DRAHTESEL - 2014-2 Das Österreichische Fahrradmagazin

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Rad-Branche im Service-Notstand

Service & Recht

Warum wir eine Fahrrad-Mechaniker-Ausbildung brauchen

BERICHT: Reinhold Seitl

Drahtesel 2  ⁄  2014 – 32

E

s gibt zu wenige und zu wenig gute Fahrradmechaniker. Das zeigen nicht nur persönliche Erfahrungen von Radfahren­ den mit Serviceleistungen der Fachge­ schäfte. Auch die Shop-Betreibenden selbst suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. Der jüngs­ te Test in der Zeitschrift Konsument (Ausgabe 3 / 2014) spricht eine deutli­ che Sprache: von vierzehn geprüften Werkstätten erhielten am Ende nur drei die Gesamtbewertung „gut“ oder „sehr gut“, elf wurden als „weniger zufriedenstellend“oder sogar „nicht zu­ friedenstellend“ eingestuft. Kein Zwei­ fel: Es ist Service-Notstand in der Fahr­

rad-Branche. Anders als etwa in der Schweiz, wo junge Leute in drei Jahren zum Fahrrad-Mechaniker ausgebildet werden, gibt es in Österreich diesen Lehrberuf nicht. Einzige offizielle Aus­ bildung ist ein vom Wirtschaftsförde­ rungsinstitut (Wifi) der Wirtschafts­ kammer entwickelter Kurs, der aus drei Modulen zu jeweils 40 Stunden besteht und von der Innung als Ausbildung an­ erkannt wird. Fahrräder werden immer komplizierter Eine eher flüchtige Ausbildung. Umso mehr, als die Fahrrad-Technik immer komplizierter wird. Hervorzu­

heben wären etwa die Verarbeitung neuer Werkstoffe (Carbon), ElektroMotoren, elektronische Schaltungen und Antriebssteuerungen (Pedelec), neue Getriebearten (NuVinci, Pinion) und vieles mehr. Kein Wunder also, wenn die Situa­ tion in Österreich von vielen als nicht ausreichend gesehen wird. „Der WifiKurs stellt allenfalls Neueinsteiger zu­ frieden“, erklärt Christian Pekar von der Cooperative Fahrrad, „weil diese Form der Ausbildung eine niedrige Hürde für die Eröffnung eines eigenen Geschäftes mit Werkstatt bedeutet.“ Die Situation ist nicht zuletzt des­ halb problematisch, weil es auch um

Stellungnahmen aus der Branche Norbert Bisko Fahrrad-Händler, Bikestore Die Ausbildung ist derzeit nicht zufriedenstellend. Außerdem werden zu weni­ ge Fachkräfte ausgebildet. Fahrradtechnik ist mitt­ lerweile sehr umfangreich und vielschichtig: Da bedarf es einer entsprechenden Ausbildungsdauer, um firm zu werden. Die Einführung eines Lehrberufs halte ich – entsprechendes hand­ werkliches Geschick und Interesse vorausgesetzt –  für sinnvoll. Über die LehrlingsAusbildung in den Fach­ betrieben hinaus sehe ich Möglichkeiten, über AMS-Betriebspraktika und Förderungsmodelle auch arbeitslosen Personen eine Chance zu geben.

Thomas Gerhardt Fahrrad-Händler, 2radshop, konzipiert den Wifi-Kurs Das Gremium der Mechatro­ niker ist froh, mit dem WifiKurs eine, wenn auch kurze, Möglichkeit zu haben, den Menschen den Beruf näher zu bringen. Natürlich ist es mit einem Drei-WochenKurs nicht getan. Aber wir versuchen, mit immer neu­ en Lehrplänen das Kursni­ veau zu heben. Ohne Frage würde ein Lehrberuf das Niveau heben. Leider kommt von ver­ schiedenen blockierenden Stellen immer wieder die lapidare Aussage „Ist ja nur ein Fahrrad“. Innung und Lebens­ministerium sind sehr bemüht, den Lehrberuf einzuführen. Allerdings: Jeder Betrieb muss sich auch selber an der Nase nehmen, wenn die Qualität nicht passt.

Christian Pekar Cooperative Fahrrad Die Ausbildung durch das Wifi stellt allenfalls Neuein­ steiger zufrieden, weil diese Form der Ausbildung eine niedrige Hürde für die Eröff­ nung eines eigenen Geschäf­ tes mit Werkstatt bedeutet. Mit der Einführung eines Lehrberufs könnte man sicher die Qualität heben. Wobei dies erst in einigen Jahren wirksam würde. Kurzfristige Verbesse­ rungen brächten Ausbil­ dungsangebote für bereits aktive Fahrradtechnikerin­ nen und Fahrradtechniker. Nur: Wer sollte solche Ange­ bote machen? Es gibt ganz wenige Personen, die eine solche Ausbildung vermit­ teln könnten.

Landesinnung Wien der Mechatroniker Mit dem dreimoduligen Wifi-Kurs und der vorge­ schriebenen einjährigen Praxis zum Erlangen der individuellen Befähigung haben wir wichtige Punk­ te für gut ausgebildete Fachkräfte in der FahrradBranche gesetzt. Allerdings kann dieser Kurs maximal eine Basis darstellen. Es gibt auch den Schulversuch Fahrradtechnik der KfzBerufsschule Scheydgasse und des Berufsförderungsin­ stitutes (BFI). Er ist besonders geeignet für Kfz-Lehrlinge, die im letzten halben Jahr das Spe­ zialmodul Fahrradtechnik dazu nehmen wollen, und für Absolvierende der Aus­ bildungsschiene Fahrrad­ technik des BFI. Weiterhin bemühen wir uns auch um die Einführung eines Berufs­ bildes Fahrrad-Mechaniker ⁄ -Mechanikerin.


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