Viech

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Was können wir tun? In Deutschland sind solche Szenen bisher noch unvorstellbar. Für die Honigbiene engagieren sich nicht nur Hobby- und Berufsimker wie Otto Hilpoltsteiner, sondern auch bundesweite Initiativen wie das „Netzwerk Blühende Landschaft“. Die Organisation versucht, Wiesen und Beete so zu verändern, dass Bienen und andere bestäubende Insekten wieder mehr Nahrung finden. Wenn Bienen zu einem Balkon fliegen, der mit Geranien bepflanzt ist, finden sie kein Futter. Geranien sind Züchtungen, die keinen Nektar mehr geben. Die

rote Blüte zieht die Biene zwar an, aber sie geht leer aus – und stirbt im schlimmsten Fall auf dem Weg zurück zum Stock, wenn sie unterwegs keine neue Nahrungsquelle findet. Überall in Deutschland legen Regionalgruppen des Netzwerks Blühwiesen an, wo die Bienen heimische Wildpflanzen und eine Vielfalt an Blüten finden sollen. Professor Tautz glaubt, dass solche kleinen Schritte helfen können. „Je größer die Bewegung“, sagt er, „desto größer der Erfolg.“

Wird die Biene überleben? Welche Folgen das Bienensterben für den Menschen haben könnte, zeigt der preisgekrönte türkische Film „Bal“ (Honig), der vor zwei Jahren in den deutschen Kinos lief. Er erzählt die Geschichte des kleinen Yusuf, der im Nordosten der Türkei in einer paradiesischen Landschaft aufwächst. Sein Vater Yakup, ein Imker, zieht gemeinsam mit ihm durch die Wälder, wo er wilden Honig sammelt. Eines Tages greift Yakup in einen Stock – in seiner Hand liegen tote Bienen. Der Imker bricht auf, um im Gebirge einen neuen Ort zu finden, an dem er wieder Honig produzieren kann. Der Mensch muss den Bienen hinterherziehen. Das Szenario ist nicht erfunden: Im gesamten Landstrich entlang des Schwarzen Meeres sterben Bienen, obwohl sie dort unberührt von Umweltbelastungen in den Wäldern leben können. Ein großes, bislang ungelöstes Rätsel.

und Jugendliche ein Gespür dafür, dass die Biene ein Schlüsselorganismus innerhalb des Ökosystems ist“, sagt Tautz. Doch obwohl er und seine Mitarbeiter intensive Grundlagenforschung betreiben, kennt auch er nicht alle Gründe für das Sterben der Biene. Nur eins steht für Tautz fest: „Wenn die Biene ausstirbt, werden andere Bestäuber wie Hummeln, Schmetterlinge oder Fliegen die Lücke nicht füllen können.“ Im Süden Chinas ist diese Prophezeiung schon Wirklichkeit geworden. Seit den achtziger Jahren gibt es dort keine Bienen mehr. Pestizide haben sie vollständig ausgerottet. Um weiterhin Früchte ernten zu können, bestäuben die Chinesen die Obstblüten jetzt von Hand. Sie sammeln die Pollen und klettern im April auf die Bäume, um sie zu verteilen. „Ein absolutes Horrorszenario“, sagt Tautz.

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