kleinkunst.magazin der Gruppe Dekadenz

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Kabarett

Keller

Kultur

K端nstler

Alfred Dorfer 端ber das Politische im Privaten

Theaterschaffen im regionalen Raum

Wie das Publikum die Gruppe Dekadenz bewertet

Jazzmusiker 端ber Inspiration, Irritation und Innovation


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Impressum: Konzeption, Redaktion, Lektorat: Textsalon Doris Brunner, www.textsalon.it Grafisches Konzept und Gestaltung: Heidi Oberhauser, www.heidi-grafik.it Fotos: Arnold Ritter, www.focus-fotodesign.it Herausgeber: Gruppe Dekadenz Obere Schutzengelgasse 3a, Brixen, www.dekadenz.it


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VORWORT

Liebe Leserinnen, liebe Leser, was treibt Kabarettisten, Theaterschaffende und Musiker an? Wie sieht der Blick von außen auf einen Teil der Südtiroler Kulturlandschaft aus? Wo stehen wir, und wo möchten wir hin? Und welche Erwartungen und Wünsche haben die Menschen, die als Zuschauer­innen und Zuschauer in unseren Kleinkunstkeller kommen? Es sind viele Fragen, die uns beschäftigen. Und wir danken all jenen, die uns mit ihren Textbeiträgen oder in Interviews ihre Ansichten mitteilten und Einblicke in ihr Denken und Fühlen gewährten. Dieses kleinkunst.magazin ist ein Geschenk – an uns, aber auch an Sie (hoffen wir zumindest). Und es reicht, gewollt und glücklicherweise, weit über uns hinaus: So verrät uns der österreichische Satiriker Alfred Dorfer, warum er nach dreißig Jahren auf die kleinen Bühnen zurückkehrt. Der ­bayerische Kabarettist Sigi Zimmerschied spricht über sein Grundthema, das ihn anstößt und begleitet. Regisseurin Gabi Rothmüller und Autor Alex Liegl erzählen, wie sie die Entwicklung der Kabarettszene in Südtirol einschätzen. Einen Blick auf das regionale Theaterschaffen wirft Regisseur Torsten Schilling. Anna Heiss malt ihr Bild von dem Theater, in dem sie arbeiten möchte. Der Jazzmusiker und -professor Karlheinz Miklin beleuchtet, ob die Ausbildung von Jazzmusikern nicht in die Irre führt. Und das sind nur einige der spannenden Beiträge, die Sie zum Eintauchen in die Welt der Kleinkunst anregen sollen. Wir wünschen spannende Lektüre! Ihre Gruppe Dekadenz


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DE KADE NTE S Heldin der Provinz Eine Rück-, Gegenwarts- und Zukunftsschau über den kulturellen Kraftakt der Gruppe Dekadenz von Hans Heiss K wie... ...Kleinkunst. Keller. Köpfe. Kennzeichen. Kooperation. Kleine Hintergrundinfos zur Gruppe Dekadenz. Nachhaltige Nahversorgung Regisseur Fabian Kametz über regionale Kultur-frei-räume Tut mir leid Keine Lobhudeleien, bitte! Kabarettist Michael Krebs konnte aber nicht anders. Dreieinhalb Dekaden Dekadenz Wort-Tänzer und Objekt-Täter Peter Spielbauer lässt die Wörter tanzen. Hinter den Kulissen Was hinter der Bühne alles so erledigt werden muss. Ein Schnelldurchlauf in 14 Bildern. Mei liabste Eck´ Die geheimen Lieblingsecken der Dekadenzler.

KABARE TT „Dieses kleine enge Tal, das so weit sein kann“ Gabi Rothmüller und Alex Liegl über die Kabarettszene hier und anderswo, und was sie am Kabarett spannend finden. Kurzes übers Kabarett Wie spricht man Kabarett aus? Wer hat´s erfunden? Und wie kam es nach Südtirol? Kurze Beiträge zur langen Geschichte des Kabaretts. „Als Satiriker kann man neue Gedanken anstoßen“ Alfred Dorfer über verhinderte Erkenntnismöglichkeiten und ob Brixen in der Provinz liegt. Ansichts-Sachen Was das Dekadenz-Publikum am Kabarett mag, und was weniger. „Das Vergnügen an Unauflösbarkeiten“ Ein Gespräch mit dem bayerischen Kabarettisten Sigi Zimmerschied über Hauskasperln und Opportunisten. Kabarettisten zu Gast Wer alles in der Dekadenz zu Gast war. Ein Namens-Überblick. „... und das ist gut so!“ Politisches Kabarett ist schon tot auf die Welt gekommen, sagt Frank Lüdecke, und er muss es als politischer Kabarettist schließlich wissen.

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THEAT E R Der Blick vom äußeren Innenkreis Theatermachen in Südtirol. Ein Statement von Regisseur Torsten Schilling. Nah am Menschen Warum Theatermachen im dekadenten Kleinkunstkeller groß sein kann. Reale Utopien Anna Heiss, Regisseurin und Mitgründerin des Ensembles VonPiderZuHeiss, über das Theater, das sie machen will. Und das Theater, in dem sie arbeiten will. Keine bunten Blasen Künstler Hartwig Thaler über das „Kunstotop“, sauren Stoff und leuchtende Blitze. Du Wunderbare, du Was vermag Kultur? Eine persönliche Lobpreisung und Danksagung von Doris Brunner in vielerlei Rollen. „Teil einer Großfamilie“ Figurentheaterspieler Sven Tömösy-Moussoung erzählt, wie er die Schulklassen immer wieder in seinen Bann zieht.

J A ZZ Die Grenzen des Bekannten überschreiten. Norbert Dalsass über die Entwicklung des Jazz in der Dekadenz und den Zukunftsperspektiven. Wo sollen all die Jazz-Musiker hin? Verschulung und Jazz im Überfluss? Eine Stellungnahme von Karlheinz Miklin. Costruire percorsi Giuseppe Segala über Jazz im heutigen Kontext. Welche Rolle haben Musikveranstalter? Und was bewirkt Jazz? Zwei Statements von Massimo Barbiero und Norbert Pleifer Jazz ist ... Michael Lösch, Musiker und Musikprofesser, und Alex Pergher, Galerist und Künstler, finden ihre Antworten. Welche Impulse setzt Jazzmusik frei? Klaus Widmann und Gudrun Petrik über mögliche Wirkungen des Jazz.

ZUS CHAUE RBE FRAGUNG Zahlendiagnosen Mann oder Frau – wer kommt häufiger in die Dekadenz? Bevorzugt unser Publikum das Gastspielprogramm oder die Eigenproduktionen? Die wichtigsten Ergebnisse unserer Zuschauerbefragung im Überblick. Lob und Tadel Was das Publikum an der Dekadenz mag, und was weniger


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„Net nett“

Kabarett-Eigenproduktion Regie: Ruth Lederle, 2010

Was hat die Gruppe Dekadenz vor 35 Jahren bewirkt, was bewirkt sie heute? Eine Rück-, Gegenwarts- und Zukunftsschau über den kulturellen Kraftakt der Gruppe Dekadenz von HANS HEISS.

Heldin der Provinz Die „Dekadenz“ wurde 1980 gegründet, vor nunmehr 35 Jahren und damit vor erschreckend langer Zeit: Während 20 oder 25 Jahre der direkten Erinnerung noch leichter zugänglich sind, sind 35 Jahre eine Frist, die einige Anstrengung benötigt, um sie sich zu vergegenwärtigen. Ein kurzer Vergleich genügt: 1980 hätte ein Zeitsprung um 35 Jahre retour bedeutet, sich an das Kriegsende in Brixen zu erinnern, an den Einmarsch der US-Amerikaner, die Flucht der Wehrmacht, das Untertau-

chen der Nazis und den Auftritt der Partisanen. Ähnlich entrückt wie uns damaligen Zeitgenossen um 1980 die Nachkriegszeit, scheint uns heute der Gründungsmoment der „Dekadenz“ bereits weit entlegen. Für unsereinen, einen damals jungen Erwachsenen, gebietet der Rückblick aber auch unwillkürlich, 35 Jahre nach vorn zu schauen, in der Gewissheit, dass wir dann nicht mehr sein werden, jenseits der „Linea fusca“ des Lebens, somewhere over the rainbow.

Abkehr von der Großen Geste Aus heutiger Sicht waren der eher beiläufige Beginn der „Dekadenz“ und die Nutzung des „Anreiterkellers“ Zeichen eines Wandels, dessen Grundlinien sich bis in die Gegenwart durchzeichnen: Er bedeutete Abkehr vom Volkstheater ebenso wie von Formen des klassischen Theaters, das Entdecken kleiner Formen und Formate in Theater, Kabarett und Musik, „Kleinkunst“ eben. Die „Dekadenz“ folgte damit


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unwillkürlich einem Zeittrend der Jahre um 1980: Abkehr vom Bombast, der Gefühligkeit, dem falschen Pathos und überspannten Design der Siebziger Jahre, hin zu kleinen subversiven Formen, die sich der Großen Geste entzogen. Der Name „Dekadenz“ spiegelte, ohne dass die Namensgeber daran gedacht hätten, diese beginnende Auflösung der Großen Entwürfe hin zu einer Dekonstruktion, in der die kleinen Module einen neuen Start verhießen. Dieser größere Zeittrend fügte sich gut an die völlig anderen Kulturtendenzen im Lande: In Südtirol, so darf man getrost fest halten, war das kulturelle Klima um 1980 noch ziemlich borniert, wenn nicht reaktionär. Volkstümliche Kultur war Trumpf, die Klassik beherrschender Kanon. Gegen solche Vorgaben regte sich eine kleine, vitale Szene, die sich schriftstellerisch mit den Namen N. C. Kaser oder Zoderer, in der Bildenden Kunst mit Franz Pichler oder Jakob De Chirico oder mit Kollektiven wie dem Südtiroler Kulturzentrum charakterisieren lässt. Ein Anflug von Postmoderne und leiser, verspäteter Rebellion erreichte Brixen, neben anderen Motiven wie dem unbändigen und couragierten Antrieb der Gründer. Vorab aber zählte das Gewinnen eines autonomen Raums wie des Anreiterkeller, dessen Freiheit einen stetigen Prozess des Spielens und der Entwicklung ermöglichte, an einem Ort, der den Zwängen öffentlicher Kontrolle und Vereinshäuser entzogen war. Hier war Raum für Experimente, hier sicherte die Stabilität des Orts auch die zum Aufbau und zur Entwicklung nötige Zeit, während seine Attraktivität gleichsam von selbst einen Grundsockel an Publikum anzog. Ermutigung aufs Ganze zu gehen Der Anreiterkeller erwies sich bald als Inkubator, der kreatives und künstlerisches Potenzial weckte und auch Leute, die keine direkten künstlerischen Ambitionen hatten, zur Mitarbeit einlud.

Von der Gründergeneration um Georg Kaser bis zur heutigen Leitung mit der Doppelspitze Doris Brunner und Ingrid Porzner hat der Keller Energien frei gesetzt, die künstlerisches Risiko ermöglichten und dazu ermutigten, aufs Ganze zu gehen. Hier entstand zugleich jene Motivation, die den Grenzgang zwischen Kreativität und Selbstausbeutung erst ermöglichte. Der Jazz eröffnete unter der langjährigen Dalsass-Regie nicht nur eine musikalische Dimension von hoher Intensität, sondern erhob den Anreiterkeller zum Auftrittsort für Weltqualität. Und schließlich bleibt der Keller bis heute getragen von einem unglaublichen Maß an Freiwilligenarbeit, ohne die sein Bestand nicht denkbar wäre und die aller Anerkennung wert ist. Die Auswirkungen der Dekadenz auf Brixen

„Von der Gründer­ generation bis zur ­heutigen Leitung hat der Keller Energien frei gesetzt, die künstlerisches Risiko ermöglichten und dazu ermutigten, aufs Ganze zu gehen.“ Hans Heiss

Haben der Anreiterkeller und die „Dekadenz“ das Brixner Umfeld mit gestaltet, trugen sie dazu bei, der Stadt neue Impulse zu vermitteln? Auf den ersten Blick blieb der Einfluss begrenzt: Die kulturellen Interessen der meisten Brixner hängen bis heute vielfach an traditionellen Standards, an bewährten Mustern, die eher Stabilität und Sicherheit versprechen, als Aufbruch und Risiko. Viele haben die „Dekadenz“ nie besucht, und manche örtliche Gäste picken sich nur bewährte Programmpunkte heraus, die eine sichere Bank der Unterhaltung versprechen. Dennoch blieb die Tröpfchenbegegnung mit anderen Kulturformen, für die die „Dekadenz“ einsteht, nicht ohne Auswirkungen. Wenn in Brixen das Theater einen guten Grundstandard erreicht hat und erhöhten qualitativen Selbstanspruch zeigt, so verdankt sich dies auch der „Dekadenz“, die durch ihre Vorgaben, durch personellen Austausch zur stillen Interventionsmacht aufgerückt ist. Dass aber die Gemeinde aus der Anwesenheit dieses Kraftzentrums kulturpolitische Schlüsse gezogen und sie zum Anstoß zur Weiterentwicklung


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„Die Frau von früher“

von Roland Schimmelpfennig Regie: Eva Niedermeiser, 2014 der Brixner Kulturszene genutzt hätte, darf getrost verneint werden. Immerhin rückte die „Dekadenz“ landesweit zu einem Eckpunkt der Südtiroler Städtetheater und zu einer Neubewertung der Theaterlandschaft auf. Exemplarische Denk- und Veranstaltungswerkstatt Zumindest die Landespolitik hat erkannt, dass Pioniere der regionalen Kulturarbeit wie die „Gruppe Dekadenz“ und ihr schwieriges Geschäft mit Nachdruck zu unterstützen sind. Orte wie der Anreiterkeller stellen – wie dies Stefan Grissemann für Österreich jüngst bilanziert – „veritable Biotope dar, nicht nur Treffpunkte, sondern echte urbane Nischen (...) In den exemplarischen Denk- und Veranstaltungswerkstätten, um die es hier geht, wird nicht in erster Linie für Geld und Zerstreuung geackert, sondern

für eine greifbare Verbesserung des lokalen Literatur-, Kino- und Musik-, Theater und Kunstangebots, notfalls auch um den Preis der Irritation – hier wird Kultur für alle, vor allem aber Kultur durch alle gemacht.“ Goldene Worte – der Südtiroler Kulturpolitik ins Stammbuch geschrieben. Ausblicke in die Zukunft Nach 35 Jahren sind die Vorgaben der Vergangenheit gewichtig, der Ausblick in die Zukunft schwieriger als nach zehn oder zwanzig Jahren. Der Bedarf nach dem Angebot der „Dekadenz“ ist ungebrochen: Es gibt ein Publikum, das intensive Theaterqualität unter eigener Regie über die Maßen schätzt, das dankbar ist für großartige Gastspiele frei Brixen, für das kreative Feuer der Musik. Und für die Intimität eines Ortes, der zwischen der Enge der eigenen Lebensräume und dem Mega-Events

großer Kultur- und Konsumzonen besondere Energien frei setzt. Aber die eigentliche Herausforderung besteht wohl drin, freiwillige Mitarbeit weiter zu sichern, zugleich eine neue Generation künftiger Verantwortungsträger aufzubauen und deren Ideenpotenzial zu fördern. Dabei verdient die „Dekadenz“ alle Unterstützung, vor allem aber konkrete Angebote. Das wäre der beste Dank für einen kulturellen Kraftakt über ein Dritteljahrhundert, für den kreativen Funkenflug, der das milde Dämmerlicht unserer Kleinstadt schon so lange Zeit erhellt. —


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K wie...

...Kleinkunst. Keller. Köpfe. Kennzeichen. Kooperation. Kleine Hintergrundinfos zur Gruppe Dekadenz. ...Kaleidoskop der Kleinkunst Die Kleinkunst umfasst Theater, Kabarett, Musik, Erzählkunst, Pantomime und viele weitere Spielarten mehr, die sich aufgrund von begrenzten personellen, räumlichen und materiellen Ressourcen eben „klein“ halten. Was jetzt nicht bedeutet, dass deren künstlerischen Qualität sich im Rahmen hält, ganz im Gegenteil. Die Gruppe Dekadenz hat sich von Beginn an der Kleinkunst verschrieben: Zunächst

mit selbstverfassten Kabaretts, und bald schon mit einem Gastprogramm, für welches bekannte Kabarettisten, Theaterensembles und Jazzmusiker eingeladen wurden - beispielsweise das Cabaret Gimpel, Otto Gründmandl oder der Jazzmusiker David Holland. Über die Jahre hinweg etablierte sich die Gruppe Dekadenz als beliebter Kleinkunstkeller, bestens vernetzt in der deutschsprachigen Kleinkunstszene. Berühmte Kabarettisten, Künstler am Anfang ihrer Karriere oder all jene,

die etwas Unvergleichliches zu zeigen haben, begeistern das Publikum und die Dekadenzler selbst. Anderen bekannten Spielstätten in München oder Wien steht die Dekadenz programmmäßig in nichts nach. Der Kontakt zur Szene über die Grenzen hinweg hat aber auch wichtige Rückwirkungen auf die Tätigkeiten der Gruppe Dekadenz selbst: Dadurch lässt sich der Standard der eigenen Arbeit messen, neue Ideen entstehen, Erfahrungen werden ausgetauscht oder es ergeben sich Zusammenarbeiten.

Dekadenz in Zahlen 7.935

Zuschauerinnen und Zuschauer jährlich

12

Stufen zum Keller

62

Eigenproduktionen

1.603

„Gefällt mir“ auf facebook

99

Thonet-Stühle

263

Gastkabarettisten und -ensembles

1

Sicherheitsbeauftragter

33

Mitglieder

4.718

ehrenamtliche Stunden pro Jahr


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...kultige Kellerei

...kulturelle Kooperation

Manchmal rieselt es vom jahrhundertealten Gewölbe herab und die Beinfreiheit ist bei ausverkauften Vorstellungen auch nicht optimal. Öffnet man die Tür, strömt einem dieser ganz spezielle Kellerduft entgegen. Und wenn man an den Tischen dicht an der Bühne sitzt, spürt man vom Künstler manchmal mehr als nur seine Wort-, Ton- und Spielsalven. Aber trotz all dem oder gerade deswegen: Kabarettisten, Schauspieler, Musiker, Publikum und klarerweise die Dekadenzler selbst lieben diesen ganz besonderen Flair des Anreiterkellers. Der Name geht dabei auf die Familie von Anreiter zurück, die im 17. und 18. Jahrhundert zum Brixner Stiftsadel gehörte, wichtige Funktionen bei Hof und in der Stiftsverwaltung innehatte und das Haus im historischen Brixner Stadtteil Stufels bewohnte. Seit Beginn an ist das Kellergewölbe untrennbar mit der Gruppe Dekadenz verwoben, wobei mehrere Umarbeitung dem Keller sein heutiges Erscheinungsbild verliehen. Und seit jeher werden die Räumlichkeiten vom Besitzer, dem Brixner Hotelier Burkhard Stremitzer, der Gruppe Dekadenz kostenlos für ihre Tätigkeiten zur Verfügung gestellt!

Die Gruppe Dekadenz in Brixen, das Theater in der Altstadt in Meran (gegründet 1990), das Stadttheater Bruneck (gegründet 1994) und die Carambolage Bozen (gegründet 1996) – diese vier Theaterstätten bilden den Verbund „Südtiroler Städtetheater“. Gegründet wurde dieser im Jahr 1996, nach langen Diskussionen um eine mögliche Professionalisierung der damaligen Strukturen als Berufstheater, was jedoch politisch nicht erwünscht war. Den Südtiroler Städtetheater ist gemeinsam, dass sie eine fixe Spielstätte besitzen, auf Basis eines Vereins strukturiert sind und je nach Ausrichtung Theater-, Kabarett-, Musik- und andere Kulturveranstaltungen anbieten, darunter Gastspiele sowie Eigenproduktionen. Durch ihre lokale Verortung weisen die Städtetheater eine hohe Besucherbindung auf, dezentralisierten Theater auf professionellem Niveau und sind wichtige Bestandteile der Kulturszene in den jeweiligen Städten.

K wie...

...kantige Kennzeichen Markantes Kennzeichen seit jeher – das kreisrunde Logo der Gruppe Dekadenz mit seinem roten Mittelpunkt, den zwei Schriftarten (eine Jugendstil-Variante und eine Großbuchstabenschrift) und den zwei Sternen. Entworfen wurde das unverwechselbare Markenzeichen vom Dekadenz-Mitbegründer Georg Kaser, damals von Berufs wegen Siebdrucker und Schriftenmaler. Nicht minder unverwechselbar: die Fotowand im Foyer. An der Längsseite im Barbereich hängen Bilder der Gastkabarettisten in gelben, roten, weißen oder schwarzen Rahmen. Die Ecke bei der Eingangstür ist den Eigenproduktionen der Gruppe Dekadenz gewidmet, und der Mauerteil entlang der Stufen in den Keller ist mit Fotos von Jazzkonzerten bestückt.

...knappe Knete Woher kommt das Geld, mit dem die Gruppe Dekadenz das Kulturprogramm finanziert? In erster Linie aus dem Kulturfördertopf des Landes, Abteilung deutsche Kultur. Gefolgt von den Eintrittsgeldern der Zuschauerinnen und Zuschauern, der ehrenamtlichen Arbeit der Dekadenz-Mitgliedern, und der Familie Burkhard Stremitzer, welche den Anreiterkeller kostenlos zur Verfügung stellt. An Platz Vier der Kultur-Investoren finden sich die beiden Sponsoren Sader Immobilien und Domus Bauexpert. Und das Schlusslicht bildet die Gemeinde Brixen.


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...kunterbunte Köpfe Die Gruppe Dekadenz, das sind über 33 kunterbunte Köpfe. Die meisten sind seit vielen Jahren Teil der Truppe und jeder leistet seinen ganz eigenen Beitrag: beim telefonischen Kartenvorverkauf, an der Bar, an der Abendkasse, oben auf der Technik und überall sonst, wo Einsatz gefordert ist. Manche der Dekadenzler stehen hin und wieder selbst auf der Bühne, andere bewegen sich lieber abseits der Scheinwerfer. Einen Großteil der Arbeit leisten die Dekadenzler ehrenamtlich, schließlich braucht es an jedem Aufführungstag im Anreiterkeller fünf Menschen, um vom Kassieren bis zum Abspülen alles abwickeln zu können. Maria Senn schmeißt dabei seit über zwanzig Jahren den Barbetrieb und plant ihren Urlaub meist so, dass sie auch keinen Abend in der Dekadenz verpasst. Einziger hauptamtlicher Mitarbeiter ist der technisch-organisatorische Leiter Nicola Scantamburlo, der nicht nur Keller und Kabarettisten in Schuss hält, sondern letztere auch noch mit hausgemachten Genusshäppchen verwöhnt. Ingrid Porzner, die künstlerische Leiterin, hält stets nach spannenden Gastkabarettisten Ausschau und plant die Eigenproduktionen. Doch auch der

Gruppenbild mit Dame

Ganz schön bunt – ein Großteil der Gruppe Dekadenz:

1. Reihe, knieend von links nach rechts: Markus Dorfmann, Nicola Scantamburlo, Norbert Dalsass, Patrizia Solaro, Ingrid Dejaco 2. Reihe von links nach rechts: Ingrid Lechner, Werner Lanz, Sonja Sader, Ingrid Ninz, Klaus Dander, Doris Brunner, Julia Vontavon, Josef Lanz, Ulli Vikoler, Sabine Fink, Karl Dander, Michaela Zetzlmann 3. Reihe von links nach rechts: Martin Ogriseg, Elke Krausler, Maria Senn, Andreas Zingerle, Andreas Vale, Walter Richter, Philipp Unterleitner, Benedikt Troi, Reinhilde Gamper, Robert Peintner, Ingrid Porzner leider nicht im Bild: Franz Wunderer, Franca Zuin, Ilse Ogriseg, Martina Überbacher, Waltraud Tauber, Stefan Miglioranza, Blasco Russo Vorstand redet nicht nur vor, sondern arbeitet auch mit: Norbert Dalsass organisiert als musikalischer Leiter das Jazzprogramm und zupft ansonstens architektonisch den Kontrabass. Werner Lanz war vor einiger Zeit der technische Leiter der Gruppe Dekadenz und ist heute (nicht nur in der Dekadenz!) ein gefragter Lichtschöpfer

Der Dekadenz-Vorstand mit Walter Richter, Werner Lanz, Norbert Dalsass, Präsidentin Doris Brunner und Andreas Zingerle

und Kameramann. Walter Richter weiß alles rund um Amtsgeschäfte und liebt die Jazzmusik; Andreas Zingerle balanciert zwischen Theaterspiel und Zahlenspiel. Und Doris Brunner, die springt zwischen all den verschiedenen Stühlen rum und bearbeitet jegliche menschlichen und maschinellen Tastaturen. —

Halten stets Ausschau

Die künstlerische Leiterin Ingrid Porzner und der technische Leiter Nicola Scantamburlo


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Nachhaltige Nahversorgung mit Kultur Kultur-frei-räume wie die Gruppe Dekadenz mit ihrem Anreiterkeller waren schon immer selten, sind selten und werden, so befürchte ich, noch seltener. Um so schöner ist es, auch im 35. Lebensjahr eine lebendige Anlaufstelle für Künstler aus Südtirol und auch aus ferneren Regionen vorzufinden. Eine bunte, fruchtbare Insel im langsam im Zuge der Erderwärmung austrocknenden Subventionsfluss der öffentlichen Hand, ein Raum für Kreativität, ein Arbeitsplatz, an dem man sich trotz „Klimawandel“ WILLKOMMEN fühlt. Dass die Bereitschaft, solche Biotope am Leben zu erhalten, für die Politik im raumgreifenden Sparzwang keine Priorität mehr besitzt, ist landauf landab zu beobachten. Darunter leiden entweder die Qualität, zumindest die Quantität und auf alle Fälle die produzierenden Künstler. In welcher Berufssparte verdienen viele bis zur Hälfte weniger als in den Achtzigern des vorherigen Jahrhunderts? Richtig: im Theater zum Beispiel! Erzählen Sie das mal einem Beamten... Und trotzdem gibt es sie noch, die Inseln der regionalen Kulturvermittlung im darum herum tosenden rauen

„Benefiz. Jeder rettet einen Afrikaner.“

von Ingrid Lausund, Regie: Fabian Kametz, 2013

Meer des mit einem Ablaufsdatum versehenen Überlebenskampfes des kapitalistischen Konsumrausches. (Man/frau verzeihe mir die Verwendung dieses üppigen Bildes, welches vielleicht näher an der Realität liegt, als wir denken). Danke dafür! Allen,

die das – auch unter Selbstausbeutung - ermöglichen! Und danke unserem Publikum, das durch sein zahlreiches Kommen die Notwendigkeit der regio­ nalen Kulturnahversorgung deutlich untermauert – trotz Internet und Fernsehen! — Fabian Kametz, Regisseur


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Tut mir leid ... Ihr habt mich gebeten, die Lobhudelei wegzulassen. Und stattdessen euren Stellenwert in der Szene zu beurteilen. Tut mir leid. Von Szenen versteh ich nichts. Und eine Lobhudelei habt ihr euch so was von verdient! Ich weiß noch genau, wie ich staunend und neugierig zum ersten Mal mit dem IC durch die Alpen gen Brixen gefahren bin. Vor mir lag mein erster Besuch in Südtirol, und ich befürchtete eine Katastrophe. Mittlerweile weiß ich es besser: Die Herzlichkeit, die Leidenschaft und die Professionalität, mit der bei euch Theater gemacht wird, ist eine große Freude. Die Atmosphäre im Keller ermöglicht Kleinkunst im besten Sinne, nah am Publikum

und Offenheit auf beiden Seiten. Ich durfte sechs Vorstellungen auf eurer bezaubernden Bühne geben, und jede davon war speziell. Einmal hat Rai Südtirol die Show mitgeschnitten, vor nur fünf(!) Zuschauern, die aber phantastisch waren. (Ob das wohl je gesendet wurde?) Rund um die Auftritte wurde ich von mir fremden Menschen aufwändig bekocht, eingeladen, mir wurde ein Auto geliehen, ich wurde spontan zum Fliegen eingeladen und es haben sich mehrere freundschaftliche Verbindungen ergeben. Kurz: Mittlerweile versuche ich, meine Auftritte bei euch so zu legen, dass ich länger bleiben kann, das sagt ja eigentlich alles. — Michael Krebs, Jazzpianist und Kabarettist; ausgezeichnet u.a. mit dem Kleinkunstpreis Baden-Württemberg, Niedersächsischen Kleinkunstpreis, Stuttgarter Besen u.a.

Dreieinhalb Dekaden Dekadenz

Über 3500 theatrale Kadenzen Angeritten, zugeritten, dekantiert im Keller Beschützt von den Engeln der Gasse Kredenzt von einem unermüdlich Hinter und vor und auf und unter der Bühne Werkelndem, wirkendem, bezirzendem Team Das ist was Besonderes Dem gilt mein besonderer Glückwunsch und Dank Peter Spielbauer, Wort-Tänzer und Objekt-Täter aus Bayern


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Hinter den Kulissen Was hinter der B端hne alles so erledigt werden muss. Ein Schnelldurchlauf in 14 Bildern.

3 Spielplan ist fertig!

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Planen, rechnen, kontaktieren, engagieren, b端rokratisieren...

Vertrag verschickt, Zimmer reserviert, Pressematerial eingeholt?

4 ...und auch der Keller wird bei Bedarf umgebaut

6 Proben, proben, proben!

5 Immer wieder spannend: Der Blick ins Kartenvorver足kauf-Register


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FOTORE x x IGE N

Freiwillige vor! Mindestens vier braucht´s pro Abend...

8 Die Zuschauer trudeln an der Abendkasse ein

10 Rasch sich durch die Enge quetschen und die Bestellungen aufnehmen

9 Schnell noch die Künstler mit einem letzten Kaffee in Fahrt bringen

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Kann´s bald losgehen?

Die Aufführung beginnt!

14 13 Richtig kassiert?

...und zu guter Letzt: Abschlussbesprechung an der Theke


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Mei liabste Eck´ Welches Plätzchen oder welchen Gegenstand mögen die Dekadenzlerinnen und Dekadenzler am liebsten in ihrem Keller...?

„Die Leiter, die auf die Technik hinaufführt. Man kennt sie nur, wenn man sie einmal erklommen hat. Aber dann geht´s.“ — Blasco „Die eine Ecke am Budel, an der wir nach den Aufführungen, wenn alle Zuschauer weg sind, zusammenstehen und ratschen – gewissermaßen der intime Teil der Theke.“ — Klaus „Den Zuschauerraum, wenn er so richtig voll ist und man beim Bedienen kaum durchkommt. Auf dem Weg vom Tisch hin zum Eingang des Kellers, wo die Getränke stehen, hat man die Bestellung manchmal schon wieder vergessen und schwimmt dann so richtig...“ — Maria „Der Lampenschirm oberhalb der Bar mit seinem unperfekten Glas und die Kabel, die irgendwie dorthin führen.“ — Andreas „Vor dem Vorhang in der Garderobe, wo man als Schauspielerin seinen Auftritt abwartet. Dies ist der letzte private Raum, bevor man die Bühne als öffentlichen Ort betritt – hier ist man gerade diesen einen Schritt davor.“ — Patrizia „Die Glocke, mit der wir läuten, um die Zuschauer kurz vor Beginn der Aufführung in den Keller zu holen. Insbesondere jene, die zum ersten Mal in der Dekadenz sind, marschieren dann immer ganz brav die Stiege runter – während der Rest sich noch gemütlich Zeit lässt.“ — Klaus


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„Wenn ich die Tür öffne und mir weht dieser ganz spezielle Geruch entgegen, den der Keller typischerweise hat.“ — Nicola „Die schwarze Couch im Foyer und die Holzbank vor der Eingangstür – dort atmet man die Atmosphäre vor und nach den Aufführungen.“ — Doris „Wenn ich mitspiele, dann stehe ich gerne vor dem Spiegel in der Garderobe – von hier aus sieht man, was auf der Bühne läuft, wartet auf seinen Einsatz und ist Teil davon.“ — Ingrid „Die Barhocker im Foyer, hier kann man gemütlich ratschen und sieht, wer alles da ist.“ — Walter „Am liebsten ist mir der Platz hinterm Vorgang, beim Eingang zum Keller: Während der Aufführung sehe ich alles und wenn es mir nicht gefällt, kann ich gehen, wann ich will.“ — Werner „Die Fotowand im Foyer: Hier sieht man auf einem Blick, was in den letzten 35 Jahren in der Dekadenz los war.“ — Norbert


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KABARE TT

„Die Dreigroschenoper“

von Bert Brecht Regie: Gabi Rothmüller, 2012

Vor 15 Jahren kamen GABI ROTHMÜLLER, Kabarett- und Theaterregisseurin sowie Schauspielerin, sowie ALEXANDER LIEGL, Autor, Kabarettist und Schauspieler, aus München zum Arbeiten (aber nicht nur) in die Dekadenz. Sie kennen die Szene hier und anderswo wie kaum jemand anderer. Welchen Blick werfen die beiden aufs hiesige Kabarett? Was finden sie spannend, und was nicht?

„Dieses kleine enge Tal, das so weit sein kann“


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KABARE TT

förmigen Gebrauchskabarettisten, sondern Persönlichkeiten. ALEX LIEGL: Das Pro-Kopf-Vorkommen an guten Leuten ist in Südtirol sehr hoch – so viele wohnen hier nicht, es sind ja nur so viele wie in einer mittelgroßen Stadt. Dieses kleine enge Tal, das ganz schön weit sein kann... finde ich toll! Eurer Einschätzung nach: Können die „guten Leute von hier“ mit ihren Produktionen, sei es im Kabarettwie im Theaterbereich, auch im Ausland standhalten?

Im Jahr 2010 habt ihr Bekanntschaft mit der Gruppe Dekadenz gemacht, als Regisseurin beziehungsweise Autor für das damalige 20-Jahr-Jubiläumskabarett „inTeam.“ Im Rückblick gesehen – wie erschien euch damals die Kabarettlandschaft in Südtirol? GABI ROTHMÜLLER: Ich hatte das Gefühl, ein völlig neues Feld in Südtirol zu beackern und Neuland zu betreten. Sicherlich gab es früher auch schon „hausgemachtes“ Kabarett im Land, aber dieses hat sich im Laufe der letzten 15 Jahren sehr weiterentwickelt. Zum einen gibt es nun viel mehr Leute, die Kabarett machen, wie beispielsweise Lukas Lobis, Thomas Hochkofler oder Dietmar Gamper, und zum anderen erfolgte aus meiner Sicht auch ein Qualitätssprung. Es werden vermehrt Südtiroler Themen aufgegriffen, das Kabarett wird aufs Land zugeschnitten, und mir scheint das wird auch vom Publikum sehr geschätzt. ALEX LIEGL: In der Dekadenz gab es schon immer Kabarett, aber das waren zumeist Produktionen, die allein im Keller aufgeführt oder für den Ort gemacht worden sind. Jetzt wird mit einzelnen Kabarettprogrammen im Land rumgetourt und es werden vermehrt Themen aufgegriffen, die anderswo auch gelten.

„Diese hochprofessio­ nelle Mischung aus Profis und Nichtprofis ist sehr speziell!“ Alexander Liegl

GABI ROTHMÜLLER: Ja, ein wesentlicher Unterschied für mich ist der andere Umgang mit Kabarett, der sich seither entwickelt hat: Es ist selbstverständlicher geworden, dass man sich mit sich selbst, dem eigenen Land und der eigenen Sprache beschäftigt. ALEX LIEGL: Diese spezielle Mischung freut nicht nur das Publikum, es macht das Kabarett auch unverwechselbarer. Was gefällt euch an dieser Entwicklung, und was weniger? GABI ROTHMÜLLER: Auch nach 15 Jahren ist es immer wieder spannend, hierher zu kommen, hier zu arbeiten und zu sehen, was sich im Land tut – das beeindruckt mich immer wieder. Es gibt in Südtirol einen ganzen Schwung Leute, die das sehr gut machen und ich freue mich, mit ihnen machen zu dürfen. Es sind dabei keine stromlinien­

ALEX LIEGL: Klar, die können locker mithalten. Im Schauspiel sowieso, da stellt sich manchmal höchstens die Dialektfrage und ob die einen stört oder nicht. Aber es gibt auch viele andere Schauspieler wie Bruno Gantz beispielsweise, die ihren ganz eigenen Zungenschlag haben. Beim Kabarett ist der Vergleich schwieriger, weil man kaum Sachen nehmen und woanders spielen kann. Das funktioniert von Richtung Norden nach Süden, aber umgekehrt gibt´s ein ungerechtes Gefälle: Die Leute in Deutschland wissen nichts über den Landesrat hier, aber hier weiß man wohl alles über Merkel, Seehofer und Co. Dies betrifft aber nicht nur Kabarett aus Südtirol, auch das österreichische Kabarett hat es in Deutschland nicht leicht. Die Österreicher haben halt den Vorteil, dass es im eigenen Land mehr von ihnen gibt. GABI ROTHMÜLLER: Dazu kann ich ein Beispiel erzählen! Der österreichische Kabarettist Hosea Ratschiller hat vor einigen Jahren ein Kabarettprogramm gemacht, in dem er die Nazizeit in Österreich abgehandelt hat. Damit tourte er durch Deutschland, und dort hat man nur etwas müde gelächelt und sich gewundert, weil dort diese ganze Aufklärungszeit bereits vorüber war. Was findet ihr an der Dekadenz spannend?


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KABARE TT „Einmal Vorspiel, dreimal Ring“

von Alex Liegl, Regie: Gabi Rothmüller, 2010

GABI ROTHMÜLLER: Die Dekadenz bietet zum einen Kabarett und zum anderen Theater-Eigenproduktionen, die nicht immer witzig sind, sondern wo auch mit schweren Geschossen aufgefahren wird. Und beides funktio­ niert! Mit den Theater-Eigenproduktio­ nen werden auch jüngere Zuschauer erschlossen, während das Kabarett meistens älteres Publikum anspricht. Ich finde diese Kombination eine sehr angenehme Sache, die eher selten vorkommt. ALEX LIEGL: Und eure hochprofessionelle Mischung aus Profis und Nicht-

profis, die ist sehr speziell. Man kann danach im Publikum eine Umfrage machen, wer nun der Laie war und wer der Profi, und die Zuschauer liegen todsicher daneben. Das liegt mir sehr nahe. Es gibt auch gutbezahlte Profis, die einen Scheißdreck machen. Ihr beide kennt die internationale Kabarettszene ganz ausgezeichnet – wie seht ihr die Zukunft des Kabaretts? GABI ROTHMÜLLER: Beim politischen Kabarett dachte ich, das sei längst tot und Dieter Hildebrand war noch

der Youngster unter ihnen. Aber nun entdeckt eine neue Generation das politische Kabarett, beispielsweise Claus von Wagner oder HG Butzko, und erwecken diese tot geglaubte Spezies wieder zum Leben. Einige sehen die Zukunft des Kabaretts auf you-tube, daran glaube ich nicht: Das direkte Erleben auf einer Bühne mit echten Menschen ist meiner Meinung nach nicht ersetzbar. ALEX LIEGL: Die verschiedensten Formen wird es stets parallel geben, auch ganz Junge kommen im Kabarett-Bereich nach. Es gibt eine Fülle


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von Varianten, von der Comedy über gemischte Formen bis hin zum Schulkabarett. Und es gibt eine Unmenge an Leuten, die in diesem Bereich tätig sind. Viele Männer, wenig Frauen, aber das ist halt mal so. Wie seid eigentlich ihr zum Kabarett gekommen? ALEX LIEGL: Ganz versehentlich, ich bin ganz versehentlich beim Kabarett gelandet. Im Freundeskreis machten wir so was wie Impro, wobei es diesen Begriff damals noch gar nicht gab, und bei einem Aufenthalt in Italien entstand daraus dann Kabarett, aber eher zufällig. Daraus wurde dann mit den Jahren mehr und mehr. GABI ROTHMÜLLER: Und ich komme eigentlich vom Theater, bis mich Jockel Tschiersch eines Tages fragte, ob ich mit ihm Kabarett machen möchte. Die ersten Auftritte waren fast schon ein Erweckungserlebnis: Die Wand zwischen Publikum und mir ist weggefallen; ich spielte kein abstraktes Publikum mehr an, sondern echtes. Und ich konnte mich im Kabarett mit Dingen beschäftigen, die mich ak­ tuell­interessierten: Das regt mich auf, ich darf es sagen und muss es davor nicht in einen sechshebigen Jambus verpacken – das war spannend! Und andererseits war es auch ein Lernen: Hilfe, ich muss jetzt was sagen, und es gibt dafür keinen vorgefertigten Text. Irgendwann fand ich dann Theater wieder aufregend, weil man Dinge in einem wohlgelungenen Text hinein interpretieren und benutzen kann. ALEX LIEGL: Bei mir war das mit der Wand umgekehrt: Im Schultheater fand ich es wunderbar, dass es diese gibt. Kabarett ist bei mir immer schon eher szenisch gewesen und geht in Richtung Theater, nur die Form ist kabarettistisch. Das reine Kabarett, das könnte ich gar nicht erfinden, das haben andere gemacht. Ob mit Val­ torta oder mit meinem Bühnenpartner Michi Altinger, wir verwenden immer

Figuren, es ist ein kabarettistisches Schauspiel. Welche Themen oder Motivationen treiben euch zum Kabarett? GABI ROTHMÜLLER: Das Aufzählen von Politikernamen interessiert mich nicht und ist für mich auch nicht unbedingt das politische Kabarett schlechthin. Ich finde gesellschaftspolitische Themen viel spannender. ALEX LIEGL: Die Auswirkungen der Politik auf die Leute – das ist hochspannend und auch hochpolitisch. Und Kabarett sollte bei einem selbst

„Es ist selbstverständlicher geworden, dass man sich mit sich selbst, dem eigenen Land und der eigenen Sprache beschäftigt.“ Gabi Rothmüller

GABI ROTHMÜLLER: Wenn jemand anfragt, ob ich bei seinem Kabarett Regie machen würde, lautet meine erste Frage immer: Was hast du denn zu sagen, was regt dich auf? Kommt dann jemand mit der Antwort, ich mache Kabarett, weil ich damit nächstes Monat ein Festival eröffnen muss, winke ich schon mal ab. ALEX LIEGL: Die Frage, welchen Zustand ich ändern möchte oder gegen was ich bin, steht bei mir wiederum nicht im Vordergrund. Ich finde es schon toll, wenn ich jemanden originell überraschen kann. Mir reicht allein die Frage aus, was bewegt mein Leben und was finde ich unglaublich. All diese Kommunikationsstörungen im Zusammenleben finde ich beispielsweise schon so faszinierend und krank, dass sie mich bewegen. Und durchs Darüberlachen versteht man sie vielleicht auch noch. GABI ROTHMÜLLER: Ja, diese Auswirkungen von einem Missstand, die einem zum Autisten, zum Clown oder zum Mörder machen. Einen Witz um des Witzes willen finde ich hingegen langweilig. ALEX LIEGL: Wobei auch hier gilt: Wenn es einen saudummen Kalauer gibt, unbedingt rein ins Programm damit! Da darf man sich nicht zu schade dafür sein. Blöd aber lustig muss auch möglich sein, wenn es nicht nur dabei bleibt. GABI ROTHMÜLLER: Und blöde Witze innerhalb eines Kabarettabends haben ja auch ihren Sinn. Sie sind anarchisch. Bürokratie und Schemata hasse ich, und ein dummer Witz heißt dann, ich pfeife auf eure Ordnung. Wie würde denn das größte Lob nach einem Auftritt lauten?

bleiben, was einem persönlich oder was vor Ort von Belang ist; dann lebt und knallt das Kabarett. Es braucht eine Verortung und Verzeitung.

ALEX LIEGL: Wenn jemand zu mir sagt, das ist so richtig krank – das ist für mich ein wunderbares Kompliment. —


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[kaba’Ret] oder [kaba’Re]? Sagt man nun Kabarett mit zwei harten t am Ende, oder Kabareh mit verschlucktem Endlaut? Das hängt ganz davon ab, wo man seine Kindheit verbracht hat: In Deutschland bevorzugt man die Doppel-T-Variante, in Österreich und der Schweiz spart man sich das Ende. Und in Südtirol steckt man – wie öfters der Fall – mittendrin (wobei man sich in der Muttersprache eher ans Mutterland Österreich anlehnt, also zum Kabareh tendiert). Wichtiger ist da schon eher, dass man das Kabareh nicht mit dem Cabaret verwechselt, beim Hören lässt sich der Unterschied ja nicht feststellen. Aber: Kabarett ist das, was Sie (meistens) in der Dekadenz sehen. Und Cabaret ist eine Revueform, gerne garniert mit langen, schlanken, netzbestrumpften Damenbeinen. So richtig happig wird die Begriffsverwirrung, wenn man sich mit Franzosen übers Kabarett unterhält: Das deutsche Kabarett nennt sich dort cabaret artistique, womit man auch eine Gaststätte mit Kleinkunstprogramm bezeichnet. Eine reine

Kleinkunstbühne ohne gastronomische Genüsse nennt sich wiederum café-theatre, eine Bühne für (politisches) Kabarett ist ein theatre de chansonniers, während das Vergnügungslokal ein cabaret ist. Und Sie ahnen es: Ein Kabarettist ist in Frankreich kein cabaretist, sondern ein chansonniere (auch wenn er keine Chansons singt). Und der artiste de cabaret, der tritt lieber im Cabaret auf. Übrigens: Die deutsche Schreibweise „Kabarett“ ist erst seit den 1930er Jahren in Gebrauch. Vorher nannte man das Kabarett „Brettl“, Überbrettl“ oder „Varieté“. Wie man aufs Brettl kommt? Weil mit dem französischen cabaret auch diese drehbaren Speisebrettln mit Schüsselchen und Unterteilungen bezeichnet werden: ein buntes Nebeneinander von Einzelelementen – wie beim Kabarett. Und mittendrin die allesverbindende Soße, der Conférencier. Und noch was: cabaret heißt auch noch Schenke oder Kneipe. Wo auch das erste Kabarett gegründet wurde. —

Und wer hat´s erfunden? Die Franzosen. Genauer: Die Pariser. Und noch präziser: Rodolphe Salis. Zumindest hat dieser Anfang der 1880er Jahre das erste cabaret artistique (siehe wieder Artikel oben) eröffnet, das am 18. November 1881 auf den Namen „Le Chat Noir“ (Die schwarzen Katzen) getauft wurde. Die Räumlichkeit befand sich in Montmartre, damals nicht gerade das Kranebitt von Paris. Also die ideale Gegend für Dichter, Maler, Künstler und Komponisten. Sie trafen sich bei Salis, um zu diskutieren und ihre Arbeiten vorzustellen, bevor sie ihr Schaffen dem Publikum zumuteten. Das hohe Ziel des ersten Kabarettlokals: „politische Ereignisse persiflieren, die Menschheit belehren, ihr ihre Dummheit vorhalten, dem Mucker die schlechte Laune abgewöhnen“.


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Das Überbrettl und der Liebe Augustin Das Treiben der Franzosen gefiel in Deutschland, literarische Café wurden dort en vogue. Und somit gründete der Schriftsteller und Verlagslektor Ernst Freiherr von Wolzogen zwanzig Jahre nach der Erstgründung in Frankreich, das erste deutsche Kabarett – das „Überbrettl“ (eine Anspielung auf Nietzsches Begriff des „Übermenschen“). In Berlin und am 18. Januar 1901. Dafür mietete er das Theater „Sezessionsbühne“ in der Alexanderstraße 4 an, eine

etwas ungeeignete Räumlichkeit für Kabaretts: zu groß, zu wenig intim. Und so ging der „Brettl-Baron“ ein Jahr später auch in Konkurs. Das Kabarett startete dennoch seinen Siegeszug durch Deutschland, und zwar mithilfe der Münchner Gruppe „Die Elf Scharf­ richter“ – einer von ihnen war Frank Wedekind. Dreimal wöchentlich führten die Scharfrichter ihr monatlich wechselndes politisches Kabarett auf und gerieten dabei immer wieder in Konflikt mit der herrschenden Zensur. Und mit der Finanzierung. Drei Jahre nach der Eröffnung gingen sie 1904 in Konkurs. Und einige der Scharfrichter, so auch Wedekind, zogen nach Wien, wo es das Kabarett auch schon gab. Denn dort hatte zeitgleich der ös-

terreichisch-ungarische Schriftsteller und Journalist Felix Salten (eigentlich Siegmund Salzmann) das erste österreichische Kabarett gegründet: das Jung-Wiener-Theater „Zum Lieben Augustin“. Hier wollte er moderne Stimmungsbilder durch Verknüpfung von Musik, Lyrik, Tanz und Raumkunst hervorbringen. Allerdings: Die erste Veranstaltung am 16. November 1901 war kein Erfolg. Selbst Wedekind, der nun hier mitmischte, gefiel gar nicht. Somit war am 23. November, nach sieben Vorstellungen, auch schon wieder Schluss. Es blieben: Ein Verlust von 6.000 Kronen. Ein Eintrag ins Geschichtsbuch. Und sechs Jahre später eröffnete das Theaterkabarett „Simpl“ in Wien. Und dieses gibt´s heute noch. —

Kabaretts made in Südtirol

Kabarett DE-KADENZ, 1980 Faschingsrevuen gab es viele, doch ab wann wurde in Südtirol gesellschaftspolitisches Kabarett verfasst und gezeigt? Ein erstes Kabarett dieser Art stammt von der Kleinen Experimentierbühne Bozen (KEB). „Alles schon dagewesen“ nannte sich ihr erstes Kabarettprogramm, aufgeführt 1966. Victor Guarda betätigte sich als

Autor, Regisseur und Spieler; mit ihm standen Christa Kräutner, Luis Benedikter, Bruno Laner, Gerd Staffler und Werner Strickner auf der Bühne. Der große Erfolg motivierte KEB zu einer zweiter Kabarettproduktion im Jahr 1968, die ganz im Zeichen der anstehenden Landtagswahlen statt – dieses Mal ohne Victor Guarda, der aus

Studiengründen ins Ausland gezogen war. Diese zweite Kabarettproduk­ tion­war auch bereits die letzte, und Südtirol blieb wieder für längere Zeit kabarettfrei. Bis im Herbst 1980 die Gruppe Dekadenz mit dem Kabarett „DE-KADENZ“ ihr Debüt feierte. Ihr war mehr Erfolg beschert und sie blieb - bis heute. —


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„Je kleiner das ­Theater, umso besser das Publikum“

Alfred Dorfer

Politkabarett, das sich in erster Linie auf Politiker konzentriert, sind für ihn ein Auslauf­ modell und Unsinn. Er spricht lieber über das Politische im Privaten, über Dinge, die er selbst erlebt oder in die er sich vertieft hat. ALFRED DORFER über verhinderte Erkenntnismöglichkeiten, warum er diesen Job überhaupt macht und ob Brixen in der Provinz liegt.

„Als Satiriker kann man neue Gedanken anstoßen“


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Das Kabarett zeigt sich vermehrt in vielen Spielarten, vom politischen Kabarett bis hin zur Standup-­Comedy: Gibt es Formen, die Sie bevorzugen, und welche, die Sie gar nicht mögen? Ich glaube, dass es wichtig ist eine Geschichte zu erzählen, die mit der Zeit zu tun hat und Gedankengänge anregt – welche Hilfsmittel oder Form man hierfür verwendet, ist fast sekundär. Der Begriff „Kabarettist“ wurde uns zu den Anfangszeiten umgehängt, wir wollten damals eigentlich so etwas Ähnliches wie komödiantisches Theater machen. Wie schmal ist für Kabarettisten der Grenzgang zwischen Belehrung und dem Anregen von Gedankengängen? Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was auf der Bühne stattfinden sollte, und einem Vortrag auf der Uni – und das ist für mich der entscheidende Punkt. Bei einem Vortrag, der durchaus auch humoristisch sein kann, ist klar, dass dies eine unterrichtende und belehrende Veranstaltung vor einem Publikum ist, das den geschilderten Inhalt noch nicht kennt oder angeblich noch nicht kennt. Die Mittel des Theaters und der Bühne sind andere: Hier findet eine neue Erkenntnis über das Spielerische statt, über andere Methoden als dem Rationalistischen. Insofern meine ich, dass Vorträge auf der Bühne nichts verloren haben, ebenso wie Theater auf der Uni nichts verloren hat. Man kann zwar mit diesen Mitteln spielen, aber es muss eben spielerisch und theatralisch bleiben. Heute findet die Aufdeckung von Verstrickungen welcher Art auch immer beinahe täglich in den verschiedensten Medien statt; das Publikum ist über die politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Zustände wahrscheinlich wesentlich informierter als zu den

Anfangszeiten des Kabaretts. Wie schwierig ist es heute demnach, politische oder gesellschaftliche ­Zusammenhänge und Entwicklungen auf der Bühne aufzuzeigen? Es stimmt sicher, dass es heute für Kabarettisten viel weniger aufzudecken gibt und die Zuschauer weniger überraschbar sind als früher. Andererseits finden wiederum Entwicklungen statt, die wir gar nicht mitbekommen – beispielsweise, dass wir unsere Sprache nicht in ihrem vollen Reichtum benützen und uns dadurch Erkenntnismöglichkeiten genommen werden. Zudem erhalten wir Informationen zunehmend in kürzeren Portionen, ich nenne dies

„Der heutige sekun­ däre Analphabetismus besteht darin, dass wir zwar lesen können, aber dessen Sinnhaf­ tigkeit nicht mehr ­erfassen.“ Alfred Dorfer

die you-tube-Kultur, dich ich furchtbar finde. Sie unterstützt unsere jungen Menschen darin, keine drei Textseiten mehr erfassen oder Zusammenhänge herzustellen zu können. Der heutige sekundäre Analphabetismus besteht darin, dass wir zwar lesen können, aber dessen Sinnhaftigkeit nicht mehr erfassen. Ich meine das jetzt nicht oberlehrerhaft – aber ich halte dies für eine Verdummung und einen Abbau von Demokratie. Weil die verhinderten Erkennungsmöglichkeiten auch die Mitsprache verwehren? Ja, in erster Linie verhindert dies den Durchblick. Wir werden mit einer Einheitssprache aus den Medien und aus

der Synchronisation von Filmen überschwemmt, welche die reichhaltige deutsche Sprache über einen Kamm schert. Dadurch verlieren wir die Vielfältigkeit unserer Ausdrucksweise und benennen Dinge immer gleich. Wir können beispielsweise nicht mehr differenzieren, wie etwas schmeckt, wenn es gut schmeckt – alles ist lecker; im Übrigen ein bescheuerter Ausdruck. Es gäbe aber tausende Möglichkeiten um auszudrücken, inwiefern etwas „lecker“ ist. Durch eine scheinbar hippe Sprache werden unsere Möglichkeiten eingeschränkt: Wir gehen nicht nur unserer Herzenssprache verlustig, sondern auch der regionalen Sprache, die in eine überregionale mündet – und diesen Verlust finde ich sehr schmerzhaft. Über die Zukunft des politischen Kabaretts gibt es eine Vielzahl ­von Meinungen – ist es ein Auslaufmodell? Politkabarett, das sich sehr auf Namen oder Parteien konzentriert, ist tatsächlich ein Auslaufmodell. Bei dieser Art von Kabarett sucht man sich einen Dritten, verbündet sich mit dem Publikum gegen diesen und dies führt dazu, dass die Zuschauer gar nicht mehr über sich selbst nachdenken müssen. Die Probleme, die wir haben, lassen sich aber nicht personalisieren: Die hängen nicht an einem Politiker oder vier Ministern, deshalb ist es Unsinn, diese Form des Kabaretts überhaupt noch zu machen. War früher die Zuordnung in Gut und Böse leichter? Das stimmt sicherlich, früher gab es noch den Eiserne Vorhang, den Kommunismus, es gab klare Personalien, wo man sagen konnte, das ist eine böse Figur – wie im Kasperletheater, bei dem es klar ist, dass das Krokodil böse ist. Diese eindeutige Zuordnung hat sich verschoben. Man versucht diese Schwarz-Weiß-Malerei heute noch mit dem Islam – den es in dieser Form gar nicht gibt, weil er aus


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„In kleinen intimen Räumen wie der Dekadenz kann Dialog stattfinden“ Alfred Dorfer

Die Urteile tendieren zwischen den zwei Polen Nabel der Welt oder tiefste Provinz … Provinz? Ich habe längere Zeit in Berlin gewohnt – und bin dort auf tiefste Provinz gestoßen. Hier hingegen habe ich nur eine große Offenheit erlebt. Die Provinz ist kein Ort und das Provinzielle nichts Ortsgebundenes, man kann sich das zuschreiben lassen oder auch nicht. Glauben Sie, dass Sie mit Kabarett etwas bewirken können?

tausenden Unterformen besteht. Aber das Schöne an Feindbildern ist ja, dass man damit nicht über sich selbst nachdenken muss. Sie suchen auf der Bühne also eher das Politische im Privaten? Ja, absolut. Der Aspekt der Globalisierung ist im Wesentlichen nichts anderes als eine Überforderung, weil wir diese Gruppengröße nicht überschauen und diese Grenzenlosigkeit nicht erfassen können. Je mehr sich die Zustände verwaschen und die Dinge vermischen – wer ist schuld, wer ist der Böse – desto mehr sind wir auf uns selbst zurückgeworfen. Und umso mehr könnten wir in unserem kleinen Kreis adäquat zu unseren Möglichkeiten agieren, das war ja das Erfolgsgeheimnis des italienischen Mittelalters. Als Optimist sehe ich eine Chance darin, dass einzelne Menschen oder Gruppen

die Dinge selbst in die Hand nehmen und sich nicht mehr gängeln lassen. Sie haben Filme gemacht, Bücher geschrieben, treten mit Kabarettprogrammen auf: Zieht sich durch Ihr Schaffen so etwas wie ein Grundthema? Ich habe zeit meines Lebens versucht, hauptsächlich über Dinge zu sprechen, die ich selbst erlebt oder in die ich mich selbst vertieft habe. Das führt uns jetzt zu Südtirol oder anderen ähnlich gelagerten Problematiken: Ich halte es für unfassbar überheblich, wenn Menschen, die von draußen kommen und die Sachlage nicht von innen kennen, sofort ein flapsige Urteil von sich geben. Das finde ich furchtbar. Jemand, der nicht hier lebt oder eine sehr lange Zeit hier verbracht hat, sollte über die Zustände im Land auch die Klappe halten.

Aber sicher! Klarerweise werden nach einer Kabarettvorstellung die Zuschauer keine Revolution beginnen oder Konzerne stürzen, um das zu glauben bin ich wohl schon zu alt. Wenn jedoch hundert Menschen in einem Raum sitzen und der Abend funktioniert, sprich es gibt eine Übereinstimmung zwischen mir und dem Publikum, dann glaube ich schon, dass bei fünfzig oder sechzig Menschen zumindest ein neuer Gedanke, ein Nachdenken entsteht. Unterirdisch bilden sich also fünfzig, sechzig kleine Gedankenströme – insofern gibt es eine Wirkung, mit der man Dinge verändern kann, wenn auch eine homöopathische, die sich nicht morgen und auch nicht im Großen auswirkt. Dazu fehlen uns die Instrumente. Aber ich glaube, dass es möglich ist als Satiriker Dinge anzustoßen. Ansonsten würde ich einen anderen Job machen. Ist dies auch eine Ihrer ­Antriebsfedern? Das ist die einzige Antriebsfeder! Diese und jene, dass mein Beruf auch meine Freude ist: Je länger ich diese Arbeit mache, umso mehr Spaß macht sie mir. In Ihrer Dissertation „Satire in restriktiven Systemen Europas im 20. Jahrhundert“ zeigen Sie auf, dass Satire im Kabarett während des Faschismus in Italien, des Nationalsozialismus in Österreich und in der DDR durchaus auch der Erhaltung eines Systems dienen kann. Satire


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ist also nicht nur Widerspruch und Widerstand ... Satire ist ein Instrument der Demokratie und aus gewissen Traditionen heraus meist links der Mitte angesiedelt. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass Satire sich immer gegen die Mächtigen richtet. Mit der Dissertation wollte ich eine neue Sichtweise aufzeigen: Die Beispiele aus dem Faschismus oder in der DDR zeigen auf, dass es durchaus auch eine Übereinstimmung zwischen Satire mit nichtdemokratischen Systemen gibt. Perfiderweise kann man als Satiriker sogar zum Handlanger oder als liberales Feigenblatt benutzt werden. Man ist also subversiv und zugleich systemerhalten, man ist ein Teil des Getriebes. Die entscheidende Gegenfrage ist jedoch, was wäre ohne Satire? Man hätte dann überhaupt keine Gegenposition und Gegendarstellung mehr, und das wäre noch schlimmer. Aber man muss wissen, dass Satire als Mittel begrenzt ist und auch als Werkzeug benutzt werden kann. Welchen Stellenwert hat für Sie die Satire abseits der Bühne? Selbstironie ist für mich unabdingbar und Humor ist eine Grundstimmung, die man haben sollte – was jetzt nicht heißt, dass man andauernd Witze macht. Jeder wichtige Mensch in meinem Leben, den ich mir selbst aussuchen konnte, hat Humor. Humorbefreite Menschen stellen mich vor einem Kommunikationsproblem. Satire und Humor sind für mich eine Form der Distanznahme, plötzlich ist alles nicht mehr ganz so schlimm, und das bringt therapeutische Sinnhaftigkeit. Bei Satirikern kann es allerdings zur Berufskrankheit werden, die Dinge nur mehr ironisch zu sehen, dann schleicht sich eine leichte Verachtung für die Menschen ein. Das Leben hat mir das verunmöglicht, dafür bin ich dankbar. Das ist nicht meine Leistung, sondern ein Glücksfall. Nach Jahren auf großen Bühnen und im Fernsehen sind Sie nun wieder

zu Auftritten in kleineren Kleinkunsträumen wie der Dekadenz zurückgekehrt. Warum dieser Schritt, der uns ja sehr freut? Nach dreißig Jahren bin ich dorthin zurückgekehrt, wo ich herkomme. Mit den sehr großen Räumen konnte ich nie viel anfangen, weil ich das Gefühl habe, dass es bei einer gewissen Raumgröße fast schon wurscht ist, wer auf der Bühne steht und wer im Publikum sitzt. Das ist in kleinen intimen Räumen wie hier in der Dekadenz anders, da kann ein Dialog stattfinden und man erfasst jedem im Publikum, außer jemand will gar nicht. Und beim Film habe ich mich fadisiert, diese Selbstgefälligkeit und

„Man muss wissen, dass Satire als Mittel begrenzt ist und auch als Werkzeug benutzt werden kann“ Alfred Dorfer

der schlechte Journalismus – jeder, der Augen hat, glaubt auch eine Rezension schreiben zu können. Um diese Art von Dummheit tut es mir nicht leid, und Prominenz hat mir nie etwas bedeutet. Merken Sie auch Unterschiede beim Publikum, unterscheidet sich das Brixner Publikum von anderen? Je kleiner das Theater, umso besser das Publikum – das ist meine Erfahrung. Die Zusammenkunft zwischen dem Menschen auf der Bühne und den Zuschauern ergibt dann jenen Sinn, der ab einer gewissen Größe verloren geht. Das Brixner Publikum springt dabei nicht ab der ersten Sekunde sofort an. Die ersten drei Minute teste ich immer ab, wie das Publikum reagiert, es verhält sich ja im Laufe des Abends

wie ein Mensch und man synchronisiert sich mit diesem. In Brixen habe ich diese erste Zurückhaltung mit dem Südtirol-Thema der österreichischen Schutzmacht aufgebrochen, das machte mir großen Spaß und ich hab´s sehr genossen. Das Südtiroler Publikum ist für mich zudem ein Teil von zuhause und etwas, das von der Mentalität, der Sprache und den Lebensperspektiven zu uns Wienern dazugehört – viel mehr als die Menschen in Köln, Dresden oder Hamburg. Was ich nun sage, ist gefährlich, weil es sich sofort nach 10. Bundesland und solchen Scheiß anhört, aber: Man kommt hierher und spürt sofort, du sprichst die gleiche Sprache. In Orten in Deutschland habe ich manchmal das Gefühl, ich bin ein Fremder. Wie würden Sie die Beziehung zwischen Veranstalter und Künstler beschreiben? Ohne Veranstalter geht es nicht, sie sind Teil des Aufklärungsprozesses. Ohne Kleinkunstbühne müssten wir uns wie in der Commedia dell’Arte auf den Marktplatz stellen, um unsere Sachen los zu werden. Demnach gibt es also eine hohe Wertschätzung gegenüber den Veranstaltern. Es gab früher auch noch eine ganz klare Beziehung zwischen Kabarettisten und Veranstalter. Diese hat sich aufgrund der Aufgeblasenheit der ganzen Szene verändert, das Management trat dazwischen und als Künstler hat man den Kontakt verloren. Ich bin dann manchmal irgendwo aufgetreten und wusste gar nicht, wer der Veranstalter überhaupt ist, ich habe diese Menschen gar nie getroffen. Durch meinen Schritt zurück zu den Wurzeln hat sich dies wiederum zum Positiven verändert. Und ich sage das jetzt nicht aus pädagogischen Gründen: Ich weiß, dass Veranstalter keine leichte Aufgabe haben und sich mit ihrem Job weder Yachten noch Einfamilienhäuser verdienen. —


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Ansichts-Sachen Kabarett hat viele Facetten und Spielarten. Was unser Publikum am Kabarett mag, und was weniger – eine kunterbunte Auswahl an Ansichten.

„Es ist spannend, wenn Kabarett oder Theater ablenkt von dem überbordenden seichten Zeug, das wir ständig im Fernsehen, in Gesprächen oder in den Medien aufgetischt kriegen. Oftmals sind wir gar nicht mehr fähig, Kritisches und Ironisches aufzugreifen – wobei dies Lustiges und Unterhaltsames nicht ausschließt. Wenn Kabarett dies schafft, wird es diese Form auch immer geben.“

„Es ist herzfrischend, wenn Kabaretts kunterbunt sind und wahllos Brüche aufweisen. Es darf ruhig eigenartig sein und spinnen! Dem ist zwar schwieriger zu folgen, aber ich mag das Verrückte und Sonderbare. Comedy ist für mich zu sehr auf Linie und Uniformen getrimmt.“

„Ich mag es, wenn mir ein Kabarettist Neues aufzeigt, neue Verbindungen von Dingen oder neue Gedanken. Dann denkt man sich beim Zuhören: Stimmt – so habe ich das noch gar nicht gesehen!“


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„Politisches Kabarett, das sich nur um die Politiker dreht, kann ich nicht mehr hören – davon habe ich schon genug gesehen. Mich interessieren gesellschaftliche und zwischenmenschliche Themen wesentlich mehr. Politisches ist für mich abgedroschen, ich bin stuff davon.“

„Mir gefallen insbesondere Kabarettistinnen und Kabarettisten, die mit der Sprache spielen. Weiters komme ich wegen der Atmosphäre und den Menschen, die man hier vorfindet.“

„Bei einem Kabarett möchte ich lachen können und mich einfach nur gut unterhalten. Ganz ehrlich: Mir ist es manchmal zu anstrengend, da auch noch groß mitdenken zu müssen. Daher mag ich am liebsten Kabaretts, die vom Alltag erzählen und in denen man sich wiederfindet.“

„Ertappt! Ich bin heute zum ersten Mal hier, weil ein Freund eine Eintrittskarte übrig hatte. Keine Ahnung, was mich erwartet – ich bin gespannt!“


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„Diese Bühnen sind wichtig – weil der Uniformismus der Unterhaltung mitunter grauenhafte Sigi Zimmerschied Züge annimmt.“

Der bayerische Kabarettist SIGI ZIMMERSCHIED bringt seine Meinung immer kompromisslos zum Ausdruck, was ihm unter anderem Ermittlungsverfahren wegen Gotteslästerung und Verunglimpfung des Staates einbrachte. Ein Gespräch über Hauskasperln, Opportunisten, grausame Erkenntnisse und Kleinkunstbühnen.

„Das Vergnügen an Unauflösbarkeiten“


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In Ihrem aktuellen Programm „Tendenz steigend“ thematisieren Sie unter anderem Ihren Ärger gegenüber den so genannten Comedians, die reden ohne was zu sagen. Nimmt die seichte Unterhaltung Ihrer Meinung nach zu? Wir sitzen einer großen optischen Täuschung auf. Das Verhältnis jener Menschen, die sich im Kabarett oder Theater mit ernsthaften Themen auseinandersetzen möchten, und jenen, die auf pure Unterhaltung setzen, ist immer dasselbe. Die reine Unterhaltung wird jetzt nur sichtbarer, weil es unendliche viele TV-Sender gibt, jeder Sender seinen Hauskasperl braucht, und jeder Hauskasperl muss ein paar Witze erzählen könne. Das, was man heute als Comedian bezeichnet, waren früher die Alleinunterhalter oder Humoristen, die auf Betriebsfesten oder in Gaststätten aufgetreten sind. Sie waren aber nicht sichtbar, obwohl sie da waren. Jetzt sind sie sichtbar und man hat den Eindruck, sie würden mehr und seien im Übergewicht. Haben sich die Themen, die Kabarettisten heute aufgreifen, verändert? Die Themen sind immer dieselben. Jeder Künstler und Kabarettist hat, so glaube ich, sein Generalthema, um das er kreist. Bei mir sind das die Opportunisten, weniger die Politiker oder andere Gallionsfiguren – die sind ja gar nicht so wichtig. Wichtig sind jene, die diese Leute wählen, installieren und unterstützen – das sind die Unsichtbaren, die Masse. Die Bewusstseinslage dieser Masse hat mich immer interessiert, vor allem eben der Opportunist, der sich immer angleicht, wandelt und seinen Vorteil sucht. Selbst bei Kollegen, die sich der Aktualität annehmen, spürt man ein Grundthema heraus – das ist immer anders, aber es ist vorhanden. An der Oberfläche hat man dann wiederum das Gefühl, themenmäßig passiert viel – aber das stimmt so gar nicht.

einer Lüge gesteuert ist. Aber diese Lüge akzeptiere ich. Welche Charakteristiken braucht man denn noch als Kabarettist?

„Es verändert sich nichts – aber das muss man mit Ironie und Vergnügen betrachten“ Sigi Zimmerschied

Im Grunde findet also gar keine Veränderung statt? Ja, das müssen wir wohl aushalten. Dies ist eine grausame Erkenntnis, und man darf sich davon die Lust nicht rauben lassen, aber: Es verändert sich nichts, der Mensch lernt nichts dazu und es ist eine heillose Geschichte. Aber das muss man mit Ironie und Vergnügen betrachten und sich an diesen Widersprüchen freuen. Sie gehen also mit dem Wissen auf die Bühne, dass Sie mit Ihrem Tun als Kabarettist im Grunde gar nichts bewirken? Der Anspruch, etwas zu bewirken, ist schon da – das ist der Widerspruch von uns Kabarettisten. Obwohl wir eigentlich wissen, dass wir nichts bewirken, tun wir so als ob es anders wäre. Wir brauchen das wohl als Triebfeder und kleinen Motor, der von

Man hat einen Schaltfehler im Kopf und ist nicht mit der Masse kompatibel – unabhängig wo man geboren ist, unabhängig vom Ort. Eine zweite Eigenschaft ist ein außergewöhnlicher Exhibitionismus. Dieser erklärt, warum jemand alles sagt und zeigt, was er meint. Und weiters die ganz große Freude und das Vergnügen an diesen Unauflösbarkeiten, Widersprüchen und Heillosigkeiten, an denen jeder andere Mensch verzweifelt, die für den Kabarettisten aber ein Elixier sind. Welche Bedeutung haben Kabarettbühnen heute noch? Ich glaube, sie haben eine sehr wichtige Funktion. Insbesondere in den Anfangszeiten waren sie ein Sammelbecken, Ausdrucksform und Heimat für Menschen, die anders waren und in so einer homogenen Gesellschaft wie in Südtirol oder Niederbayern keinen Platz gefunden haben. Diese Orte sind Kraftspender und öffentliche Bühne. Es hängt allerdings davon ab, wie sich diese Bühnen entwickeln: Manche werden nur noch verwaltet, bringen immer dasselbe und sind zum Museum geworden. Anderen waren beweglich und blieben aufregende Begegnungsstätten. Dies hängt stark von den Betreibern ab, die ja auch einen Alterungsprozess durchlaufen. Aber da sie oft störrische, egomanische Menschen sind, tun sie sich mit der Übergabe und der Integration von Jüngeren oft schwer und stellen dann mit 70 Jahren fest, jetzt kann ich nicht mehr, konnte aber nicht übergeben. Wenn es jedoch glückliche Konstellationen gibt und Jüngere einsteigen, dann läuft´s. Aber ja: Diese Bühnen sind wichtig und werden heute wieder wichtiger – weil der Uniformismus der Unterhaltung mitunter grauenhafte Züge annimmt. —


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Kabarettisten zu Gast Sie kommen aus München, Wien, Hamburg oder einem anderen Ort dieser Welt. Sie kommen mit ihrem ersten Kabarettprogramm, oder mit dem zehnten. Namen, die man bereits vor der Aufführung kennt – oder Namen, die man nachher nicht vergessen wird. Wer alles in der Dekadenz zu Gast war. Michael Altinger, amfiMIXIS, Ars Vitalis, Robert Asam, Frank Astor, Django Asül, Christian Baudissin, Sebastian Baur, Rene Bazinet, Karlheinz Beer, Gabriele & Christian Beier, Konrad Beikircher, Biermöslblosn, BlöZinger, Andrea Bittermann, Blattrand, Bolzano & Maleh, Ulli Boettcher, Andrea Bongers, Matthias Brandstäter, Susi Brantl, Thelema Breakpoint, Werner Brix, Klaus Brückner, Josef Brustmann, Norbert Bürger, Buschtrommeln, HG Butzko, Cache, Cargo-Theater, Chaos Theater Oropax, compagnie Scharfsinn, Deliciae, Francesca De Martin, Andreina de Martin, Teatro Dimitri, ­Wolfgang Dobrowsky, Alfred Dorfer, Duo Schall und Hauch, Duotica, Michael Eberle, Klaus Eckel, Matthias Egersdörfer, el mago masin, Marie Therese Escribano, Erwi & Alvi, Ingeborg Esposito, Evi und das Tier, Julius Faber, Veronika Faber, FaberhaftGuth, Inge Faes, Faltsch Wagoni, Fabrik Azzurro, Lisbeth Felder, Markus Fischer, Ottfried Fischer, Nepo Fitz, ­Flüsterzweieck, Fön, Martina Frenzel, Heidi Friedrich, H. H. Friedrich, Alberto Fortuzzi, Cabaret Gimpel, Monika Goll, S ­ everin Gröbner, Martin Großmann, Gruppe Bakschisch, Nesa Gschwend, Die Guglhupfa, Urte Gudian, Gunkl, Fredi Guter, Lorenz Gutmann, Gernot Haas, Sarah Hakenberg, Rainer Hannemann, Andre Hartmann, Olli Hauenstein, Heilbutt & Rosen, Ulrich Michael Heissig, Karl Heinz Helmschrot, Katharina Herb, Arno Hermer, Konrad Hochgruber, Thomas Hochkofler, Gunda Hofmann, Franz Hohler, Christian Hölbing, Josef Huainigg & Gernot Berger, Thomas Huber, Gardi Hutter, Aleksey Igudesman, Improtheater Carambolage, Gertraut Ingebor, Teatro Ingenuo, Ingrid Irrlicht, I Stangl, Edi Jäger, Marcus Jeroch, Bruno Jonas, Alma Jongerius, Friedrich Kahlert, Friedhelm Kändler, Georg Kaser, Kay Ray, Manfred Kempinger, Dimos Ketsentzis, Jutta Klawuhn, Ulrike Kissel, Luise Kinseher, Rudi Klaffenböck, Franz Klein, Tobias Klug, Anita Köchl, Georg Koeniger, Klaus Kohler, Werner Koczwara, Simon Kostner, Hilaria Kramer, Sebastian Krämer & Marko Tschirpkes, ­Michael Krebs, Wolfgang Krebs, Conny Kreitmeier, Stefan Kröll, Käthe Lachmann, Betty LaMinga, Josef M. Lanz, Dieter Lauggas, Brian Lausund, Ingrid Maria Lechner & Monica Costabiei, Alexander Liegl, Lukas Lobis, Marie-Theresa Lohr, Frank Lüdecke, Bernhard Ludwig, Leo Lukas & Simon Pichler, Bea von Malchus, Malediva, die Schaßtrommeln, Miki Malör, Märchenprinzen, Thomas Maurer, Vanessa Maurischat & Holger Edmaier, M.A.R.I.A., Mehlprimeln, Hans Meilhamer, Menubeln, Metronom, Adrian Meyer, Rolf Miller, Marjolaine Minot, Alfred Mittermeier, Michael Mittermeier, Fritz Moßhammer, Mr Leu & Michael Clifton, Ina Müller, Ludwig W. Müller, Marcella Musso, Reinhard Nowak, Freaky Nylons, Ohne Rolf, Martina Ottmann, Dietrich „Piano“ Paul, Holger Paetz, Pago & Koch, I pendolari dell’essere, Maria Peschek, Marion Petric, George Peugot, Pigor & Eichhorn, Christian Plier, Anton Prestele, Primitives, Dik Prins, Joesi Prokopetz, Sebastian Puffpaff, Martin Puntigam, Queen B, Sven Ratzke, Andreas Rebers, Marcus H. Rosenmüller, Gabi Rothmüller, Elena Rublack, Gerold Rudle, Angel Ramos Sanchez, Christian Sattlecker, Florian Scheuba, Die Schienentröster, Helmuth Schleich, Claudia Schlenger, Bärbel Schmid, H.H. Schopf, Peter Schorn & Dietmar Gamper, Karin Schroeder, Schuftnudeln, Martina Schwarzmann, Mike Schweizer, David Shiner, Christoph Sieber, lvaro Solar, Simone Solga, Sedar Somuncu, Peter Spielbauer, Christoph Staerkle, Dorothee Steinbauer, Werner Steinmassl, Kai Magnus Sting, Christian Suchy, Mike Supancic, Birgit Süss, Jeanette Tanzer, Nessi Tausendschön, teatro sciocco, Veronique Thievent, Maria Thorgevsky, Monica Trettl & Günther Götsch, Mathias Tretter, tris, Trittbrettl Wien, Herbie Trummler, Thomy Truttmann, Jockel Tschiersch, Franz-Christian Überschall, Urvögel, Valtorta, Franziska Wanninger, Markus Weber, Susanne Weinhöppel, Kurt Weinzierl, Sophie Wendt, Dan Wiener, Mark Winter, Detlef Winterberg, Rosa K. Wirtz, Dieter Woll, Christoph Wundrak, Sigi Zimmerschied, Stefan Zinner, Zumpa & Lallero —


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KABARE TT

Politisches Kabarett ist schon tot auf die Welt gekommen, sagt FRANK LÜDECKE, und er muss es als politischer Kabarettist schließlich wissen. Außerdem erzählt er uns noch, warum er eigentlich in die Dekadenz kommt ...

„... und das ist gut so!“

Kann man mit politischem Kabarett heute noch ein breiteres Publikum erreichen? Kann man schon. Das Fernsehen ist dabei aber hilfreich. Leider. Comedy ist seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Man muss man sich aber keine Sorgen machen. Das politische Kabarett war schon immer tot. In den 70er Jahren. Auch in den 30ern. Das politische Kabarett ist eines der ganz wenigen Kunstformen, die schon tot auf die Welt kamen. Dafür lief es aber echt gut, die letzten 100 Jahre. Und das, obwohl die Kabarettisten Türen einrennen, die längst offen stehen (Affirmationsfalle!). Und obwohl die Wirklichkeit zu komplex ist, sie in ein Chanson zu pressen. Allerdings: Der Gegentrend „Nonsense statt Entlarvung“ (ist ja schon alles entlarvt!) ist auch nicht mehr so richtig hip, seit es keine neuen Supermarkt-Witze mehr gibt. Welche Entwicklung haben Sie im Kabarett beobachtet? Ich beobachte seit einiger Zeit einen Trend zu mehr „Haltung“, zur Agitation, bisweilen aber auf Kosten einer satirischen oder künstlerischen Verarbeitung. Welchen Stellenwert hat denn die Gruppe Dekadenz in der Kabarett­ szene? So weit ich das beurteilen kann, einen sehr hohen. Die Dekadenz

„Anspruchsvolles ­Kabarett in ländlicher Region zu machen, grenzüberschreitend, deutschsprachig, natürlich ist das ein ­bisschen weltfremd.“ Frank Lüdecke

gilt als kleines, aber feines Theater mit ambitioniertem Anspruch. Viele Kollegen möchten dort sehr gerne spielen. Anspruchsvolles Kabarett in ländlicher Region zu machen, grenzüberschreitend, deutschsprachig, natürlich ist das ein bisschen weltfremd. Das ist doch auch gut so. Ohne dieses Maß an Verrücktheit erreicht man doch auch nichts in der Kunst, jedenfalls nichts besonderes. Es gibt ausreichend Veranstalter, die nur die Künstler buchen, die nun gerade „en vogue“ sind, um sie bei der nächstbesten Gelegenheit, wieder fallen zu lassen. Und zwar völlig unabhängig von der Qualität des Programms. Bewahrt euch also unbedingt eure Weltfremdheit, wenn es finanziell einigermaßen machbar ist. Alles andere gibt es schon zu Genüge. Für mich sind Auftritte bei euch ein Highlight, weil man in eine andere Kultur kommt. Und in gewisser Hinsicht eine Art „Botschafterfunktion“ einnimmt. Die finanziellen Bedingungen sind da zweitrangig. Ich spiele ja auch viel in Dänemark, bin in Bulgarien aufgetreten und muss sagen, diese Auftritte in anderen Ländern sind für mich das spannendste. Natürlich – das will ich nicht verschweigen – komme ich auch wegen des Essens! Und dass ich versuche, meine Termine bei euch stets in die Wintermonate zu legen, hat sicher auch seine Gründe... Macht bitte weiter so, es gibt keinen Grund zu zweifeln! —


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„Ein Publikum zu entmündigen, indem man ihm nichts zumutet, heißt, zugleich eitel und ängstlich und schulmeisterlich die eigene Profession ad absurdum führen.“ Torsten Schilling

„Leonce und Lena“

von Georg Büchner Regie: Torsten Schilling, 2011

Theatermachen in Südtirol. Ein Statement von Regisseur TORSTEN SCHILLING.

Der Blick vom äußeren Innenkreis


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Wenn einem die Bäckersfrau nach zehn Jahren Ortsansässigkeit noch immer wöchentlich einen schönen Urlaub wünscht, wenn der Tabaktrafikant inständig fordert: „Sag deiner Kanzlerin, sie muss gegen die undankbaren Griechen hart bleiben, porca puttana!“, wenn man durch eine Lokalzeitung vom eigenen Exotik-Bonus als Ostdeutscher erfährt, oder wenn sich jemand über die bevorstehende Premiere erkundigt: „Werts hetzig?“ … dann weiß man: hier in Südtirol wird man zu Lebzeiten nie vollständig ankommen. Und das ist wahrscheinlich gut so für mich und fühlt sich vertraut an, seit Jugendtagen. Denn fremd sein heißt auch neugierig bleiben, beobachten, die Dinge hinterfragen. Und es schützt vorm Sumpf der Kumpanei. Wichtig für meinen Weg mit dem Theater. Aber die lange Halbwertszeit des Fremdseins ist auch hier doppelschneidig, weil sich (wie in allen Bereichen des Lebens) auch im Kulturbetrieb zwei Fraktionen gegenüberstehen: „Mir san mir“ versus „Alles Gute kommt von außen“. Man gehört nicht dazu und ist nicht mehr genug von anderswo – sitzt also zwischen den Stühlen der konservierenden Selbstgefälligkeit und der eitlen „Wir-bringen-Kultur-in-die-Provinz-Missionierung“. Suche nach Lücken Symptomatisch für alle dogmatischen Haltungen haben beide Richtungen erst mal nichts mit Realitätssinn, Qualität, Erfolg oder inhaltlichen Kriterien zu tun, sondern sind ein Ausdruck tiefer Unsicherheit, Fantasielosigkeit und Kommunikationsarmut. - In einer Wahlheimat (für die man sich aus freien Stücken zumindest zeitweise entschieden hat) ärgert solch eine Scheuklappen-Mentalität besonders. Denn es ist (von außen gesehen) ja gerade die kulturelle Vielfalt und primär empfundene Weltoffenheit, die der Region das Besondere verleiht. Als wertvolle Chance empfinde ich dies nach wie vor, nicht mehr (oder noch lange nicht) als gelebte Selbstver-

meinsamen Reise ins Unbekannte wird, steht gleich einem Leitmotiv über jedem Projekt. (Da wiederhole ich mich gern!) – Das meint allerdings weniger die gut zu vermarktenden Großunternehmungen zu Geschichte und Völkerverständigung, sondern weit mehr die offene und vertrauensvolle Art des Umgangs bei der Produktion und Rezeption auf/vor/hinter/unter/ über den Bühnen des Landes. Provinz findet im Hirn statt

Es braucht Weltoffenheit gepaart mit dem Bekenntnis zum konkreten Ort der Kunstproduktion. Torsten Schilling

ständlichkeit. Die Suche nach diesen Chancen, nach den Lücken im Ablauf des Gewohnten verleiht dem künstlerischen Schaffen (sofern Theaterarbeit nicht sowieso eher ein handwerklicher Versuch ist, die Realität mit Utopien zu konfrontieren) ja erst überhaupt Sinn und Wert. Die Regionen der Welt (und insbesondere jene Europas) wachsen einerseits durch Wirtschaft, Mobilität und Migration zusammen, andererseits vertiefen sich die Gräben, die durch radikale Egoismen und Nationalismen, durch Verteidigung von Privilegien oder dem Streben nach ebendiesen gebaggert werden. Die Grenzstationen entlang der Staatengebilde verschwinden, jene in den Köpfen und Herzen rekonstruieren sich offensichtlich prächtig … Theater als (ein und mein) Mittel der gesellschaftlichen Brückenbaukunst zu begreifen, halte ich von daher nur folgerichtig – als Aufgabe und als Lust. Es so zu gestalten, dass es für alle Beteiligten zur spannenden, ge-

Der Zuruf „Das interessiert uns hier nicht!“ schmerzt schon mal, aber er sensibilisiert mich auch in der Wahl meiner Ausdrucksmittel. Der Zwang, sich immer wieder selbst in Frage zu stellen, ist mühevoll, jedoch produktiv. Es geht um die fortwährende Suche nach einem Weg, die Beschäftigung mit mir wichtigen Inhalten zum nachwirkenden Erlebnis für andere zu verarbeiten (das gemeinsame Abenteuer im Kopf, im Bauch und in der Seele). Weit mehr erschüttern mich Sätze wie: „Dazu ist unser Publikum noch nicht reif genug“. Mit solchen Worten (die eben auch starre Gedanken und Haltungen sind) drücken sich Kulturschaffende und -verwaltende um ihre Verantwortung. Ein Publikum zu entmündigen, indem man ihm nichts zumutet, heißt, zugleich eitel und ängstlich und schulmeisterlich die eigene Profession ad absurdum führen. – „Provinz findet halt vor allem im Hirn statt.“ Dies verwundert besonders in einer Region, die sich durch eine unglaubliche Begeisterung fürs Theater und fürs Theaterspielen auszeichnet. - Freilich unterscheiden sich soziale Funktionen und ästhetische Formen zwischen Volksbühnen und Berufstheatern – aber gerade die Nähe, Begegnung und/ oder Verbindung könnte für viel mehr Spaß, Mut und Innovation sorgen. Mein Eindruck ist, das manchmal etwas fade Abspulen sich ähnelnder, abgesicherter Konstellationen, ist hierzulande längst von Teilen neugierigen Publikums und engagierter Kulturpolitik überrundet


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THE ATE R „Club der Enttäuschten“

von Felicia Zeller Regie: Torsten Schilling, 2013

„Ich schätze die Dekadenz als Bühne, wo man das Risiko nicht scheut, offen für den besonderen Moment der Begegnung zu sein.“ Torsten Schilling worden. Dieser Umstand sollte uns Kulturschaffende experimentierfreudig auf die Podien der Öffentlichkeit treiben, uns zur Arbeit in die Tiefe provozieren und unbequeme Fragen formulieren lassen, deren Antworten verwirrend offen sind! Selbstkritisches Suchen als Prinzip. Als einer, der die Südtiroler Theaterszene von der Außenkante des Innenkreises erlebt und derzeit mitgestalten darf, der da ist und weg, der arbeitend Exil sucht hier und in der Ferne, als solch einer gratuliere ich der Gruppe Dekadenz zum Jubiläum! – Von den 35 Jahren habe ich (leider) nur die letzten 10 aktiv erlebt, aber für diese danke ich dem ganzen Team herzlich. Ich schätze die Dekadenz als eine Bühne, wo (noch) nicht alles, aber sehr viel möglich ist, die das selbstkritische Suchen zum Prinzip erklärt hat, wo man das Risiko nicht scheut, offen für den besonderen Moment der Begegnung ist und wo Vertrauen zur praktisch

spürbaren Kommunikation reifen kann. Die Dekadenz tut in jedem Fall gut – sich selbst, mir und dem Kulturleben Südtirols. Verbunden mit den (35x) jubilierenden Glücksgrüßen, wünsche ich der Dekadenz, mir und dem Kulturleben Südtirols viele Künstler und Künstlerinnen, die den Austausch mit dem Fremden suchen, Erfahrungen in der Fremde nicht scheuen und den lokalen Alltag mit ihren Erlebnissen ständig neu beleben. Ich wünsche den Kulturinstitutionen Leitungen, die sich nicht hinter den (änderbaren!) Zahlen verstecken, sondern wach das Flirren dieser Epoche wahrnehmen. Es braucht Weltoffenheit gepaart mit dem Bekenntnis zum konkreten Ort der Kunstproduktion. Die Wünsche richten sich gleichfalls auf Medien, die sich mit Freude und Verantwortung ihrer Aufgabe widmen, nämlich den jeweiligen Zielgruppen Lust auf Kunst und Kultur zu vermitteln. Hohe Fachkompetenz einhergehend mit Liebe zum eigenen Arbeitsfeld (und nicht nur zu sich selbst), gegensei-

tiger Achtung, Sensibilität und klar ersichtlicher Haltung: Das sind Tugenden, die am Ende alle reich machen. Auch eine Kulturpolitik, die wach die Entwicklungen beobachtet, die global denkt und lokal reagiert, die dem Neuen auf die Beine hilft und dem Eingefahrenen prüfende Fragen stellt (aber dabei nicht nett sein will) sowie Sponsoren, die den Wert kulturellen Fortschritts für die Attraktivität (und damit auch den Erfolg) einer Region erkennen plus diesen auch beherzt fördern, wären noch ausbaufähige Wünsche für uns alle. Um das Publikum, d.h. die Menschen als unsere Impulse und Adressaten, mache ich mir am wenigsten Sorgen. Das wird immer da sein, wenn wir es ernst nehmen, voneinander lernen, miteinander träumen und kämpfen sowie an der Verwirklichung genannter Wünsche arbeiten. Die Dekadenz ist auf Kurs, sie ist ein Grund zu bleiben, ein Grund wiederzukehren und sie gibt 35.000 Gründe nach innen und außen zu blicken. —


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THE ATE R

Begrenzt, aber nicht eingeschränkt: Warum Theatermachen im dekadenten Kleinkunstkeller groß sein kann.

Nah am Menschen Theater findet immer an einem ganz bestimmten Ort statt. Das klingt jetzt banal, ist es aber nicht. Denn das Wo entscheidet mit über das Was und Wie. In unserem Fall: Eine kleine Bühne, kein Schnürboden, kein Orchestergraben, kein fixes Ensemble. Ein jahrhundertealtes Kellergewölbe, eingebettet in der Oberen Schutz­engelgasse, in Brixen, in Südtirol. Wir machen Theater, und zwar genau dort und für die Menschen um uns he-

„wohnen. unter glas.“

von Ewald Palmetshofer Regie: Eva Niedermeiser, 2011

rum. Begrenzte Ressourcen, begrenzter Raum, begrenzte Zuschauerzahl - was man als Mangel ansehen kann, sehen wir als Qualität und Herausforderung. Wir suchen die Konzentration aufs Wesentliche, die Dichte und Weite zugleich. Wir spielen mit der Intimität des Kellers oder dagegen an. Wir sind nah an den Menschen, sind Teil von ihnen und sie sind Teil von uns. Was bewegt uns, was bewegt sie? Der Skandal um den Kippenberger-Frosch im Bozner Museion. Wir zeigen „Nipple

Jesus“ des zeitgenössischen Autors Nick Hornby, die theatralische Untersuchung des Provokationspotentials eines Kunstwerks aus der Sicht eines Museumswärters. Steigende Arbeitslosigkeit in Südtirol? Wir zeigen den „Club der Enttäuschten“ von Felicia Zeller, sechs Menschen auf dem gesellschaftlichen Abstellgleis, die sich nicht unterkriegen lassen. Wir suchen nach Höhepunkten, dem Kick im Leben, getrieben von der Angst, dass das Beste schon vorbei ist? Wir zeigen „wohnen. unter glas“ von Ewald Palmetshofer, ein Stück über den langen Abschied von Visionen. Wir wollen unserem Publikum nicht schmeicheln, sondern es herausfordern, überraschen, irritieren, im besten Sinne unterhalten. Wenn sich nach einer Aufführung Diskussionen entspinnen, freuen wir uns. Wir müssen keine hunderte Plätze füllen, und das macht uns frei. Zu bekämpfen ist lediglich die eigene Schere im Kopf, der Wunsch nach gefüllten Kassen und ausverkauftem Keller und nach Erfolg – wer möchte das nicht? Wir versuchen, uns gewissen Ansprüchen zu verweigern und andere zu erfüllen, das gelingt mal mehr und mal weniger. Ein kleines, lokal stark verortetes Theater zu sein, ist ein Privileg. Wir dürfen mit Menschen zusammenarbeiten, die auf derselben Suche sind wie wir und uns anspornen. Wir dürfen auf ein neugieriges Publikum zählen, das unsere Arbeit wertschätzt. Wir dürfen das Risiko wagen und Neues ausprobieren. Perfekt müssen wir nicht sein (auch wenn wir im Geheimen danach streben), dafür voll Leben, Lust, Freude und Neugier aufs Unentdeckte. Wir machen Theater, begrenzt aber nicht eingeschränkt. Im Keller in der Oberen Schutzengelgasse. In Brixen, Südtirol. — Doris Brunner, Präsidentin der Gruppe Dekadenz


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Leonhard Angerer

Reale Utopien In Anlehnung an die Sonderausgabe 2014 von Theater Heute zum Titel-gebenden Thema. Von ANNA HEISS.

Peepshow

von Marie Brassard VonPiderzuHeiss Regie: Anna Heiss, 2015


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THE ATE R Das Theater, das ich machen will

Das Theater, in dem ich arbeiten will

• Am Anfang steht eine Vision. Sie wird geteilt. Schauspieler, Bühnenbildnerinnen, Regisseure, Musikerinnen, Beleuchter bauen gemeinsam daran. Von ihr wird alles abgeleitet.

• Man kommt ganz leicht in das Thea­ ter: finanzielle, bildungsmäßige, körperliche, geistige, soziale Barrieren werden immer von neuem abgebaut.

• Die Menschen, die die Stücke geschrieben haben, sind wunderbare Menschen. Mit ihren Geschichten heilen sie. • Alles kann in die Inszenierung hineinfließen: die Straßen, das Meer, der Müll, der Tod und werden verwandelt, aber nicht abgebildet. • Geheime Sehnsüchte, Wünsche und Träume werden zu echten Bildern. • Die Regeln der Schönheit werden mit jeder Inszenierung neu aufgestellt. Was draußen als schön gilt, kann auf der Bühne hässlich sein, was draußen hässlich ist, ist auf der Bühne schön. • Glitzer, Dreck, Plastik, Spielzeug, Nippes, Stoff, Pelz, Haut, kleine Lichter! • MUSIK! • Auf der Bühne stehen echte Menschen: ihre Herzen schlagen, Blut fließt durch ihre Adern, sie atmen Luft. • Die Körper auf der Bühne sind stark wie Stiere und geben ein bisschen an das Publikum weiter. Die Kraft hält für fünf bis sieben Tage (dann kann man die nächste Vorstellung besuchen). • Am Ende der Inszenierung steht ein großer Trost, er fühlt sich an wie Kopf-Streicheln. • Die Inszenierung beschreibt eine große Wahrheit. • Die Inszenierung ist mehr, als das, was darüber gesagt und geschrieben werden kann.

• Das Theater bildet einen Ort der Bewegung und Begegnung in der Stadt, in der es steht. • Nach der Vorstellung bleiben alle da und feiern ein großartiges Fest mit Rotwein. Wer lieber nach Hause geht, kann nach Hause gehen. • Es gibt große Bühnen, kleine Bühnen, Probebühnen, Drehbühnen, weiße Räume, schwarze Räume, rote Räume. Man stößt immer wieder auf neue. • Der Fundus ist ein Zauberwald. • Das Theater ist ein großer Organismus. Es lebt! • Man kann so lange an einem Stück arbeiten, wie man will. Einen Tag oder ein Jahr! • Nicola ist immer da und macht gute Laune und sagt den Theatermenschen, dass sie gut, wichtig und zauberhaft sind. Balduin ist auch da. • Überall stehen Bücher und Filme über Kunst, Astronomie und Geschichte. Wenn man mal nicht weiterkommt, findet man genau das richtige Buch mit den richtigen Antworten. • Überall ist Geld: unter den Stühlen, hinter dem Vorhang, in der Garderobe… man muss es sich nur nehmen. Keiner spricht darüber oder denkt darüber nach, weil das schlecht für die Kunst ist. • Es gibt keine Hierarchien. • Niemand hat Angst.


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THE ATE R

Keine bunten Blasen Zuviel saurer Stoff „Linea fusca.

Eine Geschichte übers Lieben“ von Doris Brunner Regie: Torsten Schilling 2015

Die hintersten Reihen sind die Logen, die gerade noch eine vorzeitige Flucht ermöglichen aus diesem Keller. Aus diesem überfüllten Brutkasten der Kultur. Wer vorne sitzt, ist angeklebt ans Bühnengeschehen, gehört schon dazu, muss voll parieren, was auch immer auffährt. Dieses „Kunstotop“ erfordert Mut. Nichts für denkmüde Dauerlächler. Das Seifige geht hier ein. Keine bunten Blasen. Zuviel saurer Stoff. Wachmacher, Kritiker, Mahner, Störenfriede und Propheten, die anspielen gegen Selbstgefälligkeit und Les an faire.

Zwei Stunden lang wird in großen Gläsern ausgeschenkt ein wunderlicher Saft aus Phantasiefrüchten, Extrakten der Leidenschaft, Blüten der Erkenntnis. Alles duftet immer nach Mensch, nach Mitgefühl und der schweißtreibenden Suche nach Möglichkeiten, Auswegen, neuen Perspektiven. Und ab und zu fährt ein leuchtender Blitz, ein visionärer Komet durch diesen Keller, der die einen lachend ausatmen, die anderen weinend einatmen lässt. — Hartwig Thaler


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Diskutiert man über Kultur im Allgemeinen und im Besonderen, endet das Gespräch häufig beim Unschönen: zu wenig Geld und zu wenig Wertschätzung, zu viel Selbstausbeutung und zu viel Selbstdarstellung. Zu selten kreist die Diskussion um das, was Kultur vermag. Eine Lobpreisung und Danksagung von DORIS BRUNNER in vielerlei Rollen.

Du Wunderbare, du Ein metallenes Pflegebett, ein karger Raum, ein alter Mann. Peter Mitterrutzner spielt, nein, er ist Herrn Aigner im Monolog „Sibirien“ von Felix Mitterer. Mein erstes prägendes Theatererlebnis, irgendwann in der Oberschulzeit. Ein alter Mann, abgeschoben ins Pflegeheim, sehnt sich zurück nach Hause, Frau und Hund. Ich bin um die 16 Jahre jung. Und tief berührt. Meine Oma sehe ich von da an mit anderen Augen. Aus Salzburg nach Südtirol übergeschwappt, zwar nicht im Altersheim gestrandet, aber doch auf einer Insel, auf der sie sich nie heimisch und angekommen fühlte. Sie ist eine Fremde geblieben. Die Einsamkeit hat sie mitunter weggekocht und weggebacken. Mit Suppe aus saurem Rahm und gezogenem Apfelstrudel übergossen mit süßem Rahm. Fortan murre ich etwas weniger, wenn sie in für mich ungünstigen Momenten vor mir steht, mit ihrem frisch gewaschenen Haar und den Lockenwicklern in der Hand. Nicht nur Herr Aigner, viele Figuren auf der Theaterbühne ermöglichen mir fortan Einblicke in ein anderes Leben, und in mein Leben. Sie haben mich an Orte geführt, an denen ich nie hingereist wäre. Oder schon war, ohne es zu wissen. Sie haben mich in Situationen und Gefühlslagen katapultiert, die mir unbekannt schienen. Oder allzu bekannt. Dann lacht man am lautesten und weint am stillsten. Sie haben mir Fragen gestellt, und sie haben mich infrage gestellt. Manchmal blieben sie auch stumm. Und manchmal habe ich ihnen nicht zugehört.

Ein Jahrzehnt nach Sibirien. Das Stu­ dium ist abgeschlossen, ich kehre nach Brixen zurück. Neben vielen Skripten auch die Sorge im Gepäck, in der Bischofsstadt zu versauern, als Suppe aufgekocht oder versüßt über Apfelstrudel gegossen zu werden. Dann gelbe Zettelchen an der Pinnwand in der beengten Brixner Stadtbibliothek: Die Gruppe Dekadenz sucht freiwillige Mitarbeiter. Ich kenne die Dekadenz nicht, aber sie spielt weder Handball noch Blasmusik. Also einen Versuch wert. Aus dem Versuch sind Jahre, und aus dem Keller ein Zuhause geworden. Ein Ort, an dem gezweifelt und gelacht, diskutiert und gestritten, ausprobiert und gescheitert werden darf. Eine Zuflucht. Viele Menschen, viele Begegnungen, viele Ansichten – vor und auf und hinter der Bühne. Spätabends, nach der Aufführung, essen wir die übrig gebliebenen Pizzaschnitten und trinken dazu Lagrein.

Ist es so, wie der Kabarettist da oben es schildert – oder doch ganz anders? Sich an Widersprüchen reiben, sich auf den Schlips oder Rockzipfel treten lassen. Ein kurzes Aufblitzen von Rebellion. Man könnte doch auch, eigentlich müsste man… Auf manchen Dingen fällt plötzlich ein anderes Licht. Wortspielereien, das Leuchten eines überraschenden Zusammenhanges,

oder einfach nur gute Stimmung im Publikum. Wie es denn hier in Südtirol so sei?, will der Kabarettist beim Thekengespräch nach der Aufführung wissen. Ja, wie ist es denn hier so? Wir essen die übriggebliebene Pizza und trinken dazu Lagrein. Etwas rührt in mir. Eine Begegnung, eine Beobachtung. Ein Satz, gehört, gesagt oder gelesen. Eine Situa­tion, ungelöst. Eine Sehnsucht. Das Etwas lässt mich nicht mehr los. Bohrt, frägt, umgarnt, umklammert. Ich beginne ein Stück zu schreiben, kreise vage um dieses Etwas. Es ist da und schimmert hell durch den Nebel. Figuren nisten sich ein und suchen sich ihren Weg. Sprechen für sich oder miteinander. Der Theatertext, nur ein Teil des Ganzen. Sprache verschweigt das Wesentliche. Ist nur die Haut, die sich um das Etwas schmiegt. Erst auf der Bühne wird es sichtbar. Ein Blick, eine Stille, eine minimale Bewegung. Der Text will losgelassen werden, und loslassen ist wehmütig schön. Bitten, bitten, betteln. Um Lizenzen und Genehmigungen. Um die Ankündigung einer Veranstaltung in den Medien. Um Geld. Kultur zu veranstalten, kann auch demütigend sein. Eine stetige Rechtfertigung ihrer Existenz. „Aber ihr tut das ja gerne!“ Ich will diesen Satz nie mehr hören. Und dann: Viele kleine erfüllende Momente, die aufzeigen, dass Kultur mehr ist als Selbstbefriedigung. Wie diese kurze laute Stille des Publikums vor dem Schlussapplaus. —


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KINDE RTHE ATE R

„Angekommen ist einfach alles wunderbar entspannt, warmherzig und professionell zugleich bei euch“ Sven Moussoung

Kinder sind anspruchsvolle Zuschauer – und unbestechlich noch dazu. Doch SVEN TÖMÖSY-MOUSSONG schafft es bei den Schultheateraufführungen in der Gruppe Dekadenz stets, das junge Publikum in seinen Bann zu ziehen. „Der Keller ist wie eine Muschel, in der es ein Juwel zu entdecken gilt“, so der Kindertheatermacher.

„Teil einer Großfamilie“


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KI NDE RTHE ATE R

Sven, du kommst seit vielen Jahren in den Anreiterkeller, um die Brixner Grundschulkinder mit professionellem Kindertheater zu begeistern. Was reizt dich immer wieder, hier im Keller aufzutreten? Weil wir ein Berufstheater sind und ihr anruft, um uns zu engagieren! Das ist nicht zu leugnen, aber es ist nur die halbe Wahrheit. In Brixen zu gastieren ist für uns immer ein ganz besonderes Ereignis. Das liegt zum einen an dem Umstand, dass wir von vornherein mehrere Tage bei euch sind, also in Brixen auch eintauchen können. Zum anderen haben wir über die Jahre hinweg eine angenehme und trotzdem unaufdringliche Beziehung zu den Mitgliedern der Gruppe Dekadenz aufgebaut. Wenn wir zu euch kommen, dann ist das auch ein wenig als wenn man einen Teil seiner Großfamilie besucht: nah und trotzdem fehlen einem manche Namen und Gesichter. Angekommen ist einfach alles wunderbar entspannt, warmherzig und professionell zugleich, und die Gesichter sind auch wieder da. Es ist so wunderbar unhektisch bei euch. Alles ist machbar, wenn man es anständig abspricht. Das ist für einen Künstler der Traum.

Wie erlebst du deine Auftritte im Keller? Der Keller hat seinen ganz besonderen Charme und natürlich diese wunderbare Intimität, die jedem Künstler auf der Bühne hilft, sein Publikum zu erobern. Dazu kommt noch, dass dieser für das Figurentheater geradezu geeignet ist, braucht es doch nicht einmal drei Meter Breite, um die Illusion eines großen Schauspielhauses zu schaffen. Kämpft man bei anderen Häusern um die nötige Konzentration, bekommt man sie hier baulich geschenkt. Das führt natürlich dazu, dass die Vorstellungen und die Beziehung mit den Zuschauern sehr dicht sind. Die Verbindung mit den Lehrern und den Schülern war immer sehr schnell da, und den ein oder anderen erkannte man dann schon wieder. Der Keller ist ein bisschen wie eine Muschel, in der es ein Juwel zu entdecken gilt. Und diese Neugierde empfanden wir beim Einlass bei den Schülern auch jedes Mal. Auch das Kindertheater ist im Wandel. Welche Entwicklungen beobachtet ihr derzeit in diesem Bereich? Oh je… wir finden es traurig zu sehen, wie sich gewisses Andienen an den

Moussong Theater Das Moussong Theater mit Figuren (Landkreis Augsburg) besteht seit 1991 und wird von Kerstin und Sven Tömösy-Moussong geleitet. In Zusammenarbeit mit freiberuflichen Mitarbeitern entstehen mehrschichtige Figurentheaterstücke für Kinder und für Erwachsene. Die Inszenierungen bedienen sich der verschiedensten Darstellungsformen wie Marionetten, Stabfiguren, Schattenspiel, Handpuppen, Schauspiel, Masken, Tischfiguren und allerlei Mischformen. Dabei bauen sie die Figuren, Puppen und Bühnenbilder stets selbst – für sich und andere Thea­ ter. Für die Auseinandersetzung mit den Formen des Figurentheaters - mit „künstlerisch eigenständiger Handschrift“ – erhielt das Theater 1995 den Kunstpreis des Landkreises Augsburg. Mainstream auch im Kindertheaterbereich entwickelt. Aber ohne Themen, die schon durch andere Werbemechanismen gezogen werden, ist die Chance, öffentliche Auftritte von Veranstaltern zu bekommen geringer geworden. So gesehen können wir auch viele Kollegen verstehen. Wir bemühen uns von Jahr zu Jahr mehr, einfach ein gutes Theater anzubieten und sind froh, dass wir durch viele Schulauftritte abgesichert, unabhängig Themen bearbeiten können, die uns interessieren und hier keine Kompromisse machen müssen. Wenn man als Theater einen „Namen“ hat, ist das sehr hilfreich. Was kommt dir in den Kopf, wenn du an die Gruppe Dekadenz denkst? Wir finden es einfach beeindruckend, mit welchem langen Atem ihr die Gruppe Dekadenz gestaltet und führt. Uns gibt es seit 1991 und wir konnten sehen, dass nicht jeder Veranstalter mit oder auch ohne eigene Produktionen so lange durchhält. Wir hoffen nur, dass Südtirol das anständig zu schätzen weiß! —


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JAZZ

Jazz ist eine ständige Triebfeder für Erneuerung. NORBERT DALSASS, musikalischer Leiter der Gruppe Dekadenz und selbst Jazzmusiker, über die Entwicklung des Jazz in der Dekadenz und den Zukunftsperspektiven.

Die Grenzen des Bekannten überschreiten dem deutschsprachigen Raum begrenzt blieb, konnte sich unser Wirken in der musikalischen Sparte weiter ausbreiten: Der im März 2015 verstorbene amerikanische Trompeter Lou Soloff hat mir mehrmals beteuert, dass die Dekadenz einer der weltweit besten Clubs sei, in dem hochkarätiger Jazz geboten wird. Der Jazz katapultierte die Gruppe Dekadenz in den internationalen Raum, diese Tatsache verbreitete sich schnell unter Agenturen und Musikern, die Menge an Konzertanfragen steigt und steigt. In den Anfängen waren es weltweit bekannte Musiker und Bands wie Dave Holland und Bill Frisell, die uns als Anziehungspunkt definierten und Sichtbarkeit schufen. Neben ihren Auftritten waren und sind stets Konzerte eingeflochten, die auch den einheimischen Musikern die Aufführung ihrer musikalischen Projekte ermöglichen.

Entstanden ist die Gruppe Dekadenz aufgrund ihres Interesses am gesellschaftlichen und sozialen Leben. Das Kabarett schien damals, Anfang der 1980er Jahre, eine geeignete Form zu sein, um in heiterer Art und Weise die Besucher auf etwas hinzuweisen, was ansonsten nicht gesagt wurde. Eine andere Seite, die zu weiterem Nachdenken anregen sollte. Neben dem Kabarett wurde in der Dekadenz immer schon der Jazz gepflegt: Als Gegenpol zur populären Musik, zu den klassischen und zeitgenössischen Stilrichtungen ermöglichte der Jazz immer

Dave Liebman

Innovationskraft, kreatives Ausprobieren und Entwicklung als Triebfeder

schon andere Arten des Zugangs und erschloss andere Räume. Der Geist der Gruppe Dekadenz im Keller des mittelalterlichen Anreiterkellers schien ein ideales Pflaster für den Jazz werden zu können – und wurde es auch.

Dass der Jazz in der gesamten Musik­ szenerie eine Nische darstellt und nicht mit voller Auslastung rechnen kann, ist uns dabei bewusst. Der Fokus hat sich langsam verschoben: Es sollten weniger die großen Namen als Magnet dienen, sondern die Besonderheit und Innovationskraft der einzelnen Musikprojekte. Und genau diese Eigenschaften charakterisieren auch den Geist des Jazz, im Unterschied zur populären und klassischen Musik: immerwährende Entwicklung in Freiheit und kreatives Ausprobieren. Eines der wichtigsten Charakteristika des Jazz

Der Jazz verlieh der Gruppe Dekadenz internationale Bedeutung In den letzten 35 Jahren hat die Gruppe Dekadenz das kulturelle Zeitgeschehen aktiv mitgestaltet. Während Kabarett und Theater naturbedingt vorwiegend auf Künstlerinnen und Künstler aus


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JAZZ

ist die Improvisation, das Schaffen im Moment. Jede Aufführung ist etwas Lebendiges und Einzigartiges, immer etwas anders als am Tag davor, vor anderem Publikum, in anderen Räumen. Dies ist für beide Seite spannend, für das Publikum ebenso wie für die Musiker. Für letztere bedeutet dies auch eine stetige Triebfeder der Erneuerung. Brücken schlagen Der Jazz arbeitet seit seinen Anfängen mit mehreren Impulsen aus Ost und West, daraus bildeten sich unterschiedliche Stile – vom Rag Time zum New Orleans, hin zum Swing, Bebop und Hard Bop, die Auslösung im Free Jazz und Elektro Jazz mit Anleihen aus Pop und Rock in der Jazz-Rock-Periode Ende der 1970er Jahre. Der Begriff „Fusion“ bezeichnet zwar eine Stilrichtung des Jazz, ist in Wirklichkeit aber eine

Bill Frisell

Methode der Verschmelzung: Der Jazz war nie rein, er verschmolz ständig mit nicht zusammengehörigen Elementen. Was nun der wahre Jazz der verschiedenen Stilrichtungen eigentlich sei, darüber streiten sich vergeblich viele Köpfe. Jede Stilrichtung ist eine Verschmelzung. Wenn wir den Jazz von dieser Seite aus betrachten, können wir noch wei-

„Wir sehen dieses enorme Schaffens­ potential im Umfeld des Jazz und wollen ­zukünftig auch hier eine Brücke ­schlagen“ Norbert Dalsass

Dave Holland

ter gehen und noch mehr Elemente miteinander in Verbindung bringen. Elemente aus Bereichen, die nicht aus der Musik kommen, sondern aus anderen Kunstgattungen wie Darstellende Kunst oder Tanz. Sie befruchten sich gegenseitig. Wir sehen dieses enorme Schaffenspotential im Umfeld des Jazz und wollen zukünftig auch hier eine Brücke schlagen: So greifen bei unserem aktuellen Musikprojekt anlässlich des Jubiläumsjahres drei verschiedene Bereiche ineinander: das Gesprochene verbindet sich mit einer ton-performativen Situation, die auf die Inhalte re-agiert und ihrerseits den Impuls bildet, dass eine Gruppe von Bewegungskünstlern diesen von Wort getränktem Ton durch ihre Köper zum Ausdruck bringen. Die Grenzen des bisher Bekannten wollen überschritten werden, um noch ungeahnte Erlebnisse zu bereiten. —


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JAZZ

Wo sollen all die Jazz-Musiker hin? Verschulung und Jazz im Überfluss? KARLHEINZ MIKLIN, einer der bedeutendsten Vertreter der österreichischen Jazzszene und Professor an der Jazzabteilung der Kunstuniversität Graz, über die Ausbildung von Jazzmusikern an Musikhochschulen.

Karlheinz Miklin In den ersten Jahrzehnten der Geschichte der Jazzmusik waren es ältere, bekannte Musiker, die das Beispiel für jüngere abgaben - denen man entweder live zuhören konnte und dabei eventuell ein paar Ratschläge bekam, oder auf einer LP, die man beim Abhören und Transkribieren zu Tode spielte. Dies hat sich, beginnend in der Mitte des vorigen Jahrtausends und ausgehend von den USA, grundlegend geändert. Es gibt nun weltweit eine große Anzahl von Jazzausbildungsstätten. Jazz nach System? Aus den eher amateurhaften Anfängen – Graz als älteste europäische Schule feiert gerade das 50-jährige Bestehen – erfolgte eine Institutionalisierung in den jeweiligen Rahmen der Hochschulen, Angleichung des

Unterrichtssystems an die „klassischen“ Fächer, zu oft auch ziemliche „Verschulung“. So positiv es ist, dass nun junge Leute viel leichter Zugang zum Jazzwissen finden, dass diese Art der Ausbildung den mühsamen Weg, alles allein herausfinden zu müssen, sehr verkürzen kann, sehe ich manchmal auch weniger gute Aspekte. Der Student bekommt alles serviert, es wird nach „System“ unterrichtet, allzu viele Lehrwerke und „approaches“ in Buchform zu Inhalten wie Improvisation, Harmonik stehen dem für mich im Jazz essentiell wichtigen Erreichen einer persönlichen Sprache oft mehr im Wege, als dass sie helfen würden. Viele Lehrer geben ihren Schülern Antworten, noch bevor sie gefragt werden – und verhindern so, dass junge Musiker auch suchen sollen und müssen, um einen eigenen, hoffentlich unterscheidbaren Weg finden zu können. Bereicherung der Szene – im Überfluss? Aber um im Positiven zu bleiben, es gibt durch die Existenz so vieler Jazzschulen eine um ein Vielfaches größere Zahl von Jazzmusikern in Europa und anderswo. Im Schnitt ist das handwerkliche Können, das heutzutage einfach vorausgesetzt wird, weit höher als zu meinen Anfängen. Viele der jungen Künstler machen darüber hinaus auch sehr gute, individuelle Musik und bereichern die Jazzszene - insgesamt hat die Vielzahl von Jazzschulen also einen großen, positiven Einfluss auf die Jazzszene. Das Problem ist nur, wo sollen all die Musiker ihre Existenzgrundlage heutzutage noch finden außer als Lehrer, die Lehrer ausbilden, die Lehrer ausbilden... Durch Initiativen wie die „Dekadenz“ wird die Situation für uns Musiker etwas gelindert, herzlichen Dank dafür! —


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JAZZ

Costruire percorsi di GIUSEPPE SEGALA, giornalista del magazine “All about jazz”

La programmazione musicale del Gruppe Dekadenz rappresenta un patrimonio notevole, che si è andato accumulando nel corso degli anni, che ha permesso la crescita di un pubblico attento e competente. Ascoltare musicisti di livello internazionale come Dave Holland, Paul Motian, Bill Frisell, Dave Liebman, Lew Soloff in un ambiente raccolto, di acustica eccellente, ha rappresentato senza dubbio un’occasione unica per il pubblico della Anreiterkeller, di stare in contatto diretto con il jazz e con la sua creatività, la sua fisicità e forza comunicativa. Il contesto culturale si è modificato In questo momento, il contesto culturale nel quale si ascolta e si diffonde la musica si è modificato in modo repentino, aprendo spazi inimmaginabili solo qualche anno fa. L’utilizzo degli strumenti informatici permette all’ascoltatore di accedere alla musica in modo immediato, economico o gratuito, pressoché illimitato. Ma questo produce naturalmente uno spaesamento da parte del pubblico: in particolare il fruitore più giovane è messo di fronte a una sterminata quantità di materiale, nella quale è difficile trovare un orientamento. Spesso ci si trova di fronte a giovani che ascoltano musiche scovate nella rete, delle quali non conoscono nulla: interpreti, data di registrazione, per non parlare della collocazione storica, geografica e stilistica. La curiositá nasce dall´ascolto diretto Accade esattamente il contrario di quanto accadeva fino a una ventina di anni fa, quando c’era ancora l’ellepì costoso, delicato, ma con abbondanti note di copertina che rimandavano

Marco Gotti JW Orchestra ad altre musiche e facevano nascere le curiosità. Oggi la curiosità nasce dall’ascolto diretto, immediato, spesso senza supporti o con supporti di dubbia qualità critica. Cercare nella rete le informazioni su un musicista o su un disco significa spesso accedere a pagine di promozione alla vendita, oppure nel migliore dei casi a fonti informative come l’eccellente wikipedia, che però si ferma al dato enciclopedico. Chi cerca orientamenti critici, di valutazione documentata e autorevole, spesso incappa in giudizi spesso poco motivati e poco rigorosi. Costruire percorsi Dunque, a maggior ragione, il ruolo di un soggetto culturale come il Gruppe Dekadenz potrebbe evolversi nel senso della scelta e della conoscenza documentata. Il concerto of-

ferto in un contesto pregevole come la Anreiterkeller, potrebbe arricchirsi di informazioni e stabilire relazioni tra le musiche proposte. Stimolare la curiosità e favorire la conoscenza. Certo, senza far diventare la musica un fenomeno museificato, ma piuttosto cogliendo spunto dagli attuali orientamenti che innovano anche i musei: costruire percorsi che selezionano opere, le presentano e le calano in un contesto, le fanno vivere. Fortunatamente la musica non ha bisogno di essere portata a vivere, come può avere bisogno un’opera pittorica. Ma ha bisogno di valorizzazione, di supporto conoscitivo, di selezione. Allo stesso modo ha bisogno della passione di chi la fa e di chi la vuole recepire con una certa soddisfazione. Come di chi la propone, attraverso l’organizzazione di concerti e di festival. —


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JAZZ

“Non essere populisti ma popolari” Quale ruolo giocano gli organizzatori culturali nella vita sociale? In teoria, quelli veri e onesti intellettualmente, hanno un ruolo fondamentale. Sono gli anticorpi alla degenerazione dei valori, sono i responsabili di divulgare, difendere la qualità. Di promuovere e conquistare spazi in cui il pubblico può trovare momenti di libertà. Poi nei fatti non è più così, troppi sono burocrati, manager, amici di esponenti di partito e via così….la maggior parte non ha nessun rapporto con la cultura né sente la necessità di averne, e questa è forse la cosa più grave. La politica da tempo ha abdicato al suo ruolo.

Il jazz, quali messaggi riesce ad inviare aldi fuori della scena prettamente artistica? Quali impulsi per lo sviluppo della società in genere ne derivano?

Renaud García-Fons

La creatività principalmente, la liberta in senso quasi filosofico. Questo sia nel suonare che nell’organizzare un festival un progetto. Da sempre non riesco a pensare ad un festival ad un nuovo cd senza un tema, un concetto, sia esso politico o filosofico. Senza contenuti non c’è nulla, c’è differenza tra intrattenere e fare cultura. Il problema è non esser populisti ma magari popolari e non aver paura di dire,fare cose che portino a pensare. — Massimo Barbiero, musicista e presidente dell’ Ivrea Jazz Club

Sehnsucht nach Individualität Mein erster Kontakt mit dem Jazz: Das war im Dorf, in Nauders, da hatten wir einen lustigen Pfarrer, der in der Kirche zu allen heiligen Zeiten Jazzmessen veranstaltet hat. Der selber mit der elektrischen Gitarre vorne gestanden ist und „ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ gesungen hat und wir alle mit „Danke für diesen guten Morgen, danke für diesen schönen Tag“ geantwortet haben. Es hat zwar anders geklungen wie „Maria breit´ den Mantel aus“ aber Jazz war´s trotzdem keiner. Den hab ich erst Jahre später erfahren, in Schwaz, im bischöflichen Knabense-

minar Paulinum, da war es nämlich verboten, in das Lokal eines gewissen Gert Chesi zu gehen, dort würde es teuflisch zugehen und Negermusik würde gespielt werden. Diese verbotene Alternative zu der im Internat sehr gepflegten Bla-Bla-Blasmusik haben wir, die wir nicht brav sein wollten, gerne angenommen und sind heimlich immer wieder in diese andere Welt eremitiert (es war die Eremitage!). Und haben dieses Anderssein aufgesaugt, und genossen wilde Hunde zu sein. Jazz hat so für mich von Anfang an die Sehnsucht nach Individualität bedeu-

tet. Und in diesem Bewusstsein hab ich sogar die Sozialisierung der damals unmittelbaren Rockmusik umschifft: und trotzdem glücklich, durch den Jazzrock die Kurve zu Gleichaltrigen ähnlich Gesinnten zu kratzen, habe dabei die Schlagzeugsoli von Jon Hiseman von Colosseum in der Religionsstunde mit Bleistiften nachgetrommelt - und bin dafür ins Klassenbuch eingetragen worden - das war mein Ritterschlag… — Norbert Pleifer, Treibhaus Innsbruck


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JAZZ

Jazz ist nicht nur schicke Unterhaltungsmusik Jazz als heute größtenteils unpolitische Kunstform hat nur mehr indirekt Chancen, eine Message über die Grenzen der eingeweihten Fan-Meile hinaus zu senden und wird von der Prosecco-Kultur leider immer noch oft als schicke Unterhaltungsmusik wahrgenommen. Aber in einer Art Flaschenpost erlebt man Formen der unvoreingenommenen Zusammenarbeit, Metaphern der scheuklappenlosen Improvisation, die durchaus auf andere Bereiche der gesellschaftlichen Kommunikation angewandt werden könnten, ... falls sich gerade jemand an dem einsamen Strand die Füße abkühlen möchte ... —

Helga Plankensteiner - El Porcino Organic feat. Gianluca Petrella

Michael Lösch, Musiker und Architekt

Jazz é ... Il jazz è anima! Il jazz è istinto, intuizione, passione e soprattutto libertá! Il jazz è “fonte di ispirazione e nutrimento” Alex Pergher, artista e curatore


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JAZZ

„Moderne Kultur mit Großstadt-Touch“

Welche Bedeutung kommt dem Jazz in der zeitgenössischen Kulturszene zu und welche Rolle spielen dabei Veranstalter wie die Gruppe Dekadenz? Jazz und insbesondere zeitgenössischer Jazz sprechen Menschen an, die offen und an Neuem interessiert sind. So gesehen ist diese Musik auch ein wichtiges geistiges-kulturelles Nahrungsmittel. Die Veranstalter haben dabei die Rolle des Vermittlers zwischen Kulturtreibenden und Publikum. Die Gruppe Dekadenz ist dabei meiner Erinnerung nach die erste und deshalb besonders wichtige Kulturinstitution Südtirols, die in Keller-Club-Atmosphäre eine moderne-zeitgenössische Kultur mit Großstadt-Touch nach Südtirol gebracht hat.

tionen des täglichen Lebens bis hin zur Entwicklung zu einer komplexen Musik mit hohem künstlerischen Anspruch. Andererseits transportiert der Jazz die Botschaft der ständigen Veränderung, der Suche nach dem Neuen, der Offenheit, des Risikos und der Neugierde.

Iiro Rantala Welche Impulse setzt die Jazzmusik frei? Einerseits erzählt der Jazz die phantastische Geschichte der Entstehung einer neuen Musik, der bedeutendsten musikalischen Neuerschaffung des 20. Jahrhunderts mit ihrer Multikulturalität, der Verwurzelung in den Situa­

Welchen Beitrag leisten die Musikschulen für die Entwicklung des Jazz und der Musik im Allgemeinen? Meiner Meinung nach sind die Musikschulen wichtig für die Basisausbildung. Aber dann sollten gerade im Jazz weitere freie Entwicklungen ermöglicht und gefördert werden. — Klaus Widmann, Initiator und Präsident des Südtirol Jazz Festival

Die Kraft der Improvisation, die Bereitschaft dem Neuen zu begegnen. Die Blume verblüht, die Frucht darf treiben! ZeitumArmt ist der Mensch ewig. hat Kunst kein Ende Die neuen Medien verblassen mitderzeit. Das Werk der Zukunft ist ein Gedankliches Über Brücken dürfen WIR gehen, darauf aber kein Haus bauen. Bildung ist oftmals das größte Hindernis zwischen uns und wahren Einsichten. WIR sind nicht in der Lage zu wissen, welche Ordnung sich in unseren Köpfen vollziehen Würde würde-n WIR die Welt ohne Vorbelastung erblicken. Einfach nur uns selbst überlassen. Da es Maßstäbe, auf die wir uns verlassen können, nicht mehr gibt. Da alles Logische seit Ausschwitz ausgesetzt ist. Dass wir zu wissen meinen, da-gegen gilt es anzu-gehn . Von innen her hat der Jazz die Grenzen längst gesprengt. Jetzt gilt es auszuGreifen & Tanzende Sterne zu gebären! Der Sinn des Wirkens ermächtigt unser Dasein Ewig währt die Ent-wicklung Geschaffen-es IM Moment der Improvisation . Drum Tanze MENSCH & lerne LiEBEN im Freien fall : DekadenZ! (von lat. cadere „fallen“): „OUREARTH2050“ ! Ki ki so so lha gyalo – mögen die Götter siegen! Gudrun Petrik, Künstlerin, Kunsthistorikerin, Autorin, Pädagogin und Psychotherapeutin


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ZUS CHAUE RBE FRAGUNG

Zahlendiagnosen Mann oder Frau – wer kommt häufiger in die Dekadenz? Bevorzugen unsere Zuschauerinnen und Zuschauer das Gastspielprogramm, oder sind sie auch Fans unserer Eigenproduktionen? Und warum kommen sie überhaupt in den Keller? Fragen über Fragen... Unsere Zuschauernefragung, durchgeführt von September 2014 bis Mai 2015 gab Antworten. 321 Antworten, um genau zu sein. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick – und herzlichen Dank fürs Mitmachen!

Mitten im Leben

1%

— jünger als 20 Jahre alt

13%

Welcher Altersklasse unser Publikum angehört.

— über 60 Jahre alt

14%

18% 27% 27%

Beinahe chancengleich

42 %

— 20-30 Jahre alt — 30-40 Jahre alt

— 40-50 Jahre alt — 50-60 Jahre alt

58 %

Ob Frau Publikum oder Herr Publikum in den Keller kommt.

48 %

Mit und ohne Doktorhut Über welchen Bildungsabschluss unser Publikum verfügt.

Oberschulabschluss

Universitätsabschluss

41 %


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ZU S CHAUE RBE FRAGUNG

Aui, oi, oder ummi noch Brixen? Wo unser Publikum wohnt.

BRIXEN

Brixen und Umgebung 65% Bozen und Umgebung 11% Gröden und Gadertal 6% Pustertal 5% Ausland 4% Sterzing und Umgebung 3% Schlerngebiet 2% Überetsch-Unterland 2% Burggrafenamt 1% Vinschgau 1%

Neustarter und Marathonläufer

Mehrfachtäter! Wie häufig das Publikum in die Dekadenz kommt.

Seit wie vielen Jahren das Publikum in die Dekadenz kommt.

39 %

23 % 13 %

25 %

seit 0-5 Jahren

seit 21-35 Jahren

seit 11-20 Jahren

seit 6-10 Jahren

51 % 44 % 5 %

1-3 mal jährlich

5-6 mal jährlich

einmal monatlich


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ZUS CHAUE RBE FRAGUNG

Kabarett, Theater, Jazz – hausgemacht und hereingebracht

Zusammen ist man weniger allein

Was das Publikum am liebsten auf der Dekadenz-Bühne sieht.

Single, Double oder in der Gruppe: Wie das Publikum in die Dekadenz kommt.

32 % 31 % 26 % 7 % 4 %

KabarettGastspielprogramm

Eigenproduktionen der Gruppe Dekadenz

Aufführungen von Südtiroler Künstlerinnen und Künstler

Jazzkonzerte

Literatur­ veranstaltungen

51 %

zu mehreren

zu zweit

allein

44 % 5 %


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ZU S CHAUE RBE FRAGUNG

22 % 17 % 16 % 14 % 14 % 11 % 6 %

Kultur ist mehr Warum das Publikum überhaupt in die Dekadenz kommt: Kabarett, Theater, Musik ist für sie...

Was ist dekadent? Wie das Publikum die Gruppe Dekadenz charakterisiert.

54 % 72 % 76 % INNOVATIV 77 % lebendig 81 % professionell 87 % 97 % ANSPRUCHSVOLL

zuschauernah

eine schöne Abwechslung vom Alltag

gehört zu meinem Kulturverständnis

möchte mich amüsieren

ist Teil meiner Lebensqualität

suche die Auseinandersetzung mit interessanten Inhalten mit Freunden ausgehen

treffe dadurch interessante Menschen

In folgenden Gegenpolen wurde um eine Charakterisierung ­gebeten: innovativ vs. ­konservativ; zuschauernah vs. ­elitär, ­anspruchsvoll vs. oberflächlich, professionell vs. unprofessionell, lebendig vs. langweilig. Dargestellt wird jeweils der Wert mit den meisten Nennungen (Mehrfachnennungen waren möglich).

(sehr) preiswert

(sehr) gute Atmosphäre


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ZUS CHAUE RBE FRAGUNG

Viel Lob und wenig Tadel


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ZU S CHAUE RBE FRAGUNG

Viel Lob und wenig Tadel


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ZUS CHAUE RBE x x FRAGUNG


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GUTE GESCHICHTEN

VON MENSCHEN UND MARKEN

FÜR SIE ERZÄHLT

DORIS BRUNNER info@textsalon.it www.textsalon.it

KOMMUNIKATION, DIE BEWEGT.

n! ö h c s hön anz sc

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IST KLEINKUNST AUF PAPIER. HEIDI OBERHAUSER info@heidi-grafik.it www.heidi-grafik.it

FÜR SIE GESTALTET.


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