DNT Weimar Schauplatz #1 / Theater- und Konzertmagazin

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Nicht mehr einsam, nur noch einzig Hans-Georg Wegner

Operngala

diesmal eine Sopranistin, erzählte mir, sie h ­ ätte die R ­ olle Eine Mezzosopranistin erzählte mir einmal, wie sehr sie der Isolde in Richard Wagners unfassbarem Kunstwerk sich nach einem normalen Leben sehne. Sie habe nun »Tristan und Isolde« als junge Frau nicht singen können einmal dieses einzigartige Geschenk erhalten: ihre Stim– selbst wenn sie rein stimmtechnisch dazu in der Lage me. (Und diese Frau ist wirklich wunderbar begabt!) Doch gewesen wäre. Denn das, was die Partie, die ­Figur mit dieses Geschenk, diese Begabung bedeute eben, dass der Singenden anstellt, was sie der ausführenden Künstsie keine Familie haben würde, dass sie nach aufwühlenlerin mental abverlangt, sei ohne Lebenserfahrung nicht zu den Opernaufführungen allein im Hotelzimmer sei, in frembewältigen, sondern könne auf die Psyche zerstörerisch den Ländern, kaum mit sozialen Kontakten. Doch was solwirken. Solist*innen tauchen le sie tun? Sie könne dieses in die Abgründe der WahrheiGeschenk nicht ignorieren, ten, von denen ihre Kunstwerdenn sie wisse ja, wie viel ke erzählen. Und dahin gehen es dem Publikum bedeute, sie allein. sie zu hören. Mir wurde nach Zum Glück sind nicht alle dieser, wie ich fand, sehr Partien gleich anspruchsvoll. traurigen Schilderung deutUnd zum Glück waren in der lich, was viele Solist*innen virusbedingten Isolation nicht opfern, um uns als Publikum alle Soli unseres Ensembles eine einmalige, einzigartige allein. Viele konnten sogar die Erfahrung zu schenken. Zeit zu Hause mit Familie oder Das Wort »Solist« kommt Freund*innen genießen, geravon dem lateinischen Wort de weil sie nicht jeden Tag auf »solus«, das soviel wie »allein, Proben oder in Vorstellungen einzig, einsam« bedeutet. Ist im Theater verbringen konnes nicht erstaunlich, dass ten. Aber einige Kolleg*innen schon im Ursprung des Befühlten sich eben doch eingriffs »Solist« diese Isoliertsam, konnten auch nicht nach heit, diese Einsamkeit enthalHause fliegen, weil die Grenten ist? Aber eben auch die zen dicht waren. Und, da kann Einzigartigkeit, die den Soich wirklich für alle sprechen, listen bzw. die Solistin aussie haben in jedem Fall einen zeichnet? Teil ihres Selbst vermisst – Operngesang, aber auch das Publikum. das Spielen der damit ver­ Ich möchte mit diesen bundenen Rolle kann wie ­ Geschichten und Gedanken eine Droge sein. Die Künst- Szenenfoto aus »Ariadne auf Naxos« Ihren Blick und Ihr Ohr dafür ler*innen machen vor allem mit Ylva Stenberg als Zerbinetta sensibilisieren, was es h ­ eißen in der Probenarbeit und in kann, »Solist*in« zu sein. Es sind ganz besondere Menjeder Vorstellung ganz außergewöhnliche Erfahrungen mit schen, besondere Künstler*­ innen, die unseren größten sich selbst. Sie sind das Medium für eine Wahrheit, die der Respekt verdienen. Den bekommen sie ja dann auch, vor Komponist formuliert hat. Das klingt vielleicht esoterisch, allem in Form von Applaus. Den gibt es nur mit Publikum aber genau das passiert beim Singen: Der Gesang und und mit diesem sind unsere Soli dann auch nicht mehr das Spiel wollen einerseits kontrolliert sein – andererseits ­»allein, einsam«, sondern vor allem »einzig«. Schön, dass geschieht auch etwas mit ­­ ­ der- oder demjenigen beim Sie wieder unser Publikum sein können! ­Singen, es verändert sie. Wieder eine andere S ­ ängerin,

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WARTEN AUF WUNDER Die Gala mit Allem, was geht Werke von Claudio Monteverdi, Richard Strauss, Richard Wagner, Ludwig van Beethoven, Giacomo Puccini, Wolfgang Amadeus Mozart, Jörn Eichler uvm. Mit Solist*innen des Musiktheaterensembles, Mitgliedern des Opernchores, Musiker*innen der Staatskapelle Weimar sowie Dirk Sobe, Yuka Beppu und André Kassel am Klavier Szenische Einrichtung Ioana Petre und Lisa Astrid Mayer Bühne Torsten Thiele Kostüme Andrea Wöllner Sa 26.9.2020, 19.30 Uhr & So 4.10.2020, 18 Uhr Großes Haus weitere Termine in Planung


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