

Ein konstruktives Selbstgespräch als kraftvolles Instrument der Selbstinstruktion

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Als weitere Inhalte des Motivationstrainings führt Baumann zusammengefasst das Zielsetzungstraining als kurz-, mittel- und langfristige Massnahme sowie das vokale, subvokale und symbolische Selbstinstruktionstraining auf(vgl. Baumann, 2006: 141 – 188). Als weiteres wichtiges Instrument des Motivationstrainings sind Teambildungsmassnahmen zu nennen. Speziell hinsichtlich der Befriedigung sozialer Anerkennung innerhalb eines Teams (Mannschafts-, Einzelsportlerinnen und -sportler). Das Zielsetzungstraining wird separat im nächsten Kapitel behandelt. Beim Selbstinstruktionstraining wird versucht, negativ behaftete Gedanken in positive umzuwandeln und diese schliesslich affirmativ in den notwendigen Situationen vokal und subvokal anzuwenden. Dieser Prozess der Verhaltensänderung ist normalerweise ein komplexer und langwieriger Prozess, der sich über Wochen und Monate hinzieht. Nützliche Dienste leistet dabei das Arbeitsdokument im Anhang 4. Mit diesem werden störende und negative Gedanken eruiert und in individuell positiv behaftete Aussagen umgewandelt.

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Dabei sind nicht bloss Affirmationen sondern auch starke Symbole und Bilder anzuwenden. Die Massnahmen im Bereich der Teamentwicklung und -bildung sind schliesslich abhängig von Vorlieben des Coaches, bzw. den Bedürfnissen des jeweiligen Teams.

12.5.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Motivierte Mitarbeitende, die mit Freude ihre Arbeit verrichten, sind wohl für jeden Unternehmer und jedes Unternehmen erstrebenswert. Motive und Motivation sind in der Personalund Arbeitspsychologie deshalb genau so ein Thema, wie sie es im Leistungssport sind. Comelli/Rosenstiel beschreiben bspw. als Aspekte einer guten Personalentwicklung das Lernen am Vorbild, z.B. in der Orientierung an Vorgesetzten (verglichen mit dem Leistungssport: Orientierung an Idolen und am Trainer), die Verwandlung von extrinsischer in intrinsische Motivation (verglichen mit der Freude an der sportlichen Betätigung) und die Verwendung von geeigneten Qualifizierungsmassnahmen (vgl. Comelli/Rosenstiel, 2001: 27 – 32). Als Qualifizierungsmassnahme kann in diesem Kontext durchaus ein passendes Zielsetzungsmanagement angewandt werden. Konkrete Massnahmen, bzw. Techniken der Teamentwicklung werden in diesem Kapitel bewusst nicht beschrieben. Das Thema ist für sich erschöpfend. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, detailliert darauf einzugehen.

Die Massnahmen des sportlichen Motivationstrainings können also durchaus im Ganzen auf die Wirtschaft übertragen werden. Im Vergleich «Sport vs. Wirtschaft» darf allerdings ein wichtiger Aspekt nicht ausser Acht gelassen werden. Während generell im Sport (es wird hier von Sport in seiner ganzen Bandbreite, also auch von Breiten- und Gesundheitssport gesprochen) die intrinsische Motivation eher überwiegt, dürfte in der Wirtschaft generell eher das extrinsische Element vorherrschen. Denn während das Aufnehmen und Ausüben einer Sportart in der Regel «freiwillig» geschieht, ist die überwiegende Anzahl der arbeitenden Bevölkerung aus Gründen eines finanziellen Erwerbes arbeitstätig, womit im Vergleich der beiden Bereiche ein grundlegender Unterschied besteht. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen sollten den mentalen und psychologischen Aspekten aus dem Leistungssport in der Wirtschaft spezielle Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn wenn extrinsische Motive über ein geeignetes Training, bzw. einer zielgruppenorientierten Personalentwicklung geschickt mit intrinsischer Motivation angereichert werden können, dann dürfte der Gewinn für Mitarbeitende und Unternehmung nachhaltig sein. 58


12.5.4 Transfermethodik Befriedigung

Man kann in diesem Zusammenhang nur am Rande von einem eigentlichen

eigener Bedürfnisse

Transfer sprechen. Als institutionalisierter Bestandteil des mentalen und psychologischen Trainings im Sport wird die Standortbestimmung und (Neu-) Ausrichtung nicht verbreitet angewandt. Die klassischen Methoden des systemisch-lösungsorientierten Coachings eignen sich deshalb durchgehend für die Anwendung im Leistungssport und in der Wirtschaft. Als Beispiele seien diesbezüglich die Wunderfrage, die logischen Ebenen nach Dilts, das Wahrnehmungsrad oder die Neun-/ZwölffelderAufstellung genannt. Auch das Arbeiten mit Bildern eignet sich oft gut. So bspw. die «magischen Metaphern», eine Technik von Lorraine Kennedy und Lina Skantze (vgl. Röhrig, 2008: 189 – 193).

Techniken zum

Siehe Kapitel «Zielsetzungstraining»

Zielsetzungsmanagement Selbstinstruktionstraining

Als Grundlage des Selbstinstruktionstrainings gilt die Arbeit mit Beobachtungsaufgaben (vgl. Anhang 4). In der Prozessbegleitung der Verhaltensänderung eignen sich Skalierungen gut. Die Formulierung von Affirmationen und Vokabeln verlangen vom Coach gut ausgebildete kommunikative Fähigkeiten, da er in der entsprechende Phase auch als «Spiegel» für den Coachee amtet. Kommen Symbole anstelle von subvokalen Affirmationen zum Einsatz empfiehlt sich wiederum die Arbeit mit Metaphern, um kraftvolle individuelle Symbole für den Coachee zu finden.

Massnahmen

Die Massnahmen der Teambildung sind sowohl im Sport als auch in der Wirt-

der Teambildung

schaft sehr breit gefächert. Stellvertretend dafür sollen bspw. OutdoorAktivitäten, ressourcenaktivierende Techniken oder das Abschreiten der logischen Ebenen im Team genannt werden.

Tabelle 6: Transfer Motivation, eigene Aufstellung

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12.6 Zielsetzungstraining

12.6.1 Beschreibung der Thematik Das Zielsetzungstraining gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Punkten des mentalen und psychologischen Trainings im Leistungssport. Gleichzeitig gehört die «Disziplin» zu den am stärksten unterschätzten Bereichen. Dies mag auch daran liegen, dass ein konsequent betriebenes Zielsetzungstraining relativ komplex und nicht einfach zu überblicken ist. Die Einflüsse eines detaillierten Zielsetzungstrainings sind weitreichend. Sie tragen nicht nur massgeblich zu einem hohen Motivationsgrad bei. Mit einer geeigneten Zielstrategie lassen sich ganze Karrieren planen, was wiederum einen Einfluss auf gelungene Karriereübergänge hat. Mentales und psychologisches Training läuft in der Regel unter dem Blickwinkel des «Performance Trainings», also der Optimierung von Leistung. Ziele sind die Grundpfeiler einer Leistungsverbesserung. Denn wer sich nicht bewusst ist, was angestrebt wird, kann es schlecht ansteuern, bzw. die dazu notwendigen Massnahmen definieren. Ziele tragen nicht nur positive Gesichtspunkte in sich, sie bergen durchaus auch Gefahren in sich (vgl. Baumann, 2006: 159 – 162). Ziele können blockieren, einen hohen Druck aufbauen oder können Sporttreibende den Fokus (bspw. auf sozialen Ausgleich oder ganzheitliche Gesundheit {gestörtes Essverhalten}) verlieren lassen, indem sie sich lediglich noch auf das Eine konzentrieren. Gerade deswegen erscheint ein begleitetes Zielsetzungstraining umso wichtiger. Die komplexe Arbeit soll so durchgeführt werden, dass Ängste, Blockaden und Drucksituationen bestmöglich verhindert werden.

12.6.2 Grundfertigkeiten Das nachfolgende Ablaufschema beinhaltet alle theoretisch nötigen Punkte eines kompletten Zielsetzungsprozesses. Das Schema zeigt systematisch, wie die Ziele formuliert werden sollen (S.M.A.R.T. = spezifisch, messbar, attraktiv/angemessen, realisierbar, terminierbar). Es zeigt auch, wie die Ziele unterteilt werden (Resultat-, Leistungs- und Prozessziele) und impliziert die weitgehende Vermeidung von bereits erwähnten Drucksituationen und Blockaden durch die integrierte «Schleife» der GAP-Analyse (Bestimmung der Differenz zwischen eigener Sollvorgabe und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Umfelds, bzw. der eigenen Physis und Psyche). 60


Das Flussdiagramm beinhaltet ein Feld «Implementierung/Umsetzung in den täglichen Trainingsprozess». Die Berücksichtigung dieses Punkts trägt zur Attraktivierung des Zielsetzungsprozesses bei und erhöht die «Kraft» der Ziele. Absichten, die nicht einem ständigen Monitoring unterliegen, damit gegebenenfalls auf extern veränderte Faktoren reagiert werden kann, haben relativ wenig Kraft.

Das nachfolgende Flussdiagramm stellt natürlich nur eine schematische Abfolge der benötigten oder erwünschten Schritte dar. Im Alltag kann nicht danach gearbeitet werden, die Teilschritte müssen innerhalb von Coachingtechniken und -instrumenten angewandt werden. Ganz speziell bewährt hat sich hierbei das Disney-Modell, das die Phasen des Träumens, des Realisierens und des Kritisierens einschliesst und damit die im Schema aufgeführten Felder «Wünsche/Visionen», «GAP-Analyse» und «Implementierung/Umsetzung» umfassend einschliesst. Wiederum sehr gut eignet sich auch eine Analyse anhand der logischen Ebenen nach Dilts. Bei der Implementierung in den täglichen Trainingsprozess ist der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Wichtig ist dabei, eine regelmässige Beschäftigung mit den Zielsetzungen zu berücksichtigen. Bewährt haben sich Zielzeichnungen, die bspw. als finales Ziel eine Bergspitze abbilden. Am Berg sind lediglich die Meilensteine des Zielsetzungsprozesses abgebildet, das Aufzeichnen des eigentlichen Weges mit all seinen auftretenden Windungen (auftretenden Hindernissen) wird in den täglichen Trainingsprozess integriert. Die jeweils geeignete Form der Implementierung wird über einen kreativen Prozess mit den Beteiligten zusammen erarbeitet und definiert. Wichtig letztlich ist vor allem die Verwendung sämtlicher Sinne, damit die Arbeit «Kraft» erhält.

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Schematischer Zielsetzungsprozess

Abbildung 12: Ablaufschema Zielsetzungsprozess, sinngem채ss abgeleitet nach Baumann, 2006: 154 - 166

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12.6.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Drucker führte Mitte der 1950er-Jahre den Begriff des «Management by Objectives» ein (vgl. Drucker, 2007: 105). Das Instrument der Zielsetzungsvereinbarung wird noch heute in der Wirtschaft sehr breit eingesetzt. Speziell in der Mitarbeiterführung, -förderung und Leistungsbeurteilung ist «Management by Objectives» ein gängiges Managementkonzept. Auch in der Literatur wird das Konzept noch heute verbreitet beschrieben. Stellvertretend dazu soll Kirchler (vgl. Kirchler, 2008: 376 - 408) zitiert werden. Er beschreibt eine Zielsetzungstheorie, die auf Druckers Konzept beruht. Erwähnenswert ist bei beschriebener und auch bei vielen anderen Publikationen, dass sich diese in der Regel mit motivationalen Hintergründen, Zieltheorien (z.B. S.M.A.R.T.-Theorie) oder Prozessabläufen beschäftigen. Es findet sich kaum Literatur zur eigentlichen Implementierung von Zielsetzungsstrategien. Eine in der Praxis sehr oft praktizierte Form der Zielvereinbarung ist das jährliche Mitarbeitendengespräch, das üblicherweise gegen Ende des Kalenderjahres stattfindet. Dabei ist es keine Seltenheit, dass diese Gespräche das einzige Element des Zielsetzungsmanagements bleiben. Das bedeutet, dass Ziele in einem Gespräch vereinbart werden und nach zwölf Monaten diskutiert und deren Erreichung beurteilt wird. Aus motivationaler Sicht wenig sinnvoll, so verlieren die einst vereinbarten Ziele derart viel Kraft, dass sie kaum mehr von Wert sind. Sie mögen zwar, verglichen mit der S.M.A.R.T.-Theorie, durchaus noch spezifisch und messbar formuliert sein. Attraktiv sind sie kaum mehr, da nicht mit ihnen «gearbeitet» wurde, der Zeitrahmen der Realisierbarkeit und der Terminierung ist abgelaufen und sehr oft werden die übergeordneten Ziele auch nicht in Teilziele zeitlicher und technischer (Handlungs-, Prozess- und Resultatziele) Art aufgeteilt. Damit bleiben diese auf einem sehr hohen Verständnisniveau für die Mitarbeitenden. Die Ziele sind entsprechend auch häufig nicht mit einem Aktionsplan unterlegt. Sie werden zwar formuliert, aber weder Mitarbeitende, noch Vorgesetzte legen fest, welche Beteiligten innerhalb welchem Zeitrahmen was konkret tun müssen, damit eine Zielannäherung stattfindet.

Wird hierbei ein kurzer Seitenblick auf den Leistungssport geworfen, dann wird schnell klar, dass Sporttreibende auf Niveau Leistungs- oder Spitzensport kaum Fortschritte erzielen würden, wenn nicht ein explizites Zielsetzungsmanagement betrieben würde.

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Leistungsathletinnen und -athleten können sich in der Regel auf ihre Kernaufgabe, das Training und den Wettkampf konzentrieren, das Management des Umfelds wird ihnen sehr oft abgenommen.

Selbstverständlich darf innerhalb dieser Thematik die operativ sehr hohe Belastung von allen im heutigen Wirtschaftleben stehenden Beteiligten nicht ausser Acht gelassen werden. Häufig rückt das Zielsetzungsmanagement auf der Prioritätenliste automatisch nach unten, wenn dringende Begebenheiten erledigt sein müssen. Und bekanntlich geht in gängigen Strategien des Zeitmanagements «dringend» vor «wichtig».

Richter gesteht der Gestaltung von Zielprozessen hohe Priorität zu. Vereinfacht unterteilt er den Prozess in drei Phasen, die Phase der Zielfestlegung, die Phase der Zielumsetzung und jene der Zielauswertung (vgl. Richter, 2009: 41 – 43). Er führt treffend auf, dass es «keine zielfreie» Zeit gibt und die Phase der Zielauswertung der zu Ende gehenden Periode sich mit der Zielfestlegung für die bevorstehende Periode zwingend überschneiden muss. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass die intensive Beschäftigung mit dem Prozess einen grossen Zeitaufwand bedingt. Des Weiteren werden die Unternehmensziele und die Ziele eines Teams im Leistungssport in der Praxis oft stillschweigend höher bewertet, als jene der Mitarbeitenden oder Athletinnen und Athleten. Aus motivationaler Sicht kann ein solcher Zustand dann negativ werden, wenn die vorgegebenen Ziele des Unternehmens, bzw. des Teams nicht mit den persönlichen Ausrichtungen und Befähigungen des Individuums übereinstimmen.

Bemerkenswerterweise finden sich nicht nur in der Wirtschafts- sondern auch in der sportpsychologischen Fachliteratur kaum fundierte Implementierungsstrategien des Zielprozesses. Ein Grund dafür mag sein, dass die Implementierung einer sehr hohen Individualität unterliegt. Was bei der einen Person oder Gruppe funktioniert, muss nicht zwingend bei anderen anwendbar sein. Deswegen ist von Coaches auch eine sehr hohe Kreativität gefordert, um in Zusammenarbeit mit den Coachees ein Vorgehen zu definieren, das kraftvoll und zielorientiert genug ist, um regelmässig damit zu arbeiten.

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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein minutiös geplantes und begleitetes Zielsetzungsmanagement sowohl im Leistungssport, als auch in der Wirtschaft ein sehr grosses Potential hat. Als Instrument der Optimierung von Motivation und damit auch der Leistung wird das Zielsetzungsmanagement längst noch nicht ökonomisch ausgeschöpft. In der Mitarbeitenden- und damit auch in der Unternehmensentwicklung sollte das Potential des Zielmanagements künftig noch viel höher gewichtet werden.

12.6.4 Transfermethodik Der Zielberg ist eine im Sport gängige Methode der Zielsetzungsarbeit.

Abbildung 13: Zielberg, sinngemäss abgeleitet nach Baumann, 2006: 154 - 166

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Prozess der

Bei der Zielerarbeitung funktionieren grundsätzlich alle kreativen Coaching-

Zielerarbeitung

Techniken. In erster Priorität darf das «Disney-Modell» genannt werden. Das Vorgehen beinhaltet alle Elemente, um das vorgängig beschriebene ProzessSchema abzudecken. Die Ziele erhalten über den Standpunkt des «Träumers» Kraft. Gleichzeitig erhält aber auch die GAP-Analyse über die Positionen des «Realisierers» und des «Kritikers» Gewicht. Auch das S.C.O.R.E.-Modell von Dilts eignet sich sehr gut, um Ziele rationell zu erarbeiten, ohne den visionären Aspekt zu vernachlässigen. Eine spielerische Variation der lösungsorientierten Zielarbeit bietet auch die metaphorische Methode der «Wunschsuppe» von Godat (vgl. Röhrig, 2008: 167 – 171), sowie die Standardmethode der «logischen Ebenen» von Dilts, die den Zielprozess ebenfalls aus unterschiedlichen Wahrnehmungspositionen heraus bearbeitet.

Prozess der Implementie-

Ein wesentliches Element der Implementierung ist die regelmässige Arbeit mit

rung

den Zielen, die ständige Neubewertung der Realisierbarkeit und eine allfällige Anpassung der Zielausrichtung. Die einfachste Methode ist sicherlich die Anwendung von Skalierungen, die überall eingesetzt werden können. Sehr kraftvoll ist auch die Ressourcenarbeit mit Zeichnungen, an denen über bestimmte Zeiträume gearbeitet wird. Als Beispiel dazu soll ein «Zielberg» (siehe vorangehende schematische Illustration) dienen. Eine verwandte Form der ZielZeichnungsarbeit beschreibt die Methode «Futur Perfekt dokumentiert» von Paul Z Jackson (vgl. Röhrig, 2008: 185 – 188). Auch diese Methode eignet sich gut für den Implementierungsprozess, da mit verschiedenen Sinnen gearbeitet wird. Die Timeline-Arbeit eignet sich gut, da Prozess-Fortschritte in einer Aufstellungsarbeit gut dokumentiert werden. Des Weiteren sind auch bei der Umsetzungsarbeit der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Prozess der Zielauswer-

Was für die Implementierungsphase gilt, kann generell auch in der Auswer-

tung

tungsphase angewandt werden. Auch hier sind also z.B. Skalierungen in allen Ausgestaltungen – ob als Zahlenwerte oder Zeichnungen - von grosser Hilfe. Natürlich sind alle Resultatziele über die prozentuale Erreichung zu messen. Für die Bewertung der Arbeit dürften vor allem regelmässige, qualifizierte Explorationsgespräche zwischen Vertrauenspartnern unabdingbar sein. Die Gespräche dienen schliesslich wieder als Grundlage für den nächsten, fliessenden Zielsetzungsprozess.

Tabelle 7: Transfer Zielsetzungstraining, eigene Aufstellung

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12.7 Psychologische Unterstützung bei Verletzungen

12.7.1 Beschreibung der Thematik Das Thema «Verletzungen» mag auf den ersten Blick im Vergleich mit den übrigen Kapiteln fremd aussehen. In der Praxis des Leistungssports ist die psychologische Unterstützung in der Rehabilitation von verletzten Personen allerdings ein nicht mehr wegzudenkender Support. Es ist empirisch nachgewiesen (vgl. Marcolli, 2001: 73 – 103), dass eine psychologische Unterstützung in der Rehabilitationsphase den Zeitraum bis zur kompletten Gesundung massgeblich senken kann. Ein kurzer Systemvergleich zwischen Leistungssport und Wirtschaft lohnt sich also schon deswegen, da ein ganzheitliches Absenzenmanagement im Falle einer Verletzung oder Krankheit darauf abzielt, Mitarbeitende möglichst nachhaltig und rasch wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern.

12.7.2 Grundfertigkeiten Marcolli beschreibt als relevante Bestandteile seines Programms «COMEBACK» eine ausführliche Eingangsdiagnostik, die bereits beschriebenen Methoden der Zieldefinition, der Entspannung, des Visualisierens und der positiven Selbstinstruktion. Abschliessend nennt er die soziale Unterstützung als relevanten Punkt in der Rehabilitation. Speziell bei Mannschaftssportlerinnen und -sportlern dient dieser Aspekt zur Vorbeugung der sozialen Ausgrenzung bei fortlaufender Teamdynamik (vgl. Marcolli, 2001: 47 – 62). In einem früheren Standardwerk der psychologischen Unterstützung bei Verletzungen führen Hermann und Eberspächer zudem das Kompetenzerwartungstraining auf (vgl. Hermann/Eberspächer, 1994: 93 – 106). Dabei geht es darum, dass Athletinnen und Athleten einzuschätzen lernen, wie ihr Körper im Bereich der verletzten Stelle wieder belastbar wird. Die Belastung wird so auf eine behutsame und selbstbestimmte Weise wieder bis zur vollen Belastbarkeit erhöht. Ziel dieser Intervention ist es letztlich, innerhalb von Wettkämpfen mentale Blockaden zu vermeiden, indem physisch wieder eine 100%ige Belastbarkeit möglich wäre, der Geist aber aus Vorsicht nur eine Belastung zulässt, die weit unter der effektiv möglichen Belastung liegt. Hermann und Eberspächer führen zudem detailliert auf, wer für welchen Teil des Prozesses innerhalb des Kompetenzerwartungstrainings verantwortlich ist.

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ABLAUFSCHRITT

VORGEHEN

BETEILIGTE PERSONEN

1

Aufgabenstellung

Betreuende Person(en), Sportlerinnen/Sportler

2

Prognosenerstellung

Sportlerinnen/Sportler

3

Durchführung der Anforderung

Sportlerinnen/Sportler

4

Ergebnisfeststellung

Betreuende Person(en), Sportlerinnen/Sportler

5

«Objektive» Analyse

1. Sportlerinnen/Sportler 2. Betreuende Person(en)

6

Prognose überprüfen

Tabelle 8: Kompetenzerwartungstraining nach Hermann/Eberspächer, 1994: 97

12.7.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Bei den beschriebenen Methoden handelt es sich in erster Linie um Praktiken, welche die Rehabilitationszeit bei physischen Verletzungen und Beeinträchtigungen verkürzen. Speziell das Kompetenzerwartungstraining zielt auf physische Belastungen ab. Es spricht nichts dagegen, die Erkenntnisse der Sportpsychologie in diesem Bereich umfassend auf die Wirtschaft zu übertragen. Dieselben Techniken könnten, von fachlicher Sicht her betrachtet, problemlos in das Fallmanagement einer Person in der Rehabilitation aufgenommen werden. Die Gewichtung des Körpereinsatzes im Beruf ist aber in der Regel nicht so hoch wie bei der Ausübung eines Sportes. Nichtsdestotrotz könnte aber z.B. eine oft am Computer arbeitende Person, die durch einen Unfall vielleicht zwei Finger verloren hat, schneller wieder im angestammten Bereich arbeiten. Dies durch ein angepasstes Visualisierungstraining, einer selbst bestimmten Zielsetzung bei der Rehabilitation und einem individuellen Selbstinstruktionstraining. Voraussetzungen für die Anwendung dieser Techniken sind natürlich die entsprechende Absicht der Mitarbeit der rekonvaleszenten Personen als auch die grundsätzliche Bedingung, dass einer weiteren Ausübung der bisherigen Tätigkeit durch die Schwere der Verletzung nichts im Weg steht.

Während die beschriebenen Modelle vor allem für den Einsatz bei körperlichen Verletzungen konzipiert wurden, finden sich in der Wirtschaft immer mehr psychische Beeinträchtigungen, wie z.B. Personen, die an Depressionen oder an Burnout-Syndromen leiden. In der Regel brauchen solche Personen Halt und Struktur.

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Der Aspekt der sozialen Unterstützung ist also definitiv auch auf die Unterstützung bei der Rehabilitation von psychischen «Verletzungen» anwendbar. Ebenso trifft dies auf ein adäquates Zielsetzungsmanagement zu. Geeignete Ziele geben Struktur und Halt. Gleichzeitig motivieren sie auf dem Weg zur Genesung. Eine angebrachte Entspannungsmethode zu erlernen, bzw. zu betreiben, gehört unerlässlich zu den nützlichen Unterstützungsmassnahmen. Ebenso das Visualisieren der beruflichen Wiedereingliederung sowie das Erlernen von positiven Selbstgesprächen. Ganz speziell dürfte auch hierbei ein angepasstes Kompetenzerwartungstraining grosse Hilfe leisten. Dabei leistet die Trainingsmethode Hilfestellung in zweierlei Hinsicht. Sie hilft hoch leistungsmotivierten Personen bei der Vorbeugung der Selbstüberschätzung während der beruflichen Wiedereingliederung. Anders bei Personen mit eher geringerer Leistungsmotivation. Hier hilft ein angepasstes Kompetenzerwartungstraining dabei, eine passende psychische Belastungsdynamik aufzubauen.

12.7.4 Transfermethodik Zielsetzungsmanagement

Siehe Coaching-Techniken und Methoden im Kapitel «Zielsetzungstraining»

Entspannung

Siehe Coaching-Techniken und Methoden im Kapitel «Belastungs- und Erholungsdynamik»

Visualisierung

Siehe Techniken und Methoden im Kapitel «Bildhaftes Vorstellen/Visualisierungstraining»

Positive Selbstinstruktion

Siehe Techniken und Methoden im Kapitel «Motivation»

Kompetenzerwartung

Beim Kompetenzerwartungstraining leisten einmal mehr Skalierungen sehr gute Dienste. Weiter kann der Einsatz von Zielzeichnungen, wie sie bereits im Kapitel «Zielsetzungstraining» erläutert wurden, die Kraft des Trainings verstärken. Beide Techniken können auch in einer Art der kombinierten Aufstellungsarbeit zusammengefasst werden. Die gecoachte Person bewegt sich dabei in einer selbst aufgestellten «Bodenanker-Landschaft». Dieses Vorgehen erhöht sowohl die Visibilität der bereits erzielten Fortschritte wie auch jene der verbleibenden, geplanten Schritte. Bei der kombinierten Aufstellungsarbeit handelt sich um eine geschickte Kombination von Skalierung, Timeline- und Aufstellungsarbeit in drei Dimensionen umgesetzt.

Tabelle 9: Transfer Psychologische Unterstützung bei Verletzungen, eigene Aufstellung

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12.8 Kritische Situationen am Beispiel von Karriereübergängen

12.8.1 Beschreibung der Thematik Die Sportpsychologie beschäftigt sich mit einer ganzen Reihe von Krisensituationen, bzw. den jeweils dafür geeigneten Interventionen. Stellvertretend für die Fülle von denkbaren Krisen in der Karriere von Athletinnen und Athleten wird das Thema des «Karriereüberganges» gestreift. Der Abschluss einer Karriere im Leistungssport birgt durchaus ein Krisenpotential. Viele Athletinnen und Athleten werden während ihrer sportlichen Karriere umfassend betreut. Oft müssen sie sich nicht um das Einkommen kümmern, das wird von einem Management erledigt. Auch das Umfeldmanagement ist während der leistungssportlichen Karriere zu einem gewissen Grad geregelt. Gemäss dem folgenden Entwicklungsmodell einer Sportkarriere (nach Wyllemann & Lavallee, 2004) läuft die leistungssportliche Karriere im optimalsten Fall um das 40. Altersjahr aus. In künstlerisch-koordinativen Sportarten wie z.B. dem Kunstturnen endet die leistungssportliche Karriere bereits wesentlich früher. Athletinnen und Athleten im Zenit ihrer sportlichen Leistungen sind in einem Alter, wo «klassische» Berufstätige bereits höhere Schulbildungen abgeschlossen haben und in der Regel schon seit Jahren berufstätig sind.

Abbildung 14: Entwicklungsmodell einer Sportkarriere nach Wyllemann & Lavallee, 2004: 507 - 527

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Nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Spitzensportlerinnen und -sportlern «muss» nach der sportlichen Karriere keiner klassischen Arbeit mehr nachgehen. Obwohl (siehe auch Kapitel «Sind Leistungssportlerinnen und -sportler die besseren Arbeitskräfte?») ehemalige Leistungssportlerinnen und -sportler bei vielen Persönlichkeitsmerkmalen gegenüber ihren «nichtsportlichen» Kolleginnen und Kollegen viele Vorteile mitbringen, einen wesentlichen Nachteil haben sie im Berufsleben. Die jahrelange operative Berufserfahrung fehlt ihnen. Und doch arbeiten sie plötzlich Seite an Seite mit Kolleginnen und Kollegen auf demselben Level.

Exemplarisch dafür kann der Fall des brasilianischen Fussballprofis Ronaldo betrachtet werden. Bereits im Herbst seiner sportlichen Karriere scheint der Fussballstar kaum mehr in seinem Leben zurechtgekommen zu sein. Die Anzahl seiner persönlichen Affären wuchs kongruent zur Abnahme seiner sportlichen Leistung. Existentiell bedeutete sein sportlicher Niedergang nicht das Ende, finanziell dürfte Ronaldo auf Rosen gebettet sein. Ein weiterer tragischer Fall ist der Tod des Radprofis Marco Pantani. Im Jahr 2004 wurde der ehemalige Spitzensportler in einem Hotelzimmer tot aufgefunden. Nur ein Jahr nach der Beendigung seiner Karriere starb er an einer Überdosis Kokain. Schon früher wurde bekannt, dass Pantani an einer Depression litt.

Die russische Sportpsychologin Natalia Stambulova stellte ein Modell auf, das die bei einem Karriereübergang erforderlichen Ressourcen schematisch darstellt.

Abbildung 15: Modell für Übergänge in sportlichen Karrieren (sinngemäss übersetzt nach Stambulova, 2003: 97 - 109)

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Beispielhaft findet sich in den grauen Feldern, welche Betreuungspersonen in welchen Phasen die Athletinnen und Athleten unterstützen können. Das Modell impliziert, dass Coaches, Sportpsychologinnen und -psychologen bereits in der Spätphase der leistungssportlichen Karriere mit präventiven Beratungen helfen können, die Karriereübergänge frühzeitig zu planen. So werden die Anforderungen für einen möglichst problemlosen Übergang in ein geregeltes Berufsleben definiert. Ebenso hilft der Support, ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den persönlichen Ressourcen und Problemen herzustellen.

12.8.2 Grundfertigkeiten Im aufgeführten Beispiel der Karriereübergänge kann man offensichtlich nicht von einem Training und demzufolge nicht von Grundfertigkeiten sprechen. Bei bevorstehenden Karriereübergängen geht es um Standortbestimmungen und Neuausrichtungen. Es geht um die Erkennung von eigenen Ressourcen und Bestimmung von Zielen, die dem persönlichen Änderungsprozess zu Grunde liegen. Es geht darum, die Situation des Coachees zu analysieren, seine/ihre Ressourcen und Barrieren aufzuzeichnen, Alternativen zu diskutieren und Unterstützung bei einer Entscheidungsfindung anzubieten. Abschliessend geht es darum, mit dem Coachee eine Planung aufzustellen und diese mit ihm/ihr zusammen kontinuierlich zu überwachen. Die Fülle der dabei zum Einsatz kommenden Techniken und Modelle sind sehr vielfältig. Von der klassischen Wunderfrage über das Neun-/Zwölffelder-Modell zum Disney-Modell oder zu den logischen Ebenen nach Dilts. Zum Einsatz kommen alle Techniken, die einen ressourcenund lösungsorientierten Fokus beinhalten.

12.8.3 Mögliche Anwendungen in der Wirtschaft Wenn von Karriereübergängen die Rede ist, dann liegt nahe, dass die im leistungssportlichen Umfeld beschriebenen Interventionen durchaus auch auf die Vorruhestands-Phase des Berufslebens angewandt werden können. Der Übergang in einen neuen Lebensabschnitt ist gut zu planen und kann durchaus unter den genannten Aspekten begleitet werden. Nicht nur der eigentliche Übergang in die letzte Lebensphase eines Menschen ist gut zu planen, auch der Ruhestand an sich ist zu betrachten. Denn dank gesunder Lebensführung, positiver Lebenseinstellung und nicht zuletzt dank den riesigen Fortschritten der Medizin und Medizinaltechnik wird der Mensch immer älter. 72


Oft nimmt im Alter die Leistungskapazität des menschlichen Hirns massiv ab. Denkprozesse werden vielleicht nicht mehr so benötigt, wie noch zu Zeiten des täglichen Berufseinsatzes. Es werden weniger neue Erfahrungen gemacht und damit wird die Leistungsfähigkeit des Gehirns nicht mehr so explizit trainiert wie früher. Zudem sind die Lebensaussichten im Ruhestand häufig subjektiv sehr nah an die Gegenwart herangerückt. Fernes Planen ist oft nicht mehr verbreitet. Warum ist eigentlich unklar, so liegt in Zentral- und Südeuropa die durchschnittliche Lebenserwartung eines 65-jährigen Mannes noch bei 15 Jahren, bei einer gleichaltrigen Frau gar noch bei rund 20 Jahren (vgl. WHO Health Data; http://www.euro.who.int/hfadb). Man könnte also sagen, nach dem Eintritt in den Ruhestand hat der ältere Mensch noch eine ganze Lebensgeneration vor sich. Eine zu lange Zeit, um bereits mit der Planung für den Lebensabend abzuschliessen.

Aus diesem Grund sollte auch die Ausbildung und Erhaltung der mentalen Fähigkeiten im Alltag eines älteren Menschen immer mehr zur Selbstverständlichkeit gehören. Die Lebensqualität im Alter kann durch körperliches Training massiv gesteigert werden. Das ist auch beim mentalen und psychologischen Training im Alter der Fall. Doch wie beim physischen Training gehört im psychologischen und mentalen Training Regelmässigkeit und Systematik zu den Grundvoraussetzungen, um die mentale Leistungsfähigkeit und damit die gefühlte psychische Lebensqualität wenn nicht zu erhöhen, so zumindest zu erhalten.

Daher gehören auch die generellen Grundfertigkeiten des mentalen Trainings wie ein auf das Alter angepasstes Zielsetzungsmanagement, Visualisierungs- oder Konzentrationstraining zu den Techniken, die im fortgeschrittenen Alter angewandt werden können und ihre Wirkung nicht verfehlen.

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12.8.4 Transfermethodik Ressourcen erkennen

Im Zusammenhang mit der Standortbestimmung und Neuausrichtung eignen sich für die Erkennung eigener Ressourcen z.B. die bereits beschriebenen Modelle Focus-Five oder S.C.O.R.E.

Standortbestimmung,

Wie im Text erwähnt, eignen sich alle Techniken, die aus dem lösungs- und

Neuausrichtung

ressourcenorientierten Coaching bekannt sind, gut für diese Phase. Als Beispiele sind die Wunderfrage, das Neun-/Zwölffelder-Modell, das Disney-Modell oder die logischen Ebenen nach Dilts zu nennen. Auch weitere Techniken, wie bspw. das bereits beschriebene Focus-Five-Modell eignen sich sehr gut.

Ziele definieren

Siehe Coaching-Techniken und Methoden im Kapitel «Zielsetzungstraining»

Visualisierung

Siehe Techniken und Methoden im Kapitel «Bildhaftes Vorstellen/Visualisierungstraining»

Konzentration

Siehe Techniken und Methoden im Kapitel «Konzentration»

Tabelle 10: Transfer am Beispiel von Karriereübergängen, eigene Aufstellung

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13 Erkenntnisse 13.1 Formulierung eines Modells Aufbauend auf die vorangegangenen Ausführungen wird nun ein Modell formuliert. Betrachtet man die zusammenfassende Aufstellung auf der nächsten Seite fällt vorerst auf, dass bei den neun beschriebenen Einsatzbereichen die Übertragbarkeit vom Leistungssport auf die Wirtschaft nie unmöglich ist. Lediglich bei zwei Bereichen wird die Übertragbarkeit als «eingeschränkt» taxiert. Das Thema «Flow» ist allerdings für sich bereits als übergeordnetes, zuweilen fast schon philosophisches Thema zu betrachten. Ebenso das Gebiet der «psychologischen Unterstützung in der Rehabilitation», das für sich betrachtet lediglich in einem kleinen Randbereich zum Einsatz kommt. Zwar ist in dieser kleinen Personengruppe durchaus grosse Wirkung durch den Einsatz der beschriebenen Methoden zu erwarten, allerdings bleibt der Teil der rekonvaleszenten Arbeitnehmenden im Gesamtkontext der arbeitenden Bevölkerung eine eher kleine Gruppe. Die restlichen sieben Bereiche sind aber «fast unbeschränkt» oder «unbeschränkt» auf die Wirtschaft übertragbar. Allerdings ist zu unterscheiden zwischen Bereichen, die generell auf alle Mitarbeitenden übertragen werden können und Bereichen, die entweder bloss situativ (in Ausnahmesituationen) auf die Gesamtheit übertragen werden, bzw. wo lediglich eine spezialisierte Berufsgruppe profitieren kann.

Ein spezielles Augenmerk gilt Querschnittsthemen wie Motivation, Zielsetzungsmanagement, Selbststeuerung und Feedback-Kultur als Teil der Kommunikation innerhalb der Unternehmenskultur. Bei fast allen neun beschriebenen Bereichen findet sich in der einen oder anderen Form eine Beziehung zu diesen Themen. Gleichzeitig sind es aber häufig diese weichen Faktoren, denen wenig Beachtung geschenkt wird. Einerseits weil sie vielleicht für Führungspersonen, die nicht immer psychologisch geschult sind, schwerer fass- und messbar sind. Möglicherweise auch deshalb, weil sie im Kontext der Leistungsoptimierung als präventive Themen betrachtet werden, die ihre Wirkung nicht unmittelbar sondern erst nach längerer Zeit entfalten.

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13.1.1 Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse

Belastungs- und

Übertragbarkeit

Eigenschaften der Zielgruppe

*****

Keine spezifische, unbeschränkt einsetzbar

****

Auf den Punkt bereit sein müssen

Erholungsdynamik Aktivierung

Zusammenhang mit Motivation und Zielsetzungen

(Idealer Leistungszustand ILZ) Konzentration

****

Hohe Punktfokussierung auf Arbeitsinhalt Viele Konzentrationswechsel Zusammenhang mit Motivation und Zielsetzungen

«Flow» als spezielle Art

***

Theoretisch alle Personen Zusammenhang mit Selbstwirksamkeit und

der Konzentration

-steuerung, Zielsetzungen (persönliche und Unternehmensziele) und Kommunikationskultur Bildhaftes Vorstellen/

****

Filigrane und komplexe Bewegungsabläufe, Bewältigung von unvorhergesehenen

Visualisierungstraining

Krisensituationen, repetitive Abläufe Motivation

****

Theoretisch alle Personen, starker Zusammenhang mit Zielsetzungen und Bedürfnisbefriedigung

Zielsetzungstraining Psychologische Unterstützung in

*****

Keine spezifische, unbeschränkt einsetzbar

***

Spezifische, komplexere Bewegungsabläufe in der Rekonvaleszenzphase, Integration von Personen

der Rehabilitation

mit psychischen Krankheitsbildern Kritische Situationen am Beispiel

*****

Keine spezifische, unbeschränkt einsetzbar

von Karriereübergängen

Legende zur Übertragbarkeit *****

Unbeschränkt möglich

****

Fast unbeschränkt

***

Eingeschränkt

**

Sehr kleine Zielgruppe

*

Nicht möglich

Tabelle 11: Zusammenfassung gewonnener Erkenntnisse

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Generell gilt zu sagen, dass durchaus einzelne Bereiche bei Personengruppen oder Individuen zum Einsatz kommen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass punktuelle Leistungsverbesserungen erreicht werden, ist sehr hoch. Es ist denkbar, dass sich die Verbesserungen lediglich temporär auswirken und bloss Auswirkungen auf persönlicher Basis und nicht auf der Ebene der Unternehmung haben. Natürlich können jederzeit Einzelthemen für die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden in das Personalentwicklungsprogramm aufgenommen werden. Dabei dürfte aber eher von einer Art «Symptombehandlung» gesprochen werden, die in der Regel Probleme nicht an der Wurzel angehen. Hierbei soll wiederum ein kurzer Blick in den Leistungssport geworfen werden. Die Erreichung eines erforderlichen Niveaus, das im Leistungs- und Spitzensport genügt, ist eine Arbeit von mehreren Jahren. Eine Organisation im Spitzensport, welche der Ausbildung des eigenen Nachwuchses höchste Wichtigkeit beimisst und diese auch akribisch betreibt, ist der FC Barcelona. Man darf ohne Weiteres sagen, dass es zum heutigen Zeitpunkt keinem europäischen Fussballteam auf Toplevel gelingt, an die Erfolge von Barcelona heranzukommen. Das Geheimnis des Erfolgs dürfte zu einem grossen Teil in der Ausgewogenheit der Massnahmen liegen. Es wird nicht bloss – wie bei anderem Teams – Wert darauf gelegt, Topspieler zu engagieren und diese zu einer Einheit zu verbinden. Immer wieder werden Spieler in die Mannschaft integriert, denen die Philosophie und Kultur des FC Barcelona sozusagen in die Wiege gelegt wird. Das Fussballspiel ist in Barcelona noch ein Spiel. Die Spielfreude und Motivation der Barça-Spieler ist sprichwörtlich.

Zurück zur Wirtschaft. Ein Beispiel, wie Arbeitsmotivation hoch gehalten wird, bietet die Internetunternehmung «Google». Mitarbeitende von Google sollen und dürfen einen gewissen Teil ihrer Arbeitszeit ihren eigenen Projekten widmen. Vordergründig betrachtet verliert die Unternehmung Tausende von Stunden an Arbeitszeit. Der Vorteil von Arbeitsplatzzufriedenheit, Motivation, Identifikation mit der Firma und nicht zuletzt die Vereinbarkeit von Unternehmens- und persönlichen Zielen ist einmalig. Der wirtschaftliche Erfolg von Google dürfte Zeuge genug sein, dass Modelle der Leistungsoptimierung auf Erkenntnissen der Sport- und Arbeitspsychologie basierend, von Erfolg gekrönt sein können. Google hatte allerdings einen grossen Vorteil. Die Kultur der Unternehmung wurde von Beginn an durch die Offenheit und Innovation geprägt. Google musste sich nicht einem zeitintensiven und aufwändigen Veränderungsprozess unterwerfen, um dorthin zu kommen, wo das Unternehmen heute steht.

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Nichtsdestotrotz stehen der FC Barcelona mit über 170‘000 Mitgliedern und Google mit rund 30‘000 Mitarbeitenden dafür, dass nachhaltige und ganzheitliche Entwicklungen von komplexen Organisationen unter Einbezug weicher Faktoren grossen Erfolg bringen können. Auch wenn sie mehr Zeit beanspruchen und sehr umfassend sind. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Thema wird deshalb nahegelegt, leistungsoptimierende Faktoren innerhalb eines umfassenden Change Management-Prozesses zu betrachten.

Leistungsfördernde Aspekte in Leistungssport und Wirtschaft liegen nah zusammen

13.1.2 Mehrstufiges Modell der Leistungsoptimierung Der Change Management-Prozess wird gemäss den logischen Ebenen von Dilts sinngemäss von «oben» nach «unten» angegangen. Zu Beginn wird der Fokus auf die Ebenen der Visionen, Identifikation mit dem Unternehmen und dem Wertemanagement gelegt. Veränderungen auf den oberen Ebenen haben normalerweise immer einen Effekt auf darunter liegende Ebenen. Setzt man bei Veränderungen auf die Ebenen der Fähigkeiten, des Verhaltens oder des Umfelds kann dies zwar einen Einfluss auf «höhere» Ebenen haben, muss aber nicht zwingend.

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Stufe 1 – Initiierung eines Partizipationsprozesses Im Zusammenhang mit den beschriebenen Bereichen setzt das Modell bei einem Partizipationsprozess der Mitarbeitenden an. Primärziel dabei ist es, die Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern. Elemente dieser Stufe können ein Ideen- und Innovationsmanagement sein. Projekte von Mitarbeitenden, die in fachlicher Beziehung zur Unternehmung stehen, sollen gefördert werden. Dies kann soweit führen, dass Spin-offs, die sich aus solchen Projekten ergeben, unterstützt und mitfinanziert werden. Die erste Stufe muss mit einer intensiven Change-Kommunikation begleitet werden. Diese muss zwingend – im Sinne der beschriebenen Feedback-Kultur – bidirektional stattfinden. Moderne Kommunikationsmittel und -kanäle wie z.B. Blogs, Intranets etc. erleichtern diese Aufgabe erheblich. Mit dieser Stufe werden die Themen «Flow», «Motivation», «Selbstwirksamkeit» wirkungsvoll aufgegriffen und in den Veränderungsprozess integriert.

Stufe 2 - Zielsetzungsmanagement In der nächsten Phase des Veränderungsprozesses wird der Hauptfokus auf die Implementierung eines Zielsetzungsmanagements gelegt. Dieses soll individuelle Ziele bestmöglich mit den Unternehmenszielen verknüpfen. Mit dem eigentlichen Karrieremanagement wird wiederum die Bindung der Mitarbeitenden an die Firma erhöht, gleichzeitig erhöht sich die Motivation, massgeblich zu den Zielen der Unternehmung beizutragen. Speziell zu erwähnen ist noch einmal, dass das Zielsetzungsmanagement als ständiger Prozess im Führungszyklus verstanden wird. Das blosse Festlegen von Zielen als wiederkehrender Akt muss sich in einen dauernden Prozess wandeln.

Stufe 3 – Individuelle Förderung der Mitarbeitenden In der dritten Phase wird das Hauptaugenmerk auf die individuelle Förderung und Leistungsoptimierung gelegt. Dazu bedarf es einer detaillierten Analyse des Arbeitsplatzbildes und einer Schlussfolgerung, welche der beschriebenen Bereiche, wie Konzentration, Visualisierung oder Aktivierung etc. relevant für die jeweiligen Berufsbilder sind.

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Stufe 4 – Life Management Die Aktivitäten auf der vierten Stufe werden unter dem Begriff «Life Management» zusammengefasst. Sowohl die beschriebene psychologische Unterstützung im Reha-Management, als auch die Unterstützung bei Karriere-Übergängen haben nicht direkt mit dem «Daily Business» einer Unternehmung zu tun. Sie gehören beide definitiv zu den weichen Faktoren. Nichtsdestotrotz erhöhen auch diese Aktivitäten die Attraktivität eines Arbeitgebers erheblich. Damit tragen sie wiederum dazu bei, Motivation, Identifikation und Bindung zu erhöhen. Und nicht zuletzt stehen Mitarbeitende nach Verletzungen oder Krankheiten dem Unternehmen wieder schneller zur Verfügung.

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Abbildung 16: Mehrstufiges Modell der Leistungsoptimierung, eigene Grafik

13.1.3 Philosophie-Wechsel im mittleren und oberen Management Konsequenterweise ziehen die Veränderungen bei Kultur und Werten auch Anpassungen in der Struktur und Führungsphilosophie mit sich. Wie im Kapitel «Vergleich Sport und Wirtschaft aus systemischer Sicht» beschrieben, sind sportliche Spitzenleistungen heute nur möglich, weil eine ausgesprochene Spezialisierung besteht. Trainerinnen, Trainer und Coaches von Athletinnen und -athleten, bzw. von Teams sind in der Regel nur mit der Führung der Personen beauftragt. Eigentliche Spielertrainerinnen und -trainer, also Persönlichkeiten, die sowohl führen und gleichzeitig als Akteure tätig sind, bleiben immer mehr die Ausnahme. Die Spezialisierung ist aber keine Eigenheit des Leistungssports. Auch in der Wirtschaft ist die Spezialisierung weit fortgeschritten. Dementsprechend erstaunt die Tatsache, dass Personen im mittleren und oberen Management noch immer viele Aufgaben im rein operativen Bereich wahrnehmen. Eine vollständige Fokussierung auf die eigentliche Führungsarbeit ist eher die Ausnahme als die Regel. Werden die Gedanken nun zu Ende gedacht, würde dies für die Wirtschaft folgerichtig bedeuten, dass sich Führungskräfte im mittleren und oberen Management mehr um das «People Management» und weniger um das «Daily Business» kümmern. In vielen Unternehmen wäre dies gleichbedeutend mit einem radikalen Verständniswechsel von Führung. Führungspsychologische Aspekte bekämen weit höheres Gewicht bei der Auswahl und Schulung von Führungskräften. 81


13.1.4 Kompetenzerweiterung im Unternehmen Die Konsequenz des formulierten Modells lässt sich weiterführen. Innerhalb der gängigen Spezialisierung bedeutet dies immer mehr eine Auslagerung von Aufgaben, die nicht zu den Kernaufgaben gehören. Die Spezialisierung im Leistungssport hat sich längst durchgesetzt. Headcoaches führen und koordinieren, Athletinnen und Athleten fokussieren sich auf ihren sportlichen Einsatz und für die weichen Faktoren werden Umfeldmanager und Fachleute für Kondition, Koordination, Technik, Psychologie, Ernährung etc. eingesetzt.

Innerhalb des Modells müssten in der Wirtschaft konsequenterweise noch viel mehr Aufgaben an Fachspezialisten übertragen werden. Innerhalb des formulierten Modells eine Chance für Coaches, Trainerinnen und Trainer, die sich sowohl in der Welt des Leistungssport, als auch in der Wirtschaftswelt auskennen. Kann das Modell indessen in der Wirtschaft grundsätzlich bestehen? Theoretisch darf es zu einem hohen Grad als praktikabel ausgewiesen werden. Wo liegen mögliche Hindernisse oder Gefahren? Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann die Praktikabilität nicht empirisch nachgewiesen werden. Anstelle der streng wissenschaftlichen Fundamentierung sollen die folgenden qualitativen Konsultativ-Interviews die Akzeptanz des Modells untermauern, bzw. in Frage stellen.

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13.2 Verifizierung des Modells mit qualitativen Konsultativinterviews Um der Verifizierung eine gewisse Breite zu verleihen, wurden vier unterschiedliche Unternehmen ausgewählt. Zwei davon kommen aus dem industriellen Bereich, eines aus dem öffentlich-rechtlichen Dienst und bei einer Firma handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen. Zwei Firmen sind weltweit tätig und haben über 500 Mitarbeitende vor Ort (weltweit weit über 1'000), eine der Unternehmung ist börsenkotiert. Die beiden anderen Firmen sind klassische KMU's mit 20 - 30 Angestellten. Bei den Grossunternehmen wurde das Interview jeweils mit einer leitenden Person der HR-Abteilung geführt, bei den KMU's einerseits mit der für Personalfragen zuständigen Führungskraft, bzw. mit der geschäftsführenden Person.

Eine Personalentwicklungsabteilung pflegt keine der interviewten Firmen. Eine der Firmen hatte bis zur letzten Unternehmensrestrukturierung eine solche Abteilung. Diese fiel aber dem Rotstift zum Opfer. Personalentwicklungsmassnahmen auf individueller Basis kennen drei der vier Unternehmen. Keiner der vier Betriebe hatte bereits Erfahrungen mit Mentaltraining und sportpsychologischen Ansätzen gesammelt, die in der Personalentwicklung eingesetzt wurden. Grundsätzlich konnten aber alle vier Betriebe hinter dem fünfstufigen Modell stehen. Die beiden Grossunternehmen setzten im Gegensatz zu den KMU aber gewisse Fragezeichen dahinter. Dies hing vor allem mit der Umsetzung zusammen. Während den kleineren Betrieben eine allfällige Implementierung überblickbar erschien, so taxierten die Grossfirmen einen Veränderungsprozess in beschriebenem Umfang als ausserordentlich komplex und langwierig und deshalb kaum durchführbar. Alle Unternehmen können sich zwar eine Umsetzung theoretisch gut vorstellen, eine Person taxierte aber die Implementierung als nicht praktikabel in der eigenen Unternehmung.

Die befragten Personen bezeichneten folgende Punkte als Chance, wenn der beschriebene Change Management-Prozess umgesetzt würde: 

Mehr Freude bei der Arbeit

Erhöhte Teamdynamik

Chance, dass die Mitarbeitenden psychisch und physisch weniger krank würden und so leistungsfähiger sind

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Als Gefahren und Hindernisse wurden folgende Punkte genannt: 

Anfallende Kosten

Das heutige Wirtschaftssystem, das in seiner Kurzlebigkeit einen solch komplexen Veränderungsprozess als nicht praktikabel erscheinen lässt.

Der Veränderungsprozess könnte zu akademisch und aufwändig sein.

Nur das Top Management steht hinter einem solchen Prozess und das Gros der Mitarbeitenden kann nicht überzeugt werden.

Frustrationspotential, falls der Prozess initiiert und aufgrund der Komplexität nur teilweise beendet würde.

Individuelle, auf Personen fokussierte Entwicklungsmassnahmen sind nur sinnvoll, wenn die Firma entweder bereits «gut funktioniert» oder der beschriebene Change Management Prozess vorgängig implementiert wurde.

Das Führen mit Zielvereinbarungen ist bei allen vier Firmen implementiert. Nur in einem der vier Betriebe ist aber die Zielarbeit monatlich ein Thema. Bei einer zweiten Unternehmung finden Gespräche halbjährlich statt, bei den anderen zwei Betrieben sind die Ziele mehr oder weniger nur einmal jährlich ein Thema. Auf jeden Fall ist bei keiner der befragten Firmen ein strukturiertes Zielsetzungsmanagement in Betrieb, das nicht bloss periodisch sondern in den Arbeitsalltag integriert, betrieben wird.

Bei der Frage nach der psychologischen Unterstützung von rekonvaleszenten Mitarbeitenden sind sich alle Befragten einig. Ein Support ist gut und richtig und sollte in die Verantwortlichkeit von Firma und Angestellten fallen.

Unterstützung in den Interviews fand die These, dass sich Führungskräfte mehr um das reine People Management kümmern sollten. Alle Befragten waren sich einig, dass der Druck auf Führungskräfte enorm abnehmen würde, wenn die Doppelbelastung von Führung und operativer Arbeit minimiert würde. Ebenso einig waren sich die Interviewten, dass mit einer solchen Massnahme Unternehmen leistungsfähiger und damit letztlich auch profitabler agieren könnten. Je eine grosse und eine der kleineren Firmen fanden dabei allerdings, dass es wohl im heutigen Wirtschaftssystem kaum umsetzbar sei, dass Manager operative Aufgaben vollumfänglich delegieren würden. 84


Zusammenfassend darf gesagt werden, dass sowohl das fünfstufige Modell, wie auch die einzelnen Trainingsmassnahmen als sehr gut taxiert werden. Eine Initiierung eines entsprechenden Veränderungsprozesses wird als wünschenswert angesehen, wird dagegen in den meisten Firmen eher Theorie bleiben und kaum umgesetzt, da die Komplexität des beschriebenen Prozesses einer einfachen Umsetzung im Weg steht. Nachvollziehbar ist deshalb, dass die beiden KMU sich eine Implementierung eher vorstellen können, als die zwei Personalführungskräfte aus den grösseren Firmen.

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13.3 Einfluss auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung Das mehrstufige Change Management-Modell, das aus dem Leistungssport abgeleitet wurde, ist also weitgehend akzeptiert. Dass aber eine Umsetzung in die Praxis nicht einfach ist, hängt mit der Komplexität zusammen. Eine hohe Komplexität bedingt in der Regel relativ lange Zeiträume bis sich Erfolge einstellen. Leider ist das Phänomen des schnellen Erfolgs sowohl im Leistungssport, als auch in der Wirtschaft omnipräsent. Im Leistungssport sind immer neue Talente gefragt, die oft schon in der Adoleszenz Spitzenleistungen erbringen müssen. Man denke an hoch koordinative Sportarten wie Turmspringen oder Kunstturnen, wo Athletinnen und Athleten über zwanzig Jahre oft schon als alt gelten. Auch die Wirtschaft hat für längere Prozesse «kaum mehr Zeit». Rasche Erfolge sind eher gefragt. Möglichst rasche, möglichst hohe Umsatz- und Gewinnsteigerungen werden oft mit dem heu-

Abbildung 17: Nachhaltiger Shareholder Value nach Rauschenberger, 2002: 13

te vorherrschenden Shareholder-

Value-Konzept (SVK) in Verbindung genannt. Dass aber das SVK nicht zwingend im Widerspruch mit einer nachhaltigen Unternehmensführung stehen muss, belegt Rauschenberger 2002 mit empirischen Studien (vgl. Rauschenberger, 2002: 13). Er beschreibt, dass umweltund sozialverträgliche Strukturen den Unternehmenswert steigern können und damit einen positiven Einfluss auf den Shareholder Value haben.

Prexl beschreibt in ihrer Dissertation, dass ernst gemeintes Nachhaltigkeitsmanagement gleichbedeutend mit Change Management ist. Nachhaltigkeitsmanagement sei verbunden mit dynamischen Prozessen und diese wiederum seien wertbezogen und «bottom-up» orientiert. Viele Mitarbeitende, die miteinander kommunizieren, müssten in den Prozess eingebunden sein (vgl. Prexl, 2010, 109).

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Prexl beschreibt auch, dass sich bisher nur wenige Studien mit dem Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsorientierung und Personalfragen beschäftigt haben. Corporate Social Responsibility Aktivitäten (CSR) würden bspw. zu einer höheren Attraktivität als Arbeitgeber führen, was zu einem besseren Image und schliesslich zu einem gesteigerten Unternehmenswert führe. Interessant auch die Tatsache, dass die Tätigkeit in sozial und ökologisch verantwortungsvollen Unternehmen auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl zeigen würden (vgl. Prexl, 2010, 100 – 101).

Viele der aufgeführten Punkte sind vergleichbar mit den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit. So gesehen handelt es sich letztlich beim elaborierten mehrstufigen Change Management-Modell um nichts anderes als ein Modell für die nachhaltige Unternehmensentwicklung. Dass aber gerade die grösseren Unternehmen kurzfristiger als KMU denken, mag aufgrund der höheren Organisations- und Systemkomplexität innerhalb der Firmen verständlich erscheinen. Andererseits stellt sich die Tatsache fast schon als Paradoxon dar. Da speziell die Grossunternehmen eher mit dem Shareholder Value Ansatz arbeiten, müssten diese im Grunde interessiert sein, potentiell erfolgversprechende Modelle zur Erhöhung der Leistung und Profitabilität zu implementieren. Und damit auch bereit sein, auf längere Prozesse einzugehen.

Die Erkenntnis, dass KMU eher bereit sind, beschriebene Veränderungsprozesse anzugehen, könnte als Plädoyer dafür gewertet werden, dass die Zukunft kleineren, schlagkräftigeren Organisationen gehören könnte. Diese sind eher in der Lage, rasch auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Metaphorisch betrachtet, hat die Zeitgeschichte dieses Faktum schon einmal belegt. Grosse, unbewegliche Saurier mussten in der Vorzeit der Erdgeschichte wendigeren, kleineren Artgenossen weichen. Zwar spricht heute die Finanzkraft von grossen Unternehmen in der Regel noch für diese selbst. Die Zukunft wird aber zeigen, ob sich nachhaltige Unternehmenskonzepte vornehmlich in kleineren Betrieben umsetzen lassen oder ob sich auch grosse, börsenkotierte und weltweit tätige Unternehmen vermehrt auf ihre soziale und präventive Verantwortung besinnen.

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14 Epilog Der Aufwand hat sich gelohnt! Nicht nur, dass sich durch meine Recherchen und Gedankenspiele viele Bauchgefühle rational bestätigen liessen. Sondern auch, dass ich durch die monatelange Beschäftigung mit dem Stoff immer wieder neue Erkenntnisse gewann. Mehrere Male genoss ich sogar die tollen «Aha-Erlebnisse», für die sich ein so grosser Aufwand alleweil lohnt.

Für mich bestätigte sich das Gefühl, dass Leistungs- und Spitzensport mehr mit der modernen Wirtschaft gemeinsam haben, als allgemein angenommen wird. Leistungssport ist zum eigentlichen Wirtschaftszweig und die Wirtschaft sozusagen zum Leistungssport geworden. So gesehen erstaunt es nicht, dass sich Prozesse der Leistungsoptimierung aus dem Sport zwar nicht direkt, jedoch adaptiert sehr gut auf die Wirtschaft übertragen lassen. Einzig die Erkenntnis, dass die Wirtschaft noch wesentlich komplexer ist, als das System Leistungssport und es damit beträchtlich schwieriger wird, von den wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Sport zu profitieren, stimmt mich ein wenig nachdenklich. Und trotzdem behält die relative und vordergründige Einfachheit des Sports etwas Gutes für sich. So vermag sich vielleicht ein kleines Bisschen des Mythos, dass Sport die «schönste Nebensache der Welt» ist, noch etwas länger halten. Damit der Sport, insbesondere der Leistungs- und Spitzensport nicht vollumfänglich zum Wirtschaftszweig wird.

Ich freue mich jedenfalls, in den nächsten Jahren noch viel Spass an der sportlichen Betätigung zu haben, ab und zu meinem Körper und meinem Geist bei der sportlichen Betätigung auch wieder etwas abzuverlangen, das über breitensportliche Erfahrungen hinausgeht. Und ich freue mich darauf, als Coach meine vielen theoretischen und praktischen Erfahrungen aus dem Leistungssport gewinnbringend und vor allem für alle Parteien befriedigend in die Wirtschaft einfliessen zu lassen.

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15 Quellenverzeichnis ALFERMANN, Dorothee / STOLL, Oliver: Sportpsychologie/Ein Lehrbuch in 12 Lektionen, Meyer & Meyer Verlag Aachen, 2005 BAUMANN, Sigurd: Psychologie im Sport, Meyer & Meyer Verlag Aachen, 4. überarbeitete Auflage, 2006 BECKMANN, Jürgen / ELBE, Anne-Marie: Praxis der Sportpsychologie im Wettkampf- und Leistungssport, Spitta Verlag GmbH & Co. KG, 2008 COMELLI, Gerhard / ROSENSTIEL, Lutz von: Führung durch Motivation, Verlag Vahlen, 2. Auflage, 2001 COUBERTIN, Pierre de: Essais de psychologie sportive. Lausanne: Toso, 1913 CSIKSZENTMIHALYI, Mihaly: Flow – Das Geheimnis des Glück, Klett-Cotta, 11. Auflage, 2003 CSIKSZENTMIHALYI, Mihaly: Flow im Beruf – Das Geheimnis des Glücks am Arbeitsplatz, Klett-Cotta, 2. Auflage, 2004 DILTS, Robert: Professionelles Coaching mit NLP (Mit dem NLP-Werkzeugkasten geniale Lösungen ansteuern), Junfermann Verlag Paderborn, 2005 DRUCKER, Peter F.: The Practice of Management, Elsevier Limited, Classic Drucker Collection, 2007 EBERSPÄCHER, Hans: Gut sein, wenn’s drauf ankommt – Die Psycho-Logik des Gelingens, Carl Hanser Verlag München Wien, 2004 EDGETTE, John / ROWAN, Tim: Mental gewinnen – Hypnose im Sport, Carl Auer-Systeme Verlage Heidelberg, 1. Auflage, 2007 FLOW LEARNING: http://www.flow-learning.de/analyse_konzentration.html (Zugriffsdatum: 18. August 2011) FRIEDRICH, Wolfgang: Optimales Sportwissen, Grundlagen der Sporttheorie und Sportpraxis für die Schule, Spitta-Verlag, 1. Auflage, 2005 GABLER, Hartmut: Motive im Sport, Motivationspsychologische Analysen und empirische Studien, Verlag Karl Hofmann, 2002

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16 Anhang

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Anhang 1: Möglicher Evaluationsbogen zur Findung geeigneter naiver Entspannungstechniken Versuchte Methode

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Die Ablenkung gelang mir mit dieser Methode überhaupt nicht. Ich schweifte immer ab und war überhaupt nicht bei der Sache.

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Es klappte einigermassen. Trotzdem kamen immer wieder Gedanken auf und ich konnte nicht perfekt abschalten.

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Die Ablenkung/Entspannung funktionierte recht gut. Meist war ich abgelenkt und bin nun auch einigermassen entspannt.

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Perfekt! Es ist, als käme ich aus dem Urlaub zurück und ich bin völlig relaxed und habe keine negativen Gedanken gehabt.

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Anhang 2: Mögliches Arbeitsdokument zu einer Beobachtungsaufgabe im Aktivierungstraining Kurzbeschreibung der Situation 1

Beschreibung des persönlichen Energieniveaus 2 3 4 5 6 7 8 9

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Ich fühlte mich sehr müde und abwesend, bzw. übernervös. Meine Gedanken schweiften ständig ab.

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Meine Energie war zu wenig stark, bzw. ich war ein bisschen zu nervös, um einen perfekten Job zu verrichten.

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Ich machte einen guten Job, war ab und zu abgelenkt, fühlte mich jedoch überwiegend fit.

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Ich fühlte mich hochkonzentriert, frisch und ich vergass alles um mich herum. Mein Fokus war voll auf die Aufgabe gerichtet.

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Anhang 3: Arbeitsdokument zur Erarbeitung der persönlich benötigten Konzentrationsarten Bitte notieren Sie verschiedene persönliche Arbeitssituationen, wo Ihre Konzentration in einem bestimmten Fokus erforderlich ist.

Konzentration nach innen

Konzentration nach aussen

Bsp.: Chirurg, bei einem Mikro-Eingriff, der sich immer wieder vergewissern muss, dass seine Hand ruhig ist.

Bsp.: Ein Grafiker, im Grossraumbüro, der sich am PC voll und ganz auf die Gestaltung einer Einladung für einen Kundenanlass widmen muss.

Bsp.: Sportlehrerin, die beim Anleiten von Übungen stets auf das Befinden ihres gesamten Körpers achten muss.

Bsp.: Teilnehmende eines wichtigen Meetings mit mehreren Personen. Der Inhalt und Kontext der Aussagen aller Personen muss über einen längeren Zeitraum möglichst rasch aufgenommen und gewichtet werden.

Fokus Eng

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Anhang 4: Gedankenprotokoll zur Aufzeichnung störender Gedanken Meist sind wir uns der eigenen Gedanken gar nicht so richtig bewusst, denn vieles läuft halbautomatisch ab. Mit dem Gedankenprotokoll holen wir die eingeschliffenen Denkweisen in bestimmten Situationen hervor, indem versucht wird, sich zu erinnern, welche Gedanken bei der Arbeit durch den Kopf gehen. Die Gedanken werden im folgenden Protokoll festgehalten.

Gedanken während der Arbeit

Nun werden die Gedanken in unterstützende und ablenkende unterteilt und in die folgenden Spalten übertragen. Die Aufzeichnungen dienen als Grundlage zur Entwicklung eines spezifischen Trainings, das die spezifischen Konzentrationsfoki in den Mittelpunkt stellt.

Unterstützende/aufgabenbezogene Gedanken

Ablenkende/Aufgabenirrelevante Gedanken

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Anhang 5: Protokoll zur Aufschlüsselung von Bewegungsabläufen nach Eberspächer

INSTRUKTION

KNOTENPUNKTE

RHYTHMUS

> Teilbewegung 1 > Teilbewegung 2 > Teilbewegung 3

> Teilbewegung 3

> Teilbewegung 4 > Teilbewegung 5 > Teilbewegung 6

> Teilbewegung 7 > Teilbewegung 8

> Teilbewegung 8

> Teilbewegung 9 BLICK

> Teilbewegung 10 > Teilbewegung 11

> Teilbewegung 10

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Anhang 6: Fragebogen « Verifizierung des Modells mit qualitativen Konsultativinterviews » Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, dass Sie sich für ein Interview zur Verfügung stellen, um das formulierte Modell der Übertragbarkeit von Elementen aus dem Leistungssport in die Wirtschaft, allen vorab Elementen aus dem sportpsychologischen und mentalen Umfeld, verifizieren zu helfen. Das Ziel des Prozessmodells ist eine Steigerung und nachhaltige Optimierung der Leistung von Mitarbeitenden. Und damit letztlich auch eine Steigerung der Unternehmensleistung.

Zum Einstieg eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Elemente der Arbeit. Die These bezieht sich u. a. auf mehrere wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Leistungssportler «bessere» Arbeitskräfte sind. Sie leitet daraus die Mutmassung ab, dass die Elemente, die bei Leistungsathletinnen und -athleten zum Erfolg führen entsprechend auch bei Mitarbeitenden einer Unternehmung Erfolg bringen. Der Exkurs in die Wissenschaft der Sportpsychologie und des mentalen Trainings führt denn auch zum Schluss, dass sich von den neun untersuchten Bereichen, mindestens sieben gut bis sehr gut in die Wirtschaft übertragen lassen. Die neun Bereiche sind (1) Belastungs- und Erholungsdynamik (Entspannung), (2) Aktivierung (Idealer Leistungszustand ILZ), (3) Konzentration, (4) Der «Flow» als spezielle Art der Konzentration, (5) Bildhaftes Vorstellen/Visualisierungstraining, (6) Motivation, (7) Zielsetzungstraining, (8) psychologische Unterstützung bei Verletzungen und (9) kritische Situationen am Beispiel von Karriereübergängen.

Die Arbeit führt zum Schluss, dass die Elemente Motivation, Flow und Zielsetzungsmanagement als übergeordnete Faktoren angesehen werden müssen. Immer wieder werden diese als Basis für eine erfolgreiche Umsetzung der restlichen Faktoren zu Grunde gelegt. Sie sollten deshalb auch übergeordnet und chronologisch zuerst angegangen werden. Das mehrstufige Modell für einen Change Management-Prozess, bei dem leistungsoptimierende Elemente aus dem Sport in die Wirtschaft transferiert werden, sieht zusammengefasst folgendermassen aus:

1. Einführung eines Partizipationsmodells zur Erhöhung der Identifikation, Bindung und Motivation der Mitarbeitenden 2. Einführung eines kontinuierlichen Zielsetzungsmanagements 3. Individuelle Förderung der Mitarbeitenden gemäss der erwähnten Punkte (1) bis (9) 4. Einführung eines Life Management-Modells für spezielle Lebensphasen 5. Prozess des Philosophie-Wandels im Management vom Verständnis des operativ tätigen Managers hin zur vermehrt als People Manager tätigen Führungskraft

Das formulierte Modell soll mit dem persönlichen Gespräch detailliert erklärt und diskutiert werden. Nachfolgend einige Fragen, die Ihnen zur Vorbereitung des Gesprächs nützlich sein können.

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Statistische Daten Die Untersuchung ist nicht wissenschaftlich angelegt, die Daten werden nicht empirisch erfasst. Die Verifizierung des Modells erfolgt durch einige qualitative Interviews mit HR-Verantwortlichen. Die dabei erfassten Daten werden strikt vertraulich behandelt. Ihre Unternehmung wird innerhalb der Auswertung anonymisiert und kann nicht direkt mit den Resultaten in Verbindung gebracht werden.

1. Wie viele Mitarbeitende zählt Ihre Unternehmung?

________________________

2. In welcher Branche ist Ihre Unternehmung tätig?

________________________

3. Hat Ihre Firma eine eigene HR-Abteilung?

________________________

4. Besitzt Ihre Unternehmung eine Personalentwicklung (wenn ja, in Form einer eigenen Abteilung? Oder dafür verantwortlichen Personen? Oder in Form eines speziellen Programms)?

5. Was halten Sie grundsätzlich von der Idee, dass Unternehmen im Sinne einer Leistungsoptimierung vermehrt einen Wissens- und Kompetenztransfer aus dem Leistungssport vornehmen sollten?

6. Wie taxieren Sie grundsätzlich das beschriebene mehrstufige Modell?

7. Haben Sie selbst schon Erfahrungen in der Personalentwicklung gesammelt, wo Elemente des psychologischen/mentalen Trainings (siehe beschriebene Punkte (1) bis (9)) zum Einsatz kamen? Welche?

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8. Ist ein Veränderungsprozess, wie er beschrieben ist, im Allgemeinen in der Praxis für Sie denkbar? Ja Nein

9. Welche Chancen und Möglichkeiten sehen Sie im Allgemeinen mit einem solchen Prozess?

10. Welche Gefahren und Hindernisse?

11. Sähen Sie für Ihre eigene Unternehmung die Chance einer Implementierung eines solchen Prozesses? Ja Nein

12. In welcher Form sind Ziele bereits Bestandteil Ihres Führungssystems?

13. Wird das Zielsetzungsmanagement während des Geschäftsjahres permanent betrieben und als laufender Prozess betrachtet oder handelt es sich eher um einen statischen Prozess, der tendenziell bloss für die Beurteilung der Mitarbeitenden eingesetzt wird?

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14. Glauben Sie, dass Elemente wie bspw. die «psychologische Unterstützung rekonvaleszenter Mitarbeitenden» (im Sinne des sportpsychologischen Trainings) oder ein Support bei «Karriereübergängen» (Mehrfachnennungen möglich/erwünscht)…

…gut und richtig sind? …unnötig sind? …zum Aufgabenbereich einer Unternehmung gehören? …in die Verantwortlichkeit von Mitarbeitenden gehören? …oder beides? …von externen Organisationen wie z.B. einer SUVA getragen werden sollten

15. Was halten Sie, generell betrachtet, von folgender These: Führungskräfte müssen sich je höher sie in der Hierarchie stehen, desto mehr um reines People Management und desto weniger um rein operative Angelegenheiten kümmern können (Mehrfachnennungen möglich/erwünscht).

Die Aussage/These ist korrekt. Die Aussage/These ist nicht korrekt. Die Aussage ist zwar richtig, aber nicht praktikabel.

16. Wenn Sie der These in Frage 15 zustimmen… In welcher Hinsicht könnte eine Unternehmung profitieren, wenn sich Manager weniger um das «Daily Business» kümmern müssten (Mehrfachnennungen möglich/erwünscht)?

Sie könnten sich mehr darum kümmern, dass die Mitarbeitenden effizient arbeiten. Der Druck auf Führungskräfte würde sich partiell vermindern. Manager würden leistungsfähiger werden. Das Unternehmen würde leistungsfähiger werden. Das Unternehmen würde profitabler arbeiten.

Sind Sie interessiert einen Auswertungsbogen der Umfrage zu erhalten? Ja Nein

Herzlichen Dank für die Unterstützung!

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Der Autor Bachelor of Business Administration B.B.A., Master of Science in Marketing M.Sc.M., Master-These «The Design and Implementation of a New Cross Media Internet Portal», Thesenadvisor: Prof. Dr. Godwin Wong, Haas School of Business, UCLA Berkeley, Certificate of Advanced Studies Sportpsychologie (HAP/IAP, Zürich), Diplomarbeit «Die systematische Begleitung von jugendlichen Leistungssportlern Entwicklung und Erklärung des MonitoringTools «talentTraxx», Master of Advanced Studies in Coaching (Fachhochschule Nordwestschweiz) 12 Jahre Marketingconsultant/Marketing- und Verkaufsleiter in nationalen und internationalen Unternehmen. Seit 2003 Geschäftsleitung einer Standortmarketing-Organisation, Dozent/Referent an Fachhochschulen und Coach für sportpsychologische und mentale Inhalte im Team- und EinzelLeistungssport, Spezialist für Startups, Unternehmensentwicklung und Change Management. Knapp 20 Jahre Leistungssportler, davon 2 Jahre als semiprofessioneller Ausdauerathlet, Diverse Top-Rangierungen an nationalen und internationalen Wettkämpfen. Langjährige Erfahrung als Coach/Trainer im Bereich Sportpsychologie/Mentaltraining.


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