"Von Solferino zur Suche 2.0 - Meilensteine des DRK-Suchdienstes"

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Von Solferino zur Suche 2.0 MEILENSTEINE DES DRK-SUCHDIENSTES


Von Solferino zur Suche 2.0 MEILENSTEINE DES DRK-SUCHDIENSTES


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Zum Geleit

or einigen Monaten erhielt der Fachbereich „Nachforschungen, Schicksalsklärungen – Zweiter Welt-

krieg“ des DRK-Suchdienstes am Standort München Post von einer Dame, die eine Anfrage zum Schicksal ihres Großvaters gestellt hatte. Tatsächlich vermochten die Recherchen des Suchdienstes etwas Licht in dieses wohl bedrückendste Kapitel der Familiengeschichte zu bringen.    „Sie können sich kaum vorstellen“, schrieb sie da-

Dr. Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes

raufhin, „welche Freude Sie uns damit bereiteten. Nach 75 Jahren konnte mein Vater das erste Foto seines Vaters in

Händen halten! Er ähnelt ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich möchte Ihnen und Ihrer Institution von Herzen danken, dass Sie diese großartige Arbeit leisten.“    Solche Dankesschreiben erreichen den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in erfreulich großer Zahl. Denn noch immer bearbeitet er jährlich mehr als zehntausend Anfragen nach ungeklärten Schicksalen aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch wenn die Geschehnisse lange zurückliegen – Briefe wie dieser lassen erahnen, welch nachhaltige Wirkung es haben kann, wenn die nebulosen, rätselhaften Ereignisse während des Kriegs, die zahllose Familiengeschichten überschatten, nun doch noch Klärung, Orientierung und Objektivierung erfahren. Der Suchdienst war und ist für die Betroffenen ein wichtiger Partner in der Trauerarbeit, ohne welche die Hinwendung zum eigenen Leben nur unvollständig gelingt.

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Die Nachforschungen nach Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg bilden nach wie vor ei-

Bis heute hilft der DRK-Suchdienst ihnen sowie ihren Bevollmächtigten in Deutschland bei

nen festen Bestandteil der Arbeit des DRK-Suchdienstes. Seit den sechziger Jahren obliegt

der Familienzusammenführung. Überhaupt haben sich die internationale Suche und die

ihm auch die Führung des Amtlichen Auskunftsbüros. Nach Maßgabe der Genfer Konven-

Familienzusammenführung zu den gegenwärtig wohl wichtigsten Arbeitsfeldern des

tion wird es nicht nur im Falle eines bewaffneten Konfliktes tätig, sondern auch bei Natur-

DRK-Suchdienstes entwickelt. Insbesondere ist er auf allen Verbandsebenen – seien es die

katastrophen und Großschadensereignissen. Dabei kommt den Landes- und Kreisaus-

zentralen Standorte in Hamburg und München, die Suchdiensteinrichtungen in den Lan-

kunftsbüros des DRK eine wichtige Rolle zu; zahlreiche ehrenamtliche Mitarbeiter sind

desverbänden oder die hauptamtlichen Beratungsstellen in den DRK-Kreisverbänden – be-

speziell für diese Aufgaben geschult worden.

müht, hilfebedürftige Flüchtlinge in Kontakt mit ihren Angehörigen zu bringen, die quälende

Seit der Aufnahme der vietnamesischen „boat people“ in den siebziger Jahren suchten

Ungewissheit zu beseitigen und die Familienzusammenführung zu erleichtern. Er kooperiert

immer mehr Menschen in Deutschland Schutz vor Kriegen und bewaffneten Konflikten in

dabei vertrauensvoll mit den weltweit insgesamt 189 nationalen Gesellschaften des Roten

ihren Herkunftsländern. Viele Familien werden auf ihrer Flucht unfreiwillig voneinander ge-

Kreuzes und des Roten Halbmondes sowie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.

trennt und verlieren den Kontakt zu ihren zurückgebliebenen Angehörigen. Die Genfer Kon-

Manchmal erleben die Mitarbeiter dabei ein Déjà-vu: Fast sechs Jahrzehnte nach den

ventionen sehen vor, dass sowohl verschleppte oder versprengte Zivilpersonen wie auch

Kindersuchplakaten und Vermisstenbildlisten des Zweiten Weltkriegs setzt der DRK-Such-

Kriegsgefangene ein Recht auf Kontakt mit ihren Familien und gegebenenfalls auf eine

dienst wiederum Porträtaufnahmen ein, um Menschen zueinanderzuführen. Vor zwei Jah-

Zusammenführung mit ihnen haben. Deshalb unterstützt der DRK-Suchdienst seit dieser

ren wurde das Projekt „Family Links Poster – Migrants in Europe“ von achtzehn europäi-

Zeit in Deutschland lebende Flüchtlinge bei der Suche nach ihren Angehörigen, hilft bei der

schen Rotkreuzgesellschaften ins Leben gerufen. Flüchtlinge, die nach Europa gelangt sind,

Kontaktaufnahme und berät zu den Möglichkeiten einer Familienzusammenführung.

aber ihre Angehörigen auf der Flucht verloren haben, können ein Foto von sich auf einer

In den achtziger Jahren führten die politischen Umbrüche in Osteuropa zu einer regel-

speziellen Internetseite des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz einstellen. Es wird

rechten Ausreisewelle. Allein 1990 konnten 400 000 Menschen deutscher Volkszugehörig-

gleichzeitig auch auf europaweit aushängenden Postern veröffentlicht. Stoßen andere Fa-

keit vor allem aus Polen und der Sowjetunion nach Deutschland übersiedeln. Viele andere

milienmitglieder auf dieses Foto, können sie über den Suchdienst der zuständigen nationa-

aber mussten in den Ausreisegebieten zurückbleiben, wodurch neue Härtefälle entstanden.

len Rotkreuzgesellschaft mit ihren versprengten Angehörigen Verbindung aufnehmen.

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In anderen Fällen wissen die Familienmitglieder zwar voneinander, können aber aufgrund

stand, ist an dieser gewaltigen Aufgabe gewachsen; sie war bestimmend für seine Identität.

der Umstände nicht miteinander in Kontakt treten. Hierfür wurden die „Rotkreuz-Familien-

Die vorliegende Broschüre zeichnet diesen Weg des DRK-Suchdienstes nach, und sie spie-

nachrichten“ entwickelt, die sowohl Kriegsgefangenen als auch der Zivilbevölkerung in Kon-

gelt dabei das nie versiegende Engagement seiner haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeite-

fliktgebieten die Möglichkeit bieten, mit ihren Angehörigen in Verbindung zu bleiben. In

rinnen und Mitarbeiter zum Wohle unzähliger Hilfsbedürftiger. Parallel ist unter dem Titel

ähnlicher Form können Flüchtlinge in Deutschland beim DRK-Suchdienst eine Nachricht

Suchen – Verbinden – Vereinen noch ein historischer Abriss über die Entwicklung des

rein persönlicher Natur an ihre Familien formulieren. Sie wird über das weltweite Such-

DRK-Suchdienstes und das humanitäre Mandat des Roten Kreuzes erschienen.

dienst-Netzwerk der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung übermittelt. In den letzten Jahren standen auch Insassen der amerikanischen Militärgefängnisse in Guantánamo und im afghanischen Bagram dank solcher Nachrichten mit ihren Angehörigen in Deutschland in Kontakt. Mittlerweile ermöglichen der DRK-Suchdienst und das Internationale Komitee auch Skype-Telefonate zwischen ihnen und ihren Familien.    Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie facettenreich die Arbeit des Suchdienstes war und ist. Die hier versammelten historischen Meilensteine stecken seine Entwicklung über die letzten 150 Jahre hinweg ab. Sie zeigen, wie Nachforschungsarbeit im Gefolge bewaffneter Konflikte bereits bei Henry Dunant als intuitive Praxis angelegt war, wie sie früh schon als ein Grundpfeiler der Rotkreuzbewegung Gestalt annahm und dann mit jedem Krieg fatalerweise an Bedeutung gewann. Schon während des Ersten Weltkriegs entfaltete sie sich in einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen Größenordnung, um dann nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig jede Vorstellungskraft zu sprengen. Der DRK-Suchdienst, der in seiner heutigen Form als direkte Reaktion auf diese entsetzlichen Verheerungen ent-

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Hoffnung und Gewissheit

Der DRK-Suchdienst sucht, verbindet und vereint Familien. In Deutschland und weltweit.

Meilensteine des DRK-Suchdienstes

S

iebzig Jahre sind historisch keine allzu lange Zeit; sie entsprechen etwa der Spanne eines Menschenle-

bens. Doch in diesen siebzig Jahren hat Europa Umbrüche in einem beispiellosen Ausmaß zu verkraften gehabt. Die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkriegs wirken bis in unsere Tage nach, und immer wieder haben neue Konflikte und Katastrophen seither die Welt erschüttert. Menschen verschwinden spurlos, Familien werden auseinandergerissen, Verbindungen brechen ab. Solchen Fällen nachzuge-

hen, sich um Klärung ungewisser Schicksale zu bemühen und den Betroffenen, entspreDas Deutsche Rote Kreuz ist Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.

chend der humanitären Zielsetzung des Roten Kreuzes, zur Seite zu stehen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des DRK-Suchdienstes. In seiner heutigen Form entstand er 1945. Doch seine historischen Wurzeln reichen noch tiefer. Von Beginn an gehörten die Nachforschung nach Vermissten und die Nachrichtenübermittlung an Angehörige zu den klassischen Aufgabenfeldern der Rotkreuzarbeit in Deutschland, und von Beginn an waren sie eng mit der Entwicklung der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verbunden.    Zunächst ging es vor allem um das Schicksal vermisster Soldaten, primär aus der eigenen Armee, aber im Rahmen der Kriegsgefangenenfürsorge auch aus anderen Streitkräften. Nach dem Zweiten Weltkrieg dehnte der neugegründete Suchdienst seine Arbeit

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dann systematisch auch auf vermisste Zivilpersonen aus. Die Zahl der Betroffenen war ungeheuerlich, die Flut der Anfragen manchmal kaum zu bewältigen. Doch in Millionen von Fällen gelang es dem DRK-Suchdienst – gemeinsam mit der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, dem Kirchlichen Suchdienst, der Deutschen Dienststelle als Nachfolger der Wehrmachtauskunftstelle, dem Internationalen Suchdienst und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge –, entscheidend zur Klärung ungewisser Schicksale beizutragen. Er vermochte Klarheit anstelle von Mutmaßungen zu setzen und Kenntnis anstelle von Zweifel. In erfreulich vielen Fällen konnte er auseinandergerissene Angehörige wieder zusammenbringen, manchmal selbst noch nach Jahrzehnten. Doch auch dann, wenn im Zuge der Recherchen der befürchtete Verlust zur traurigen Gewissheit wurde, leisteten die gewonnenen Erkenntnisse einen wichtigen Beitrag zur Wiedererlangung des seelischen Gleichgewichts, für die Angehörigen wie auch für die Gesellschaft als Ganzes. Indem sie danach trachten, die Folgen gewaltsamer Geschehnisse aufzuklären, leisten die verschiedenen Suchdienste und Auskunftsstellen einen Beitrag zur Gedächtniskultur unseres Landes. Bis heute ist die Suchdienstarbeit fester Bestandteil des humanitären Engagements des Deutschen Roten Kreuzes. Sie bildet ein faszinierendes, menschlich bewegendes Aufgabengebiet. Im Folgenden sind 25 exemplarische Stationen in der Entwicklung des DRK-Suchdienstes zusammengestellt. Stefan Schomann, Autor

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1859 „Er war als vermißt gemeldet“ HENRY DUNANT BEMÜHT SICH UM DIE KLÄRUNG VON SOLDATENSCHICKSALEN

In Oberitalien ziehen die Armeen von Frankreich

Lazarette in oberitalienischen Städten, wobei sein

und Sardinien-Piemont gegen die Österreicher zu

besonderes Augenmerk der Lage der Kriegs-

Felde. Der Genfer Geschäftsmann Henry Dunant

gefangenen gilt. Ob Freund oder Feind, ob verwun-

wird unvermutet Zeuge der chaotischen Zustände

det oder unversehrt – stets spielt für die Soldaten

unmittelbar nach der Schlacht von Solferino.

die briefliche Verbindung mit ihrem Zuhause eine

Zehntausende von Verwundeten sind ohne jede

wichtige Rolle. Die Angehörigen sollen über ihr

medizinische Versorgung, die hygienischen Verhält-

Schicksal nicht im Ungewissen bleiben.

nisse teilweise katastrophal. Noch Tage nach den

Von den erlebten „Schmerzens- und Jam-

Kämpfen verenden Soldaten auf dem weitläufigen

merszenen“ nachhaltig erschüttert, veröffentlicht

Schlachtfeld.

Dunant drei Jahre danach seine Erinnerung an

Die Zahl der Verletzten übersteigt jedes Maß,

Solferino. Das Buch gerät zu einem Manifest des

und ebenso ihre Qualen. Die militärischen Stellen

Mitgefühls und findet international Beachtung.

sind vom Ausmaß der Not überfordert. Dunant hilft

Henry Dunant hält seiner Zeit einen Spiegel vor –

bei der Erstversorgung der Verwundeten, besorgt

und Europa erschrickt vor sich selbst. Ein politi-

Wäsche, organisiert Unterstützung aus der Bevölke-

scher Prozess kommt in Gang, der 1863 zur

rung, steht Sterbenden bei und spendet, wo er nur

Gründung des Roten Kreuzes als einem internatio-

kann, Zuspruch und Trost. Mehrfach bitten Solda-

nalen Netzwerk freiwilliger nationaler Hilfsgesell-

ten ihn, er möge ihre Angehörigen verständigen;

schaften führt. Ein Jahr später wird, auf Betreiben

manche diktieren ihm Abschiedsbriefe in die Feder.

des Roten Kreuzes, die erste Genfer Konvention

In den folgenden Wochen besucht er zahlreiche

beschlossen.

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Letzte Bitte « ‹Lassen sie mich nicht sterben!› rufen einige dieser Unglücklichen und ergreifen mit außerordentlicher Kraft meine Hand; sobald aber diese letzte Anspannung erschlafft, brechen sie tot zusammen. Ein junger Korporal von etwa zwanzig Jahren mit sanftem, ausdrucksvollem Gesicht ist von einer Kugel in die linke Seite getroffen worden. Sein Zustand ist hoffnungslos, und er weiß es selbst. Ich helfe ihm beim Trinken, er dankt mir, und mit Tränen in den Augen fügt er hinzu: ‹Ach, Monsieur, wenn sie doch meinem Vater schreiben wollten, er solle meine Mutter trösten!› Ich lasse mir die Adresse seiner Eltern geben, und kurz darauf haucht er sein Leben aus. Die Eltern wohnten rue d’Alger 3 in L yon. Der junge Mann, der sich als Freiwilliger gemeldet hatte, war ihr einziger Sohn. Sie erhielten keine andere Nachricht über ihr Kind als den Brief, den ich ihnen schickte. Er war in den Listen wie viele andere als vermißt gemeldet. »

Henry Dunant, Erinnerung an Solferino, 1862


1866 Frühe Ausprägungen

Erfassung mit System

DATEN, NAMEN, FAKTEN – DIE ANFÄNGE DER SUCHDIENSTARBEIT

« Die seit Beginn befolgte Methode beruhte nämlich auf Eintragung in alphabetische Hauptbücher, deren Durchführung bei den riesigen Dimensionen, die der Krieg genommen, weit mehr Zeit und Kräfte beansprucht hat, als von vorn herein vermuthet werden konnte. Dieselbe bot überdies bei einer

Die Geschichte des Suchdienstes ist eng mit

Zwei Jahre später zeigen sich dann während

der Entwicklung des Roten Kreuzes verbunden.

des Deutsch-Österreichischen Kriegs erste

Schon auf dem Statistischen Kongress in Berlin

Ansätze von organisierter Sucharbeit. So richtet

keiten, die nur unter Benutzung besonders angelegter complicirter Hülfsregister überwältigt werden

1863, bei dem Henry Dunant die entscheidende

der Rotkreuzverein des Großherzogtums Olden-

konnten. Der Vorstand glaubte, eine genügende Abhülfe für diese Uebelstände in der Einführung ei-

Weichenstellung gelingt, um führende euro-

burg ein Büro ein, bei dem sich jeder melden

päische Regierungen zur Teilnahme an der

kann, „der über einen vermißten Krieger Aus-

Gründungskonferenz des Roten Kreuzes in Genf

kunft wünscht. Zugleich ist die Einrichtung

re, alphabetisch zu ordnende Karten gefunden zu haben. Die Karten befinden sich in 500 nach Re-

zu bewegen, erörtern Militärärzte und Verwal-

getroffen worden, daß jeder der hier ankommen-

gimentern geordneten Kasten, in diesen alphabetisch rangirt. Mit Benutzung dieses Apparats lassen

tungsfachleute, wie man die Zahl der Gefallenen,

den Verwundeten Auskunft darüber ertheilt, wen

Verwundeten und Erkrankten zuverlässig erfas-

er von seinen Kameraden todt gesehen.“ Schon

sen könne.

hier werden die Mitkombattanten zu einer

Anfang 1864 entsendet das neu gegründete

wichtigen Quelle. Das Büro verschickt zweitau-

Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf

send Benachrichtigungen. Zur gleichen Zeit

(IKRK) zwei Beobachter in den Deutsch-Däni-

beginnt nach der Schlacht von Langensalza der

schen Krieg. Sie bemühen sich bereits, Listen

Mathematiklehrer Friedrich Wilhelm Looff, die

der gefangenen und verwundeten Soldaten zu

Verwundeten in den umliegenden Lazaretten zu

erhalten, um den Angehörigen, aber etwa auch

erfassen. Er benachrichtigt ihre Familien und

den Behörden, Klarheit zu verschaffen.

richtet einen Auskunftsdienst ein.

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Anhäufung von Namen, die schließlich auf die Zahl von 253 143 anwuchs, nicht geringe Schwierig-

nes Systems von Uebertragung der einzelnen Namen nebst den zugehörigen Angaben auf besonde-

sich die Recherchen, von denen manche bei der früheren Methode eine Viertelstunde in Anspruch nahm, im zehnten Teil dieser Zeit bewerkstelligen. Ein beglückender Moment war es für das Central-Nachweise- Büreau, als Ihre Majestät die Kaiserin am 2. d. M. von dem neuen Verfahren persönlich Kenntnis zu nehmen und lebhaftes Interesse für diesen Gegenstand huldvollst auszusprechen geruhten. »

Kriegerheil, Organ der deutschen Rotkreuzvereine, März 1871


1866 Frühe Ausprägungen

In Düppel (Dybbøl) erinnert ein Gedenkstein an den ersten Einsatz von Rotkreuzdelegierten während des Deutsch-Dänischen Kriegs

Im Deutsch-Französischen-Krieg von 1870/71

bereits drei Tage nach Kriegsbeginn in Basel

wird dann der erste deutschlandweite Such-

eine „Agentur für die Hilfe für verwundete

dienst organisiert. „Die freiwillige Krankenpflege

Soldaten“ eingerichtet. Über das angeschlosse-

wird zur Lösung der ihr zufallenden humanen

ne „Korrespondenz- und Nachweisungsbüro“

Aufgabe Nachrichten über den Aufenthalt

tauschen die verfeindeten Staaten Listen von

verwundeter oder erkrankter Krieger an deren

Kriegsgefangenen aus, und täglich leitet es rund

Angehörige vermitteln.“ Herzstück ist ein

700 Briefe zwischen den gefangenen Soldaten

„Central-Nachweise-Büreau“ der deutschen

und ihren Angehörigen weiter.

Rotkreuzvereine in Berlin, das mit Auskunftsstel-

In Paris lässt Henry Dunant zur gleichen

len in anderen Residenzstädten zusammenar-

Zeit Erkennungsschilder an Soldaten verteilen,

beitet. Sie tragen Angaben der Lazarette und

die Namen, Geburtsort und Regimentsnummer

Militärbehörden zusammen und verständigen die

verzeichnen. Während der Herrschaft der

Familien. Allein in Berlin laufen über 500 000

Kommune setzt er durch, dass ein Auskunfts-

Personenauskünfte ein, darunter 60 000 über

büro unter dem Schutz des Roten Kreuzes

gefangene Franzosen. Parallel hat das IKRK

eingerichtet wird.

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1899 Regelwerke für den Krieg

Zweites Kapitel: Kriegsgefangene

DIE HAAGER LANDKRIEGSORDNUNG UND IHRE FOLGEN

« Es wird beim Ausbruche der Feindseligkeiten in jedem der krieg führenden Staaten und gegebenenfalls in den neutralen Staaten, die Angehörige einer der Kriegsparteien in ihr Gebiet aufgenommen haben, eine Auskunftstelle über die Kriegsgefangenen errichtet. Diese hat die Aufgabe, alle die Gustave Moynier (1826 - 1910) war nicht nur

Postverkehr mit den Angehörigen und mit

Mitbegründer und langjähriger Präsident des

Hilfsorganisationen. Für seine Pionierarbeit auf

Internationalen Komitees vom Roten Kreuz,

dem Gebiet des humanitären Völkerrechts wird

sondern als Jurist auch einer der Väter des

das Institut 1904 mit dem Friedensnobelpreis

Personalblatt zu führen. Die Auskunftstelle muß auf dem Laufenden gehalten werden über die Unter-

modernen Völkerrechts. Gemeinsam mit anderen

geehrt.

bringung der Gefangenen und über die dabei eintretenden Veränderungen, sowie über die Ueberfüh-

europäischen Juristen hat er das Institut für

Welche Institutionen jedoch im Einzelnen

Kriegsgefangenen betreffenden Anfragen zu beantworten, und erhält hierfür von den zuständigen Dienststellen die nöthigen Angaben, die sie in den Stand setzen, über jeden Kriegsgefangenen ein

rung in Krankenhäuser und über Todesfälle. Die Auskunftstelle sammelt ferner alle zum persönli-

Internationales Recht im belgischen Gent ins

mit diesen Aufgaben betraut werden sollen,

Leben gerufen. In dessen Auftrag erarbeitet er

bleibt zunächst offen. Doch dann gerät der

chen Gebrauche dienenden Gegenstände, Werthsachen, Briefe u.s.w., die auf den Schlachtfeldern

ein Handbuch zu den Gesetzen des Landkriegs,

Russisch-Japanische Krieg 1904/1905 zum

gefunden oder von den in Krankenhäusern oder Feldlazarethen gestorbenen Kriegsgefangenen hin-

das schließlich die wichtigste Grundlage für das

Präzedenzfall. Dort verhandeln die Rotkreuzge-

Haager Abkommen betreffend die Gesetze und

sellschaften der beiden Staaten über die Gefan-

Gebräuche des Landkriegs bildet. Es wird 1899

genen, im Zusammenwirken mit Rotkreuzgesell-

auf der ersten Haager Friedenskonferenz be-

schaften neutraler Staaten und dem IKRK in

schlossen, bei der sich Vertreter von 26 Staaten

Genf. Die dabei entwickelten Praktiken werden

auf völkerrechtliche Bestimmungen im Kriegsfall

allgemein als richtungsweisend eingestuft und

einigen. Die Behandlung von Kriegs-

auf der VIII. Internationalen Rotkreuz-Konferenz

gefangenen nimmt darin breiten Raum ein.

in London 1907 in Form einer Resolution fixiert.

Die Einrichtung einer nationalen Auskunftsstelle

Diese wiederum dient als Vorlage für die zweite

über Gefangene wird ebenso festgelegt wie der

Haager Friedenskonferenz im gleichen Jahr,

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terlassen werden, und stellt sie den Berechtigten zu. Die Auskunftstellen genießen Portofreiheit. Briefe, Postanweisungen, Geldsendungen und Postpakete, die für die Kriegsgefangenen bestimmt sind oder von ihnen abgesandt werden, sind sowohl im Lande der Aufgabe als auch im Bestimmungsland und in den Zwischenländern von allen Postgebühren befreit.»

Internationale Übereinkunft betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, abgeschlossen in Den Haag am 29. Juli 1899, Beilage, Erster Abschnitt, Artikel 14 und 16


1899 Regelwerke für den Krieg

welche insbesondere die Bestimmungen über

Nachdem die Genfer Konvention bereits 1906

Kriegsgefangene präzisiert. So werden die

überarbeitet worden ist, beschließen ihre Unter-

nationalen Auskunftsstellen gehalten, „auf

zeichnerstaaten sowie die nationalen Rotkreuz-

diesem Personalblatte die Matrikelnummer, den

gesellschaften und das IKRK auf der IX. Inter-

Vor- und Zunamen, das Alter, den Heimatort, den

nationalen Rotkreuz-Konferenz 1912 in Washing-

Dienstgrad, den Truppenteil, die Verwun-

ton verbindlich, dass dem Roten Kreuz neben

dungen, den Tag und Ort der Gefangennahme,

der Hilfe für Verwundete auch die Fürsorge für

der Unterbringung, der Verwundungen und des

Kriegsgefangene obliegen soll, da es „von Natur

Todes sowie alle besonderen Bemerkungen“ zu

aus dazu berufen“ sei. Diese aufeinander auf-

verzeichnen. Diese Vorgaben verfolgen ein

bauenden Abkommen bilden fortan den völker-

zweifaches Ziel: zum einen die einheitliche

rechtlichen Rahmen für Nachforschungsarbeiten,

Erfassung und Weiterleitung der für eine Identifi-

wie sie nur zu bald in einem bis dahin unvorstell-

zierung wichtigsten Informationen. Und zum

baren Ausmaß notwendig werden – in einem

anderen einen respekt- und würdevollen Um-

weltweiten Krieg.

gang mit den Gefangenen: „Sie sollen mit Menschlichkeit behandelt werden.“

Japanische Soldaten führen verwundete Russen zu einem größeren Verbandsplatz. Im Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 wurden die Genfer Konvention und das Haager Abkommen überwiegend eingehalten

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1914

Einer unter Millionen

Fünf Millionen Karteikarten

« Mögen andere die Schlachten schildern, Feldherrn bejubeln, Kaiser und Herzöge rühmen – ich

DER ERSTE WELTKRIEG BEDINGT NACHFORSCHUNGEN UNGEHEUREN AUSMASSES

habe nichts gesehen in diesem Kriege, was mir wichtiger schiene zu schildern, würdiger, erhoben zu werden, als das kleine Haus auf der Place Neuve in Genf, das ehemalige Musée Rath. Die Bilder sind fortgeschafft, aller Schmuck ist ihm genommen. Nur oben auf dem griechischen Gebälke weht die Flagge des Roten Kreuzes. Ein paar Tage, die ersten des Krieges, saßen diese Menschen von früh bis

Bei Ausbruch des Kriegs richten die Rotkreuz-

Zudem wird uns das Eintreffen der Lazarettzüge

gesellschaften der beteiligten Staaten gemäß

und die Verteilung der Verwundeten auf die

den Haager Abkommen zentrale Auskunfts- und

einzelnen Anstalten sofort gemeldet. Wir können

Vermittlungsstellen ein. Im Berliner Reichstag

also vor Ablauf von 24 Stunden den gesuchten

ruft das Zentralkomitee des Roten Kreuzes in

Verwundeten nachweisen.“

Deutschland eine „Abteilung für Gefangenenfür-

Mit Beginn des Kriegs richtet auch das

spät in die Nacht in zwei Zimmern und beantworteten die einlaufenden Fragen. Wie Sturmvögel kamen die ersten Briefe, aber dann wurde es selbst ein Sturm. Erst waren es 1000 Briefe täglich, dann 5000, 10 000 und Ende Dezember 30 000, die jeden Tag die Angst Europas hereinschwemmte. Wie durch einen Webstuhl im ewigen Hin und Wider unzählige Fäden, so gehen hier im Laufe der Tage, Wochen, Monate, Jahre ganze Millionen Schicksale durch die Hände einzelner unermüdlicher Menschen. Oh, diese vielfachen flehentlichen Bitten, die Klagen und

sorge“ ins Leben. Parallel eröffnen in mehreren

Internationale Komitee, in Anlehnung an das

Städten Auskunftsbüros, die Nachforschungen

Auskunftsbüro in Basel, das sich 1870/71

Beschwerden, die Wünsche und Fragen, die alle erledigt werden wollen! Wie schwer, Hunderten und

über Gefangene, Gefallene und Vermisste

bewährt hat, im Genfer Musée Rath eine zentrale

Hunderten fragender, suchender, stöhnender Menschen das eine, nackte, harte Wort ‹tot› schreiben zu

betreiben sollen.

Agentur ein. Sie soll der Erfassung der Kriegsge-

müssen! Und selbst dieses letzte, unerbittliche Wort ist den Liebenden nicht genug.

Wie die Recherchearbeit an der Basis

fangenen, dem Nachrichtenaustausch zwischen

Sie klammern sich an die phantastische Hoffnung eines Irrtums, oder sie wollen zumindest vom

abläuft, beschreibt ein Bericht über den „Ver-

ihnen und ihren Angehörigen sowie der Nachfor-

wundeten-Nachweis“ der Rotkreuzvereine in

schung nach Vermissten dienen. Es beginnt mit

Köln: „Um möglichst rasch Kenntnis von den

einer Liste von 29 französischen Verwundeten in

graben liegt, ein Zeichen der Erinnerung, ein Dokument. Eine Bäuerin schreibt aus ihrem Dorfe ganz

Eingängen oder Änderungen zu haben, sind in

Pforzheim. Und es endet mit fast fünf Millionen

einfach, ‹Haben Sie nichts von meinem Sohne Jean gehört? Ich habe seit August keine Nachricht von

jedem Lazarette lose Listen aufgelegt, welche

Karteikarten, die nach einem ausgeklügelten

ihm›, und unterschreibt mit schlechter, zitternder Schrift ihren Namen und glaubt, die Arme, jeder

von etwa zwanzig Gymnasiasten jeden Nachmit-

System durch Verweise erschlossen werden.

tag ausgefüllt, an einer Stelle gesammelt und

Die Säle des Kunstmuseums mutieren zu

kenne ihren Sohn, jeder wisse es schon, wer dieser einzelne sei, der ihr alles ist unter den Millionen! »

durch Radfahrer dem Verwundeten-Nachweis

riesigen Suchmaschinen, in denen sich 1200

zugeführt werden.

ehrenamtliche Mitarbeiter mühen, mit einem

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Vater, von dem Gatten noch ein letztes wissen, die Krankheit, an der er gestorben, den Ort, wo er be-

Stefan Zweig, Das Herz Europas, 1918


1914 Fünf Millionen Karteikarten

mörderischen Krieg Schritt zu

standardisierte Karteikarten ange-

halten. Der immer mehr Anfra-

legt. Treffen sie in den Registratu-

gen, immer mehr Opfer und

ren aufeinander und kommen somit

immer mehr Karteieinträge

zur Übereinstimmung („concordan-

hervorbringt.

ce“), so können die Gesuchten

Allein der Name Henri

identifiziert und die Suchenden

Martin taucht fünfhundertmal auf.

informiert werden.

Das hierbei entwickelte „Begeg-

Der Arbeitsanfall ist gewaltig.

nungsverfahren“ wird für die

Bis Ende 1917 verzeichnet die

Suchdienstarbeit prägend. Von

Agentur sieben Millionen Postsen-

Beginn an zirkulieren zweierlei Informations-

dungen. In zweieinhalb Millionen Fällen werden

ströme: die Angaben zu kampfunfähigen Solda-

Nachforschungen angestellt, einer Million

ten, etwa aus Lazaretten und Gefangenenlagern,

Angehöriger können Auskünfte erteilt werden.

und die Anfragen besorgter Angehöriger, die

Das Genfer Musée Rath verwandelt sich während des Ersten Weltkriegs in eine gigantische Suchmaschine. 1200 freiwillige Helfer wirken in der Agentur für Kriegsgefangene, der auch die Nachforschung nach Vermissten obliegt

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keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, Bruder,

(Zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns

Ehemann oder Sohn im Felde haben, und denen

hat das IKRK das Archiv der zentralen Nach-

auch die Militärbehörden bislang nicht weiterhel-

forschungsagentur digitalisiert und über seine

fen konnten. Für beide Gruppen, die „Gesuchten“

Homepage öffentlich zugänglich gemacht:

und die „Suchenden“, werden

http://grandeguerre.icrc.org )

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1929 Zwischen den Kriegen AUFGABEN, ENTWICKLUNGEN, VERSÄUMNISSE

Den unbekannten Soldaten Unmittelbar nach dem Krieg steht die Rück-

Kräften zu betreuen und ihnen zum Start in ein

führung der Gefangenen im Vordergrund. Allein

neues Leben zu verhelfen.

in Russland waren mindestens 2,3 Millionen

Im Januar 1919 wird in Berlin eine Reichs-

interniert, in Deutschland rund 2,5 Millionen.

zentralstelle für Kriegs- und Zivilgefangene

Ihre Repatriierung wird auch für den neu

gegründet, im Mai das Reichsamt für deutsche

gegründeten Völkerbund zu einem beherrschen-

Einwanderung, Rückwanderung und Auswande-

den Thema. Er ernennt Fritjof Nansen zum

rung und im Oktober ein Zentralnachweiseamt

Hohen Kommissar für die Rückführung

für Kriegerverluste und Kriegergräber. In allen

von Gefangenen.

diesen Bereichen ist das Rote Kreuz als Hilfs-

In enger Zusammenarbeit mit dem IKRK

organisation maßgeblich involviert, und zwangs-

und den nationalen Rotkreuzgesellschaften

läufig zieht diese Arbeit auch Nachforschungen

vermag Nansen binnen vier Jahren den schwieri-

und das Verständigen von Angehörigen nach

gen Prozess weitgehend abzuschließen. Wobei

sich – klassische Suchdienstarbeit also.

allein auf deutscher Seite auch danach noch

Hunderttausende Flüchtlinge strömen

rund 100 000 Soldaten und Zivilpersonen als

aus den verlorenen Ostgebieten, aus Elsass-

vermisst gelten. Anschließend wirkt Nansen als

Lothringen und den ehemaligen Kolonien nach

Kommissar des Völkerbundes für das Flücht-

Deutschland. Um in der höchst unübersichtli-

lingswesen. Beide Aufgaben zeigen Gemein-

chen Lage Informationen zu gewinnen, wird

samkeiten. Hier wie dort geraten Massen von

hierbei auch eine Methode angewandt, die

Menschen in Bewegung, und es gilt, sie nach

später im großen Stil praktiziert werden sollte:

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« Die Frage, wie die Zahl der ‹unbekannten Soldaten› und der Vermißten vermindert werden könne, hat die Organisationen des Roten Kreuzes schon seit längerer Zeit beschäftigt. Artikel 3 und 4 der Genfer Konvention in ihrer neuen Fassung tragen diesen Bestrebungen Rechnung. Die Pflicht des Kriegsführenden, der das Schlachtfeld behauptet, die Verwundeten aufzusuchen, ist auf die Toten erstreckt worden. Der Tod sowie die Persönlichkeit des Gefallenen sollen derart festgestellt werden, daß die Krieg führenden darüber Nachweise liefern können. Sie sollen dafür sorgen, daß die Gräber geachtet werden und immer wiedergefunden werden können. Außerhalb des Rahmens der (Genfer) Konferenz lagen die großen und wichtigen Probleme, die sich auf die Stellung und Behandlung der Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet und im besetzten Gebiet beziehen. Die Konferenz glaubte aber, auf die Notwendigkeit einer Regelung dieser Fragen hinweisen zu sollen. » Blätter des Deutschen Roten Kreuzes, September 1929


1929 Zwischen den Kriegen

Die meisten russischen Kriegsgefangenenlager befanden sich weit im Landesinneren, um eine Flucht zu erschweren. Entsprechend aufwendig gerieten die Besuche der Rotkreuzdelegationen. Hier das Lager Troizkij bei Taschkent in Russisch-Turkestan

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Die Flüchtlinge werden über Zurückgeblie-

Während 1929 eine zweite Genfer Konvention

bene und Weggefährten befragt, ihre Angaben

die Behandlung von Kriegsgefangenen umfas-

erfasst und an eine Zentralstelle übermittelt.

send regelt, können sich die Regierungen nicht

Als Nachfolgeorganisation der Internationalen

auf entsprechende Schutzbestimmungen für inter-

Agentur richtet das IKRK einen „Service de

nierte Zivilisten einigen, geschweige denn

recherche“ ein, der sich der Suche nach Ver-

für die Zivilbevölkerung generell. Auch auf der

missten widmet, Internierten ihre Haftzeit beglau-

Internationalen Rotkreuz-Konferenz von Tokio

bigt und versprengte Familienmitglieder mitein-

1934 stehen diese Fragen auf der Tagesordnung.

ander in Verbindung zu bringen versucht. Auch

Doch nur wenige Regierungen – darunter kurios-

wenn der Dienst primär für Militärangehörige

erweise die deutsche – erklären sich bereit,

gedacht ist, wenden sich doch auch zahllose

internierte Zivilisten eines feindlichen Landes

Zivilisten an ihn. Der mehr als vier Jahre wütende

analog zu Kriegsgefangenen zu behandeln; erst

Krieg hat gezeigt, dass unter den Bedingungen

im Laufe des Zweiten Weltkriegs ringen sich dann

moderner Kriegsführung auch die Zivilbevölke-

auch andere Länder dazu durch.

rung in hohem Maße leidet. Obwohl sich diese

So bleibt der völkerrechtliche Status der

Entwicklung schon früh abgezeichnet hat, etwa

Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten ebenso im

während des Burenkriegs um die Jahrhundert-

Unklaren wie die diesbezüglichen Befugnisse

wende, hat die internationale Politik nur wenig

des Roten Kreuzes. Diese Versäumnisse werden

darauf reagiert.

bald verheerende Folgen zeitigen.

31


1939

Seid ohne Sorge

Die schlimmstmögliche Wendung

« Eine neue Einrichtung ist in Neukölln die Beratungsstelle. Sie ist in der Kreisstelle des Deutschen

DER ZWEITE WELTKRIEG VERHEERT EUROPA

Roten Kreuzes am Boddinplatz untergebracht und kann von allen Volksgenossen in Anspruch genommen werden. Aufgabe dieser Einrichtung ist es, Frauen zu beraten, die Angehörige im Felde oder in Lazaretten haben. Wenn ein Soldat vermißt wird, dann stellt die DRK-Stelle, die mit der zuständigen Wehrmachtstelle zusammenarbeitet, Nachforschungen an und läßt nichts unversucht, um den Angehörigen Gewißheit zu geben. Zum anderen werden Verwundete, von denen die Angehörigen

Zwanzig Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs

zu ermitteln. Hinzu kommen die Landesnach-

überzieht das Deutsche Reich fast ganz Europa

forschungsdienste und Kreisnachforschungs-

sowie Nordafrika mit einem neuen Krieg. Er wird

stellen des Roten Kreuzes, denen in den letzten

noch weit zahllosere Opfer fordern, noch un-

Kriegsjahren auch die Benachrichtigung der

gleich zerstörerischer wüten, und er wird Millio-

Angehörigen von Gefallenen obliegt. Teilweise

nen von Menschen ins Elend und ins Verderben

übernimmt das DRK diese Aufgaben auch

über den Zustand von Verwundeten, zieht Erkundigungen ein über den Verlauf der Heilung, über

stürzen.

in den besetzten Gebieten. Außerdem wickelt

Operationen und berät die Angehörigen über Besuchsmöglichkeiten der Lazarette. Damit die Volks-

es den Postverkehr von und mit Kriegs-

genossen, die die Hilfe des DRK dabei in Anspruch nehmen wollen, keine weiten Wege machen müs-

Im Zuge der deutschen Mobilmachung Ende August 1939 nimmt die „Wehrmachtsauskunftstelle für Kriegerverluste und Kriegs-

gefangenen ab. Das nationalsozialistische Regime bedient

nicht wissen, in welchem Lazarett sie liegen, ermittelt und die Anschriften bekanntgegeben. In vielen Fällen konnte während der kurzen Zeit, die die Beratungsstelle arbeitet, manche Sorge den Angehörigen von Soldaten abgenommen werden. Neben der Ermittlung des Aufenthaltes von Soldaten gibt diese Beratungsstelle auch Nachricht

sen, werden die Anfragen auch in den einzelnen Stützpunkten in Neukölln und Treptow und in den Außenbezirken entgegengenommen. ‹ Niemand verläßt die Beratungsstelle ohne einen berechtigten

gefangene“ (WASt) ihre Arbeit auf, als amtliche

sich der Einrichtungen des Roten Kreuzes für

Auskunftsstelle gemäß der Genfer Konvention.

seine Zwecke. Es fungiert als Puffer zwischen

Hier werden die täglichen Verlustlisten der

dem abgekapselten Militärapparat und der

richtung hier das Richtige trafen, beweist die außerordentlich starke Inanspruchnahme. Selbstver-

Wehrmacht zusammengeführt und aufbereitet.

Bevölkerung. Die Arbeit des Suchdienstes

ständlich dauern die Ermittlungen über den Verbleib von Soldaten immer eine gewisse Zeit, aber wir

erfolgt weitgehend unter Ausschluss der Öffent-

sind bemüht, so schnell wie möglich die Ungewißheit bei den Angehörigen zu beenden. Und wenn es

beauftragten für Kriegsgefangenenhilfe (Amt S).

lichkeit; menschliche Verluste sind ein Tabu-

manchmal einige Tage dauert, dann muß niemand deshalb in Sorge sein, denn die schlechten Wege-

Es arbeitet mit der WASt wie auch mit der

thema. Listen werden, anders als im Ersten

Zentralagentur des IKRK zusammen, registriert

Weltkrieg, nicht herausgegeben, das ganze

verhältnisse im Osten tragen in den meisten Fällen die Schuld daran. › »

die Kriegsgefangenen und versucht, den

Ausmaß der Vermissten wie der Opfer überhaupt

Verbleib von Vermissten und Verwundeten

verheimlicht.

Das DRK gründet das Amt des Sonder-

32

Hoffnungsschimmer›, so wurde uns von der Hauptführerin versichert. ‹Und wie sehr wir mit der Ein-

Neuköllner Tageblatt, 1. Oktober 1939


1939 Die schlimmstmögliche Wendung

Über die Arbeit der Nachforschungsstellen wird

Während die Bestimmungen der Genfer Kon-

nur selten berichtet, und dann meist tendenziös.

vention auf den westlichen Kriegsschauplätzen

Wie der abwiegelnde Ton des vorausgehenden

überwiegend eingehalten werden und den

Zeitungsartikels ahnen lässt, dienen sie nicht

Gefangenen ein Mindestmaß an Sicherheit

zuletzt der Beschwichtigung der Bevölkerung.

gewähren, tobt der Vernichtungskrieg im Osten

Ähnlich wie während des Ersten Weltkriegs

ohne jedes Regulativ. Die Sowjetunion hat die

richtet das IKRK eine Zentrale Kriegsgefan-

zweite Genfer Konvention von 1929, welche die

genen-Agentur in Genf ein, die rund 2500

Behandlung der Kriegsgefangenen detailliert

Mitarbeiter beschäftigt und im Laufe des Kriegs

regelt, nicht unterzeichnet. Was nun Millionen

die unvorstellbare Zahl von zwanzig Millionen

von Soldaten und Gefangenen auf allen Seiten

Karteikarten anlegt.

schwer zu büßen haben.

Obwohl schon die Besetzung Polens

In den letzten Kriegsmonaten scheint

schwere Verluste für beide Seiten bringt, bleibt

der ganze Kontinent in Auflösung begriffen.

die Zahl der Vermissten auf deutscher Seite

Behörden funktionieren nicht mehr, Post und

zunächst überschaubar. Ab 1941 aber nimmt

Telefon fallen gänzlich aus, flächendeckende

sie lawinenartig zu, nachdem Hitler binnen eines

Zerstörungen machen ein geregeltes Leben

halben Jahres erst der Sowjetunion und dann

unmöglich. Über den Verbleib von Millionen von

den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt hat.

Menschen herrscht völlige Ungewissheit.

Helferinnen im „Amt S“, der Dienststelle zur Registrierung der Gefallenen und Kriegsgefangenen beim Präsidium des DRK

34

35


1945 Hoffnungsträger für Millionen

Flucht über die Ostsee

DIE GRÜNDUNG DES DRK-SUCHDIENSTES

« Ende April kamen wir nach Schleswig-Holstein. In Kiel befand sich damals das Marineoberkommando Ostsee, das für Flüchtlingstransporte über die Ostsee verantwortlich war, sei es aus Ostpreußen, Danzig oder Pommern. Täglich kamen Menschen an. Alles isolierte Personen. In einem Der Krieg ist zu Ende. Doch das apokalyptische

rufen zwei Offiziere dort die Keimzelle des

Ausmaß der Verwüstungen, der menschlichen

DRK-Suchdienstes ins Leben. Die provisorische

Tragödien und der im Schatten des Kriegs

Einrichtung erhält den Namen „Deutsches Rotes

begangenen Verbrechen wird erst jetzt offenbar.

Kreuz, Flüchtlingshilfswerk, Ermittlungsdienst,

Abermillionen von Zivilpersonen werden ver-

Zentral-Suchkartei“. Damit sind vier wichtige

gen hatte. Sie begann sich aber bereits aufzulösen. Nun fragten wir uns: Wer wird dann die so wichti-

misst, an die vierzig Millionen Soldaten sind

Stichworte benannt. Wenig später verschmilzt

gen Unterlagen über die Flüchtlinge bewachen? Vor allem aber, wer sorgt dafür, daß die gestern Ange-

weltweit in Gefangenschaft geraten. Ganze

diese mit einer ähnlich gearteten Nachfor-

kommenen erfahren, daß heute ihre Angehörigen eingetroffen sind? Schnelles Handeln war erforderlich:

Provinzen haben die Staatsangehörigkeit

schungsstelle in Hamburg, die das dortige

gewechselt, ganze Städte sind getilgt worden,

DRK-Flüchtlingshilfswerk eingerichtet hat.

Die Neuankömmlinge mußten registriert und die Unterlagen der zuvor Angekommenen bei der NSV

ganze Divisionen ausgelöscht. Wie soll man

Parallel entsteht in München ein Vermiss-

angesichts der chaotischen Verhältnisse und

ten-Suchdienst, ebenfalls unter maßgeblicher

der materiellen Not Millionen von Vermissten

Beteiligung des Roten Kreuzes.

und Versprengten finden? Wie elf Millionen

1946 schließen sich das Hilfswerk der

deutsche Kriegsgefangene und dreizehn

Evangelischen Kirche, der Caritas-Verband,

Millionen Heimatvertriebene erfassen?

die Landesverbände des Roten Kreuzes in der

In Flensburg landen über die Ostsee täglich

amerikanischen, britischen und französischen

Massen von Flüchtlingen und Überbleibsel

Zone sowie die Arbeiterwohlfahrt zu einer

deutscher Truppen an, Geschlagene, Gestrande-

Suchdienst-Arbeitsgemeinschaft zusammen.

te, Gezeichnete. Noch in den letzten Kriegstagen

Versuche einer Kooperation mit dem von der

36

Schiff kamen die Mütter, im nächsten die Kinder und schließlich die Großeltern. Diese verlorenen Menschen sammelten sich dann auf den Kais. Noch gab es die NSV, die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt, die für die Flüchtlinge zu sor-

gesucht werden. Helmut Schelsky und ich wollten diese Aufgabe übernehmen. Diese Zeit war außerordentlich schwierig und wunderbar zugleich, denn die Hilfsbereitschaft aller war groß. Wir hatten eigentlich nur die Absicht, die in Schleswig- Holstein zu Tausenden ankommenden Flüchtlinge zu registrieren und, soweit wir konnten, auch die in Dänemark. Dort konzentrierten wir uns vor allem auf die Kinder. Unser Leitgedanke war: Wenn diese zu ihren Eltern gebracht werden können, dann haben sie eine Chance, diese schreckliche Zeit zu überstehen. »

Erinnerungen von Kurt Wagner, dem langjährigen Direktor des Suchdienstes Hamburg und Suchdienst-Referenten im Generalsekretariat des DRK


1945 Hoffnungsträger für Millionen

Eine im Frühjahr 1945 in Flensburg eingerichtete Rotkreuz-Dienststelle bildet mit ihrer „Zentral-Suchkartei“ die Keimzelle des späteren DRK-Suchdienstes. Nach einigen Monaten wird sie mit einer ähnlichen Einrichtung in Hamburg (unten rechts) zusammengelegt

38

sowjetischen Militärverwal-

Das Ausmaß der Ungewiss-

tung eingerichteten „Such-

heit, das über den Verbleib

dienst für vermißte Deut-

von Millionen von Menschen

sche“ verlaufen jedoch im

herrscht, ist ungeheuerlich.

Sande. Im Westen aber

Entsprechend akut ist der

gelingt es den Mitgliedern

Bedarf an Aufklärung.

der Arbeitsgemeinschaft

Im Westen Deutschlands

trotz der vielfach zerstörten

ist der DRK-Suchdienst in

Verkehrs- und Kommunika-

diesen Jahren derart präsent,

tionswege und mancherlei Einschränkungen von

dass er fast zum Synonym für das Rote Kreuz

Seiten der Besatzungsbehörden, ein tragfähiges

wird. Auch deshalb, weil er wie kaum eine

Netzwerk aufzubauen, Daten auszutauschen und

andere Institution die Nöte der Menschen in

ihre Erfassungssysteme aufeinander abzustim-

dieser schweren, ungewissen Zeit verkörpert.

men. Das Rote Kreuz kann sich auf die flächen-

Aber eben auch ihre Hoffnungen: Allein die

deckende Infrastruktur der Landes- und

Hamburger Sektion des Suchdienstes führt

Kreisstellen und eine Vielzahl freiwilliger Helfer

in den ersten drei Jahren 2,5 Millionen

stützen. Als wichtigstes Arbeitsinstrument

Menschen, die einander verloren hatten,

entsteht die „Zentrale Namenskartei“, deren

wieder zusammen.

Einträge mit gespenstischer Macht anschwellen.

39


1946 „Vorname: vielleicht Hilde“

Auf der Flucht

DER KINDERSUCHDIENST

« In unsern Wagen warf eine Frau drei kleine Kinder, der Zug fuhr ab, sie selbst kam nicht mehr mit. Eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern aus unserem Wagen nahm sich auch noch dieser drei Verwaisten in rührender Weise an. » Anfang 1946 sind in Deutschland rund 300 000

losesten und unschuldigsten Opfer des Kriegs.

Fälle registriert, in denen Mütter ihre vermissten

Sie werden anfangs von verschiedenen Kinder-

Kinder suchen oder umgekehrt die Angehörigen

suchdiensten ermittelt. Alice Friedrich, eine

zum Bahnhof, nachdem eine Bombe ihr Haus getroffen und ihre zwei minderjährigen Söhne getö-

von verlassen aufgefundenen Kindern ermittelt

junge Rotkreuzschwester, baut den des Roten

werden sollen. Über die Hälfte der betroffenen

Kreuzes mit auf. „Ich meinte, diese Verantwor-

tet hat. Erschöpft legt sie das Kind auf die Bahnhofstreppe, um sich nach Zügen zu erkundigen.

Kinder ist zu diesem Zeitpunkt jünger als sechs

tung kaum übernehmen zu können“, bekennt sie.

Jahre. Sie haben nur fragmentarische Kenntnisse

„Ich war ja weder eine ausgebildete Bürokraft

über ihre Herkunft, wissen oft ihren Familienna-

noch sonst irgendetwas. Aber ich brachte eines

men nicht, manche nicht einmal ihren Vor-

mit: Mein Herz.“ Wenn die Kinder selbst Aus-

namen. Hier hat ein Bahnbeamter in einem leeren

kunft geben können, stehen die Chancen für

warteten sie bei strenger Kälte vergeblich auf die Rückkehr ihrer Mutter. Dann schlossen sie sich

Zug ein wimmerndes Bündel bemerkt, dort auf

eine Zusammenführung gut. Liegen keine

einem Treck nach Osten an. Eine Frau mit drei Kindern nahm sich ihrer an. Da die kleine Astrid

dem Flüchtlingstreck eine sterbende Frau ihr Kind

Personalien vor, können Körpermerkmale,

einer Weggefährtin anvertraut. Die Massen-

verbliebene Kleidung, Erinnerungsbruchstücke

fluchten aus dem Osten sind derart überstürzt

möglicherweise wertvolle Anhaltspunkte liefern.

um sie zu wärmen. Nach meiner Rückkehr nach Lindenau traf ich sie dort an und betreute sie von

und lebensbedrohlich verlaufen, dass selbst

Die steckbriefartigen Angaben lassen ahnen,

engste Familienbande durchtrennt wurden.

welche verzweifelten Dramen sich abgespielt

da ab. Von ihrer Mutter haben wir nie wieder etwas gehört. Ihr Vater war im Polenfeldzug gefallen

Nicht von ungefähr hat man den Kinder-

haben: „Vorname: vielleicht Hilde (…) Bekleidung:

suchdienst als „größtes humanitäres Detektiv-

Wickelkissen, weißes Hemdchen (…) Bemerkun-

institut der Welt“ bezeichnet. Jeder dieser Fälle

gen: bei ihr lagen Würfelzucker und Brot,

geht zu Herzen, betreffen sie doch die hilf-

in Decken eingehüllt“.

40

« Der Bombenangriff auf Dresden. Eine Mutter f lüchtet mit ihrem Kleinkind durch das Inferno

Als sie zurückkommt, ist das Kleinkind nicht mehr am Platz. Alles Suchen bleibt erfolglos. » « Die Russen nahmen der Mutter das zweijährige Kind vom Arm, setzten es in den Schnee zu ihrem elfjährigen Bruder und überließen beide Kinder ihrem Schicksal. Vier Tage und vier Nächte

sehr viel weinte, weil sie fror und erkältet war, nahm ihr Bruder sie so oft als möglich auf den Arm,

oder verstorben. » Aus Protokollen des Kindersuchdienstes und des Bundesministeriums der Vertriebenen


1946 „Vorname: vielleicht Hilde“

Mit Plakaten versucht der Kindersuchdienst, die Angehörigen von elternlos aufgefundenen Kindern zu ermitteln. In den Wirren der letzten Kriegs- und der ersten Nachkriegswochen sind tausende von Kindern auf sich allein gestellt

42

Bald kommen auch Fotogra-

1954 erscheint dann noch der Fort-

fien der Findelkinder zum

setzungsroman Suchkind 312 in der

Einsatz, die meist in Heimen

HÖRZU. Der exemplarische Bericht

oder von Pflegeeltern

von Hans-Ulrich Horster (ein Pseu-

betreut werden. Im Februar

donym des Chefredakteurs Eduard

1946 wird das erste Kinder-

Rhein) findet enormen Widerhall.

bildplakat mit vierzig Aufnah-

Parallel veröffentlicht die Zeitschrift

men gedruckt und in Such-

kontinuierlich Kindersuchbilder.

dienststellen, Pfarr- und

Die verschiedenen Stellen

Jugendämtern, Heimen und

werden dann 1950 im Kindersuch-

Bahnhöfen ausgehängt. Viele weitere Plakate

dienst des DRK in Hamburg zusammengeführt.

folgen. Auch im Rundfunk werden täglich Dut-

Es ist einer der wenigen Bereiche, bei der es zu

zende von Suchmeldungen zu Kindern verlesen;

einer nennenswerten Zusammenarbeit mit den

einer der Sprecher ist der junge Joachim Fuchs-

entsprechenden Einrichtungen der sowjetischen

berger. Die Jugendzeitschrift Pinguin will eben-

Besatzungszone und der frühen DDR kommt.

falls ungeklärte Schicksale erhellen und das

Von allen Sparten des Suchdienstes erfährt der

Bewusstsein für die Arbeit des Kindersuchdiens-

Kindersuchdienst wohl die stärkste öffentliche

tes schärfen. Daran wirken auch namhafte

Anteilnahme. Und erfreulicherweise verzeichnet

Publizisten wie der Fotograf Hilmar Pabel und

er auch die größten Erfolge. Nur wenige tausend

der Schriftsteller Erich Kästner mit.

Fälle sind bis heute ungeklärt geblieben. 43


1948 Ein Kontinent auf der Suche VON DER IMPROVISATION ZUR INSTITUTION

Auch wenn der DRK-Suchdienst sich rasch zur

West-Berlin führt die Arbeit der Wehrmacht-

größten und wichtigsten Einrichtung seiner Art

auskunftstelle (WASt) fort. Als Reaktion auf die

entwickelt, mit Hamburg und München als

Verheerungen des Zweiten Weltkriegs und der

zentralen Standorten, so widmen sich in den

unmittelbaren Nachkriegszeit erfolgt 1949 eine

Jahren nach 1945 doch eine Vielzahl unter-

Neufassung der Genfer Abkommen. Zum ersten

schiedlichster Organisationen dieser Aufgabe.

Mal enthalten sie nun auch detaillierte Vorgaben

Manche nur auf regionaler Ebene oder auf

„zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten“.

Spezialgebieten, manche weltweit. Neben dem

Die Konvention wird weltweit von den Vertrags-

DRK-Suchdienst hat der Internationale Such-

staaten anerkannt und stellt die Suchdienst-

dienst (ITS) in Bad Arolsen die mit Abstand

arbeit auf eine neue völkerrechtliche Grundlage.

meisten Suchanfragen zu bewältigen. Er küm-

Nicht nur verwundeten und gefangenen Solda-

mert sich um die Insassen der Konzentrations-

ten wird das Recht zuerkannt, mit ihren Ange-

lager und um die Millionen von Depatriierten,

hörigen in Kontakt zu bleiben, sondern aus-

von Zwangsarbeitern und heimatlosen Auslän-

drücklich auch Zivilinternierten und überhaupt

dern, die während des Kriegs nach Deutschland

der Zivilbevölkerung in Kriegs- und Konflikt-

verschleppt worden sind. Auch der Kirchliche

gebieten. Weiter heißt es: „Jede am Konflikt

Suchdienst mit seinen Heimatortskarteien und

beteiligte Partei erleichtert die Nachforschungen,

der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

die vom Kriege zerstreute Familien anstellen,

leisten unentbehrliche Dokumentationsarbeit.

um wieder Verbindung miteinander aufzu-

Die sogenannte Deutsche Dienststelle in

nehmen.

Suchdienste in Deutschland • Headquarters USFET, Office of the Theater Provost Marshal (Kommandeur der Militärpolizei) in Berlin-Zehlendorf • Office of Military Government of Germany, US Armed Forces, Division APO in Berlin-Zehlendorf • Zweigstelle Amerikanisches Rotes Kreuz, Berlin • US Military Gouvernment, Public Welfare Branch, München • Central Postal Enquiry Bureau, Zentrales PostNachforschungsbüro, Frankfurt • Central Postal Enquiry Bureau, Zentrales PostNachforschungsbüro, Hamburg • Hauptermittlungsstelle der britischen Militärregierung, Hbg. • Zweigstelle Britisches Rotes Kreuz, Berlin-Charlottenburg • Zweigstelle Britisches Rotes Kreuz, Hamburg, Alsterufer • Officier Charge du Service Social du Gouvernement Militaire Français de Berlin, Müllerstraße • Zweigstelle des Französischen Roten Kreuzes in Berlin-Frohnau • Zweigstelle des Französischen Roten Kreuzes in Mannheim, Kronprinzenstraße • Service de recherche de la Zone française d’occupation, Baden-Baden • Délégation Générale pour l’Allemagne et l’Autriche, Bad Ems • Französische Suchmission, Göttingen, Herzberger Landstraße • Direction des Personnes Déplacées, Rastatt • Service des prisonniers de guerre sarrois beim Gouvernement militaire de la Sarre, Saarbrücken

• • • • • • • • • • • • • • • • • •

Belgische Militärmission in Berlin-Konradshöhe Polnische Militärmission in Berlin, Schlüterstraße Polnisches Rotes Kreuz, Lübeck, Schwartaukaserne Militärmission der Tschechoslowakei in Berlin-Dahlem Jugoslawische Militärmission, Berlin-Dahlem, Rauchstr. 18 Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Delegation Berlin Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Delegation für die britische Zone, Vlotho, Südfeldstraße Lettisches Rotes Kreuz, Heide/Holstein, Friedrichstraße Schwedisches Rotes Kreuz, Lübeck, Eschenburgstraße Ungarisches Rotes Kreuz, Rhede/Westfalen, Bahnhofstraße Delegation des Ungarischen Roten Kreuzes in Berlin, Duisburger Straße 5 Kindersuchdienst, Berlin C 2, Polizeipräsidium, Brüderstraße Zentralsuchstelle für Ausländer und ehemalige KZ-Insassen, Göttingen Österreichische Delegation für die britische Zone, Hannover, Theaterplatz Suchzentrale Görlitz, Berliner Straße Suchdienst für Schlesier, Dresden-Neustadt, Königsufer Sudetendeutscher Suchdienst des Bayerischen Roten Kreuzes, Traunstein Schlesischer Suchdienst des Bayerischen Roten Kreuzes, Traunstein

aus Unterlagen des Bundesministeriums des Innern

44


1948 Ein Kontinent auf der Suche

Sie fördert die Tätigkeit von

Bis 1950 kann der DRK-Such-

Organisationen, die sich dieser

dienst zu vierzehn Millionen

Aufgabe widmen.“ Auch die

Anfragen fast neun Millionen

großen Rotkreuz-Konferenzen

Auskünfte erteilen.

1948 in Stockholm und 1952

Nach Gründung der Bundes-

in Toronto setzen sich intensiv

republik wird die Zuständigkeit für

mit dieser Problematik ausein-

die Suchdienste zunächst dem

ander und bestätigen die

Bundesministerium des Innern

Suchdienstarbeit als ein zen-

übertragen, das damals Gustav

trales Element der Rotkreuz-

Heinemann leitet. Später wechselt

arbeit. In keinem Land nimmt

sie auf das Bundesministerium für

sie freilich derartige Dimensionen an wie in

Vertriebene über. Die Suchdienstvereinbarung

Deutschland, wo sie sich zur größten Suchaktion

von 1953 stellt eine dauerhafte Finanzierung und

der Geschichte entwickelt. Moderne Technologien

Begleitung der Suchdienstarbeit durch die

kommen zum Einsatz, so zum Beispiel nach dem

Bundesregierung sicher.

Hollerith-Verfahren arbeitende Lochkartenmaschinen, die Vorläufer der Computer.

Technisch avanciert: am Suchdienst-Standort München kommen schon wenige Jahre nach dem Krieg Lochkartenmaschinen zum Einsatz, die Vorläufer der heutigen Computer

46

47


1951

Ich bitte um Ausweisung

Alte Sorgen, neues Leben HUMANITÄRE BEMÜHUNGEN IN DEN AUSSIEDLUNGSGEBIETEN

« Jeden Abend um 18.30 Uhr stellt der 42 Jahre alte Arbeiter Helmut K. in Stettin sein kleines, altes Radio an. Täglich um 18.30 Uhr sendet der NWDR das Echo des Tages, und das ist seit Jahren die einzige direkte Verbindung, die K. zu jenem Teil Deutschlands hat, in dem seine Frau und seine Kinder, seine Eltern, Geschwister und Freunde leben. Seit Jahren wartet K. auf eine ganz bestimmte Nachricht. Eine Nachricht, die sein aus dem Gleis gesprungenes Leben wieder zurechtrücken könnte, so daß es für ihn wieder einen Sinn hätte. Sie müßte etwa lauten: ‹Dem Deutschen Roten Kreuz ist es

Aufgrund der gewaltsamen Vertreibungen der

gelingt es, den Strom der Flüchtlinge in den

deutschstämmigen Minderheit aus Polen hat

nächsten Jahren zumindest teilweise in geord-

sich die Delegation des Internationalen Komitees

nete Bahnen zu lenken. Was einen erheblichen

vom Roten Kreuz (IKRK) in Warschau bereits von

Fortschritt gegenüber den teils „wilden“ und teils

1946 an für eine planmäßige Erfassung dieser

organisierten Vertreibungen in der unmittelbaren

kranke Leute, in die Sowjetzone ausgewiesen wurden. Aber das nützt Helmut K. wenig. Seine Familie

Bevölkerungsgruppe und ihre geordnete Aus-

Nachkriegszeit darstellt. Den Schwerpunkt der

ist nach der Flucht in Lüneburg gelandet. Sie waren schon dort, als er aus sowjetischer Gefangen-

siedlung eingesetzt. Auch in den übrigen ost-

Bemühungen bildet Polen. Im Rahmen einer

schaft nach Stettin zurückkam. Nun verbringt er die besten Jahre seines Lebens, in einem Land, das

europäischen Ländern leben noch immer Hun-

großangelegten Aussiedlungsaktion, der

ihm fremd geworden ist, und ein paar hundert Kilometer weiter westwärts lebt seine Familie.

derttausende deutscher Zivilpersonen, sei es

„Operation Link“, können bis März 1951 gut

in den ehemals deutschen Gebieten, sei es als

42 000 Menschen von dort in die Bundes-

Angehörige der deutschsprachigen Minderheit

republik und weitere 40 000 in die

der betreffenden Länder. Ein Großteil davon will

DDR übersiedeln.

aufgrund familiärer Bindungen wie auch wegen

Der DRK-Suchdienst dient bei diesen

gelungen, bei der polnischen Regierung die Aussiedlung aller Personen zu erwirken, die für die Bundesrepublik optierten.› Dann könnte, dann müßte er westwärts ziehen. Aber die Nachricht kommt nicht. Wohl hörte er davon, daß ein paar tausend Deutsche, alte und

Eines Abends schrieb Helmut K. einen Brief an das Deutsche Rote Kreuz, schilderte sein Leben, seine Stunden am Radioapparat und meinte: ‹Wir sind noch so viele Deutsche in Polen. Schon über neun Jahre leben wir von unseren Angehörigen getrennt; wir haben Sehnsucht nach ihnen. Helft uns doch hier und vergeßt uns nicht; bitte, helft uns! Wir haben ja nichts gegen die Polen, wir wollen nur zu unseren Angehörigen. Ein jedes Tier sehnt sich nach seinen Jungen...›

der zunehmenden Repressionen zu ihren

Bemühungen als eine zentrale Anlaufstelle,

Angehörigen in West- und Ostdeutschland

um die erforderlichen Unterlagen zu erlangen;

sowie nach Österreich ausreisen.

zugleich registriert er die eintreffenden Personen

sen, kann niemand sagen. Aber es besteht Grund zur Hoffnung, daß die Regierungen der Ostblock-

Trotz erheblicher Widerstände sowohl auf

und erkundigt sich nach dem Schicksal weiterer

länder sich zu einer Lösung der Aussiedlungsfrage bereit finden. »

Seiten der sich nun herausbildenden kommu-

Angehöriger. Denn so erfreulich die Aktion auch

nistischen Regierungen Osteuropas wie auch bei

ist, so wird zunächst doch nur einem Bruchteil

den Behörden in den vier Besatzungszonen

der Betroffenen die Ausreise gestattet.

48

Das Rote Kreuz erhält viele solcher Briefe. Wie lange diese Menschen noch werden warten müs-

M. Berling, DIE ZEIT, 11. März 1954


1951 Alte Sorgen, neues Leben

Am Zonengrenzbahnhof Büchen werden deutsche Aussiedler aus Polen vom DRK mit Getränken versorgt (links). Auch aus anderen Ostblockstaaten wie etwa Rumänien (rechts) können Deutschstämmige im Rahmen der „Operation Link“ nach West- und Ostdeutschland ausreisen

Auch danach erreichen den Suchdienst unab-

im März 1956: „Wir erschienen ebenfalls mit

lässig Anfragen und Gesuche. Im Dezember

einem Omnibus, mit dem wir auf den Pariser

1955 vereinbaren das Polnische und das Deut-

Platz fuhren, wo uns das DRK-Ost die Übersied-

sche Rote Kreuz deshalb eine neuerliche

ler übergab. Ein Lastwagen nahm das Gepäck

Aussiedlungsaktion, getragen von internationalen

auf. Auf der Westseite angekommen, mußten alle

Beschlüssen, welche die Familienzusammen-

den zahlreichen Reportern Rede und Antwort

führung zu einer der wichtigsten Aufgaben des

stehen. Zur Registrierung, zum Mittagessen und

Roten Kreuzes im Nachkriegseuropa erheben.

zur Entgegennahme von Begrüßungsgaben

Innerhalb eines Jahres können so weitere

fuhren wir in eines unserer Heime; dann brachten

16 500 Menschen ausreisen.

wir jeden zu seiner Familie. Im Mai kam der

Auch aus der Tschechoslowakei, Rumänien

nächste Transport mit fünfzig Personen, weitere

und anderen Ostblockstaaten gelangen Aus-

folgten in unregelmäßigen Abständen. Es gab

siedler in die Bundesrepublik. Meist werden

erhebliche Unterbringungsschwierigkeiten. So

sie mit Sonderzügen ins Grenzdurchgangslager

war ein Heim, das wir über Nacht für fünfzig

im niedersächsischen Friedland gebracht.

Personen hatten einrichten müssen, in wenigen

Wer dagegen zu Angehörigen in West-Berlin

Stunden bis auf den letzten Platz besetzt. Es war

ziehen will, wird mit Bussen bis zum Branden-

das fünfte Heim für Übersiedler. Nur zwei

burger Tor gefahren. Dietrich Blos, langjähriger

Monate dauerte es, bis wir das sechste für

Präsident des Roten Kreuzes in West-Berlin,

weitere hundert Personen eröffnen mußten.“

schildert die Ankunft des ersten Transports 50

51


1955

Geboren etwa 1944

Innerdeutsche Beziehungen DER SUCHDIENST IN DER DDR

H 4. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1944, Augen blau, Haar blond. Das Mädchen wurde in einem Forst bei Guben in den Armen der toten Mutter gefunden. H 13. Name: Spatka oder ähnlich, Vorname Emmi, geb. etwa 1941/42. Augen blau, Haar hellblond. Das Kind floh mit der Mutter, die vermutlich durch einen Fliegerangriff den Tod fand. H 41. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1945. Augen braun, Haar dunkel. Das Mädchen wurde 1945 von zwei Soldaten bei der NSV in Swinemünde abgegeben. H 44. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1944, Augen blau, Haar dunkelblond.

Auch im Osten Deutschlands organisierten sich

und finanziell schlechter ausgestattet, in seiner

nach Kriegsende zunächst verschiedene Such-

Zuständigkeit beschränkter, und die Öffent-

dienste, vor allem bei kirchlichen Stellen und auf

lichkeit wird weniger einbezogen. Heimkehrer

kommunaler Ebene. 1946 richtete die sowjeti-

werden vom Suchdienst weder registriert

sche Militäradministration dann einen zentralen

noch befragt.

„Suchdienst für vermißte Deutsche“ ein. Dieser

In der Zusammenarbeit mit Behörden

Das Mädchen wurde am 16. April 1945 von einem amerikanischen Arzt in das Krankenhaus Eichen eingeliefert. H 49. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1942. Augen blau, Haar dunkelblond. Die Mutter soll mit dem Kind vor dem Angriff auf Swinemünde auf einem Schiff gesehen worden sein. Sie wurde anscheinend getötet, das Kind aber gerettet. H 85. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1943. Augen blau, Haar blond. Im März 1945 fuhr ein Lazarettzug in den Bahnhof von Treptow/Rega ein. Durch Panzerbeschuß wurde das Mädchen am Knie verletzt; die Mutter, die einen schwarzen Mantel trug, verstarb.

schloss auch Vereinbarungen über eine Zusam-

der Sowjetunion wie auch der anderen Ostblock-

Welche DRK-Schwester nahm sich damals des Kindes an?

menarbeit mit der Suchdienst-Arbeitsgemein-

staaten hat der DDR-Suchdienst gewisse

B 1076. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1942. Augen blau, Haar dunkelblond.

schaft in den westlichen Besatzungszonen ab,

Vorteile, da eine solche Kooperation politisch

die jedoch nach vielversprechenden Anfängen

opportun ist. Dafür wird die Zusammenarbeit

bald wieder nachließ. Nach Gründung der DDR

mit dem westlichen Ausland zunehmend

wurde dieser Dienst dann zunächst durch das

erschwert und in Teilbereichen unmöglich

B 1450. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1944. Augen o. Angabe, Haar o. Angabe.

Ministerium des Inneren weitergeführt.

gemacht. Viele Ostdeutsche versuchen, sich

Der namenlose Knabe, jetzt genannt Roland Beyer, wurde nach dem Luftangriff auf Dresden am

direkt an den westdeutschen Suchdienst zu

13./14. Februar 1945 gefunden und dem Stadtkrankenhaus zugeführt. Näheres ist nicht bekannt.

übernommen, das drei Jahre zuvor gegründet

wenden; diesbezügliche Korrespondenz wird

B 3802. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa 1942, 1943 und 1944.

worden ist und diese angestammte Rotkreuz-

aber mehr und mehr unterbunden. Auch

aufgabe, die internationaler Zusammenarbeit

herrscht auf beiden Seiten Misstrauen, die Arbeit

bedarf, gut übernehmen kann. Die Methodik

des Suchdienstes würde zu Propaganda-

ist ähnlich wie bei den westlichen Kollegen.

zwecken oder Agententätigkeit benutzt.

1955 wird er schließlich vom DRK der DDR

Der namenlose Knabe kann vielleicht Manfred heißen. Er wurde Anfang Mai 1945 auf einem Bauernhof in Fischbeck (Elbe) allein aufgefunden. B 1079. Name: unbekannt, Vorname: unbekannt, geb. etwa September 1944, Augen dunkelblau, Haar dunkel. Der Knabe wurde am 12. Juli 1945 auf dem Hauptbahnhof Stralsund gefunden. Über seine Herkunft ist nichts bekannt.

Die namenlosen Geschwister, jetzt genannt Gerd, Hansi und Ingrid Junghann, stammen vermutlich aus Ostpreußen. Ihre Mutter setzte sie Weihnachten 1944/45 in Polcho, Kreis Cammin, bei einem Bauern ab und soll nach Königsberg zurückgegangen sein, um Sachen zu holen. Aus dem Kinderheim wurden die Geschwister dann in eine Pflegestelle gegeben.

Allerdings ist der Dienst in Ost-Berlin personell 52

aus einem Bildheft über „anhanglose Kleinkinder“, das 1956 gemeinsam von den Suchdiensten des ost- und des westdeutschen DRK herausgegeben wurde


1955 Innerdeutsche Beziehungen

In der Sowjetischen Besatzungszone richtet die Militärverwaltung einen „Suchdienst für vermißte Deutsche“ ein – hier eine Dienststelle in Ost-Berlin. Von 1955 an übernimmt ihn dann das DRK der DDR

54

Über die Radiobeiträge westlicher Sender

nicht zu befassen. Die Betroffenen wären nicht

bleiben dennoch auch die DDR-Bürger über

durch einen Krieg voneinander getrennt worden,

die Suchanstrengungen jenseits des Eisernen

heißt es, und sie könnten ja jederzeit zurück-

Vorhangs informiert. Der Kalte Krieg schlägt

kehren. Generell wird der Suchdienst in der

sich auch im Alltag der Suchdienste nieder.

DDR vergleichsweise stiefmütterlich behandelt.

So beziehen sich tausende von Anfragen in

Die Menschen sollen, so die offizielle Auffas-

Westdeutschland auf Gefangene, deren Spur

sung, nach vorne schauen und nicht zurück,

sich in Speziallagern des sowjetischen Geheim-

sie sollen „Schluß machen mit dem Streit um

dienstes in Ostdeutschland verlor – in der DDR

tote Seelen“. Während der Suchdienst des

ein Tabuthema. Als immer mehr Menschen in

westdeutschen Roten Kreuzes in der Zusam-

den Westen flüchten, besonders nach dem

menarbeit mit allen anderen Ostblockstaaten

Volksaufstand von 1953 und der Zwangskollek-

über die Jahre hinweg erfreuliche Fortschritte

tivierung Ende der fünfziger Jahre, werden auch

verzeichnen kann, kommt die mit seinem ost-

dadurch viele Familien getrennt, und erst recht

deutschen Pendant kaum voran. Zwar legt eine

mit dem Bau der Mauer. Im Rahmen der Famili-

1956 getroffene Suchdienst-Vereinbarung die

enzusammenführung bemühen sich im Westen

Rahmenbedingungen fest, die Hoffnungen auf

der Suchdienst und andere Einrichtungen des

eine engere Kooperation erfüllen sich jedoch

DRK, ihr Los zu erleichtern. Nach Auffassung

nicht. Eines der wenigen greifbaren Ergebnisse

der ostdeutschen Seite stellt „Republikflucht“

bildet ein Bildheft mit 450 nicht identifizierten

indes kein humanitäres Problem dar, mithin

Findelkindern, das die beiden deutschen Rot-

bräuchte auch das Rote Kreuz sich damit

kreuzgesellschaften gemeinsam herausbringen. 55


1957 Die große Rekonstruktion BILDLISTEN UND HEIMKEHRERBEFRAGUNGEN

Eine Suchliste der Hoffnung Ein toter Soldat ist eine Tatsache, ein vermisster

Zur wichtigsten Informationsquelle für den Such-

hingegen ein Rätsel. Die extrem hohe Zahl der im

dienst und damit für die vielfach von Ungewiss-

Osten verschollenen Soldaten rührt zum einen

heit gepeinigte Bevölkerung werden daher die

daher, dass beide Seiten die Genfer Konvention

aus der Sowjetunion heimkehrenden Kriegs-

nicht angewendet haben, zum anderen von den

gefangenen. Die letzten treffen, als Ergebnis von

die Hoffnung vieler Angehöriger erneut darauf, daß vielleicht der Vater, der Bruder oder Sohn überra-

ungeheuren Dimensionen der Kampfhandlungen,

Konrad Adenauers Moskaureise, Anfang 1956

schend dabei sein könnte, obwohl – es muß gesagt werden – offiziell kaum mehr mit einer Heimkehr

auch von deren raschem, ruckartigem Verlauf. So

im Auffanglager Friedland ein. Dort haben

dass die militärischen Stellen weder auf deut-

Mitarbeiter des DRK-Suchdienstes bereits in den

scher noch auf russischer Seite in der Lage

ersten Nachkriegsjahren mit einer Bildkartei gute

waren, die eigenen Verluste wie auch die Zahl der

Erfolge erzielt. Nun erstellt der Suchdienst

Bildersuchdienst. Die Angehörigen werden mit Hilfe von Karten befragt und gleichzeitig gebeten, ein

Gefangenen an Ort und Stelle zu erfassen. Hier

systematische Bildlisten von Kriegsverschollenen,

Bild des Soldaten mitzuschicken. Diese Bilder veröffentlicht der Suchdienst dann in einer eigenen

blieben dadurch zahllose Tote unbeachtet, dort

die jeder Heimkehrer nach ihm bekannten Fällen

starben viele Männer schon in den ersten Tagen

durchforsten soll. Ganz wie bei den Oldenburger

der Gefangenschaft oder auf dem Weg ins Lager,

Schützen anno 1866 erkundigen sich die Helfer,

bevor ihre Personalien erfasst wurden. Daher

„wen er von seinen Kameraden todt gesehen“,

vermißten Angehörigen des Panzer-Regiments 36, das im Frieden in Schweinfurt stationiert war, und

liegen über ihren Verbleib keine verlässlichen

und wen er noch lebend in Erinnerung hat, aus

dessen Weg von Frankreich über den Balkan bis Stalingrad in allen Einzelheiten beschrieben ist. »

Angaben vor. Aber, das hat die Erfahrung gelehrt,

einem der 3500 Straflager in der Sowjetunion.

oft gibt es Zeugen: diejenigen Soldaten, die

Die Heimkehrererzählungen fallen meist kurz

zusammen mit ihnen kämpften und in Gefangen-

und lakonisch aus: „Ich habe ihn gesehen …

schaft gerieten.

er ist getroffen worden … sie sind alle tot.“

56

« Über 800 vermißte und verschollene ehemalige deutsche Soldaten sind noch bei der Kreisgeschäftsstelle des Roten Kreuzes in Haßfurt registriert, ohne daß diese Schicksale aufgeklärt werden konnten. Nachdem in diesen Tagen erneut Heimkehrertransporte aus der Sowjetunion eintreffen, richtet sich

eines der Soldaten gerechnet wird, die sich bisher noch nicht brieflich gemeldet haben. Bei der Aktualisierungsaktion des Rot-Kreuz-Suchdienstes handelt es sich um einen neuartigen

Bildersuchliste, die später jedem ehemaligen deutschen Soldaten, der sich in Gefangenschaft befand, ausgehändigt wird. So erhielten in diesen Tagen mehrere Heimkehrer im Kreis bereits eine Liste mit

Fränkischer Tag, 10. Januar 1956


1957 Die große Rekonstruktion

Anhand von Bildlisten befragen Helfer und Schwestern des DRK heimgekehrte Kriegsgefangene nach noch vermissten Soldaten

58

Doch jede zweckdienliche Mitteilung hilft, dieses

Sie umfasst über zweihundert Bände, jeder mit

ungeheure menschliche Puzzle zu vervollstän-

etwa siebenhundert Seiten, auf denen steckbrief-

digen. 1,8 Millionen Aussagen werden aufgenom-

artig je zwanzig Männer gesucht werden: Name,

men. Die systematische Befragung der Heimkehrer

Beruf, Geburtsdatum, Heimatgemeinde, Ort und

geht mit einer hohen Spendenbereitschaft an das

Zeit der letzten Nachricht („Stalingrad 1/43“).

Rote Kreuz und breiter gesellschaftlicher Anteilnah-

Dazu, soweit vorhanden, ein Foto des Vermissten.

me einher. Wobei der Suchdienst selbst nicht aus

Jeder Kreisverband erhält einen kompletten

Spenden, sondern aus Zuwendungen der Bundes-

Satz und schickt einen Kleinbus damit durch die

regierung finanziert wird. Parallel wächst die Zen-

Lande, um weitere Heimkehrer zu erreichen. In

tral-Suchkartei in München unaufhörlich; am Ende

Gaststätten und Rathäusern zeigen Rotkreuzhelfer

wird sie über fünfzig Millionen Karteikarten umfas-

ihnen dann die Bilder der Nichtheimgekehrten,

sen. Verschollenheit als Massenschicksal. Regel-

jede Woche in einem anderen Ort. Die Protokolle

mäßige Rundfunkdurchsagen mit Suchmeldungen

dieser Befragungen zeugen von ihren mühsamen

untermalen den Alltag der Nachkriegsgesellschaft

Recherchen: „Entsinnt sich nicht mehr … unbe-

als tragische Litanei. Auch eine eigene Suchdienst-

kannt verzogen … bereits Auskunft gegeben.“

zeitung hält das Thema in der Öffentlichkeit

Doch manchmal heißt es: „Auskunft liegt bei.“

präsent und bringt Monat für Monat neue Bildlisten

Seit 2015 sind die Vermisstenbildlisten als

in Umlauf. Die gesammelten Listen erscheinen

historisches Dokument und als Ausgangspunkt

schließlich in Buchform. Es ist eine ungeheuerliche

für gezielte Fragen der nachfolgenden Generation

Edition, eine Enzyklopädie der Verzweiflung.

online unter www.drk-suchdienst.de verfügbar. 59


1960 Aus zuverlässiger Quelle

Die Wahrheit, soweit erkennbar

ENTWICKLUNGEN AUF DER INTERNATIONALEN BÜHNE

« Die ermittelten Fakten zu einem verständlichen Text zu verarbeiten, der nicht nach einem schöngefärbten Wehrmachtsbericht klang, aber dennoch nichts unterschlug – das war schwierig. Schwierig vor allem auch, weil jedes Gutachten eine Todesnachricht enthielt, die erst Jahrzehnte nach Kriegsende auf den Tisch gelegt wurde. Als Richtschnur galt deshalb, in der Formulierung alles wegzulassen, was die Grau-

In der Schlacht von Solferino 1859 gerieten

aufrechtzuerhalten. Außerdem übernimmt diese

etwa viertausend Soldaten in Gefangenschaft.

Zentralagentur die Verständigung zwischen

Im Zweiten Weltkrieg waren es zehntausendmal

Familienmitgliedern, die durch Kriegsereignisse

so viel: an die vierzig Millionen. Entsprechend

voneinander getrennt worden sind. Sie benach-

komplex und unüberschaubar gerät das Unter-

richtigt die Angehörigen, wenn ein Soldat in

Schwulst militärischer Fachausdrücke und ohne emotionale Äußerungen zu Papier gebracht werden, aber

fangen, den Kontakt zwischen ihnen und ihren

Gefangenschaft gerät, und sie teilt ihnen auch

sie mußte gleichwohl für den Empfänger des Gutachtens zumutbar und glaubwürdig bleiben. Abstriche

Angehörigen zu ermöglichen. Als Nachfolge-

mit, wenn er dort stirbt. Schon 1955 hat das

aus falsch verstandener Rücksichtnahme hätten die Substanz des Gutachtens ausgehöhlt und wertlos

organisation des „Service de recherche“ und der

IKRK das Trägermandat für den Internationalen

gemacht. Es gab nun einmal leider keinen Ausweg: der Gesuchte war ums Leben gekommen, und das

Zentralagentur für Kriegsgefangene richtet das

Suchdienst im hessischen Bad Arolsen erhalten

Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf

(International Tracing Service, ITS). Erster

mußte gesagt werden.

1960 eine „Central Tracing Agency“ ein. Im Falle

Direktor wird Nicolas Burckhardt, der während

eines bewaffneten Konfliktes können die natio-

des Zweiten Weltkriegs bereits in der Zentral-

nalen Nachforschungsdienste der beteiligten

stelle für Kriegsgefangene in Genf gearbeitet hat.

Länder über diese neutrale Stelle Informationen

Der ITS übernimmt die Nachforschungen zu

die Strapazen einer langen Gefangenschaft erspart blieben, die vermutlich auch nur zu seinem Tode ge-

austauschen. Falls, was etwa im Falle einer

nicht-deutschen Flüchtlingen und heimatlosen

führt hätten. Nach so langer Zeit Gewißheit zu haben, verlangt, daß wir jetzt umdenken, denn insge-

Okkupation häufiger vorkommt, bei einer Kriegs-

Ausländern („displaced persons“) sowie zu allen

heim haben wir doch immer auf ihn gewartet. Die ‹taktvollen Formulierungen› in dem Gutachten sind

partei keine funktionsfähige Rotkreuz- oder

vom NS-Regime verfolgten und ermordeten

identisch mit unserem Empfinden: daß wir gut daran tun, auf nichts mehr zu hoffen. Das Gutachten ist

Rothalbmondgesellschaft mehr besteht, tritt das

Menschen. Steht in den ersten Jahrzehnten die

IKRK auch selbst an deren Stelle und versucht,

konkrete Nachforschungsarbeit im Vordergrund,

ein Anruf aus der Vergangenheit. »

die Bestimmungen der Genfer Konvention

so entwickelt sich die Einrichtung im Laufe der

samkeit des Krieges verdeutlicht hätte. Zu vermeiden war aber auch der Eindruck, es handele sich um einen mechanischen Fabrikationsprozeß, kalt, distanziert und nur in Gang gesetzt, um in der Statistik wieder einige tausend Fälle abbuchen zu können. Die Wahrheit, soweit erkennbar, mußte ohne den

Wir fassen die Stimmen, die das Empfinden über die Gutachten ausdrücken, nach der Lektüre von einigen hundert Briefen so zusammen: wir kennen jetzt wenigstens Zeit, Ort und Begebenheiten, die für unseren Gesuchten von letzter Bedeutung waren. Es ist erträglicher zu wissen, daß er gefallen ist und ihm

Kurt W. Böhme, Mit hoher Wahrscheinlichkeit

60


1960 Aus zuverlässiger Quelle

Neben dem DRK-Suchdienst entwickelt sich der Internationale Suchdienst (ITS) in Bad Arolsen zur wichtigsten Nachforschungseinrichtung für die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Er ist zuständig für nichtdeutsche Flüchtlinge, heimatlose Ausländer und Opfer der NS-Verbrechen. Hier Karteikästen mit Auskünften über die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald

Jahre auch zu einer

Meist kann der Suchdienst

bedeutenden Dokumen-

aufgrund des Schicksals der

tationsstelle. Heute ver-

jeweiligen Wehrmachtsein-

fügt sie über das welt-

heit das mutmaßliche

größte Archiv mit

Schicksal des Betroffenen

Dokumenten zu Opfern

schlüssig rekonstruieren und

des Nationalsozialismus.

in einem Gutachten Ort und

Es enthält Unterlagen

Zeitpunkt des Todes eingren-

über mehr als 17 Millionen Betroffene. Aneinan-

zen. Für die Angehörigen ist es ein schmerzlicher

dergereiht, würden die Aktenordner sich über

Prozess, den unwiederbringlichen Verlust des

26 Kilometer erstrecken.

geliebten Vaters, Bruders, Sohnes oder Ehe-

Parallel widmet sich der DRK-Suchdienst

manns zu akzeptieren. Einerseits sehnen sie sich

wie gehabt den Nachforschungen nach vermiss-

danach, endlich abschließen zu können. Ande-

ten deutschen Soldaten, Gefangenen und

rerseits scheuen viele davor zurück, ihn end-

Zivilpersonen wie auch nach deutschstämmigen

gültig für tot erklären zu lassen. Doch selbst

Flüchtlingen. Mittlerweile sind alle noch in der

in diesem Fall, das zeigen zahllose Zuschriften,

Sowjetunion verbliebenen Gefangenen heim-

sind sie für die Expertise des Suchdienstes

gekehrt. Wer weiterhin vermisst wird, ist mit an

dankbar. So können sie falsche Hoffnungen

Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot,

begraben, können frei werden für das Glück des

von wenigen Sonderfällen abgesehen.

eigenen Überlebens und für das Gedenken. 63


1966

Grundausstattung

Ein Dienst für alle Fälle DIE EINRICHTUNG DES AMTLICHEN NATIONALEN AUSKUNFTSBÜROS

Der Leiter des Kreisauskunftsbüros sorgt für die sachgerechte Lagerung der Bürokiste, damit sie nicht beschädigt wird und jederzeit sofort erreichbar ist. Der Inhalt darf nur bei einem Einsatz oder einer Katastrophenübung verwendet werden. Danach ist sofort das verbrauchte Material nachzufordern. INHALTSVER ZEICHNIS FÜR DEN K ATASTROPHENFALL

Seit 1949 sah die überarbeitete Genfer Kon-

Erdbeben oder Großschadensereignissen wie

vention für jeden Unterzeichnerstaat vor, eine

Zugunglücken und Industriekatastrophen.

amtliche Auskunftsstelle einzurichten, und zwar

Auch dabei werden häufig Menschen vermisst,

nicht nur, wie bisher, für Gefangene, sondern

Angehörige auseinandergerissen, und der

ebenso für Zivilpersonen. 1954 ratifizierte der

Bedarf an Information und Beratung ist hoch.

Deutsche Bundestag das Abkommen. Nach

Die ohnehin für den Fall eines bewaffneten

längeren Verhandlungen überträgt die Bundes-

Konflikts bereitgehaltene Infrastruktur wird bei

regierung schließlich 1966 dem DRK die Schaf-

solchen Katastrophen durch die DRK-Landes-

fung einer solchen Stelle. Ihre Direktion wird

und Kreisauskunftsbüros ergänzt. Sie richten

im Generalsekretariat angesiedelt.

Personenauskunftsstellen ein und betreuen

Während die Hauptarbeit des Suchdienstes

hilfesuchende Angehörige, in Abstimmung

zu dieser Zeit weiterhin die Aufklärung von

mit anderen zuständigen Institutionen und

Vermisstenfällen aus dem Zweiten Weltkrieg ist,

einschlägigen Hilfsangeboten.

soll der neue Dienst auch für künftige Notlagen

Die Kreisauskunftsbüros können dabei

bereitstehen. Zunächst in erster Linie für den

auf geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter zurück-

Kriegsfall vorgesehen, wird seine Zuständigkeit

greifen. Die Übereinkunft schreibt vor, dass sie

bald auch auf zivile Ausnahmezustände

im Einsatz das Dienstabzeichen tragen.

erweitert, etwa bei Überschwemmungen,

FOR MUL A R E

25 Kugelschreiber blau

300 Begleitkarten

1 Kugelschreiber rot

300 Aushängekarten für Verletzte und Kranke

3 Radiergummis

300 Ausweis-Bezugskarten

1 Schere

300 Suchkarten

50 Blatt Schreibpapier DIN A 4

100 Stammkarten

50 Umschläge DIN A 6

50 Schicksalsmeldekarten 300 Schnellbenachrichtigungskarten

SONSTIGE UTENSILIEN

100 IKRK-Formulare 61

1 Absperrseil 1 Knäuel Bindfaden

BÜROM ATER IA L

25 Dienstabzeichen

20 Bleistifte

2 Rotkreuz-Flaggen

1 Bleistiftspitzer

1 Schild Gemeinsame

1 Schachtel Büroklammern à 1000

Auskunftsstelle der Hilfsorganisationen

1 Heftmaschine

2 Schlösser mit 2 Schlüsseln

1 Schachtel Heftklammern à 1000

1 RK-Aufkleber

1 Klebestift

1 KAB-Aufkleber

50 Blatt Kohlepapier Als zusätzliche Hilfsmittel haben sich bewährt: Einsatztagebuch, Meldeblock, Karte des Kreisgebiets, DRK-Kalender, Sicherheitsnadeln.

Das amtliche Auskunftsbüro der Bundesrepublik Deutschland - Handbuch mit Dienstanweisungen

64


1966 Ein Dienst für alle Fälle

Wurde die Registrierung der Betroffenen anfangs nur von Hand vorgenommen, so hat sich mit dem Aufkommen der EDV bald ein zweigleisiges Verfahren eingebürgert. Doppelt hält besser: Im Ernstfall werden die Angaben heute sowohl in eine manuellen Kartei eingespeist wie auch in ein elektronisches Programm, das den Namen „Xenios“ trägt.    In der DDR ist das Amtliche Auskunftsbüro dem dortigen Roten Kreuz bereits 1959 als Aufgabe übertragen und vier Jahre später eingerichtet worden. 2001 wird die SuchdienstVereinbarung mit dem Bundesministerium des Innern neu gefasst; sie schließt die Aufgabe des Amtlichen Auskunftsbüros weiterhin mit ein.

Nachdem dem DRK die Einrichtung des amtlichen nationalen Auskunftsbüros übertragen worden ist, stellen die Kreisauskunftsbüros derartige Kisten mit Büromaterial bereit, um im Ernstfall für die Erfassung gerüstet zu sein

66

67


1975 Leichtes politisches Tauwetter

Den Teufelskreis durchbrechen

HELSINKI UND DIE FOLGEN

Nachdem die Nachkriegsordnung in Europa

Diese Rahmenbedingungen eröffnen bessere

auf beiden Seiten lange als provisorisch ange-

Möglichkeiten für die Arbeit des Deutschen

sehen wurde, leitet die 1973 begonnene Kon-

Roten Kreuzes in seiner Doppelfunktion als

ferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit

nationale Hilfsgesellschaft und Wohlfahrts-

in Europa (KSZE) eine neue, kooperativere

verband. Mittels des Suchdienstes können

Phase ein. Dieser Prozess mündet zwei Jahre

getrennte Familienangehörige auf beiden Seiten

später in die Schlussakte von Helsinki ein,

miteinander in Verbindung treten, die erforder-

welche die jeweiligen Machtsphären konsolidiert

lichen Unterlagen beibringen und die lang-

und die politischen Beziehungen auf eine

wierigen bürokratischen Prozeduren bewältigen.

stabilere Grundlage stellt. Handel, Verkehr und

Im Westen angekommen, hilft das DRK den

Kommunikation zwischen den Ostblockstaaten

Übersiedlern dann, sich in die neuen Verhält-

und der westlichen Welt werden erleichtert,

nisse einzuleben.

völker- und menschenrechtliche Prinzipien

Wieder kommt es vor allem mit Polen

konkretisiert. Im Rahmen der „Zusammenarbeit

zu einer Zusammenarbeit größeren Stils; bis

in humanitären und anderen Bereichen“ heißt es:

1982 können etwa 225 000 deutschstämmige

„Die Teilnehmerstaaten werden die Bemühungen

Aussiedler ausreisen. Auch aus Rumänien

des Roten Kreuzes unterstützen, die sich mit

können jährlich rund 12 000 Menschen zu ihren

den Problemen der Familienzusammenführung

Verwandten in die Bundesrepublik und ins

befassen.“

übrige Westeuropa ziehen; für einige Jahre

68

« Eine seiner größten Aufgaben wuchs dem Roten Kreuz nach dem Kriege zu, als Millionen Mitmenschen ihre Heimat verloren hatten, Familien auseinandergerissen wurden, zurückkehrende Soldaten ihre Heimatorte leer oder ausgebombt vorfanden. In dieser Zeit entstand der Suchdienst, der einer großen Zahl von Menschen wieder zueinanderhalf. Das Wort ‹Familienzusammenführung›, jene große Aktion der Menschlichkeit, die dem Deutschen Roten Kreuz anvertraut wurde und hier in den besten Händen ist, dieses Wort ist noch immer von brennender Aktualität. Ich appelliere an die politisch Verantwortlichen: Öffnen Sie die Tore, damit die Eltern zu den Kindern, der Bruder zu der Schwester, die Familie zur Familie kommen kann. Kein Staatsinteresse kann es rechtfertigen, Menschen, die zueinander wollen, nicht zueinander zu lassen. In Europa wird nach vielen Epochen schrecklicher Kriege der Versuch unternommen, eine Politik des dauerhaften Friedens und seiner Sicherung einzuleiten. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihren Beitrag dazu geleistet. Wir tun das in dem Wissen, daß unserer Generation eine historische Aufgabe gestellt ist, den Teufelskreis von Unrecht und Gegenunrecht zu durchbrechen. Nicht Gräben zu vertiefen und Mauern zu errichten, sondern sie einzuebnen ist das, was die Völker Europas von den Regierenden erwarten. Und so, wie wir Trennendes überwinden wollen, wollen wir auch die Trennung der Menschen, die zueinander wollen, überwinden. Die Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes bei dieser wahrhaft humanen Aufgabe bleibt unvergessen. Sie ist eine Arbeit im Stillen, und sie ist umso wirkungsvoller. »

der damalige Bundesminister des Innern, Hans-Dietrich Genscher, im Vorfeld der Helsinki-Konferenz 1973


1975 Leichtes politisches Tauwetter

gestattet auch die Sowjetunion eine liberalere

Auch die Zusammenarbeit der Suchdienste bei

Praxis. Die verbesserten Postverbindungen

der Klärung von Schicksalen aus dem Zweiten

ermöglichen einen regeren Austausch, auch

Weltkrieg verläuft schleppend. Der größeren

Geschenksendungen wie Lebensmittel- und

Erfolgsaussichten wegen fragen DDR-Bürger oft

Bekleidungspakete können nun in größerem

in München oder Hamburg an. Doch viele ihrer

Umfang geschickt werden. Auch in diese

Briefe werden ebenso als „Hetzpost“ beschlag-

Akivitäten sind die Rotkreuzgesellschaften

nahmt wie 70 000 Gutachten des Münchner

der betreffenden Länder einbezogen.

Suchdienstes. Dass mehr als eine Million Deut-

Zwischen der BRD und der DDR findet

sche in sowjetischen Lagern ums Leben gekom-

hingegen keine vergleichbare Entwicklung statt,

men sind, rührt an ein ideologisches Tabu. Vom

die Situation ist eine andere als bei den ost-

Schicksal der politischen Gefangenen in Bautzen

europäischen Staaten. Zwar interveniert das

oder Berlin-Hohenschönhausen nicht zu reden.

westdeutsche DRK in begründeten humanitären

Der Suchdienstarbeit sind enge politische

Fällen und kann auch einzelne Erfolge vorweisen,

Grenzen gesetzt.

doch das Verhältnis bleibt gespannt.

Im Grenzdurchgangslager Friedland in Niedersachsen erhalten Aussiedler aus der Sowjetunion vom DRK passende Kleidung

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1978

In alle Winde zerstreut

S.O.S. im Südchinesischen Meer DIE TRAGÖDIE DER „BOAT PEOPLE“

Nach Ende des Vietnam-Kriegs und der kom-

Sie führt Hilfsgüter im Wert von drei Millionen

munistischen Machtübernahme setzt eine

Mark mit sich und ist auch für medizinische

Massenflucht aus dem Süden des Landes ein.

Nothilfe eingerichtet. Delegierte des DRK

1,6 Millionen Menschen versuchen, ins Ausland

verstärken die vielen internationalen Rotkreuz-

zu gelangen, überwiegend in Booten, so dass

teams, die in Flüchtlingslagern in Thailand,

sich die Bezeichnung „boat people“ einbürgert.

Indonesien und Malaysia im Einsatz sind,

Ein äußerst gefährliches und verzweifeltes

vereinzelt auch in Singapur und auf den

Unterfangen, das schätzungsweise eine Viertel-

Philippinen. Dort werden die Personalien

million Flüchtlinge mit dem Leben bezahlt.

der Ankommenden routinemäßig registriert

Auch aus Kambodscha fliehen bald immer

und etwaige Suchanfragen aufgenommen.

mehr Menschen.

Dies geschieht im Zusammenwirken mit den

Unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit

Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften

beteiligt sich das DRK auf vielfältige Weise an

dieser Länder, denen das DRK beim Aufbau

den Hilfseinsätzen. Nachdem es bereits während

eines eigenen Suchdienstes hilft.

des Kriegs über mehrere Jahre hinweg das

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich

Hospitalschiff Helgoland betrieben hat, schickt

bei den Schreibweisen der Namen. Nicht allein,

es nun ein eigenes Versorgungsschiff, die Flora,

dass Vietnamesisch ohnehin eine komplizierte

ins Südchinesische Meer.

Sprache darstellt, die Ehepartner und

« Was geschieht, wenn eine Familie – Vater, Sohn und zwei kleine Töchter – durch unglückliche Umstände getrennt werden? Was geschieht, wenn der Vater durch ein kleines Boot voller hoffnungsloser Menschen an einen Ort gebracht wird, an den er gar nicht möchte? Und endlich, was geschieht mit dem Sohn und den Töchtern, die ebenso hoffnungslos auf der unbekannten See treiben, auf der Suche nach einem Zuhause, das es vielleicht gar nicht gibt? Dies ist die Geschichte von Vo Kiet, seinem Sohn Vo Doc und den beiden kleinen Töchtern, einer vietnamesischen Familie, die aus ihrer Heimat geflüchtet ist. Dank des Suchdienstes des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes, der Grenzen überschreitet und die halbe Welt umspannt, ist es trotz der harten Erlebnisse ein Bericht mit einem glücklichen Ausgang. Im Gegensatz zu den Unglücklichen, die ertrunken waren, landete Vo Kiet in einem malaysischen Lager. Weil er einen Angehörigen in der

BRD hatte, gehörte er zu den Bevorzugten, die nach einiger Zeit dorthin ausreisen durften. Im Lager Friedland fand er Aufnahme. Die Kinder hingegen erreichten die Flüchtlingsinsel Palau Bidong, die ebenfalls zu Malaysia gehört. Hier kamen sie mit dem Suchdienst des Roten Kreuzes in Berührung. Der Mitarbeiter vermerkte in seinem Bericht, daß der junge Flüchtling Vo Doc sofort mit der Bitte auf ihn zukam, seinen Vater zu suchen und angab, daß auf dessen letztem Brief die Adresse ‹West-Germany› gestanden habe. Sicher war er sich aber nicht. Der Vater seinerseits hatte bei der Ankunft in Friedland einen ähnlichen Antrag gestellt. Dieser war nach Genf geschickt worden, wo er mit dem Antrag seines Sohnes zusammentraf. Die ‹Begegnung› der Anträge war der Beginn der Zusammenführung dieser Familie. Dieser Fall ist unter der Nummer 00205 KL (Kuala Lumpur) beim Suchdienst registriert. Inzwischen ist man bei der Nummer 02900 angekommen. »

Panorama, Zeitschrift der Liga der Rotkreuz-Gesellschaften, Genf, 1979

72


1978 S.O.S. im Südchinesischen Meer

manchmal sogar die Kinder

Das DRK hilft bei ihrer Be-

tragen auch noch unter-

treuung und Eingliederung.

schiedliche Familiennamen.

Viele von ihnen, denen Ange-

Zudem werden bei chine-

hörige auf der Flucht abhan-

sischstämmigen Vietname-

den gekommen sind, wenden

sen Vor- und Nachname

sich an den Suchdienst in

meist umgestellt. „Allein in

München. Einige Fälle sind

den ersten Wochen erreich-

bis heute ungeklärt.

ten uns dreitausend Such-

Im Rückblick erweist

anfragen“, berichtet ein

sich die Vietnam-Hilfe als

Helfer. In Einzelfällen können Personen durch

der erste Schritt zur Globalisierung des

einfaches Ausrufen der Namen in den Lagern

DRK-Suchdienstes. Heute ist es für ihn fast

gefunden werden. Meist aber sind langwierige

Routine, bei Suchanfragen weltweit unterstüt-

Recherchen unausweichlich.

zend mitzuwirken, sofern Angehörige der

Zum ersten Mal in seiner Geschichte legt

Gesuchten sich in Deutschland aufhalten.

der Suchdienst eine außereuropäische Kartei an. Rund 40 000 Flüchtlinge finden schließlich Aufnahme in der Bundesrepublik. Hoffnung auf einen Neuanfang: Eine Familie aus Südostasien hat in einem Flüchtlingsheim des DRK in Deutschland Aufnahme gefunden

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75


1988 Heimkehr in ein unbekanntes Land

Blitzaktion in Montabaur

DIE BETREUUNG VON AUSSIEDLERN UND SPÄTAUSSIEDLERN

Seit den fünfziger Jahren siedeln deutschstäm-

Sowjetunion, vor allem aus Sibirien und den

mige Osteuropäer mehr oder weniger kontinuier-

zentralasiatischen Republiken.

lich in die Bundesrepublik über, je nach politi-

Der unerwartete Andrang stellt Behörden

scher Lage. Schon 1979 wurde der millionste

und Hilfsorganisationen vor erhebliche Schwie-

Neuzugang im niedersächsischen Grenzdurch-

rigkeiten. Beim Suchdienst Hamburg, der seit je

gangslager Friedland willkommen geheißen.

für die Zusammenführung von Familien zustän-

Insbesondere aus der Sowjetunion aber dürfen

dig ist, muss das Personal aufgestockt werden.

nun immer weniger Menschen übersiedeln. Von

Denn neben dieser Kerntätigkeit kommen noch

60 000 registrierten Bewerbern wird 1985 nur

weitergehende Aufgaben auf ihn zu. Er bietet

mehr 460 die Ausreise gestattet. Dieses Rinnsal

den Betroffenen umfassende Beratung an, er

schwillt jedoch Ende der achtziger Jahre zu

leistet Amtshilfe gegenüber den Behörden bei

einem regelrechten Strom an, als sich das Land

der Anerkennung als Heimkehrer oder Heimat-

infolge der politischen Reformen öffnet. Die

vertriebener sowie bei Entschädigungsfragen,

daraus resultierenden Umwälzungen verändern

er erstattet die Einreisekosten und empfängt die

ganz Osteuropa und ermöglichen schließlich den

Aussiedler in Friedland oder anderen Aufnahme-

Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner

einrichtungen. Falls einzelne während des

Mauer. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung

Transfers medizinische Betreuung benötigen,

gelangen 1990 fast 400 000 Aussiedler nach

organisiert er seit dem Jahr 2000 auch den

Deutschland, gut ein Drittel davon aus der

Krankentransport. Andere DRK-Einrichtungen führen die Betreuung der Aussiedler dann nach

76

« Als ‹behelfsmäßige Notaufnahme› für Aussiedler galt das alte Krankenhaus in Montabaur. Innerhalb von zehn Tagen mußte das unbewohnte und schon ramponierte Gebäude wohnlich hergerichtet werden. Es galt, altes Gerät wegzuräumen, die Heizung zu streichen, Möbel zu organisieren, Töpfe, Pfannen und Kasserollen. Schnell haben der DRK-Kreisverband Unterwesterwald als Träger, die Gemeinde und nicht zuletzt die Bürger von Montabaur geschaltet: Kühlschränke, Herde, Sessel, Spielgerät, Ranzen und Kleider wurden gespendet. Heute ist das Provisorium mit zweihundert Personen ausgelastet, davon mehr als siebzig Kinder. Kaum hat man die Zimmer der Heimleitung betreten, schlägt einem lautes Stimmengewirr entgegen. An die zwanzig Personen mit Kindern sind mit Problemen gekommen. Ein Formular ist zu übersetzen, wo sind die Essensmarken, ein Auto zur Woh-

nungsbesichtigung wird gebraucht, wo liegt die angebotene Dreizimmerwohnung, Klagen über Mitbewohner, wann können die Familienmitglieder nachkommen, wo ist der nächste Zahnarzt … Maximal drei Monate sollen die Aussiedler im Übergangswohnheim bleiben. Oft nur eine Illusion. Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, Anmeldung bei der Krankenkasse, Antrag auf Arbeitslosengeld oder Antrag auf Rente – das ist der ‹normale› Weg. Kontrovers geht es jedoch schon bei der Frage zu, ob sie zuerst einen Deutschlehrgang oder eine Arbeit annehmen sollen. Die älteren Aussiedler sprechen Deutsch, die Kinder kaum. Im Gespräch sind sie sehr zurückhaltend, kaum einer läßt sich photographieren. Die alte Angst sitzt tief … Was diese Menschen vor allem brauchen, ist das ‹Willkommen› eines jeden von uns. »

Ilse Gfrörer in: Jugendrotkreuz und Erzieher, 1988


1988 Heimkehr in ein unbekanntes Land

deren Ankunft fort und unterstützen sie bei

Seit 1993 wird vom Gesetzgeber der Begriff

der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft.

„Spätaussiedler“ gebraucht. Als Folge der

Während die osteuropäischen Staaten den

weiteren Novellierungen des Bundesvertriebe-

Menschen die Ausreise erleichtern, werden die

nengesetzes kommt es zu teilweise dauerhaften

gesetzlichen Bedingungen für die Einreise nach

Familientrennungen; die Gesamtzahl der in

Deutschland mit den Jahren strenger und

Deutschland ankommenden Spätaussiedler

komplizierter. Das Aussiedleraufnahmegesetz,

geht danach deutlich zurück. Erst seit im

das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz und die

September 2013 eine weitere Gesetzesänderung

mehrfachen Verschärfungen des Bundesver-

unverhältnismäßige Familientrennungen vermei-

triebenengesetzes schaffen neue Rahmen-

det, steigen die Einreisezahlen wieder an.

bedingungen, die komplexere Arbeitsabläufe und eine noch eingehendere Beratung der Betroffenen erforderlich machen.

Die Grenzdurchgangslager wie hier in UnnaMassen dienen für Aussiedler aus Osteuropa als Transitstation in ein neues Leben

78

79


1989 Alles in Bewegung

Vorhang auf

MAUERFALL UND WIEDERVEREINIGUNG

Nachdem sie vier Jahrzehnte lang die Vermiss-

Parallel suchen viele Tausende Zuflucht in der

tenschicksale des Zweiten Weltkriegs aufzu-

bundesdeutschen Botschaft in Prag und in

klären versucht haben, denken selbst die Mitar-

weiteren diplomatischen Vertretungen. Das Rote

beiter des Suchdienstes, dass neue Erkenntnisse

Kreuz ist im Großeinsatz. Der Suchdienst über-

in größerem Umfang nicht mehr zu erwarten sind.

nimmt die Registrierung der Flüchtlinge und hat

Doch mit den Umbrüchen in Osteuropa gerät das

auch sehr bald schon aktuelle Anfragen zu

gesamte politische Gefüge in Bewegung. Dies

bearbeiten. Ganze Familien haben sich am

eröffnet nicht nur neue, vielversprechende Mög-

Neusiedler See, dem ersten Schlupfloch im

lichkeiten für Recherchen über Vermisstenfälle,

Eisernen Vorhang, aus den Augen verloren oder

sondern führt auch zu den größten Bevölkerungs-

sind in verschiedenen Auffanglagern gelandet.

verschiebungen seit Ende des Kriegs. So dass

Der Fall der innerdeutschen Grenze führt

sowohl die klassischen Schicksalsklärungen wie

dann zügig zur Wiedervereinigung. Entsprechend

auch die aktuelle Suchdienstarbeit einen gewal-

fusionieren auch die beiden nationalen Rotkreuz-

tigen Schub erfahren. Die beiden zentralen

gesellschaften, indem das DRK der DDR seine

Standorte in München und Hamburg werden

formale Auflösung beschließt und die neu ge-

ebenso von Anfragen überschwemmt wie die

gründeten Landesverbände dem DRK-West

Suchdienst-Leitstelle im DRK-Generalsekretariat

beitreten. Die jeweiligen Suchdienste schließen

in Bonn. Während der turbulenten Wochen im

sich zusammen. Zum 1. Januar 1991 übernimmt

Sommer und Herbst 1989 gelangen rund 20 000

der Standort München den früheren DDR-Such-

DDR-Bürger über Ungarn in den Westen.

dienst als Berliner Außenstelle. Sie setzt ihre

80

« Die Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im Spätsommer 1989 war ein spektakulärer Meilenstein auf dem Weg zur Wiedervereinigung. In Bayern angekommen, mussten die Flüchtlinge dann betreut, verpflegt und vorübergehend untergebracht werden. Der Landesnachforschungsdienst (Suchdienst auf Landesebene) organisierte eine Anlaufund Kontaktstelle für die rasch wachsende Zahl zum Teil desorientierter Flüchtlinge. Durch die oft überstürzte Abund Einreise wurden zahlreiche Familien meist unfreiwillig getrennt. In anderen Fällen war es durchaus beabsichtigt, sich aus alten Bindungen und Verpflichtungen zu lösen. Nach kurzem Zwischenstopp in grenznahen Auffanglagern wanderten die Menschen weiter. Das Bayerische Rote

Kreuz gab die Aufgabe an den Suchdienst München weiter, welcher für das gesamte Bundesgebiet zuständig ist. Zwischenzeitlich entstanden bundesweit über 500 Aufnahmestellen für Flüchtlinge. Dort wurden sie von den ehrenamtlichen Helfern der Kreisauskunftbüros erfasst und ein Durchschlag an den Suchdienst München geschickt. Die Kartei erreichte in der Endphase eine Größenordnung von mehr als 400 000 Karteikarten. Bereits Tage und Wochen nach dem Exodus erreichte eine Flut von Briefen aus der DDR den Suchdienst. Neben Arbeitskollegen, Arbeitgebern, Freunden, Klassenkameraden und Gläubigern suchten Eltern ihre Sprösslinge und ledige, verheiratete oder geschiedene Mütter die Väter ihrer Kinder. »

Suchdienst-Mitarbeiter, in: Der Zukunft zugewandt – Die Vereinigung der beiden deutschen Rotkreuzgesellschaften


1989 Alles in Bewegung

Nach ihrer dramatischen Ausreise im Herbst 1989 werden Flüchtlinge aus der DDR an vielen Bahnhöfen von Helfern des DRK empfangen und versorgt, wie hier in Ahrweiler bei Bonn

82

Arbeit noch bis ins Jahr 2000 fort. Die über Jahr-

sie stellen Fragen, auf welche ihnen die Eltern

zehnte aufgebaute Zentrale Suchkartei mit ihren

keine Antwort geben konnten oder wollten.

fünfzig Millionen Karteikarten, von der man schon

Bei den 100 000 nicht-ehelichen Kindern von

glaubte, dass sie bald ausrangiert würde, leistet

Besatzungssoldaten besteht ebenfalls ein hoher

noch einmal unschätzbare Dienste. In Ostdeutsch-

Klärungsbedarf. Auch aus dem Ausland erreichen

land haben sich zahllose Anfragen aufgestaut,

den Suchdienst immer wieder Anfragen. Da findet

die aufgrund der Zeitumstände und aus politischen

ein Norweger nach dem Tod seiner Mutter in ihrem

Gründen nie gestellt worden sind. Viele Familien

Nachtschrank das Bild eines deutschen Soldaten,

schicken jetzt erstmalig einen Suchantrag nach

der ihm merkwürdig ähnlich sieht. Da bittet die

Vermissten im Zweiten Weltkrieg und aus den an-

Tochter eines in deutscher Kriegsgefangenschaft

schließenden Vertreibungen ab. Es erfolgen auch

verstorbenen Soldaten der Roten Armee den

viele Anfragen zu Schicksalen, die in der DDR tabu

DRK-Suchdienst über die Schwestergesellschaft

waren, wie etwa die stalinistischen Sonderlager

vom Russischen Roten Kreuz um Nachforschun-

oder die Zwangsadoption von Kindern, deren

gen zum Grab ihres Vaters. Da bringen die Zei-

Eltern „Republikflucht“ zur Last gelegt wurde.

tungen nach erfolgreicher Einschaltung des

Doch auch aus Westdeutschland erreichen

Suchdienstes Schlagzeilen wie: „Das erste

den Suchdienst nach wie vor entsprechende

Telefonat nach sechzig Jahren“ oder „Hast

Erkundigungen. Mittlerweile geht auch die Genera-

Du von der Halbschwester gewußt?“

tion der Kinder der Familiengeschichte nach –

83


1992 Zeugen aus der Vergangenheit DIE ÖFFNUNG DER RUSSISCHEN ARCHIVE

In der Zeitmaschine « Das Sonderarchiv war eine ‹Einrichtung geschlossenen Typs› und wurde, wie mit einer Zeitmaschine, Anfang der neunziger Jahre in eine andere Epoche geworfen. In dieser Situation blieb nur, sich den modernen Bedingungen anzupassen. Die Notwendigkeit, eine große Anzahl von

Von fast 450 000 Suchmeldungen, die zwischen

filmen geliefert, später dann eingescannt und

1957 und 1991 an das Sowjetische Rote Kreuz

auf CD-ROMs und DVDs übertragen.

gingen, konnten nur 80 000 geklärt werden. Eine

Bis 1999 folgen viele weitere Arbeitsbe-

unbefriedigende Bilanz. Doch nun bewirken die

suche, bei denen erneut beträchtliche Bestände

gesellschaftlichen Reformen nach und nach eine

erschlossen werden können, darunter beim

Lockerung der bis dahin äußerst restriktiven und

Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums

selektiven Informationspolitik. Glasnost öffnet

in Podolsk, beim Militärmedizinischen Museum

auch die Archive, zumindest einen Spalt weit.

in St. Petersburg, beim Archiv des Föderalen

Nachdem bereits 1989 Sondierungsge-

Sicherheitsdienstes, beim Archiv des Innen-

Dokumenten freizugeben (alle Akten trugen den Stempel ‹geheim›) war eines der schwierigsten Probleme. Dem Archiv ist die Lösung dieser Aufgabe gelungen. Die Freigabe gestattete es, eine große Masse von Dokumenten wissenschaftlich zugänglich zu machen. Sie enthielten Informationen über ausländische Kriegsgefangene, welche in Lagern in der Sowjetunion gewesen waren. Der Vorgang hatte auch große Bedeutung bei der Lösung humanitärer Fragen, die mit der Schicksalsklärung von Soldaten zusammenhingen.

spräche stattgefunden haben, kommt es 1992

ministeriums der Russischen Föderation und

Einen echten Durchbruch brachte die Anwendung neuer automatisierter Technik. Seit Be-

zur ersten größeren Vereinbarung zwischen dem

anderen Stellen. Gemeinsam mit der Stiftung

DRK, dem staatlichen militärischen Sonderarchiv

Sächsische Gedenkstätten erhält der DRK-

ginn der neunziger Jahre wurden gemeinsam mit deutschen Institutionen, vor allem mit dem

und dem Archiv des einstigen NKWD („Archiv

Suchdienst im Jahr 2003 dann auch noch über

Deutschen Roten Kreuz, eine Reihe von Projekten zur Schaffung von computergestützten Da-

Oktoberrevolution“) über einen umfangreichen

zwei Millionen personenbezogener Akten aus

tenbanken durchgeführt. Das DRK erhielt die Möglichkeit, unmittelbar in Deutschland Namen

Datentransfer. Als Gegenleistung stellt der Such-

dem staatlichen russischen Militärarchiv zur

dienst zur Erfassung der Dokumente Computer,

Verfügung gestellt. Auch heute noch treffen

Mikrofilmkameras und Kopiergeräte zur

in geringerem Umfang Dokumente aus bislang

Verfügung, die zu dieser Zeit in Russland noch

nicht zugänglichen Beständen ein.

kaum zu bekommen sind. Die ersten Unterlagen werden noch auf Disketten und auf Mikro84

und Schicksale [von Wehrmachtsangehörigen] festzustellen. Heute umfasst diese Datenbank ungefähr 1,5 Millionen Datensätze mit jeweils 28 Angaben. »

Nun können die Daten beider Seiten miteinander abgeglichen werden.

Vladimir Korotaev, stellvertretender Direktor des staatlichen russischen Militärarchivs (RGWA)


1992 Zeugen aus der Vergangenheit

Die zentrale Dokumentations- und Auskunftsstelle am Standort München wertet eingescannte russische Dokumente zum Verbleib von Vermissten und Gefangenen des Zweiten Weltkriegs aus

86

Heinrich Rehberg, damals Leiter des Standortes

Wenn der Name „Hühnerbein“ in den russischen

München, erklärt das Verfahren: „Das kann man

Unterlagen zu „Aneby“ verballhornt wird, bedarf

sich vorstellen wie zwei Glücksräder, die gegen-

es schon umfassenden Erfahrungswissens, um

einander laufen: das eine enthält die alten

eine Identifizierung vorzunehmen. Die Zuordnung

Suchanträge, das andere die neuen Quellen der

der neuen Akten zu den alten Suchanfragen

russischen Archive.“ Damit kann der Suchdienst

gerät zu einer großen Herausforderung für die

die Arbeit von Jahrzehnten nachhaltig komplet-

Mitarbeiter des Suchdienstes.

tieren, sowohl bei den Kriegsgefangenen wie bei

Im Jahr 2008 wird das so angereicherte

den Insassen der sowjetischen Speziallager im

Archiv noch einmal gefordert. Per Gesetz

Osten Deutschlands.

erhalten jetzt auch ehemalige DDR-Bürger eine

Die hohe Zahl der ungeklärten Fälle und

Heimkehrerentschädigung für die Zeit ihrer

der abschlägigen Antworten rührte weniger aus

Kriegsgefangenschaft zugesprochen. Knapp

Nachlässigkeit oder bösem Willen her, sondern

100 000 sind davon betroffen und müssen nun,

vielfach von Zweideutigkeiten und Hörfehlern

sechzig Jahre danach, ihre Haftzeit nachweisen.

beim Buchstabieren der deutschen Namen

Nicht selten aber fehlen die nötigen Unterlagen.

durch russische Soldaten sowie durch die Über-

Dank seines umfangreichen Archives und der

tragung ins kyrillische Alphabet. Derartige Feh-

mittlerweile aufbereiteten sowjetischen Bestände

lerquellen verhindern häufig, dass die deutschen

kann ihnen der Suchdienst in den meisten

Anfragen mit den russischen Angaben zur

Fällen helfen.

Deckung gebracht werden können. 87


1999 Krieg in Europa

Angaben zur vermissten Person

DIE GESCHEHNISSE AUF DEM BALKAN

Während der Fall des Eisernen Vorhangs

Erst als die Kämpfe abflauen und das Inter-

Deutschland die Wiedervereinigung beschert,

nationale Komitee vom Roten Kreuz Delega-

bricht das frühere Jugoslawien während meh-

tionen in die neu entstandenen Nachfolgestaa-

rerer Kriege von 1991 bis 1995 in ein halbes

ten entsendet, kann eine halbwegs geregelte

Dutzend Teilstaaten auseinander. 1999 findet

Suchdiensttätigkeit in Gang kommen. Von

diese Entwicklung dann im Kosovokrieg ihre

größtem Wert für die Zivilbevölkerung sind

Fortsetzung. Auch zahlreiche Menschen in

gleichzeitig die Rotkreuz-Familiennachrichten:

Deutschland sind direkt davon betroffen: Über

kurze, auf ein Formblatt geschriebene Mitteilun-

eine halbe Million Menschen aus dem früheren

gen, die neunzehn Zeilen umfassen dürfen und

Jugoslawien lebt hier, viele von ihnen kamen

rein persönlichen Charakter haben müssen,

einst als Gastarbeiter. Beim Suchdienst stapeln

um als nicht verschlossene Briefe in und aus

sich die Anfragen, doch Nachforschungen sind

Konfliktgebieten übermittelt werden zu können.

wegen des Kriegs praktisch unmöglich. Der

In Kooperation mit dem IKRK ermöglicht der

Postverkehr ist zum Erliegen gekommen; Mobil-

DRK-Suchdienst den Austausch von rund

funknetze und Internet stehen während der

400 000 solcher Nachrichten während des

ersten Jahre noch kaum zur Verfügung. Solange

Konflikts; einige davon werden bereits elektro-

die Kämpfe anhalten, wäre es zu gefährlich,

nisch übermittelt. Etliche Suchanfragen finden

Helfer ins Kriegsgebiet zu schicken, um Nach-

dadurch ein Happy End – der Gesuchte lebt.

ANGABEN ZUM PERSÖNLICHEN BESITZ

ANGABEN ZUM SCHUHWERK

1 Dokumente 2 Fotografien 3 Fotoalbum 4 Gürtel 5 Tasche 6 Rucksack 7 Aktentasche 8 Armbanduhr 9 Taschenuhr 10 Brille 11 Kontaktlinsen 12 Messer 13 Klappmesser 14 Messerscheide 15 Zigaretten 16 Zigarettenetui 17 Feuerzeug 18 Zigarettenspitze 19 Pfeife 20 Feuerstein 21 Geldbörse 22 Papiergeld 23 Münzgeld 24 Halskette 25 Ring …

1001 Gummistiefel 1002 Freizeitschuhe 1003 Arbeitsschuhe 1004 Turnschuhe 1005 Stiefel 1006 Halbstiefel 1007 Laufschuhe 1008 orthopädische Schuhe 1009 Clogs 1010 Sandalen 1011 Hausschuhe 1012 Socken 1013 Armeestiefel …

33 Schlüssel 34 Schlüsselanhänger 35 Strick, Schnur, Schnürsenkel 36 Kamm 37 Haarbürste 38 Rasierer 39 Rasierpinsel 40 Rasiercreme 41 Spiegel 42 Zahnbürste 43 Zahnpasta … 54 Koran/Bibel 55 Buch 56 Notizbuch 57 Stift 58 Bleistift 59 Mappe 60 Heftordner 61 Löffel 62 Gabel 63 Munitionstasche 64 Gewehrmunition 65 Schrotkugeln 66 Taschentuch 67 Handtuch 68 Flasche …

ANGABEN ZUM GEBISS

1 Füllungen 2 gezogene oder fehlende Zähne 3 Goldzähne 4 Silberzähne 5 gebrochene Zähne 6 Kronen 7 schwarze oder braune Zähne 8 faule Zähne 9 künstliches Gebiss 10 überlappende Zähne 11 Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen 12 Lücke zwischen den unteren Schneidezähnen 13 normales Gebiss/horizontaler Überbiss/vertikaler Überbiss 14 Zahnprothese Oberkiefer 15 Zahnprothese Unterkiefer 16 Brücke

richten zu verteilen oder Menschen aufzuspüren. aus dem neunzehn Seiten umfassenden Fragebogen zur ante-mortem-Datenerhebung in Bosnien und Herzegowina

88


1999 Krieg in Europa

Doch in vielen Fällen findet sich trotz umfassen-

Lebzeiten zutreffenden Angaben über den

der Recherchen keine Spur. Insbesondere nach

Gesuchten, werden mit den post mortem bei

dem Bosnienkrieg, bei dem es zu „ethnischen

den Leichen erhobenen Befunden abgeglichen.

Säuberungen“ gekommen ist, vereinzelt auch

Die Kombination aus Erbgutanalyse und Daten-

zu Massakern. Noch heute werden dort Massen-

bankabgleich liefert ausgesprochen zuverlässige

gräber entdeckt und exhumiert. Zur Iden-

Ergebnisse. So traurig sie für die Angehörigen

tifizierung werden, zum ersten Mal in der Kriegs-

auch sind, geben sie ihnen doch wenigstens

geschichte, forensische DNA-Analysen vor-

Orientierung und Objektivierung in ihrem

genommen. Dabei wird das Erbgut aus den

Schmerz. Trauer lässt sich verarbeiten,

gefundenen Knochen mit DNA aus Blutproben

Ungewissheit nicht.

derjenigen Menschen verglichen, die vermisste

Der größte Teil dieser Erhebungen wird

Angehörige suchen. Soweit sie ihre Suchan-

von 2004 bis 2007 durchgeführt. In Deutschland

fragen in Deutschland gestellt haben, vermittelt

betreffen sie nur etwa achtzig Fälle; insgesamt

der Suchdienst den Kontakt zu den forensischen

aber können so nach Aushebung der Massen-

Instituten und führt zugleich eine detaillierte

gräber rund 15 000 Personen identifiziert

Befragung durch. Die ante mortem, also zu

werden.

Post mortem: Im Kosovo dokumentieren Gerichtsmediziner die Funde aus Massengräbern. Ihre Befunde werden mit den ante mortem-Daten vermisster Personen abgeglichen, zu deren Ermittlung der Suchdienst des DRK beiträgt

90

91


2004 Jenseits aller Vorstellungskraft

Ansprechpartner in der Ungewissheit

DIE TSUNAMI-KATASTROPHE

« Ein verzweifelter Anrufer sucht nach der kompletten Familie seines Bruders, deren letzter bekannter Aufenthaltsort die thailändische Ferienregion Khao Lak war. Ein besorgter Arbeitgeber sucht für eine verletzte Mitarbeiterin, die aus Thailand nach Deutschland ausgeflogen Nach einem Seebeben vor Sumatra am 26. De-

kommen 5,5 Millionen Euro an Spenden

zember 2004 wälzt sich eine gewaltige Woge

zusammen. Besonders hoch ist die Spenden-

durch den Indischen Ozean. Sie prallt an die

bereitschaft bei der älteren Generation, die sich

ben, dass ihre Tochter gerettet werden konnte, suchen sie nun in allen Krankenhäusern der

Küsten praktisch aller Anrainerstaaten; beson-

angesichts der Verwüstungen an die chaoti-

Region.

ders zerstörerisch wirkt sie sich auf Sumatra,

schen Zustände während der Kriegs- und

Sri Lanka, Indien und Thailand aus. Insgesamt

Nachkriegsjahre erinnert fühlen mag.

fordert diese beispiellose Katastrophe rund 230 000 Menschenleben. Todesopfer in dieser Größenordnung resul-

werden konnte, nach deren Kind und Mann. Und sorgenvolle Eltern, die gerade erfahren ha-

Zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Schock – mit diesen schwankenden Emotionen

Auch damals galt, wenn auch aus ganz

der Menschen, deren Familien, Freunde oder Bekannte sich in den Katastrophengebieten

anderen Ursachen, den ungezählten Vermissten,

aufhielten, werden die Mitarbeiter des Suchdienstes konfrontiert. Das DRK stand den Ver-

Verlorenen, Verschwundenen die ständige Sorge

zweifelten als humanitärer Ansprechpartner zur Seite – denn die Ungewissheit über Wohl

tieren sonst nur aus Kriegen, und selbst dort

der Bevölkerung. Die Bildplakate und Bildlisten,

verteilen sie sich meist über einen längeren

die in den fünfziger und sechziger Jahren eines

Zeitraum. Hier aber kommen all diese Menschen

der wichtigsten Medien des Suchdienstes in

an ein und demselben Tag ums Leben. Die

Deutschland gewesen waren, kehren nun wieder.

Schäden sind derart verheerend, dass es trotz

An Häusermauern und auf Stellwänden in den

960 zu klärenden Suchanfragen. Bei Redaktionsschluss konnten noch keine gesicherten

weltweiter Hilfsbemühungen Jahre dauern wird,

betroffenen Gebieten werden steckbriefartige

Aussagen über die endgültige Zahl der Vermissten gemacht werden. »

bis die zerstörten Küstenstriche wieder bewohn-

Suchmeldungen angeschlagen. Das IKRK

bar sein werden. Die Internationale Föderation

aktiviert online eine für solche Fälle vorbereitete

der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften

Website, die eine ähnliche Funktion im Internet

mobilisiert über 20 000 Helfer, darunter auch

übernimmt.

viele aus dem DRK. Allein in Deutschland 92

und Wehe von lieben Menschen ist quälend. Während zehn Tagen konnten in München rund 3600 Anrufe bewältigt werden, mit über

Ein Suchdienst-Mitarbeiter in der Mitgliederzeitschrift Rotes Kreuz, Ausgabe 2/2005


2004 Jenseits aller Vorstellungskraft

Etwa achttausend Deutsche

Angehörigen in den betroffenen

haben in der Region Urlaub

Gebieten stellen. Dennoch sind

gemacht, vor allem an

die Mitarbeiter permanent im

den Stränden Thailands.

Einsatz. Am Tag nach dem

Besonders während der

Beben richtet die Suchdienst-

ersten Tage, da die Kommu-

Zentrale in München ein

nikation mit den Flutgebieten

Bürgertelefon ein, das – trotz

kaum funktioniert, ist die

der Weihnachtsferien – mit drei

Beunruhigung der Angehörigen groß. Und so

Dutzend Mitarbeitern rund um die Uhr besetzt ist.

wundert es nicht, dass sich tausende besorgter

Sie arbeiten dem Auswärtigen Amt und den

Menschen an den Suchdienst wenden. Da jedoch

anderen mit der Aufklärung befassten Einrichtun-

für deutsche Opfer und ihre Angehörigen zentral

gen zu, sie geben Auskünfte in juristischen und

das Auswärtige Amt die Zuständigkeit übernimmt,

administrativen Fragen, sie vermitteln Angebote

und da sich um Fragen der Identifizierung vor

zur psychosozialen Nachbetreuung, und sie

allem das Bundeskriminalamt kümmert, ist er nur

beraten bei der Überführung der Toten. Wie

bei wenigen „echten“ Suchdienstfällen gefordert.

sich nach und nach herausstellt, sind mehr als

Etwa wenn in Deutschland lebende Thailänder

fünfhundert Deutsche der Erdbebenwoge zum

oder Indonesier Suchanfragen nach vermissten

Opfer gefallen.

In der Provinz Aceh auf Sumatra, die besonders stark von der Tsunami-Katastrophe betroffen ist, verteilen Helfer des Indonesischen Roten Kreuzes Hilfsgüter mit dem Hubschrauber

94

95


2007

Wandel braucht Zeit und Ressourcen

Mit vereinten Kräften

« Immer dann, wenn Menschen aufgrund von bewaffneten Konflikten, Gewalt, Naturkatastrophen oder

DIE INTERNATIONALE SUCHDIENST-STRATEGIE

ohne Nachricht von ihnen sind, reagiert die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung effi-

anderen Situationen, in denen humanitäre Hilfe erforderlich ist, von ihren Angehörigen getrennt oder zient und wirksam durch Mobilisierung ihrer Suchdienst-Möglichkeiten. Völkerrechtlich hat jeder Mensch das Recht zu erfahren, was mit vermissten Angehörigen geschehen ist, sowie Anspruch darauf, mit Familienmitgliedern, von denen er getrennt wurde, zu korrespondieren und zu kommunizieren. Hauptsächlich der Staatsgewalt (einschließlich dem Militär) obliegt die

Die Tsunami-Katastrophe hat einmal mehr

Als Konsequenz daraus entwickeln das IKRK

gezeigt, dass das Bangen um vermisste Ange-

und die Föderation der Rotkreuz- und Rothalb-

hörige zu den quälendsten Sorgen nach solch

mondgesellschaften eine internationale Such-

einer Tragödie gehört. Geliebte Menschen in

dienst-Strategie. Sie wird Ende 2007 auf der

Sicherheit wissen zu wollen, stellt eine elemen-

Internationalen Rotkreuz-Konferenz in Genf

taren Reflex dar, hinter dem selbst die eigene

verabschiedet und seither mit Zustimmung der

Versorgung zurücktritt. „Nach mehr als vier

Bundesregierung umgesetzt. Ziel dieser Initiative

Monaten wurde mein Mann als Opfer des

war und ist es, die Grundlagen der Nachfor-

Tsunami identifiziert. Die Zeit der Ungewissheit

schungsarbeit in den nächsten zehn Jahren

war die schlimmste meines Lebens“, erinnert

weltweit zu verbreiten, die Leistungsfähigkeit und

nenten seit Jahrzehnten, Familien wieder zusammenzuführen. Dieser einzigartige Dienst ist zusammen

sich eine Überlebende aus Berlin. Erst als sie

Kooperation der Suchdienste zu verbessern und

mit dem moralischen Beistand, den er leistet, einer der Schwerpunkte der Arbeit der Bewegung. Jahr

endlich zuverlässige Informationen erlangte,

ihnen sowohl innerhalb der Rotkreuzbewegung

für Jahr kommt der Suchdienst Hunderttausenden von Menschen zugute.

so bitter diese auch waren, konnte sie beginnen,

wie auch in der Öffentlichkeit mehr Geltung zu

Heute steht das internationale Suchdienstnetzwerk (bestehend aus dem Zentralen Suchdienst

den Verlust zu verarbeiten.

verschaffen. Etwa dreißig Gesellschaften betei-

des IKRK, den Suchdiensten in den IKRK-Delegationen und den Suchdiensten der nationalen Gesell-

ligen sich daran.

schaften) vor enormen Herausforderungen. Die Suchdienst-Strategie basiert auf den Stärken und dem

Obwohl der DRK-Suchdienst in den achtzi-

Verpflichtung, die Wahrung dieser Rechte zu gewährleisten; im Falle einer bewaffneten Auseinandersetzung auch allen anderen organisierten bewaffneten Gruppen. Diese sind aber möglicherweise weder willens noch in der Lage, diese Aufgabe zu bewältigen. Die größte Stärke der Bewegung liegt in ihrem Potenzial, ein weltumspannendes Suchdienstnetzwerk sowie gleichzeitig in jedem Land ein Basisnetzwerk anzubieten, für das dieselben Grundsätze und Arbeitsmethoden gelten. Damit kann die Bewegung bessere Ergebnisse als jede andere humanitäre Hilfsorganisation der Welt erzielen. Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung versucht mit ihren zahlreichen Kompo-

ger Jahren einige südostasiatische Länder dabei

Suchdienstarbeit bildet eine universelle

Fachwissen der einzelnen Suchdienste der nationalen Gesellschaften sowie auf der Erfahrung und

unterstützt hatte, nationale Suchdienststrukturen

Rotkreuzaufgabe; nahezu jede nationale Gesell-

dem Sachverstand des IKRK und soll zu einem einheitlichen Konzept führen, das die Arbeit im Bereich

aufzubauen, war, als der Ernstfall eintrat, meist

schaft verfügt über entsprechende Einrichtun-

Suchdienst lokal und weltweit fördert. »

weder die nötige Infrastruktur noch geschultes

gen. Doch ist sie in jedem Land unterschiedlich

Personal verfügbar.

ausgeprägt und folgt anderen Erfordernissen.

96

Auszüge aus der Suchdienst-Strategie für die Internationale Rotkreuzund Rothalbmondbewegung (2008-2018), Genf, 2007


2007 Mit vereinten Kräften

Das Verschwinden eines Menschen stellt einen zutiefst beunruhigenden Tatbestand dar, für den Betroffenen selbst wie auch für seine Angehörigen. Mit seiner internationalen Suchdienst-Strategie versucht das Rote Kreuz, die Nachforschungen nach Vermissten voranzubringen und sie wenn irgend möglich wieder mit ihren Angehörigen zusammenzuführen

98

Es herrschen jeweils andere

willkommene Hilfestellung

Rechtssysteme, andere Prak-

leisten. In partnerschaftlicher

tiken, andere Formen der

Zusammenarbeit mit den

Finanzierung; entsprechend

Schwestergesellschaften ist

komplex ist der Abstim-

so ein Netzwerk entstanden,

mungsprozess auf internatio-

das vor allem dem Transfer

naler Ebene verlaufen. Je

von Know-how dient, vom

nach Art des Konfliktes oder des Großschadens-

forensischen Fachwissen bis zur Software. Auch

ereignisses und je nach betroffener Region

ein Pool von Suchdienst-Spezialisten steht nun-

ergeben sich zudem andere Abläufe und Zustän-

mehr bereit, die bei Katastrophen oder Massen-

digkeiten – ob nach den Terroranschlägen in New

fluchten angefordert und innerhalb von 24 bis 48

York 2001, bei der Elbeflut 2002, nach dem Erd-

Stunden entsandt werden können. Im Zeitalter der

beben in Haiti 2010, nach der Love Parade in

Globalisierung muss auch die Nachforschungs-

Duisburg im gleichen Jahr oder der millionen-

arbeit auf weltweite Beanspruchung eingestellt

fachen Flucht aus Syrien.

sein. Ohne internationale Kooperation ist Such-

Aber es gibt langjährige Erfahrungen und

dienstarbeit schlicht nicht möglich. Die eingespiel-

bewährte Methoden, die sich auf derartige

te Zusammenarbeit im einzigartigen Netzwerk der

Situationen übertragen lassen. Der Suchdienst

Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften bildet

des DRK, der größte seiner Art weltweit und

daher eine wichtige Voraussetzung für einen

aufgrund der deutschen Geschichte über Jahr-

erfolgreichen Einsatz.

zehnte hinweg auch der aktivste, kann dabei 99


2012 Neue Wege

Ihre Familie ist online

VOM OFFENEN BRIEF ZUR VIDEOKONFERENZSCHALTUNG

E

inmal im Monat erhält ein im US-Militär-

Betreuung der Gefangenen in Guantánamo

gefängnis von Guantánamo einsitzen-

zuständig. Das Vereinbaren eines Termins

der Häftling die Erlaubnis, mit seiner Familie

erfordert einen nicht unbeträchtlichen Koor-

zu kommunizieren – per Video-Konferenz.

dinationsaufwand, nicht zuletzt wegen des

Über die vergangenen 150 Jahre hinweg hat

die eine vom Gefangenen ausgefüllt und über

sich die Suchdienstarbeit mit den jeweiligen

das IKRK an den Suchdienst der jeweiligen

Die Akteure sind über vier Kontinente ver-

Zeitunterschieds zwischen den vier Erdtei-

Medien und Kommunikationstechniken ent-

Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft

teilt: der Häftling auf Kuba, die Eltern in

len, und die technische Durchführbarkeit

wickelt und verändert. Nach wie vor nimmt die

weitergeleitet wird. Dieser stellt sie den Ange-

klassische, auf dem Postweg übermittelte Such-

hörigen zu, die dann auf dem gleichen Wege mit

Mauretanien,

in

muss gewährleistet sein. Vorab wird festge-

anfrage breiten Raum ein. Sei es bei Schicksals-

der anderen Hälfte antworten können. Im

Deutschland und dann noch ein Bruder in

legt, wer am Gespräch teilnimmt und in wel-

klärungen aus dem Zweiten Weltkrieg, sei es bei

Zweiten Weltkrieg wurden so allein von Kriegs-

Malaysia. In Deutschland können derartige

cher Sprache die Unterhaltung geführt wird.

aktuellen Konflikten und Katastrophen. Daneben

gefangenen und deren Familien 120 Millionen

Gespräche bei den DRK-Landesverbänden

Sie muss rein privaten Charakter haben.

haben sich eine Reihe weiterer Sparten heraus-

Briefe weitergeleitet. Auch die Zivilbevölkerung

gebildet. Die Rotkreuz-Familiennachrichten etwa

nutzte Rotkreuznachrichten in großem Umfang;

und auch bei einigen Kreisverbänden ange-

Während die Rotkreuzmitarbeiter nach dem

finden seit dem Ersten Weltkrieg Verwendung.

so bildeten sie oft die einzige Möglichkeit für

nommen werden. In diesem Fall finden sie in

Etablieren der Verbindung den Gesprächs-

Sie wurden als standardisierte Verständigungs-

Emigranten, mit ihren in Deutschland verbliebe-

den Räumen des DRK-Suchdienstes in

raum verlassen, spricht der Häftling in Gu-

form zwischen Kriegsgefangenen und ihren

nen Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Zuletzt

München statt, während in Malaysia und

antánamo im Beisein von Wachleuten und

Angehörigen geschaffen, die sich nur über einen

herrschte während der Jugoslawienkriege ein

neutralen Vermittler, nämlich das IKRK in Genf

enormer Bedarf; allein der DRK-Suchdienst

Mauretanien die dortigen Delegationen des

eines Übersetzers. Seit etwa drei Jahren ha-

austauschen konnten – in Kriegszeiten brechen

übermittelte 400 000 solcher Botschaften.

IKRK diese Aufgabe übernehmen. Dessen

ben sich derartige Video-Telefonate als re-

Delegation in Washington ist auch für die

gelmäßige Einrichtung etabliert.

die verfeindeten Mächte die direkten Postverbindungen miteinander fast immer ab. Das Prinzip ist bis heute unverändert: Die Nachricht besteht aus zwei Hälften, von denen 100

Nach dem gleichen Prinzip funktionieren

weitere

Angehörige

die sogenannten safe and well-Nachrichten, bei denen es sich um denkbar knappe, aber für Sender wie Empfänger essentiell wichtige

aus der Arbeit des DRK-Suchdienstes


2012 Neue Wege

Ein afghanisches Mädchen liest die Rotkreuznachricht eines Angehörigen, der im Gefangenenlager Guantanamo der US-Marine auf Kuba inhaftiert ist

102

Lebenszeichen handelt. Ein einfaches Formular

Zu diesen Grundrechten gehört auch die Kon-

kann erlösende Gewissheit bringen, etwa wenn

taktaufnahme mit Angehörigen. Eine moderne

Flüchtlinge aus Auffanglagern dadurch ihrer

Weiterentwicklung bilden seit einigen Jahren

Familie anzeigen können, dass sie in Sicherheit

Skype-Telefonate, die allerdings bisher fast nur

sind und es ihnen den Umständen entsprechend

von amerikanischen Behörden gestattet worden

gut geht.

sind. Insbesondere aus Guantánamo, dem

Eine ähnliche Funktion erfüllt die unter dem

US-Stützpunkt auf Kuba, sowie aus dem afgha-

Stichwort family links firmierende Plattform zur

nischen Militärgefängnis Bagram können die

Online-Suche, die bei Bedarf durch das IKRK

dort einsitzenden Gefangenen mit ihren Familien

freigeschaltet wird. Beim verheerenden Seebe-

kommunizieren, meist einmal im Monat für eine

ben vor der japanischen Sanriku-Küste im Jahr

Stunde. Zunächst gelang es, normale Telefonate

2011 etwa stand sie bereits am darauffolgenden

zu etablieren, später waren sogar kurze Gesprä-

Tag in mehreren Sprachen zur Verfügung.

che über Satellitentelefon möglich. Nach zähen

Auch für die Kommunikation mit Gefange-

Verhandlungen gestatteten die Behörden

nen in bewaffneten Konflikten finden Rotkreuz-

schließlich auch Videotelefonate. Heutzutage

nachrichten häufig Verwendung. Seit dem Ersten

können diese sogar dreipoolig – also unter

Weltkrieg hat das IKRK das Mandat, Kriegsge-

gleichzeitiger Teilnahme von Familien-

fangene zu registrieren, medizinisch zu unter-

angehörigen in drei verschiedenen

suchen und ohne Zeugen zu befragen.

Ländern – erfolgen.

103


2013

Ein Glücksfall

Familienbande WIE DIE ONLINE-SUCHE NEUE MÖGLICHKEITEN ERÖFFNET

Im Rahmen der bereits erwähnten Initiative

„Ich suche meine Familie“). Außerdem wird

family links ist das altbewährte Begegnungs-

die Staatsangehörigkeit und das ungefähre Alter

system aus den großen Suchkarteien der beiden

angegeben, aber nicht der Name oder andere

Weltkriege auf ein neues Medium übertragen

persönliche Informationen zur Person. Wenn

worden. Seit September 2013 können Men-

dann Angehörige die Abgebildeten wieder-

schen, die im Rahmen von Kriegen und bewaff-

erkennen, können sie sich durch einen einfachen

neten Konflikten ihre Angehörigen suchen,

Klick mit dem Suchdienst derjenigen europä-

ein Porträtfoto von sich selbst im Internet

ischen Rotkreuzgesellschaft in Verbindung

einstellen sowie auf großformatigen Suchplaka-

setzen, die das Foto eingegeben hat. Diese prüft

ten in mehreren europäischen Ländern veröf-

die Angaben und leitet sie gegebenenfalls an

fentlichen lassen. Diese Poster werden vor allem

den Suchenden weiter. Auf dessen Wunsch hin

in Ausländer- und Asylbehörden, Flüchtlings-

werden zusätzliche Detailinformationen oder ein

wohnheimen und in den Beratungsstellen des

Foto angefordert, um sicherzugehen, dass sich

Suchdienstes ausgehängt.

auch tatsächlich das gesuchte Familienmitglied

Die Darstellung erfolgt komplett anonymisiert; die Einträge enthalten lediglich das Bild und einen Hinweis auf das Verwandtschafts-

gemeldet hat. Meist kann die Benachrichtigung innerhalb weniger Stunden erfolgen. An diesem Pilotprojekt nehmen derzeit

verhältnis zu den Gesuchten („Ich suche meine

einundzwanzig europäische Rotkreuz-

Schwester“, „Ich suche meinen Mann“,

gesellschaften teil.

104

D

ank des DRK-Suchdienstes fand die 30jährige Nabila Karmi, wohnhaft in Heilbronn, ihre Eltern wieder. Oder besser: Ihre Eltern fanden sie, nachdem sie ihr Foto auf einer Webseite des Roten Kreuzes veröffentlicht hatte. Es war weltweit der erste Fall, der dank der neuen Möglichkeit der Online-Suche gelöst wurde. Nabila Karmi stammt aus Damaskus. Sie lebte dort mit ihrem Mann, ihren beiden Kindern, ihren Eltern und Geschwistern. Im September 2012 hielten sie es wegen des Bürgerkriegs in Syrien und der ständigen Bedrohung zuhause nicht mehr aus. Sie beschlossen, zu fliehen. Die Flucht sollte über die Berge in die Türkei gehen, eine gefährliche Reise. Ihre Eltern, die zurückblieben, machten sich Sorgen. Nabila, ihr Mann und die Kinder erreichten die Türkei zu Fuß – vier von damals schon über 120 000 syrischen Flüchtlingen in der Türkei. Im Frühjahr 2013 zog die Familie weiter nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Die Kinder, mittlerweile acht und zehn Jahre alt, gingen zur Schule, die Eltern lernten Deutsch. Während der Flucht hatte Nabila den Kontakt zu ihren Eltern verloren. Der Straßenzug, in dem sie wohnten, wurde im Dezember 2012 von einer Rakete getroffen. Ihr Vater, ihre Mutter und eine Schwester flohen in den Libanon. Von dort konnten sie nicht telefonieren, und es bestand kein Kontakt mehr. Nabila erfuhr von Bekannten im Libanon, dass ihre Eltern dann weiter in die Türkei geflohen seien. Sie recherchierte im Internet und stieß auf Geschichten, in denen das Rote Kreuz auf der Flucht getrennte Familien wieder vereint hatte. Im Oktober 2013 sandte sie eine E-Mail an den DRK-Suchdienst und schilderte ihre Situation.

Der Suchdienst schickte ihre Anfrage an fünfzehn europäische Rotkreuzgesellschaften und an den Türkischen Roten Halbmond. Er nutzte aber auch den neuen Weg der Online-Suche über die vom IKRK betriebene Website der family links. Am 26. November 2013 erschien Nabila Karmis Bild online. «Ich suche meine Familie», stand quer darunter sowie ein Link: «Haben Sie Hinweise für diese Person?» Nur zwei Tage danach erreichte den DRK-Suchdienst folgende E-Mail: «Mein Name ist Karmi. Die Frau auf dem Foto ist meine Tochter. Können Sie mir helfen, mit ihr in Kontakt zu kommen? Meine Telefonnummer ist...» Der Suchdienst rief bei Nabila an und übermittelte die ersehnte Nachricht. Sie konnte es nicht glauben! Es ging so schnell. Ihr Bild stand doch erst seit zwei Tagen im Netz – und sie hatte ein ganzes Jahr lang vergeblich gesucht! Jetzt hielt sie eine Nummer in den Händen. Ihre Eltern befanden sich in der Türkei und hatten im Internet zunächst erfolglos nach ihr recherchiert. Am 28. November entdeckten sie Nabila dann plötzlichauf der Webseite. Wenige Stunden später klingelte das Mobiltelefon ihres Vaters. Das Display zeigte eine deutsche Nummer an. «Wir haben nur geweint, gar nicht gesprochen», sagt Nabila. «Ich war so glücklich.» Sie verabredeten sich für ein Video-Telefonat, damit sie einander auch sehen könnten. «Das ging die ganze Nacht. Ich wollte alles wissen, sie wollten alles wissen, die Kinder wollten ihre Großeltern sehen. Es war ein wunderschönes Durcheinander.»

aus der Arbeit des DRK-Suchdienstes


2013 Familienbande

Der erste Treffer gelang, wie die vorstehende Geschichte festhält, in Deutschland. Mehr als fünfzig Jahre, nachdem die Bildlisten mit Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg in ganz Deutschland kursierten, hat das gleiche Prinzip so in einem bewaffneten Konflikt unserer Tage zu einem Erfolg geführt. Während geschriebene Suchmeldungen eine Reihe von Fehlerquellen enthalten können, insbesondere durch die unterschiedlichen Schreibweisen von Namen in verschiedenen Sprachen oder gar Schriften, haben Fotografien den Vorteil unmittelbarer Anschaulichkeit.

Am Suchdienst-Standort Hamburg berät ein Mitarbeiter eine Betroffene bei der Online-Suche nach Angehörigen. Die Suchdienste der meisten europäischen Rotkreuzgesellschaften beteiligen sich an der Initiative „family links“

106

107


heute Rückschau und Ausblick

Ein großes Dankeschön

DIE ARBEIT DES DRK-SUCHDIENSTES IM JUBILÄUMSJAHR

« Interessant und tröstlich waren für mich auch die Anhänge: ein Foto, und der Weg, den die Division meines Onkels seinerzeit genommen hat. Es macht das ja so schreckliche Geschehen etwas begreifbarer. Nochmals vielen Dank! Wie gut, dass es Sie gibt! » Auch wenn die laufende Arbeit die haupt- und

am Standort München komplett digitalisiert vor.

« Mit vielen Emotionen habe ich den Friedhof in G. zu meinem 70. Geburtstag besucht.

ehrenamtlichen Mitarbeiter voll ausfüllt, bietet

Die über 35 000 Kästen mit den originalen Kartei-

Das war mir nur dadurch möglich, dass Sie mir in Ihrem letzten Schreiben weitere

ein Ereignis wie der siebzigste Jahrestag des Neu-

karten sind 2014 nach Hamburg umgezogen, wo

Informationen übermittelt haben. Dafür vielen Dank. Es war für mich ein bewegender

beginns Anlass zur Selbstvergewisserung und

sie auch weiterhin zugänglich sind. Neben diesen

Moment, an diesem Ort zu sein, wo mein Vater sein Leben verloren haben soll! Da meine

Selbstbetrachtung. Wie ist der DRK-Suchdienst

beiden zentralen Standorten ist die Suchdienst-

Mutter ein Leben lang auf ihren Mann gewartet hat, beschäftigt mich das um so mehr.

das geworden, was er heute ist?

kompetenz vor allem bei den Landesverbänden

Im Sprachgebrauch meines Lebens fehlten die Worte Papa oder Vati leider. »

Auch wenn er in seiner heutigen Form 1945

sowie ausgewählten Kreisverbänden des DRK

ins Leben gerufen wurde, gehörten Nachforschungs-

angesiedelt. Zusätzlich sind speziell ausgebildete

« Herr B. hat von seiner Halbschwester einen Brief erhalten, nun stehen sie in regem

bemühungen, Schicksalsklärungen und menschlicher

Berater dort im Einsatz, wo hoher Bedarf herrscht.

Kontakt. Er war sehr gerührt und bedankt sich bei allen Mitarbeitern, die an seinem Fall

Beistand von Beginn an zu den Kernaufgaben des

Die Suchdienst-Leitstelle im Berliner General-

und an ähnlichen Fällen arbeiten. Sein größter Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen. »

Roten Kreuzes. Sie bilden einen wichtigen Bestand-

sekretariat steuert die gesamte Aufgabenentwick-

teil seiner Tradition und seiner Kultur.

lung, koordiniert die verschiedenen Ebenen und

« Mir ist durch Ihre Einsatzbereitschaft ein zutiefst gehendes Weihnachtsgeschenk

ist zugleich für die internationale Zusammenarbeit

bereitet worden. Die Sehnsucht nach meinem Vater, der im Krieg geblieben ist, und nach

zuständig.

meinem Onkel, ist trotz der vielen vergangenen Jahre ungebrochen. Durch das Geschenk

Historisch entstand der heutige Suchdienst als Reaktion auf die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs. Der Europa so nachhaltig erschüttert hat,

Mitunter wird der Suchdienst als eine Art

dieser Unterlagen kann ich nun dem damaligen Geschehen doch ein wenig näher

dass den Suchdienst noch immer jedes Jahr über

Behörde wahrgenommen. Um solchen Missver-

kommen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie weiterhin die Kraft haben, Menschen helfen

zehntausend Anfragen dazu erreichen. Nach wie vor

ständnissen zu begegnen, sollte die Betonung

zu können, die immer noch ihre vermißten Angehörigen suchen. »

versteht er sich als Anwalt der Angehörigen.

auf den Dienst gelegt werden, auf die humanitären

Die Zentrale Namenskartei, das Herzstück der

Bemühungen für eine Vielzahl betroffener Men-

Suchdienstarbeit in Deutschland, liegt mittlerweile

schen wie auch für die Gesellschaft insgesamt.

108

aus Dankesschreiben, die den DRK-Suchdienst in den letzten Monaten erreichten


heute Rückschau und Ausblick

In der Iran/Irak-Kartei wurden ab 1982 Vermisste aus den Kriegen am Persischen Golf registriert. Längst ist es für den DRK-Suchdienst Routine geworden, in Deutschland lebende Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen zu beraten, wenn Angehörige vermisst werden oder in Kriegsgefangenschaft geraten sind

110

Information, Beratung und Dienst-Leistung bestim-

andere Form von Freiheitsentzug durch Staatsagen-

men heute das Profil der Suchdienstarbeit. Die

ten oder durch eine Person oder Personengruppe,

Rolle als vertrauliche Nachforschungseinrichtung

die mit der Erlaubnis, Unterstützung oder Duldung

gestaltet sich nicht immer einfach. Der Suchdienst

des Staates handelt“. Menschen verschwinden zu

nimmt die Auskunftsbereitschaft der Behörden in

lassen, gilt als ein Verbrechen, das die Vertrags-

Anspruch, ist aber seinerseits nicht auskunftspflich-

staaten verhindern, untersuchen, verfolgen und

tig, sondern kann nur durch strikte Diskretion

bestrafen müssen.

glaubwürdig bleiben. Sie ist sowohl aus Gründen

Neben den andauernden Nachforschungen

des Datenschutzes unabdingbar wie auch im

über die Vermissten vergangener Kriege und

Hinblick auf die Grundsätze des Roten Kreuzes als

Katastrophen gewinnen die Heraus-

einer neutralen, unabhängigen und unparteilichen

forderungen unserer Zeit für den DRK-Suchdienst

Hilfsgesellschaft gemäß der Genfer Konvention.

immer stärkeres Gewicht. Sie machen die Nutzung

Auch 150 Jahre nach Gründung des Roten

und Weiterentwicklung moderner Kommunika-

Kreuzes ist der Zustand der Welt nicht dazu ange-

tions- und Recherchemittel erforderlich. Die Such-

tan, eine Einrichtung wie den Suchdienst über-

dienstarbeit ist dadurch vielfältiger und womöglich

flüssig erscheinen zu lassen. 2006 verabschiedete

noch verantwortungsvoller geworden. Im Zusam-

die Generalversammlung der Vereinten Nationen

menwirken mit dem IKRK und den Rotkreuz- und

eine Konvention über den Schutz aller Personen vor

Rothalbmondgesellschaften weltweit wird sich das

dem Verschwindenlassen. An ihrer Ausarbeitung

DRK dem Suchdienst weiter widmen, in Fortführung

war das IKRK maßgeblich beteiligt. Sie betrifft Fälle

seiner historischen Aufgabe und zugleich mit

von „Festnahme, Haft, Entführung oder jede

öffentlichem humanitären Mandat. 111


Herausgeber: Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, DRK-Generalsekretariat, Carstennstraße 58, 12205 Berlin Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dorota Dziwoki, Leiterin Suchdienst-Leitstelle Projektkoordination und Redaktion: Iris Mitsostergios, Referentin Suchdienst-Leitstelle Dr. Petra Liebner, Leiterin Historische Kommunikation, DRK-Generalsekretariat Text: Stefan Schomann Bildredaktion: Annette Samaras, Firma Bildarchivare, Berlin Gestaltung: Thomas H. Wolter, diemauersegler.de/andrzejewski.de Druck: Druckerei Arnold, Großbeeren Auflage: 1000 Exemplare Bildnachweis: Titel: Giorgos Moutafis/DRK AP: S. 11 (Mitte li.); Kurt Ard/HÖRZU: S. 43; Fredrik Barkenhammar/DRK: S. 94; Clemens Bilan/DRK: S. 5; Jon Björgvinsson/IKRK: S. 102; DRK: S. 26, 30, 38 (oben und unten li.), 42 (oben und unten re.), 50, 58, 66, 70 (re.), 74; Hugo Friedrich Engel/DRK: S. 46, 47; Hans Engler/DRK: S. 75; Michael Greub/IKRK: S. 99; Erol Gurian: S. 11 (Mitte re.); IFRK: S. 98 (Mitte); IKRK: S. 11 (oben li. und oben re., unten li. ), 62, 63; Illus/DRK: S. 54; Thorsten Klose/DRK: S. 95; Marco Kokic/IKRK: S. 98 (li.); Lapp/DRK: S. 34; Markus Matzel/ullstein bild: S. 90 (oben); Jörg F. Müller/DRK: S. 15, 18, 27, 42 (li.), 86, 110 (oben li. und unten re.); NB picture/IKRK: S. 90 (unten li.); Fritz Paul/DRK: S. 70 (li.); Rolf Plewa/DRK: S. 82; poly-press/ullstein bild: S. 78; Royaume-Uni/SWEETING, Ash: S. 98 (re.); B. Schaeffer/IKRK: S. 11 (unten), 90 (unten re.); Scheerer/DRK: S. 38 (unten re.); Thorkelsson/IKRK: S. 11 (oben re.); ullstein bild: S. 22; Moritz Vennemann/ DRK-Service GmbH: S. 11 (oben Mitte); Gerhard Westrich: S. 106, 110 (oben re. und unten li.) In einigen Fällen konnte der Rechteinhaber nicht ermittelt werden. Berechtigte für Honoraransprüche wenden sich bitte an das DRK. © 2015 Deutsches Rotes Kreuz e.V., Berlin


Meilensteine des DRK-Suchdienstes aus Anlass seines 70-jährigen Jubiläums « Eine seiner größten Aufgaben wuchs dem Roten Kreuz nach dem Kriege zu, als Millionen Mitmenschen ihre Heimat verloren hatten, Familien auseinandergerissen wurden, zurückkehrende Soldaten ihre Heimatorte leer oder ausgebombt vorfanden. In dieser Zeit entstand der Suchdienst, der einer großen Zahl von Menschen wieder zueinanderhalf. Das Wort‹Familienzusammenführung, jene große Aktion der Menschlichkeit, die dem Deutschen Roten Kreuz anvertraut wurde und hier in den besten Händen ist, dieses Wort ist noch immer von brennender Aktualität. » der damalige Bundesminister des Innern, Hans-Dietrich Genscher, im Vorfeld der Helsinki-Konferenz 1973


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