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LESEBILDER BILDERLESEN

impulse

©© Ute Lohner-Urban

Graffiti – Street Art : die bunte Bildersprache der Straße

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raffitis boomen. In jeder Großstadt, inzwischen auch jedem Dorf, sieht man sie, diese bunten, gesprayten Schriftzüge mit vielerlei figurativen Elementen. Meist im Schutz der Nacht illegal entstanden, prangen sie an Hausmauern, Betonzäunen oder Zügen. Vielleicht ist es ein Urinstinkt, sich verewigen zu wollen, sei es mit dem Handdruck eines Steinzeitmenschen in einer Höhle oder einer Kritzelei auf einer Mauer im antiken Pompeji: „ICH WAR HIER“-Botschaften sind so alt wie die Menschheit selbst. Der Ursprung der heutigen Graffitis liegt im New York der 1960er Jahre. Wie schon immer und überall, schrieben auch hier Jugendliche ihre Namen auf Schulbänke und Wände. Doch erst der Einsatz von Spraydosen ermöglichte die amerikanische Form: größer, bunter, plakativer – eben Graffiti. 1968 begannen junge Botenträger ihre Pseudonyme „TAKI 183“ oder „JULIO 204“ mit Sprühdosen in allen Stadtteilen zu verbreiten. Anfang der 1970er führte ein Artikel in der New York Times zu einer rasanten Entwicklung der suburbanen Jugendkultur. Die Sprayer nennen sich selbst „Writer“ und markieren

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mit ihren „tags“ (Namens-Etiketten) ihr Umfeld, um so der Namenlosigkeit der Stadt zu entkommen. Anfangs wenig gestaltet, werden die Schriftzüge schon bald größer und flächiger, entstehen gerne auch in Silber, da diese Farbe günstig zu haben ist und den Vorteil hat, in der Dämmerung gut lesbar zu sein. Aus „writings“ werden „pieces“ versehen mit malerischen Elementen, den „characters“ (Charakter, aber auch Merkmal, Kennzeichen). Farbenfrohe Figuren aus Comics, der Rap- oder der Hip Hop-Szene machen aus dem simplen Schriftzug ein groß angelegtes Werk, aus dem Namen ein Bild, aus der Sprache ein Logo. Der Buchstabe will nicht Sklave einer Botschaft sein, er ist die Botschaft meint der Street Art-Experte Bernhard van Treeck und beschreibt damit treffend das Thema der Graffitis, nämlich das eigene Ich der Sprayer, die damit einen Weg zur Selbstbestätigung finden können. Natürlich werden Graffitis nicht von allen gemocht, Hausbesitzer reagieren meist empört, vor allem bei sehr simplen Schriftzügen oder Spruchgraffitis mit eher einfallslosem Inhalt fällt oft das Wort Vandalismus. Was dazu führte, dass ein


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