Geschäftsbericht 2010

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Vorwort

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Beschäftigung

24

Soziale Sicherung

52

Arbeitsrecht

134

Volkswirtschaft

148

Presse- und Ă–ffentlichkeitsarbeit

152

Die BDA

74

Tarifpolitik

92

Bildung

116

Europa und Internationales



Sehr geehrte Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft hat beeindruckend robust auf den dramatischsten Wirtschaftseinbruch seit 1945 reagiert und im Jahr 2010 in diesem Ausmaß für alle überraschend zugelegt. Bei aller berechtigten Freude darüber dürfen wir jedoch nicht übersehen: Wir sind keineswegs wieder bei der Wirtschaftsleistung des Jahres 2008 angelangt. Die bisherige positive konjunkturelle Entwicklung ist labil und äußeren Unwägbarkeiten ausgesetzt. Ob wir einen nachhaltigen Aufschwung erleben, kann derzeit niemand vorhersehen. Fest steht jedoch, dass die deutsche Wirtschaft alles ­darangesetzt hat und weiterhin alles unternimmt, um gestärkt aus der Krise herauszukommen. Den entscheidenden Beitrag zur Krisenbewältigung haben die Unternehmen, die Arbeitnehmer, die Tarif- und die Betriebspartner geleistet. Sie haben langfristig und in der unmittelbaren Reaktion auf die Krise richtig gehandelt. Die Tarifpartner haben die Tarifverträge in den vergangenen Jahren kontinuierlich modernisiert und flexibilisiert, die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten erweitert und mit ihrer produktivitätsorientierten Lohnpolitik einen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geleistet. Die Unternehmen haben sich ihrerseits mit Innovationen und großen Anstrengungen für den Wettbewerb gewappnet. Die Betriebspartner haben zur Sicherung der Beschäftigung betriebliche Bündnisse auf tarifvertraglicher Grundlage geschlossen. Die Arbeitnehmer haben in der Krise Einschränkungen

hingenommen und sie sind es jetzt, die die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung ermöglichen. So haben wir Arbeitsplätze und damit die heute und in Zukunft für uns wichtigen Fachkräfte für unsere Betriebe gesichert. So haben wir gemeinsam den Standort Deutschland fit gemacht, um möglichst schnell aufzuholen, was in der Krisenzeit verloren gegangen ist. Daran müssen wir uns auch künftig klar orientieren. Möglich war dieses Zusammenwirken von Unternehmen, Betriebsräten und Tarifpartnern nur im Rahmen einer funktionierenden Tarifautonomie. Diese wird heute von Entwicklungen bedroht, derer die Tarifparteien nicht allein, sondern nur mit Hilfe des Gesetzgebers Herr werden können: In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsgericht den Grundsatz der Tarifeinheit aufgehoben. Ohne Tarifeinheit droht eine Zersplitterung des Tarifvertragssystems. Was jahrzehntelang die Grundlage erfolgreich gelebter Tarifautonomie war, muss nicht zuletzt als Konsequenz und Erfahrung aus der Krise möglichst rasch wiederhergestellt werden. BDA und DGB haben deshalb gemeinsam einen Vorschlag vorgelegt, um die Tarifeinheit im geltenden Tarifvertragsgesetz gesetzlich zu regeln. Die Sicherung der Tarifeinheit war ein – enorm wichtiger – Teil der Arbeit der BDA. Der vorliegende Geschäftsbericht stellt die Schwerpunkte der politischen Inhalte und Konzepte in allen Bereichen der Sozialpolitik dar, mit denen sich die BDA im Jahr 2010 befasst hat.

Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer der BDA Dezember 2010 | Berlin

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Vorwort

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Erfolgskurs halten und verstärken Das auf den gemeinsamen Anstrengungen von Wirtschaft, Tarifpartnern und Politik beruhende „deutsche Arbeitsmarktwunder“ hat das Thema „Fachkräftesicherung“ mit ungeahnter Geschwindigkeit wieder auf die Agenda gebracht. Trotz der beschleunigten wirtschaftlichen Erholung haben zwar wichtige Branchen der deutschen Wirtschaft, wie die Metall- und Elektroindustrie, noch längst nicht das Niveau von 2008 erreicht; es wird aber bereits jetzt verstärkt spürbar, dass Deutschland unter wachsenden strukturellen Fachkräfteengpässen leidet. Während einerseits schon angesichts der demografischen Entwicklung eine schlüssige Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung immer drängender wird, gibt es andererseits noch viele Betriebe, die zur Überbrückung nachlaufender Einbrüche bei ihren Aufträgen auf das Instrument der Kurzarbeit angewiesen sind. Insgesamt erlebt der deutsche Arbeitsmarkt eine noch vor einem Jahr von niemandem für möglich gehaltene Erfolgs­story: Für das nächste Jahr rechnet nun auch die Bundesregierung im Jahresdurchschnitt nur noch mit einer Arbeitslosenzahl von 2,9 Mio., das wäre der niedrigste Stand der Arbeitslosigkeit seit dem Wiedervereinigungsboom im Jahr 1992. Rund 40 % dieser Arbeitslosen haben jedoch keine Berufsausbildung, Hunderttausende haben sogar jahrelang nicht mehr gearbeitet. Hier besteht im Bereich der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II noch ein gewaltiger Aktivierungsbedarf, um die in Deutschland im internationalen Vergleich inakzeptabel hohe Langzeitarbeitslosigkeit endlich entschieden abzubauen. Zugleich werden aber selbst bei einer optimalen Entfaltung der inländischen Arbeitspotenziale vor allem durch eine weitere Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren, Menschen mit Migrationshintergrund und nicht zuletzt auch behinderten Menschen die wachsenden Fachkräfteengpässe nicht auszugleichen sein. Um hier drohende gewaltige Wachstumshemmnisse, die ganz erhebliche nachteilige Effekte auf Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland haben würden, so weit wie möglich zu vermeiden, ist auch eine gezielte Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte unverzichtbar. Dadurch werden

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

keine Arbeitskräfte im Inland verdrängt, sondern im Gegenteil bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue zusätzlich geschaffen. Dazu muss allerdings im deutschen Zuwanderungsrecht, welches im Grundsatz immer noch von einer Abschottungsmentalität geprägt ist, eine neue Willkommenskultur für qualifizierte Fachkräfte etabliert werden. Vieles deutet darauf hin, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland nach der tiefsten Krise seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland schnell wieder an die positive Entwicklung seit dem Jahr 2005 anknüpfen kann. Nicht zuletzt den Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre ist es zu verdanken, dass der jahrzehntelange kontinuierliche Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt werden konnte. Anstelle irreführender Diskussionen darüber, ob uns „die Arbeit ausgeht“, kann heute wieder das richtige Ziel der Vollbeschäftigung in den Blick genommen werden. Viele hunderttausend Menschen, die zuvor langzeitarbeitslos waren, konnten endlich wieder in Arbeit gebracht werden. Statt diese Erfolge zu würdigen, klagen die Gewerkschaften darüber, dass die Zahl der sog. atypischen, als prekär diffamierten Arbeitsverhältnisse gewachsen sei. Dabei haben gerade Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeit- und nicht zuletzt auch Minijobs dazu beigetragen, dass viele Menschen, die vorher außen vor standen, jetzt wieder eine Arbeit haben. Die flexiblen Beschäftigungsmöglichkeiten erleichtern es Unternehmen vor allem auch nach der tiefen Krise, schneller neue Arbeitnehmer einzustellen. Wissenschaftliche Studien unterstreichen, dass sehr viele befristete Arbeitsverhältnisse in unbefristete übergehen und die durchschnittliche Beschäftigungsdauer in Deutschland insgesamt trotz der flexiblen Beschäftigungsverhältnisse sogar noch zugenommen hat. Es wäre ein verheerender Fehler, wollte man die vermeintlich prekäre Beschäftigung durch allgemeine Mindestlöhne, eine Strangulierung der Zeitarbeit oder generelle Einschränkungen der flexiblen Beschäftigung bekämpfen. Damit würde sich Deutschland wieder zurück in die arbeitsmarktpolitische Sackgasse manövrieren. Dies würde vielen Menschen ihre Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt nehmen und sie auf Kosten der Steuerzahler in


bezahlter Arbeitslosigkeit einsperren. Dabei zeigen alle wissenschaftlichen Studien ganz klar: Arbeit ist der beste Schutz gegen Armut. Deshalb muss der arbeitsmarktpolitische Erfolgsweg konsequent weitergegangen und durch aktivierende Unterstützung von arbeitslosen Menschen ihr Einstieg in Beschäftigung und damit auch die Voraussetzung für Aufstieg für sie und ihre Familien geschaffen werden. Dazu war es richtig und unverzichtbar, dass die Bundesregierung bei der nach der Entscheidung des

Bundesverfassungsgerichts notwendig geworde­nen Neugestaltung der Regelsätze zum Arbeitslosengeld II nicht von der strengen Bedürftigkeitsorientierung abgewichen ist. Die Bundesarbeitsministerin hat zu Recht gesagt, dass die Regelsätze zwar knapp bemessen sind, aber Arbeitslosengeld II kein Dauerzustand, sondern ein Übergang sein muss. Alles andere wäre auch den Menschen nicht zu erklären, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, jeden Euro umdrehen müssen und mit ihren Steuern auch zur Finanzierung des Arbeitslosengelds II beitragen.

Erwerbstätigkeit in Deutschland steigt, Arbeitslosigkeit geht zurück Anzahl der Erwerbstätigen und Arbeitslosen, saisonbereinigte Werte

in Mio.

in Mio.

41,0

6

40,5

5

40,0

4

39,5

3

39,0

2

38,5

1

38,0

0 Feb Jun Okt Feb Jun Okt Feb Jun Okt Feb Jun Okt Feb Jun Okt Feb Jun Okt Feb Jun Okt 04 04 04 05 05 05 06 06 06 07 07 07 08 08 08 09 09 09 10 10 10

Erwerbstätigkeit (linke Skala) Arbeitslosigkeit (rechte Skala) Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Bundesbank, 2010

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Arbeitslosigkeit als größtes Armutsrisiko Armutsgefährdungsquoten nach Personengruppen

in % 70 61

60

50

40 33

30 24

20 14 10

10

10

9

8

9

7

8

4

0

gesamt

arbeitslos

geringfügig beschäftigt

abhängig selbstständig abhängig unbefristet Vollzeit befristet Teilzeit Vollzeit

1993 2008 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2010

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

3

3

abhängig unbefristet Vollzeit


Auch an der angesichts der demografischen Entwicklung und zur nachhaltigen Finanzierung der Rentenversicherung völlig unverzichtbaren „Rente mit 67“ darf nicht mehr gerüttelt werden. Der von der BDA zur Jahrtausendwende angestoßene Paradigmenwechsel zum Abbau von Frühverrentungs­anreizen und für mehr Beschäftigung Älterer hat am Arbeitsmarkt bereits eine tiefe Erfolgsspur hinterlassen: Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen hat sich auf ca. 40 % in dieser Zeit bereits verdoppelt. In der öffentlichen Diskussion wird die Umsetzbarkeit der „Rente mit 67“ immer wieder in Frage gestellt, weil die Arbeitslosigkeit der 60- bis 64-Jährigen gerade in den letzten zwei Jahren sogar stark gestiegen sei. Tatsache ist aber: Mit zuletzt 7,6 % liegt sie nicht wesentlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote und der vermeintliche Anstieg ist in Wahrheit nichts anderes als das Ergebnis der zumindest teilweisen Abschaffung der sog. 58er-Regelung: Diese Arbeitslosen mussten nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und wurden deshalb in der Arbeitslosenstatistik einfach nicht mehr mitgezählt. Außerdem hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten 60- bis 64-Jährigen in den Jahren 2000 bis 2009 um 60 % erhöht, während die Gesamtzahl aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Zeitraum in etwa konstant geblieben ist. Statt den von interessierter Seite gemalten Zerrbildern zu unterliegen, muss die Arbeitsmarktpolitik deshalb auch in den nächsten Jahren den Erfolgskurs halten und verstärken.

Arbeitsmarkt: auf dem Weg aus der Krise Der Arbeitsmarkt stand auch im Jahr 2010 noch im Zeichen der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Allerdings waren die Krisenfolgen weniger dramatisch, als es der Einbruch der Wirtschaftsleistung um fast 5 % im Vorjahr hatte befürchten lassen. Die bereits Ende des Jahres 2009 einsetzende leichte wirtschaftliche Erholung setzte sich Anfang 2010 fort und gewann im weiteren Jahresverlauf an Fahrt. Insgesamt war der wirtschaftliche Aufholprozess – die Bundesregierung erwartet für das Gesamtjahr 2010 ein Wachstum von 3,4 % – so stark, dass sich die Befürchtungen eines „jobless

growth“ beim Weg aus der Krise nicht bestätigten: Wurden Ende des letzten Jahres noch teilweise deutlich mehr als 4 Mio. Arbeitslose im Jahresschnitt 2010 befürchtet, dürfte sich nach den jüngsten Schätzungen jahresdurchschnittlich nur ein Wert von ca. 3,2 Mio. einstellen. Im Vergleich zum Krisenjahr 2009, in welchem die Arbeitslosenzahl bereits überraschend wenig gestiegen war, bedeutet dies einen Rückgang von ca. 200.000. Zudem fiel die Zahl der Arbeitslosen im Oktober 2010 erstmals seit zwei Jahren wieder unter die psychologisch wichtige Grenze von 3 Mio. Auch die Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dokumentiert die wieder deutlich gestiegene Arbeitsnachfrage: Sie lag nach neuesten Zahlen (September 2010) wieder bei knapp über 28 Mio. und übertraf damit das Niveau vor Krisenausbruch im Herbst 2008. Eine branchenbezogene Betrachtung fördert jedoch Unterschiede zutage: Während in Bereichen wie der stets im Aufschwung vorauslaufenden Zeitarbeit, dem Gesundheits- und Sozialwesen oder auch dem Gastgewerbe deutliche Stellenzuwächse zu verzeichnen waren, gingen im verarbeitenden Gewerbe krisenfolgenbedingt viele Stellen verloren. In Branchen wie der Metallund Elektroindustrie ist noch längst nicht wieder das Niveau des Jahres 2008 erreicht. Erwartungsgemäß ging die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, welche in der Krise zahlreiche Arbeitsplätze gesichert hat, im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs zurück. Nach den jüngsten Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) erhielten im September 2010 noch 220.000 Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Damit erreichte die Inanspruchnahme nur noch ein gutes Sechstel des Höhepunkts im Mai 2009, als es 1,44 Mio. Bezieher gab. Für das Jahr 2010 rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) insgesamt mit einem Jahresdurchschnitt von 600.000 Kurzarbeitern und damit noch gut der Hälfte des Vorjahreswerts. Ein besonderes Augenmerk verdient die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer, welche sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat. Den dazu notwendigen Paradigmenwechsel – weg von der Frühverrentung, hin

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zu mehr Beschäftigung Älterer – hatte die BDA maßgeblich mit angestoßen. Der Erfolg war durchschlagend: Von 2000 bis 2009 (neueste Zahlen) ist der Anteil der 55- bis 64-Jährigen in Beschäftigung von 37,6 % auf 56,2 % gestiegen (Eurostat 2010). Auch die Erwerbsbeteiligung von Menschen im oberen Altersspektrum steigt deutlich an: 2009 waren fast 40 % der Personen zwischen 60 und 64 Jahren erwerbstätig – fast

doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Diese Entwicklung zeigt die Erfolge der großen Anstrengungen der Unternehmen, durch eine demografiefeste und an Lebensphasen orientierte Personalpolitik ältere Arbeitnehmer zu gewinnen und zu halten. Weil sich die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts in den kommenden 20 Jahren um 7,5 Mio. Personen verringert, wird

Beschäftigungsquote 55­ bis 64­Jähriger in Deutschland über dem EU­Durchschnitt Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 55 bis 64 Jahren an allen Personen dieser Altersgruppe (2009)

in % 80

75

70,0

60

56,2

57,5

57,5

Deutschland

Dänemark

Großbritannien

46,0

45

38,9

30

15

0 Frankreich

Quelle: Eurostat, 2010

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

EU-27

Schweden


das Thema „Beschäftigung Älterer“ in den kommenden Jahren noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Nicht zuletzt aufgrund der nach wie vor ungelösten Verschuldungsproblematik vieler EU-Staaten und der anhaltenden Gefahr unvermittelt auftretender Währungsturbulenzen bestehen weiter Risiken gerade für ein exportorientiertes Land wie

Deutschland. Bleiben derartige Schwierigkeiten jedoch aus, erwartet das IAB einen Rückgang der jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenzahl im Jahr 2011 auf knapp unter 3 Mio. In diese Rechnung ist bereits mit einbezogen, dass das Arbeitskräfte­ angebot im Jahr 2011 allein durch den demografischen Effekt um knapp 100.000 Personen schrumpfen wird.

Beschäftigungschancengesetz: richtige arbeitsmarktpolitische Signale des Gesetzgebers zum Jahreswechsel 2010/2011 Neben der funktionierenden Verantwortungspartnerschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die vor allem in betrieblichen Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ihren Ausdruck fand, leistete auch die Kurzarbeit einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungsstabilisierung in dem noch von der Krise geprägten Jahr 2010. Durch die von der BDA angestoßene und mit dem Beschäftigungschancengesetz umgesetzte Verlängerung der zunächst bis Ende dieses Jahres geltenden Regelungen zur erleichterten Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2012 kann der erfolgreiche Weg der Beschäftigungssicherung über Kurzarbeit auch 2011 beschritten werden. Diese Verlängerung ist angemessen und notwendig, um Unternehmen, bei denen die Krise erst später ankommt, in ähnlich wirksamer Weise zu helfen wie denen, die sofort vom Durchschlagen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft erfasst worden waren. Die Neuregelung des Beschäftigtentransfers wurde in ihrer Zielrichtung, den Einsatz von Transferkurzarbeitergeld und Transfermaßnahmen im Sinne der Kriterien von Wirkung und Wirtschaftlichkeit zu verbessern, unterstützt, in ihrer Ausgestaltung aber von der BDA kritisch begleitet. Im parlamentarischen Verfahren ist es gelungen, Profilingmaßnahmen durch qualitativ hochwertig arbeitende Träger von Transfermaßnahmen offen zu halten. In der Umsetzung des Beschäftigungschancengesetzes durch die BA wird die BDA weiterhin darauf achten, dass eine unnötige Bürokratisierung des Einsatzes von Transferkurzarbeitergeld und Transfermaßnahmen vermieden wird. Mit der Verlängerung einzelner zunächst bis Ende 2010 befristeter Arbeitsmarktinstrumente unter Bekräftigung der von der Koalition vereinbarten Zielsetzung, 2011 insgesamt die Arbeitsmarktinstrumente auf den Prüfstand zu stellen, gibt das Beschäftigungschancengesetz schließlich auch den richtigen Kurs in der Arbeitsmarktpolitik für das kommende Jahr vor. Entsprechend der langjährigen Forderung der BDA muss Ziel einer umfassenden Reform die grundlegende Vereinfachung der Arbeitsmarktinstrumente verbunden mit mehr Handlungsspielraum für die Arbeitsvermittler vor Ort sein, damit die von der BA erfolgreich praktizierte Steuerung der Arbeitsmarktförderung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit fortgeführt und Fördermaßnahmen noch besser auf individuelle Bedarfe und die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts ausgerichtet werden können.

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

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Kurzarbeitergeld sicherte Beschäftigung in der Krise Personen 1.600.000

1.400.000

1.200.000

1.000.000

800.000

600.000

400.000

200.000

0 Apr Mai Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul AugSep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul AugSep 08 08 08 08 08 08 08 08 08 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 09 10 10 10 10 10 10* 10* 10* 10*

Kurzarbeiter gesamt Personen in Anzeigen * Angaben beruhen auf neuem Statistikverfahren der BA auf Grundlage der Abrechnungslisten der Betriebe (Teil des Kurzarbeitergeldantrags gem. § 325 Abs. 3 SGB III). Bisherige Kurzarbeiterstatistik basierte auf den sog. Betriebsmeldungen gem. § 320 Abs. 4 SGB III. Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Oktober 2010

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung


Fachkräftesicherung: schlüssige Gesamtstrategie dringend notwendig

August 2010 haben aktuell 70 % der Unternehmen generell (20 %) oder teilweise (50 %) Probleme bei der Besetzung offener Stellen. Rückläufige Bewerberzahlen in der dualen Ausbildung, zu geringe Absolventenzahlen an den deutschen Hochschulen und alternde Belegschaften in den Unternehmen belegen: Fachkräfteengpässe sind in Deutschland kein konjunkturelles Phänomen, sondern größtenteils ein strukturelles Problem. Diese Lage wird sich mit dem voranschreitenden demografischen Wandel weiter verschärfen. Vor dem Hintergrund einer bis zum Jahr 2030 um ca. 7,5 Mio. zurückgehenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter prognostizieren wissenschaftliche Studien, dass die Fachkräftelücke ohne gezielte Gegenmaßnahmen allein bis 2030 auf 5,2 Mio. Arbeitskräfte anwachsen wird.

Das auf den gemeinsamen Anstrengungen von Wirtschaft, Sozialpartnern und Politik beruhende „deutsche Arbeitsmarktwunder“ hat das Thema „Fachkräfte“ in Höchstgeschwindigkeit wieder auf die politische Agenda gespült. Selbst im Krisenjahr 2009 fehlten allein im sog. MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) mehr als 60.000 Fachkräfte, wodurch nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ein volkswirtschaftlicher Wertschöpfungsverlust von 14,4  Mrd.  € verursacht wurde. Laut einer Umfrage des DIHK vom

Drohender Arbeitskräftemangel Bis 2030 geht das Arbeitskräftepotenzial um über 7 Mio. Personen zurück

in Mio. 52

rd. 1,6 Mio. weniger

50

über 7 Mio. weniger

48

46

44

42

40 2030

2029

2028

2027

2026

2025

2024

2023

2022

2021

2020

2019

2018

2017

2016

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren Quelle: Statistisches Bundesamt, 2010

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Um die sich immer mehr öffnenden Fachkräftelücken zu schließen, benötigt Deutschland dringend eine schlüssige Gesamtstrategie aus einem Bündel an Maßnahmen.

Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Bundeskanzlerin auf dem „Zukunftsgipfel“ in Meseberg im Juni dieses Jahres – vor allem auch auf Vorschlag des Arbeitgeberpräsidenten Prof. Dr. Dieter Hundt – zugesagt hat, eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Bundesregierung unter Beteiligung der Sozialpartner zum Thema „Fachkräftesicherung“ einzurichten. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt hat auf dem Zukunftsgipfel die Position der Arbeitgeber ausführlich dargelegt. Dazu gehört zum einen, inländische Arbeitskräftepotenziale besser zu entfalten und auszuschöpfen. Zugleich müssen schon heute fehlende Fachkräfte durch eine bessere, arbeitsmarktorientierte Zuwanderungssteuerung gezielt im Ausland angeworben werden können.

Als ein Handlungsfeld müssen die bestehenden Potenziale am Arbeitsmarkt deutlich besser als bislang genutzt werden. Dafür gilt es, die Aktivierung Arbeitsuchender für Qualifizierung bzw. Vermittlung weiter zu verbessern. Weiterhin ist die aktive Erwerbsphase insgesamt auszuweiten. Dafür müssen junge Menschen früher ins Erwerbsleben eintreten können. Zugleich ist es ein wichtiges Ziel, mehr ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu bringen und dort länger zu halten. Auch die Potenziale insbesondere von

Arbeitskräfte der Zukunft: viel weniger Junge, mehr Ältere in 1.000 Personen 1.600 Rückgang Mittlere: –5,5 Mio.

1.400

Anstieg Ältere: +1,6 Mio.

1.200

Rückgang Junge: –2,4 Mio.

1.000

800

Alter 20 bis 64 zusammen: über 6 Mio. weniger

600 20

25

30

Bevölkerung 2010 Bevölkerung 2030 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2010

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35

40

45

50

55

60

65

Alter


Frauen, Migranten und Menschen mit Behinderungen müssen besser als bisher genutzt werden. Um diese Handlungsfelder zu konkretisieren und die Beratungen in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung vorzubereiten, hat die BDA eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein umfangreiches „Fachkräftepapier“ erarbeitet hat, das u. a. ein schnell umsetzbares Sofortprogramm zur Sicherung des Fachkräftebedarfs enthält. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: So hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gerade auch auf Drängen der BDA einen Gesetzentwurf vorgelegt, der wesentliche Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse vorsieht. Die BDA wird zudem weiterhin darauf dringen, die Arbeitsförderungsinstrumente stärker

auf eine schnelle, passgenaue Vermittlung von Arbeitslosen auszurichten und Beschäftigungsbarrieren für Ältere, Frauen und behinderte Menschen weiter abzubauen. Doch selbst eine optimale Ausschöpfung der Handlungsoptionen zur besseren Nutzung und Erschließung bestehender inländischer Fachkräftepotenziale wird nicht ausreichen. Auch um kurzfristig schon längst bestehende Fachkräftelücken zu schließen, gilt es, den deutschen Arbeitsmarkt für qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland zu öffnen und den Standort Deutschland für bei uns benötigte Fachkräfte aus aller Welt attraktiv zu machen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Fachkräftesicherung“

Ältere Arbeitnehmer sind wieder gefragt! Beschäftigungsquote der 55­ bis 64­Jährigen

in % 60 56,2 53,8

55 51,5

50

48,4 45,4

45 41,8

40

37,6

37,9

2000

2001

38,9

39,9

35 2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2010

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Zuwanderungsrecht: „Willkommenskultur“ für hoch qualifizierte Fachkräfte schaffen Der international sich immer mehr verstärkende „Wettbewerb um die besten Köpfe“ und die sich zukünftig weiter verschärfenden strukturellen Fachkräfteengpässe erfordern zwingend auch die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts, wonach im Jahr 2008 56.000 mehr Menschen aus Deutschland auswanderten, als neu hinzugezogen sind, und ein negativer Wanderungssaldobestand auch im Jahr 2009 belegen aber sogar einen gegenläufigen Trend. Deutschland benötigt deshalb ein effektives, unbürokratisches und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts ausgerichtetes Zuwanderungsrecht, das den Unternehmen möglichst rasch auch bessere Möglichkeiten verschafft, schon heute fehlende Experten gezielt im Ausland anzuwerben. Das bestehende Zuwanderungsrecht wird diesen Anforderungen – auch nach den Reformen der vergangenen Jahre – noch nicht gerecht: Unnötige bürokratische Hürden erschweren die Arbeitsaufnahme und schrecken Fachkräfte aus dem Ausland eher ab. Das heutige Zuwanderungsrecht ist grundsätzlich immer noch Ausdruck einer Abschottungspolitik und fordert selbst für Akademiker – bis auf wenige Ausnahmen – die Durchführung einer Vorrangprüfung. Dabei hat die BA aufwendig zu prüfen, ob für das vom Ausländer angestrebte Beschäftigungsverhältnis in Deutschland oder ggf. sogar in Europa bevorrechtigte Arbeitnehmer (Deutsche, Unionsbürger, Schweizer) zur Verfügung stehen. Im Rahmen der Vorrangprüfung wird nicht nur nach Arbeitnehmern gesucht, die aufgrund ihrer Qualifikation den Arbeitsplatz unmittelbar besetzen könnten, sondern auch nach solchen, die erst noch eine Anpassungsqualifizierung erhalten müssten. Dies kann mehrere misslungene Besetzungsversuche umfassen und Monate dauern. Das Verfahren der Vorrangprüfung ist nicht nur langwierig und bürokratisch, sondern setzt auch ein falsches Signal, indem es dem Zuwanderungsinteressenten klar zu verstehen gibt, dass er – sei er auch noch so gut ausgebildet – auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur als Lückenbüßer erwünscht ist, wenn

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

kein einheimischer oder europäischer Arbeitnehmer für den Arbeitsplatz zu finden ist. Die BDA dringt gegenüber der Politik mit Nachdruck auf eine moderne arbeitsmarktorientierte Zuwanderungssteuerung, die gerade nicht wie in den letzten Jahrzehnten eine ungesteuerte Zuwanderung zu Lasten der Sozialsysteme beinhaltet, sondern Fachkräften aus aller Welt das Signal gibt, in Deutschland gebraucht zu werden und willkommen zu sein. Zentraler Ansatzpunkt hierfür ist die Einführung eines Punktesystems zur Steuerung der Zuwanderung, das insbesondere an den Kriterien Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und Arbeitsmarktbedarfe ausgerichtet ist. Dies bietet nicht nur Gewähr, dass wir die Menschen finden, die wir dauerhaft auf unserem Arbeitsmarkt brauchen, sondern erfüllt zugleich die Voraussetzungen für eine gelingende Integration in die Gesellschaft. Neben der Steuerung über ein systematisch und gezielt wirkendes Punktesystem werden dort, wo – schon heute in steigendem Umfang – Arbeitsplätze für hoch qualifizierte Kräfte nicht besetzt werden können, praxisorientierte zügige Anwerbemöglichkeiten benötigt. Das Zuwanderungsrecht muss dann die Möglichkeit zu einer unbürokratischen und schnellen Besetzung geben. Dies hat Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt kürzlich auf dem vierten Integrationsgipfel gegenüber der Bundeskanzlerin und bei einem ersten Gespräch der Arbeitsgruppe „Fachkräfte der Zukunft“ mit der Bundesarbeitsministerin noch einmal ausdrücklich betont. Deshalb tritt die BDA für folgende kurzfristig notwendige Reformen im Zuwanderungsrecht ein:

Abschaffung der bürokratischen EinzelfallVorrangprüfung insbesondere für zuwanderungswillige Ingenieure und IT-Fachkräfte, indem vor allem auch die Vorrangprüfung – wie jetzt schon nach dem Gesetz möglich – pauschal für einzelne Berufsgruppen und Wirtschaftszweige vorweggenommen wird.

Absenkung der Einkommensgrenze für die Niederlassungserlaubnis Hochqualifizierter von 66.000 € auf 40.000 €; zum Vergleich: Ein Juniorprofessor in Berlin erhält ein Grundgehalt von 41.000 €.


Dauerhafte Aufenthaltsperspektive für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen, die innerhalb eines Jahres einen Job gefunden haben (bisher zunächst nur drei Jahre Aufenthaltserlaubnis).

Einführung einer „Blanket-Petition“ zur Erleichterung des internationalen Personalaustauschs innerhalb multinationaler Unternehmen. Dabei strafft die Erteilung einer Vorabgenehmigung für die Beschäftigung

ausländischer Arbeitnehmer das Verfahren erheblich. Im Gegenzug muss das Unternehmen versichern, dass es notfalls für Lebensunterhalt und Krankenversicherung während der Dauer des Aufenthalts der ausländischen Arbeitnehmer und für eventuell anfallende Rückführungskosten aufkommt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Zuwanderung und Integration“

Nicht benötigte Finanzmittel aus der Insolvenzgeldumlage 2010 nicht zur Verminderung des Bundeszuschusses 2010 heranziehen Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Jahr verbleibt Ende 2010 bei der allein von den Arbeitgebern finanzierten Insolvenzgeldumlage voraussichtlich ein Überschuss von 1,1 Mrd. €. Weil das BMAS von Insolvenzgeldausgaben 2011 in Höhe von ca. 900 Mio. € ausgeht, die folglich mit dem Überschuss abgedeckt sind, wurde der Umlagesatz für 2011 den gesetzlichen Vorgaben entsprechend auf 0,0 % festgelegt. Allerdings soll auf Betreiben des Bundesfinanzministers der Überschuss bei der Insolvenzgeldumlage bei der Höhe des Haushaltsdefizits der BA Ende 2010 berücksichtigt werden, um damit den nur für 2010 gesetzlich vorgesehenen Bundeszuschuss (§ 434u SGB III) um diesen Betrag zu mindern. Dies führt faktisch zu einer Vereinnahmung der Umlagemittel für den Bundeshaushalt. Als Folge müssten die von den Arbeitgebern bereits gezahlten Gelder in Höhe von 1,1 Mrd. € im Jahr 2011 nochmals je zur Hälfte von den Beitragszahlern zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitgebern und Arbeitnehmern) aufgebracht werden. Um dies zu verhindern, hat der BA-Verwaltungsrat einstimmig einen Haushaltsentwurf für 2011 verabschiedet, in dem die ca. 1,1 Mrd. € aus dem Haushalt 2010 in den Insolvenzgeldtitel des Haushalts 2011 übertragen wurden. Auf diesem Weg sollte die Zweckbindung des eingesammelten Geldes gesichert und einem zweck- und rechtswidrigen Verschwinden im Bundeshaushalt vorgebeugt werden. Die Bundesregierung beabsichtigt allerdings, die Genehmigung des BA-Haushalts mit der Auflage zu versehen, dass der Überschuss aus der Insolvenzgeldumlage im Haushaltsjahr 2010 und nicht 2011 in Ansatz gebracht wird. Da der Haushaltsplan der BA 2011 nur mit Liquiditätshilfen des Bundes ausgeglichen ist, kann das BMAS den Haushaltsplan in der von der Bundesregierung genehmigten Fassung – also mit der Auflage – selbst feststellen. Die BDA hatte sich im Vorfeld der Haushaltsfeststellung gegenüber der Bundeskanzlerin, dem Bundesfinanzminister und der Bundesarbeitsministerin mit großem Nachdruck dafür eingesetzt, die Zweckbindung der durch die Insolvenzgeldumlage aufgebrachten Finanzmittel für Insolvenzgeldzahlungen nicht aufzubrechen und dementsprechend den Zuschuss des Bundes in Höhe des Ende 2010 bestehenden Defizits im Haushalt der BA ohne Berücksichtigung der zweckgebunden Insolvenzgeldmittel zu bemessen. Nachdem unsere Interventionen bei der Bundesregierung erfolglos geblieben sind, wird die BDA eine gerichtliche Klärung dieser Streitfrage über die Selbstverwaltung der BA anstreben.

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

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Fürsorgesystem Arbeitslosen­ geld II: Langzeitarbeitslosigkeit endlich besser bekämpfen Leistungsfähige Verwaltungsstrukturen für eine bessere Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und ein auf zügige Beschäftigungsaufnahme ausgerichtetes Fürsorgesystem, dies waren wichtige Ziele und Schwerpunkte der arbeitsmarktpolitischen Tätigkeit der BDA im Jahr 2010. Aus Anlass zweier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mussten bis zum 1. Januar 2011 in der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowohl verfassungsgemäße Verwaltungsstrukturen gefunden als auch die Regelsätze neu berechnet und festgelegt werden. Ergebnis der langen politischen Auseinandersetzungen über die Neuregelung der Verwaltungsstrukturen im SGB II war, die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen in

sog. Jobcentern fortzusetzen sowie die Optionskommunen zu entfristen und ihre bisherige Anzahl von 69 auf maximal ca. 110 auszuweiten. Mit einer Grundgesetzänderung wurden diese Verwaltungsstrukturen schließlich verfassungsrechtlich verankert. Auch wenn die von der BDA favorisierte klare Verantwortung in Form der kommunalen Zuständigkeit für die Betreuung der Hilfebedürftigen politisch keine Mehrheit gefunden hat, wurden dennoch Verbesserungen gegenüber dem Status quo erreicht. Die Neuregelung bietet grundsätzlich die Chance, nun die Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen auf eine bessere Basis als bisher zu stellen. Vertrauensvolle Zusammenarbeit ist die Voraussetzung dafür, dass vor Ort von Arbeitsagenturen und Kommunen gemeinsam passgenaue Lösungen für Menschen mit oft komplexen Vermittlungshemmnissen erarbeitet werden. Durch die Ausweitung der Zahl der Optionskommunen kann zudem eine größere Anzahl von Kommunen die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II in

Bundesverfassungsgericht: Entscheidung zum Eingliederungsbeitrag aufgeschoben Leider hat das Bundesverfassungsgericht die von der BDA angestoßenen und unterstützten Verfassungsbeschwerden mit Beschluss vom 2. August 2010 (veröffentlicht am 8. September 2010) nicht zur Entscheidung angenommen, sondern die Beschwerdeführer auf den Rechtsweg zu den Sozialgerichten verwiesen. Dass das Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Eingliederungsbeitrags ausdrücklich offenlässt, war angesichts der Einholung von inhaltlichen Stellungnahmen und einer zweijährigen Prüfungszeit durchaus überraschend. Damit duldet das Bundesverfassungsgericht, dass sich der Bund entgegen der eigenen Rechtsprechung eines klaren verfassungsrechtlichen Verbots, Beitragsmittel für aus Steuern zu finanzierende Aufgaben zu verwenden, weiterhin massiv aus der Kasse der Arbeitslosenversicherung bedient. Allein im Jahr 2010 wurden auf diesem Weg zweckgerichtete Beiträge von ca. 5,3 Mrd. € willkürlich umgewidmet und zur allgemeinen Finanzierung des ­Bundeshaushalts missbraucht. Diesem Griff in die Tasche der Beitragszahler kann nur ein Riegel vorgeschoben werden, wenn die Frage der Verfassungswidrigkeit des Eingliederungsbeitrags über die Fachgerichte erneut an das Bundesverfassungsgericht herangetragen wird. Auf diesen Weg hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich hingewiesen. Entsprechende Verfahren von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor den Sozialgerichten hatte die BDA bereits parallel zu den Verfassungsbeschwerden angestoßen und unterstützt. Eine Klage gegen den Aussteuerungsbetrag, die Vorgängerregelung zum Eingliederungsbeitrag, ist mittlerweile beim Bundessozialgericht anhängig.

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung


sachgerechter eigener Verantwortung wahrnehmen. Vor allem aber konnte sich die BDA mit ihrer Forderung durchsetzen, alle Grundsicherungsträger zu verpflichten, sich an einer bundeseinheitlichen Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleichen zu beteiligen. Die hierdurch gewährleistete vollständige Transparenz bei der Mittelverwendung und den dabei erzielten Wirkungen ist nicht zuletzt Voraussetzung dafür, dass ausreichende Verantwortlichkeit entsteht und ein selbstlernendes, sich kontinuierlich verbesserndes System geschaffen wird. Ein solches System ist dringend notwendig, um erwerbsfähige Hilfebedürftige besser zu aktivieren, gezielt die Integrationschancen in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen und so letztlich Langzeitarbeitslosigkeit erfolgreich zu bekämpfen. Die richtige Weichenstellung in der Grund­ sicherung für Arbeitsuchende wurde auch mit dem im Bundestag beschlossenen Gesetz zur Neubemessung der Regelsätze vorgenommen.

Die Neuberechnung der Regelsätze gewährleistet einerseits die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Transparenz im Berechnungsverfahren. Andererseits werden mit einer strengen Bedürftigkeitsorientierung neue Hürden für eine Beschäftigungsaufnahme gerade für gering Qualifizierte vermieden. Nur so kann das Ziel der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II erreicht werden, den Selbsthilfewillen und die Eigenverantwortung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zu stärken, um durch den (Wieder-)Einstieg in Arbeit die Hilfebedürftigkeit dauerhaft zu überwinden und so schnell wie möglich wieder unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu werden. Die BDA unterstützt auch die im Gesetz v­ orgesehene Regelung, Bildungs- und Teilhabebedarfe von Kindern zielgerichtet und ohne Verminderung von Arbeitsanreizen bei den Eltern besser nicht durch pauschale Regelsatzerhöhungen, sondern durch Sachleistungen insbesondere in Form von Gutscheinlösungen zu erfüllen. So kann sichergestellt werden, dass die notwendige Hilfeleistung bei

Elterngeld: sinnvolle Neujustierung Mit den vorgesehenen Änderungen beim Elterngeld im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 wird die notwendige Konsolidierung des Bundeshaushalts vorangebracht und das Elterngeld inhaltlich sinnvoll neu justiert. Dies gilt insbesondere für die von der BDA geforderte Anrechnung von Elterngeld auf das Arbeitslosengeld II und den Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz. Bisher wurde Elterngeld gezahlt, obwohl der/die Betroffene bereits durch die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II abgesichert ist und auch keine Arbeit zum Zwecke der Kinderbetreuung und -erziehung aufgegeben hat. Damit wurden die Fürsorgeleistungen zu Lasten der Solidargemeinschaft der Steuerzahler über die Bedürftigkeit hinaus geleistet und Anreize zur zügigen Rückkehr in das Erwerbsleben massiv verringert. Allerdings wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch eine Ausnahmeregelung eingefügt, die es Leistungsbeziehern ermöglicht, dass ein vor der Geburt erzieltes Einkommen von bis zu 300 € anrechnungsfrei bleibt. Wer z. B. vor der Geburt des Kindes 160 € netto verdient hat, erhält nach der Geburt diesen Betrag zusätzlich zum Arbeitslosengeld II. Gegen eine derartige Regelung spricht – ebenso wie gegen die heutige Gesetzeslage –, dass hierdurch erwerbsfähige Hilfebedürftige über den Existenz sichernden Bedarf der Familie hinaus zu Lasten der Solidargemeinschaft der Steuerzahler finanziell unterstützt würden. Weitere Bestandteile der beschlossenen Änderungen sind die Absenkung der Ersatzquote beim Elterngeld ab einem zu berücksichtigenden Einkommen von 1.200 € von 67 % auf 65 % sowie die Beschränkung der Berechnungsgrundlage des Elterngelds auf Einnahmen, die im Inland versteuert werden. Schließlich entfällt künftig der Elterngeldanspruch für Personen, die vor der Geburt ein Einkommen von mehr als 250.000 € im Jahr erzielt haben.

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den Kindern von Fürsorgeempfängern ankommt und Bildungs- und Teilhabechancen tatsächlich wahrgenommen werden. Aufgrund ihrer Sachnähe sind in der Praxis vor allem die Kommunen gefordert, sicherzustellen, dass entsprechende Leistungen für die Kinder bereitstehen und in Anspruch genommen werden können. Letztlich kommt es darauf an, möglichst durch präventive Maßnahmen von Anfang an die heute leider noch viel zu oft stattfindenden „Sozialhilfekarrieren“ zu vermeiden. Ein Erfolg der BDA war es vor allem, dass der Gesetzgeber zum 1. Januar 2011 die Zuschläge zum Arbeitslosengeld II nach dem Bezug von Arbeitslosengeld abgeschafft hat. Diese Zuschläge dienen nicht mehr der Existenzsicherung und sind deshalb nicht zu rechtfertigen. Sie bilden sogar Hindernisse für eine möglichst zügige Aktivierung von Fürsorgeempfängern. Leider hat die Bundesregierung die Freibetragsregelung für eigenes Erwerbseinkommen beim Arbeitslosengeld II fast unverändert gelassen. Die BDA hatte sich nachdrücklich dafür eingesetzt, künftig die ersten 200 € des Hinzuverdiensts komplett auf die Fürsorgeleistung anzurechnen, im Gegenzug aber die heutigen Freibeträge für Einkommen bis 800 € bzw. 1.000 € jeweils zu verdoppeln. Hierdurch würde der Anreiz für die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit deutlich erhöht werden. Die Neuregelung sieht jedoch lediglich vor, dass vom Arbeitseinkommen zwischen 800 € und 1.000 € zukünftig 20 % statt 10 % behalten werden dürfen. Weil mit der Neuregelung weiterhin geringe Einkommen privilegiert werden, werden auch zukünftig Hilfebedürftige zum Verbleib im fast ungekürzten Leistungsbezug bei Hinzuverdienst eines Taschengelds regelrecht eingeladen. Die Fehlsteuerung der bestehenden Freibetragsregelung zeigt sich darin, dass heute fast 60 % der 1,3 Mio. erwerbstätigen Hilfebedürftigen ein Erwerbseinkommen von lediglich 400 € verdienen, viele hiervon sogar nur den anrechnungsfreien Betrag von 100 €. Auch nach der Reform bleibt es für den Hilfebedürftigen nach wie vor attraktiver, von erarbeiteten 200 € 120 € zu behalten als mit vierfacher Arbeitsleistung und dementsprechendem Verdienst von 800 € nur über weitere 120 € mehr zu verfügen. Gemessen hieran kann von einer Umsetzung der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, „den Anreiz zu erhöhen, eine voll

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Beschäftigung

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu suchen und anzunehmen“, keine Rede sein. Die richtige Ausgestaltung der Freibeträge muss deshalb auf der politischen Agenda bleiben.

Wirtschaft wirbt: mehr Frauen in Beschäftigung und Führungs­ positionen Mehr Frauen in Beschäftigung zu bringen und auch den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen sind seit langem verfolgte Ziele der Wirtschaft. Die Unternehmen und der Wirtschaftsstandort Deutschland sind nicht zuletzt angesichts des demografischen Wandels und eines wachsenden Fachkräftebedarfs künftig noch stärker auf die Potenziale gerade auch von Frauen angewiesen. Doch obwohl Frauen immer bessere Bildungsabschlüsse erzielen und inzwischen die Mehrheit der Abiturienten und Hochschulabsolventen in Deutschland stellen, können sie ihre Potenziale im Berufsleben noch nicht vollständig ausschöpfen. Nach wie vor tragen die Familienpolitik und der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen dazu bei, dass Frauen zu lange nach der Geburt ihres Kindes zu Hause bleiben und oft nur in Teilzeit arbeiten. Auch das deutsche Steuer- und Sozialversicherungsrecht setzen zu viele Anreize, die Erwerbstätigkeit zu reduzieren oder gar im Sinne des Alleinverdienermodells ganz aufzugeben. Dies wird durch ein tradiertes gesellschaftliches Rollenverständnis unterstützt, das die Familienund Erziehungsarbeit überwiegend als Aufgabe der Frau sieht. Damit kommen viele Frauen auch auf der Karriereleiter gar nicht erst so weit voran, um Aussicht auf eine Führungsaufgabe zu haben. Das Potenzial für weibliche Führungskräfte wird dadurch unnötig verknappt. Umso weniger ist es nachvollziehbar, dass zunehmend die Einführung einer gesetzlichen Quotenregelung für Aufsichtsräte und auch allgemein für Führungspositionen gefordert wird. Unabhängig von gravierenden verfassungsrechtlichen Einwänden werden mit Quoten lediglich Symptome, nicht aber die Ursachen des geringen Frauenanteils in Führungspositionen angegangen. Die BDA tritt weiterhin vehement dafür ein, die


Hindernisse, welche Frauen heute bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und beim beruflichen Aufstieg im Wege stehen, zu überwinden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Frauen in Führungspositionen“

Beitrag zur Standortbestimmung der deutschen Personalarbeit: 1. Deutsches HR-Forum Unter Schirmherrschaft von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt fand am 14. Oktober 2010 das 1. Deutsche HR-Forum in Berlin statt. Zielsetzung war eine Standortbestimmung der deutschen Personalarbeit. Der Arbeitgeberpräsident machte in seiner Eröffnungsrede deutlich, dass Fachkräftegewinnung und -sicherung ohne Zweifel herausragende Themen der betrieblichen Personalpolitik seien. Daher sei es wesentlich, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, die Beschäftigungschancen von Frauen weiter zu verbessern und nicht zuletzt die Zuwanderung von ausländischen Fach- und Führungskräften als notwendig und als Chance für unser Land zu begreifen. Ein hochrangiger Teilnehmerkreis aus 150 Arbeitsdirektoren, Personalvorständen, Geschäftsführern, Wissenschaftlern und Politikern diskutierte über Themen wie „Change am Talentmarkt“, „Reputation des Managements“ oder das „System Arbeit unter dem Druck der Globalisierung“. Ausgewiesene Experten aus Praxis und Forschung beleuchteten in Vorträgen und Podiumsdiskussionen die zukünftigen strategischen, politischen und wissenschaftlichen Einflussfaktoren für ein modernes HR-Management. Stefan Lauer, Mitglied des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG, stellte eindrucksvoll dar, wie Web 2.0 und Digital Natives nicht nur die Personalarbeit, sondern die gesamte Unternehmenskommunikation verändern könnten. Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, plädierte für einen europäischen Weg der Nachhaltigkeit in der Managemententwicklung. Hans Eberspächer, emeritierter Professor für Sportpsychologie, dessen Methoden in vielen Unternehmen eingesetzt werden, ging in seiner Dinnerspeech der Frage nach, inwiefern die mentalen Strategien und Trainingsmethoden des Spitzensports auf andere Bereiche wie die Wirtschaft übertragbar sind.

Mit den erstmals vergebenen HR-Awards 2010 wurden Dr. Angelika Dammann, Personalvorstand bei SAP AG, und Prof. Dr. Dirk Sliwka von der Universität zu Köln geehrt. Ausgelobt wurden die Awards vom Personalmagazin, Deutschlands meistgelesener HR-Fachzeitschrift. Dr. Angelika Dammann wurde als „HR-Manager des Jahres“ von der Jury wegen ihrer beispielhaften Karriere in- und außerhalb des Personalmanagements geehrt, in deren Rahmen sie äußerst erfolgreich unterschiedliche Veränderungsprojekte in internationalen Konzernen initiiert und begleitet hat.

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Mehr Netto vom Brutto nicht aus den Augen verlieren CDU, CSU und FDP haben ihr im Koalitionsvertrag vom 24. Oktober 2009 vereinbartes Ziel, die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung „unter 40 % vom Lohn zu halten“, im Jahr 2010 eingehalten. Erreicht wurde die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge bei 39,6 % vor allem durch die Absenkung des Beitragssatzes zum Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 15,5 % auf 14,9 % ab 1. Juli 2009 („Konjunkturpaket II“). Die daraus resultierenden Beitragsmindereinnahmen sind den gesetzlichen Krankenkassen durch einen um 6,3 Mrd. € erhöhten Bundeszuschuss voll kompensiert worden. Flankierend wurden die krisenbedingten Defizite in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung im laufenden Jahr vom Bund übernommen („Gesetz zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme“). Die Begrenzung des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes hat dazu beigetragen, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue Beschäftigung zu schaffen. Obgleich der positive Beschäftigungseffekt niedrigerer Sozialversicherungsbeiträge im Wesentlichen auf der Verringerung der Arbeitskosten beruht, sind auch mit der Senkung der Arbeitnehmerbeiträge positive Wirkungen verbunden: Weniger Sozialversicherungsbeiträge bedeuten mehr Netto für die Beschäftigten und damit mehr Möglichkeiten für Konsum und Sparen. Gleichzeitig machen niedrigere Sozialversicherungsbeiträge legale Arbeit lohnender und verringern damit die Anreize zur Schwarzarbeit. Aber bereits im kommenden Jahr werden die Beitragssätze zur Sozialversicherung wieder über 40 % steigen. Verantwortlich hierfür sind vor allem falsche Weichenstellungen in der Gesundheitspolitik: Denn das für 2011 erwartete Defizit von 9 Mrd. € in der GKV soll nicht durch Ausgaben senkende Strukturreformen, sondern vor allem durch zusätzliche Beitrags- und Steuergelder beseitigt werden. Belastet werden insbesondere Arbeitgeber und Versicherte, deren Beitragssatzanteile um jeweils 0,3 Prozentpunkte angehoben werden sollen.

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Mit der Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,6 Prozentpunkte bricht die Koalition ihre Zusage, die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Überwindung der Wirtschaftsund Finanzkrise stabil zu halten, und dies, obwohl die deutsche Wirtschaft das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht hat. Das ist besonders gravierend, weil gleichzeitig zum 1. Januar 2011 auch der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozentpunkte steigen wird. Damit wächst die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung zum Jahreswechsel äußerst kräftig von 39,6 % auf 40,4 %. Durch den Beitragssatzanstieg wird das Gegenteil dessen erreicht, was die Bundesregierung im Koalitionsvertrag versprochen hat, nämlich für mehr Netto vom Brutto zu sorgen und die Personalzusatzkosten zu stabilisieren.

Abgabenkeil: Deutschland belastet den Faktor Arbeit überdurchschnittlich Nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belastet kaum ein anderes Land Löhne und Gehälter so sehr mit Abgaben wie Deutschland. Von den Arbeitskosten des Arbeitgebers kamen bei einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener im Jahr 2009 gerade einmal 49,1 % als Nettolohn an, d. h., der Abgabenkeil betrug 50,9 %. Unter den sieben führenden Industrienationen (G7) belegt Deutschland den ersten Platz vor Frankreich (49,2 %) und Italien (46,5 %). Deutlich niedrigere Belastungen des Faktors Arbeit weisen die angelsächsischen Staaten und Japan (32,5 % bis 29,2 %) auf. Aber auch im EU-Durchschnitt ist der Abgabenkeil mit 41,6 % erheblich schmaler als in Deutschland. Der deutsche Abgabenkeil eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners setzt sich zurzeit aus drei ähnlich großen Teilen zusammen: Auf die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers entfallen 16,3 Prozentpunkte, auf die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers 17,3 Prozentpunkte und auf die Lohnsteuer inklusive Solidaritätszuschlag ebenfalls 17,3 Prozentpunkte. Fast zwei Drittel des Abgabenkeils gehen somit auf Sozialversicherungsbeiträge zurück.


Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz wieder 체ber 40 % in % 45 41,1 1,70

40

6,5

42,0 1,77 6,5

35,8

35

32,4 3,0

30

12,8

13,6

14,2

40,1

40,2

1,77

2,02

2,02

3,3

3,3

2,8

14,9

14,9

15,5

39,6

39,6

39,6

2,02

2,02

2,02

2,8

2,8

2,8

14,9

14,9

14,9

40,4 2,02 3,0 15,5

11,4

26,5

25

4,3

39,9

1,3 8,2

20 18,0

18,7

1980

1990

17,0

19,3

19,5

19,9

19,9

19,9

19,9

19,9

19,9

19,9

2000

2005

1. Januar 2008

1. Juli 2008

1. Januar 2009

1. Juli 2009

1. Januar 2010

1. Juli 2010

1. Januar 2011

15

10

5

0 1970

Pflegeversicherung (Durchschnitt) Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung (Durchschnitt) Rentenversicherung Soweit nicht anders angegeben, jeweils zum Stichtag 1. Januar; im Bundesdurchschnitt Quellen: Bundesministerium f체r Gesundheit und Deutsche Rentenversicherung Bund; eigene Darstellung der BDA

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Der breite deutsche Abgabenkeil ist insbesondere das Ergebnis einer langfristig stark gestiegenen Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge. Erreichte die Beitragssatzsumme aus Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung 1970 noch den Wert von 26,5 %, stieg sie bis 1990 bereits auf 35,8 %, blieb nach Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 noch knapp unter der 40%-Marke und erreichte 1999 bei 42,1 % ihren bisherigen Höchststand. Deshalb bleibt es auch in Zukunft ein wichtiges politisches Ziel der BDA, den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz dauerhaft unter 40 % zu halten. Die leistungshemmende Wirkung des deutschen Steuer- und Beitragssystems wird noch deutlicher, wenn ergänzend zur durchschnittlichen Belastung des Faktors Arbeit mit Abgaben die marginale Abgabenlast betrachtet wird. Sie gibt an, wie viel Eurocent der Staat für sich beansprucht, wenn das Arbeitnehmerentgelt, also Bruttolohn plus Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, um 1 € angehoben wird. Für den Durchschnittsverdiener ermittelt die OECD eine Grenzbelastung von 63,3 %. Das bedeutet, dass dem Durchschnittsverdiener von einer Arbeitskostenerhöhung um 1 € gerade einmal 36,7 Eurocent netto verbleiben.

Sozialbudget: Sozialleistungen haben kräftig zugenommen Das Sozialbudget, in dem die Bundesregierung regelmäßig alle Sozialausgaben zusammenfasst, hat sich im Jahr 2009 auf das neue Rekordniveau von 753,9 Mrd. € erhöht. Das sind 30,5 Mrd. € bzw. 4,2 % mehr als 2008. Von einem systematischen „Sozialabbau“ – wie ihn Gewerkschaften, Sozialverbände und die Partei DIE LINKE immer wieder behaupten – kann deshalb überhaupt keine Rede sein. Hierauf hat die BDA immer wieder hingewiesen. Verantwortlich für den überaus kräftigen Ausgabenanstieg sind nicht nur die krisenbedingten Mehrausgaben der Arbeitslosenversicherung, sondern vor allem auch die weiter steigenden Ausgaben in der Kranken-, Rentenund Pflegeversicherung. Mit Abstand größter Kostentreiber war die GKV, deren Leistungsvolumen von 2004 bis 2009 um insgesamt 30 Mrd. € zugenommen hat.

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Soziale Sicherung

Deutlich gestiegen sind in den Jahren 2008 und 2009 mit fast 9 Mrd. € auch die Leistungsausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht zuletzt, weil die große Koalition den Rentnern zwei Sonder-Rentenerhöhungen (zweimaliges Aussetzen der Riester-Treppe 2008 und 2009) zugebilligt hat. Und auch die zahlreichen Leistungsausweitungen in der Pflegeversicherung („Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“) haben die Ausgaben des Sozialbudgets in den letzten beiden Jahren um insgesamt 2 Mrd. € erhöht. Das Verhältnis von Sozialaufwand zu Wirtschaftskraft hat sich 2009 deutlich von 29,0 % auf 31,3 % verschlechtert. Der noch in den Jahren 2004 bis 2008 zu beobachtende Trend rückläufiger Sozialleistungsquoten ist damit im Berichtsjahr abrupt beendet worden. Der zurückliegende kräftige Konjunkturaufschwung und der damit verbundene Rückgang der Sozialleistungsquote haben weitgehend verdeckt, dass die Kosten der sozialen Sicherung in einigen Teilbereichen massiv gestiegen sind.

Rentenversicherung: Renten­ garantie kostet 1,7 Mrd. € und ist systemwidrig Insbesondere um im Bundestagswahlkampf 2009 eine Debatte über drohende Rentenkürzungen im Jahr 2010 zu vermeiden, hatte sich die große Koalition dazu entschlossen, eine Rentengarantie abzugeben. Danach dürfen die Altersbezüge der 20 Mio. Rentner selbst dann nicht gekürzt werden, wenn die durchschnittlichen Pro-Kopf-Verdienste, also die Einkommen der Erwerbstätigen, sinken. Anlass für die Garantie war das Frühjahrsgutachten 2009 der Wirtschaftsforschungsinstitute, das insbesondere durch die zunehmende Inanspruchnahme der konjunkturellen Kurzarbeit einen Rückgang der anpassungsrelevanten Löhne um über 2 % prognostiziert hatte. Dagegen vertrat die damalige Bundesregierung die Auffassung, die Bruttolöhne würden um rd. 1 % steigen. Nach der „Rentenwertbestimmungsverordnung 2010“, die zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist, war die anpassungsrelevante Lohnentwicklung in den alten Bundesländern mit minus 0,96 % tatsächlich negativ, während sie in den neuen


Rentenanpassungsformel sprechen vor allem folgende Gründe:

Bundesländern mit plus 0,61 % positiv ausfiel. Damit hat die Rentengarantie in Ostdeutschland keine Wirkung entfaltet, war aber für die Fortschreibung des Aktuellen Rentenwerts in Westdeutschland bedeutsam.

Zum einen ist nicht zu begründen, warum Rentenbezieher eine umfassende Garantie ihrer Altersbezüge erhalten und jegliche Einkommens­ einbußen für diesen Personenkreis kategorisch ausgeschlossen werden, obwohl gleichzeitig Arbeitnehmer, die arbeitslos werden, wegen Kurzarbeit auf Gehalt verzichten oder zwecks Beschäftigungssicherung Lohnzugeständnisse machen, einen Einkommensverlust erleiden. Das Prinzip der lohnbezogenen Rente bedeutet, dass sich

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum „Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und zur Änderung anderer Gesetze“ hatte sich die BDA seinerzeit vehement gegen die Einführung der Rentengarantie ausgesprochen. Gegen die weitere Verwässerung der

Immer mehr für Soziales – Sozialleistungsquote deutlich angestiegen Sozialbudget in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nominal

in % 35 31,2

30

31,3

30,2

28,3

31,3 29,2

29,0

2007

2008 s

25,9

25

23,3 20,9

20

15

10

5

0 1960

1970

1980

1990

2000

2005

2006

2009 s

Bis 1990: Westdeutschland; ab 2000: Gesamtdeutschland; s: geschätzte Zahlen Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales; eigene Darstellung der BDA

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Soziale Sicherung

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die Renten grundsätzlich an der Lohn­entwicklung orientieren. Dieser Grundsatz kann nicht nur in guten Zeiten gelten, wenn die Löhne steigen, sondern muss auch im umgekehrten Fall Anwendung finden, wenn die Löhne sinken. Zum anderen erfordert die vom Gesetzgeber gewollte Absenkung des Rentenniveaus sogar, dass die Renten langsamer steigen als die Löhne und Gehälter. Von diesem Grundsatz wurde bei sinkenden Löhnen und Gehältern bereits nach altem Recht eine Ausnahme gemacht, weil in diesem Fall auf die Anwendung der zur langfristigen Dämpfung des Rentenniveaus vorgesehenen Faktoren verzichtet wird. Damit bleibt das Rentenniveau bei sinkenden Löhnen und Gehältern konstant. Die Anwendung der neu eingeführten Rentengarantie führt jetzt sogar dazu, dass das Rentenniveau bei sinkenden Löhnen steigt. Damit wird der mit den letzten Rentenreformen eingeschlagene Weg noch weiter konterkariert. Nicht zuletzt ist mit der Rentengarantie das Vertrauen in eine stetige, berechenbare und verlässliche Rentenpolitik beschädigt worden. Inzwischen vergeht kaum mehr ein Jahr, in dem der Gesetzgeber nicht in den Rentenanpassungsmechanismus eingreift. Deshalb ist inzwischen der Eindruck entstanden, dass die Höhe der jeweils nächsten Rentenanpassung mehr von politischer Opportunität als von zuvor vereinbarten gesetzlich festgelegten Regeln abhängt. Dabei ist gerade in der Alterssicherung Verlässlichkeit geboten. Insbesondere die heutigen Beitragszahler brauchen Planungssicherheit, um eine klare Perspektive für ihre ergänzende Eigenvorsorge zu haben. Da die Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern im vergangenen Jahr positiv war, sind durch die Rentengarantie ausschließlich in den alten Bundesländern Kosten entstanden. Nach dem jüngsten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung werden die Rentenausgaben in Westdeutschland im laufenden Jahr etwa 167,0 Mrd. € betragen. Hinzu kommen 11,2 Mrd. € Zuschüsse der westdeutschen Rentenversicherungsträger zur Krankenversicherung der Rentner. Multipliziert man dieses Ausgabevolumen von insgesamt 178,2 Mrd. € mit der unterlassenen Rentenkürzung von 0,96 %, errechnen sich für den Zeitraum drittes Quartal 2010 bis zweites Quartal 2011

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Soziale Sicherung

Mehrausgaben für die Rentenversicherung von 1,7 Mrd. € infolge der Rentengarantie. Damit der Rentenversicherungsbeitragssatz auch langfristig unter 20 % gehalten werden kann, muss der Gesetzgeber insbesondere folgende rentenrechtliche Korrekturen auf den Weg bringen: Zum einen sollten Rentendämpfungen, die nach der Rentenanpassungsformel hätten erfolgen müssen, aber aufgrund von Schutzklauseln unterblieben sind, künftig in vollem Umfang – und nicht mehr nur jeweils zur Hälfte – bei der nächsten Rentenanhebung gegengerechnet und auf diese Weise nachgeholt werden. Zum anderen muss die fürsorgerisch motivierte Hinterbliebenenversorgung auf ihre ursprüngliche Aufgabe einer angemessenen Absicherung von Personen ohne ausreichendes Einkommen beschränkt werden. Erforderlich sind vor allem eine stärkere Anrechnung anderer Einkommen sowie engere Anspruchsvoraussetzungen für den bezugsberechtigten Personenkreis. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Gesetzliche Rentenversicherung“

Altersarmut: hohes Beschäfti­ gungsniveau ist beste Vorsorge Der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags hat am 27. September 2010 eine öffentliche Anhörung zum Thema „Altersarmut“ durchgeführt, zu der die BDA als Sachverständige geladen war. Auf der Tagesordnung standen vor allem fünf Anträge der Oppositionsparteien, nach denen der behaupteten Gefahr künftig steigender Altersarmut vorrangig durch Korrekturen des Rentenrechts begegnet werden soll. Die BDA sieht hingegen grundsätzlich keinen Bedarf für neue rentenrechtliche Regelungen. Altersarmut ist in Deutschland erfreulicherweise selten. Auf „Grundsicherung im Alter“ waren am Jahresende 2009 gerade einmal 2,4 % der über 64-Jährigen angewiesen. Das gegliederte Alterssicherungssystem aus allgemeiner und knappschaftlicher Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, berufsständischen Versorgungswerken und Beamtenversorgung ist gegenwärtig sehr gut in der Lage, auskömmliche Altersrenten zu


gewährleisten. Personen, die mindestens 65 Jahre alt sind und nicht über ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt verfügen, haben zudem Anspruch auf „Grundsicherung im Alter“. Diese Sozialleistung wird – im Gegensatz zur Sozialhilfe – sogar dann voll gewährt, wenn die Betroffenen ihre unterhaltspflichtigen Kinder in Anspruch nehmen könnten. Der Gesetzgeber hat damit bereits ein spezielles unteres Auffangnetz für Personen im Rentenalter geschaffen, das Altersarmut wirksam bekämpft. Um das Risiko künftiger Altersarmut weiter zu begrenzen, ist insbesondere der Ausbau der Erwerbsbeteiligung erforderlich. Mehr Beschäftigung insbesondere von Frauen und Älteren, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch späteren Renteneintritt („Rente mit 67“) und der berufliche Aufstieg durch Bildung sind die Schlüssel, um bereits in der Erwerbsphase keine Sicherungslücken im Alter entstehen zu lassen. Wichtig ist jedoch, dass künftig auch die nicht rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen staatlich geförderte Altersvorsorgeverträge („Riester-Rente“) abschließen können. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Altersarmut“

„Rente mit 67“: Bundesregierung hält an Altersgrenzenanhebung fest Die Bundesregierung hält an der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre fest, die 2012 beginnen und 2029 abgeschlossen sein soll. Das geht aus dem Bericht „Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt“ hervor, der vom Bundeskabinett am 17. November 2010 beschlossen wurde. Nach § 154 Abs. 4 SGB VI hat die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften vom Jahr 2010 an regelmäßig alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu berichten und eine Einschätzung darüber abzugeben, ob die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können.

Der vorgelegte Bericht belegt eindeutig die positive Beschäftigungsentwicklung und -situation Älterer. Das gilt gerade für die Altersgruppe der 60- bis unter 65-Jährigen. Deren Erwerbstätigenquote hat sich seit dem Jahr 2000 beinahe verdoppelt und lag 2009 bei 38,4 %. Dies zeigt: Der von den Arbeitgebern eingeleitete und von der Politik durch den Abbau von Frühverrentungs­ regelungen unterstützte Paradigmenwechsel hin zu mehr Beschäftigung Älterer ist erfolgreich. Der Bericht der Bundesregierung verdeutlicht auch das große Engagement der Unternehmen und verweist auf zahlreiche Beispiele guter Praxis im Bereich der demografiefesten Personalpolitik, u. a. bei der Arbeitsgestaltung und -organisation, der Weiterbildung und der Laufbahngestaltung. Neben dieser positiven Beschäftigungsentwicklung älterer Arbeitnehmer weist die Bundesregierung in ihrem Bericht richtigerweise darauf hin, dass die Anhebung der Altersgrenze eine notwendige Maßnahme ist, um die im SGB VI festgeschriebenen Beitragssatz- und Niveausicherungsziele für die gesetzliche Rentenversicherung dauerhaft einzuhalten. Nach diesen darf der Rentenversicherungsbeitragssatz bis zum Jahr 2030 den Wert von 22 % nicht überschreiten und das Rentenniveau vor Steuern nicht unter 43 % sinken. Für die „Rente mit 67“ spricht auch die konkrete Ausgestaltung der Altersgrenzenanhebung durch den Gesetzgeber: Durch die schrittweise Heraufsetzung der Regelaltersgrenze haben Versicherte und Betriebe noch 19 Jahre Zeit (bis 2029), sich in ihren Dispositionen auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit einzustellen. Hinzu kommt, dass ein vorzeitiger Rentenzugang für langjährig Versicherte mit mindestens 35 Versicherungsjahren weiterhin ab 63 Jahren möglich sein wird, allerdings – wie bereits nach geltendem Recht – unter Inkaufnahme versicherungsmathematischer Rentenabschläge (0,3 % je vorgezogenen Monat). „Möglichkeiten einer weiter gehenden Flexibilisierung der Übergänge, einschließlich der Möglichkeiten von Teilzeitarbeit, Teilrente, und die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente vor Vollendung des 63. Lebensjahres“ will die Bundesregierung prüfen.

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Betriebliche Altersvorsorge: Zweite Säule ist krisensicher aufgestellt In der vergangenen schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland war die betriebliche Altersvorsorge im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Aufgrund der langfristigen und sicherheitsorientierten Anlagestrategien der Versorgungswerke sowie der tragfähigen Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSV), den Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge, musste kein Betriebsrentner um seine Leistungen fürchten. In diesen Zeiten bewährte sich das System der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland mit seiner zwei- bis dreistufigen Sicherung, in dem außer dem Versorgungsträger auch der Arbeitgeber und schließlich der PSV haften. Deshalb wird sich die BDA in den anstehenden Debatten auf nationaler und europäischer Ebene vor allem dafür einsetzen, den Sicherheitsvorteil der deutschen betrieblichen Altersvorsorge zu wahren. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Betriebliche Altersvorsorge“

PSV-Beitragsstruktur: BDA-Kon­ zeptentwurf weiterentwickelt Im Zuge der konjunkturellen Erholung und der damit einhergehenden günstigen Entwicklung des Insolvenzgeschehens ist der PSV-Beitragssatz 2010 auf 1,9 ‰ gesunken (Vorjahr 14,2 ‰). Auch unter Berücksichtigung, dass ein Teil des letztjährigen PSV-Beitrags (1,5  Promillepunkte) erst in diesem Jahr fällig wird, bewegt sich damit die PSV-Beitragsbelastung 2010 im Bereich der Durchschnittsbelastung seit Gründung des PSV im Jahr 1975 (3,2 ‰). Gleichwohl hat die außerordentlich hohe Beitragsbelastung im Jahr 2009 die Diskussion über die PSV-Beitragsstruktur aufleben lassen. Die BDA hat deshalb bereits im letzten Jahr einen Konzeptentwurf für eine neue Finanzierungsstruktur erarbeitet. Die darin vorgesehene stärker risikoorientierte Beitragsstruktur des PSV kann langfristig zu einer Senkung des Schadensvolumens des PSV führen, weil auf diese Weise

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Anreize für Maßnahmen zur Schadensvermeidung bzw. -reduzierung gesetzt werden. Seit der Veröffentlichung des ersten Konzept­entwurfs hat ein intensiver fachlicher Austausch stattgefunden, der äußerst lohnend und hilfreich für die Weiterentwicklung des Konzepts war. Zum einen konnten entstandene Missverständnisse über Ziel und Wirkung des Konzepts ausgeräumt sowie Bedenken und Einwänden argumentativ begegnet werden. Zum anderen hat die Diskussion wichtige inhaltliche Anregungen gegeben und es ermöglicht, das bisherige Konzept weiterzuentwickeln. So hat die BDA den aktuellen Konzeptentwurf u. a. um einen Vorschlag für eine stärkere Verstetigung des PSV-Beitragssatzes ergänzt. Insbesondere nach dem sprunghaften Anstieg des PSV-Beitragssatzes von 1,8 ‰ 2008 auf das Rekordniveau von 14,2 ‰ im vergangenen Jahr war es zu Forderungen gekommen, die Volatilität des PSV-Beitragssatzes zu mindern. Der Vorteil läge vor allem in einer besseren Kalkulationssicherheit für Mitglieder. Zudem würde die prozyklische Wirkung, nach der die PSV-Beitragsbelastung eher bei schlechter wirtschaftlicher Lage steigt, gemildert. Die Entwicklung einer neuen, risikoorientierten PSV-Beitragsstruktur ist im vergangenen Jahr deutlich vorangekommen. Dennoch erhebt auch die aktuelle Diskussionsgrundlage noch nicht den Anspruch eines gesetzesreifen Vorschlags. Hierfür müssen noch weitere wichtige Fragen geklärt werden, insbesondere bedarf es auch noch Modellrechnungen, um die Verteilungswirkungen innerhalb der PSV-Mitglieder besser abschätzen zu können.

EU-Grünbuch Pensionen: Weichen richtig stellen Am 7. Juli 2010 hat die EU-Kommission ein Grünbuch mit dem Titel „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ veröffentlicht. Das Grünbuch, das von drei Generaldirektionen der EU (Beschäftigung und Soziales, Wirtschaft und Währung sowie Binnenmarkt) erarbeitet wurde, behandelt Fragen zur Alterssicherung in Europa im Allgemeinen und zur betrieblichen Altersvorsorge im Besonderen. Im


Grünbuch wird die derzeitige Situation der Alterssicherung beschrieben und eine Einschätzung der künftigen Entwicklung vorgenommen. Es beinhaltet 14 als offen bezeichnete Fragen zur Alterssicherung, zu denen bis zum 15. November 2010 Stellung genommen werden konnte. Auf der Grundlage der eingegangenen Stellungnahmen will die EU-Kommission im nächsten Jahr den weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf überprüfen. In der BDA-Stellungnahme zum EU-Grünbuch wird vor allem betont, dass die mit dem Grünbuch angestoßene Debatte über die demografischen Herausforderungen in den Alterssicherungssystemen der EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich zu begrüßen ist. Zu unterstützen ist vor allem die Linie der EU-Kommission, die Mitgliedstaaten im Rahmen der EU-2020-Strategie zu einer Anpassung der Rentensysteme an die weiter steigende Lebenserwartung zu bewegen. Zutreffend ist insbesondere die Feststellung, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Verhältnis zur Ruhestandsphase notwendig ist, um die Finanzierung der Alterssicherungssysteme nachhaltig zu sichern. Richtigerweise wird in dieser Analyse auch der Zusammenhang von unterlassenen Reformen der Alterssicherungssysteme und den daraus resultierenden Risiken für die öffentlichen Haushalte benannt. Die EU-Kommission liegt zudem mit ihrer Einschätzung richtig, dass aufgrund der notwendigen Reformen der nationalen Alterssicherungssysteme der betrieblichen und privaten Altersvorsorge künftig eine immer wichtigere Rolle zukommen wird, was auch in der Schwerpunktsetzung des Grünbuchs zum Ausdruck kommt. Für die BDA ist die offene Methode der Koordinierung der geeignete Rahmen. Ein weiter gehendes Verfahren seitens der EU sollte in Anbetracht der richtigen Prämisse des Grünbuchs, wonach die Gestaltung der Alterssicherungssysteme von den Mitgliedstaaten verantwortet werden muss, nicht erfolgen. Insbesondere wäre eine EU-weite Definition zur Angemessenheit von Rentenleistungen nicht hilfreich, da solche Definitionen nicht losgelöst von den Bedingungen in den Mitgliedstaaten gesetzt werden können. Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge sollte die EU – wie in der BDA-Stellungnahme

deutlich gemacht – sehr zurückhaltend mit Regulierungsabsichten sein. Denn innerhalb der EU variiert die Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge in noch weit stärkerem Maß als bei den staatlichen Alterssicherungssystemen. Insbesondere besteht für einen EU-weiten einheitlichen Regelungsstandard der betrieblichen Altersvorsorge kein Bedarf. So ist vor allem die Aussage im Grünbuch, dass Betriebsrentenzusagen ein ernsthaftes Mobilitätshindernis für die Arbeitnehmer in der EU darstellten, in keiner Weise ausreichend belegt. Im Übrigen ist Arbeitnehmermobilität auch kein Selbstzweck und das Interesse der Arbeitgeber, Fachkräfte zu binden und zu halten, ebenfalls zu berücksichtigen. Die bisherigen Richtlinienvorschläge, die umfassende Standards in der betrieblichen Altersvorsorge vorsahen, hätten diese in Deutschland erheblich verteuert und mit zusätzlicher Bürokratie überzogen. Derartige Belastungen – die zu einem Rückzug der Arbeitgeber aus der freiwilligen betrieblichen Altersvorsorge führen würden – müssen jedoch vermieden werden, um das notwendige weitere Wachstum der betrieblichen Altersvorsorge nicht zu gefährden. Behutsamkeit ist auch bei der von der EUKommission im Grünbuch angekündigten Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie angebracht, schon weil diese Richtlinie erst in den letzten Jahren von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde. Das Regelwerk ist im Hinblick auf die strukturellen Unterschiede von ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge zu im Wettbewerb stehenden Lebensversicherungsunternehmen angemessen und grundsätzlich ausreichend. Insbesondere wäre die vollständige Übertragung der Vorgaben zur Eigenmittelausstattung (Solvency II) in die Pensionsfondsrichtlinie verfehlt, da sich in Deutschland die Risiken der Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge wegen der subsidiären Arbeitgeberhaftung sowie des Insolvenzschutzes durch den PSV grundlegend von denen der privaten Lebensversicherungswirtschaft unterscheiden. Eine unnötig überhöhte Eigenmittelanforderung für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge würde die Träger­unternehmen finanziell zusätzlich belasten, mit der Folge, dass diese mittelfristig ihre freiwilligen Zusagen einschränken müssten. Zudem darf der Anwendungsbereich der

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Pensionsfondsrichtlinie in keinem Fall auf Direktzusagen und andere unbeaufsichtigte Formen der betrieblichen Altersvorsorge ausgedehnt werden, da bei diesen Organisationsformen kein Versorgungsträger Garantien für die Berechtigten übernimmt. An einem Regelungsbedürfnis fehlt es vor allem auch, weil in Deutschland der Arbeitgeber bei diesen Zusagen direkt verpflichtet ist und in dessen Insolvenzfall der PSV einspringt.

Die im Grünbuch zu Recht aufgeworfene Frage nach einem probaten Unterscheidungskriterium zwischen Altersvorsorgesparen einerseits und sonstigen Sparvorgängen zur reinen Vermögensbildung andererseits sollte auch auf europäischer Ebene intensiv diskutiert werden. Für diesen Austausch bietet sich – wie bereits für die staatlichen Alterssicherungssysteme seit zehn Jahren praktiziert – die offene Methode der Koordinierung an, um auf diese Weise ein gemeinsames Verständnis für die Ziele und Anforderungen der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge zu schaffen.

Grünbuch lässt auf EU-Pläne schließen Die Struktur des Grünbuchs zeichnet sich durch 14 – als offen bezeichnete – Fragen sowie durch weitere Thesen im Fließtext aus. Die Aussagen bzw. Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf folgende Punkte:

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Genereller Handlungsbedarf der EU, ob und welche Regelungen für Rentensysteme eingeführt werden müssen

Definition eines angemessenen Einkommens aus Rentenleistungen

Nachhaltigkeit der Alterssicherungssysteme

Automatische Anpassung der Alterssicherungssysteme an die demografische Entwicklung

Übertragbarkeit von Betriebsrentenansprüchen (wobei auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung im Text mehrfach hingewiesen wird)

Verbesserung von transnationalen Bedingungen für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge

Anwendungsbereich der Pensionsfondsrichtlinie, ggf. Einbeziehung von Direktzusagen

Überarbeitung der Solvabilitätsvorschriften für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (Übertragung großer Teile aus Solvency II auf Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge wird angeregt)

Verbesserung des Insolvenzschutzes für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge

Mindestanforderungen an Informationen über Anwartschaften der betrieblichen Altersvorsorge

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EU-Finanzaufsicht: Interessen der betrieblichen Altersvorsorge angemessen sichern Die Errichtung einer zentralen europäischen Finanzaufsicht wurde vom Europäischen Parlament (EP) am 22. September 2010 beschlossen. Der Rat der EU-Finanzminister (ECOFIN) hat diesen Beschluss in seiner Sitzung vom 17. November 2010 gebilligt. Entsprechend diesen Verordnungen werden zum 1. Januar 2011 drei Finanzaufsichtsbehörden, von denen eine speziell für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) zuständig sein soll, errichtet. Anders als die Vorgängereinrichtungen der entsprechenden Aufseherausschüsse sollen diese Behörden mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden. Das Ziel, die Finanzmarktaufsicht europaweit zu stärken, um einer erneuten Finanzmarktkrise vorzubeugen, ist grundsätzlich zu unterstützen. Insofern ist auch die Errichtung von zentralen Aufsichtsbehörden folgerichtig. Zu begrüßen ist vor allem, dass ursprüngliche Pläne der Kommission, die neue Aufsichtsbehörde EIOPA mit umfassenden Kompetenzen für die Setzung von Standards in der betrieblichen Altersvorsorge (z. B. Sterbetafeln, Rechnungszinssätze) auszustatten, auf Betreiben der BDA hin fallen gelassen wurden. Solche Standards müssen weiterhin auf nationaler Ebene gesetzt werden, weil nur auf diese Weise den nationalen Besonderheiten der betrieblichen Altersvorsorge hinreichend Rechnung getragen werden kann. Ebenfalls positiv ist, dass der Vorschlag des zuständigen EP-Ausschusses für Wirtschaft und Währung, einen eigenen europäischen Garantiefonds für Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge einzuführen, auf Drängen der BDA nicht weiterverfolgt wurde. Ein solcher Garantiefonds wäre zum einen aufgrund der bestehenden deutschen Sicherungsmechanismen überflüssig. Zum anderen hätte die große Gefahr bestanden, dass deutsche Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge für Einrichtungen in anderen Ländern einstehen müssten. Gemildert werden konnte zudem – auch auf Betreiben der BDA – die Gefahr einer doppelten Beaufsichtigung der Einrichtungen der

betrieblichen Altersvorsorge durch die nationale Finanzaufsicht und durch EIOPA. So soll die Aufsicht im operativen Tagesgeschäft stets durch die nationale Aufsicht wahrgenommen werden. EIOPA soll bei EU-Rechtsverletzungen, in Krisenfällen sowie bei Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei nationalen Aufsichtsbehörden „durchgreifen“ können. Hier wird das Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden in der Praxis abzuwarten sein. Die BDA begrüßt, dass für die betriebliche Altersvorsorge eine eigene Interessengruppe bei EIOPA eingerichtet werden soll. Die konkrete Besetzung dieser Gruppe ist allerdings noch offen. Die BDA hat sich bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass in die Gruppe genügend Sachverstand aus den Trägerunternehmen der betrieblichen Altersvorsorge aufgenommen wird sowie weitere Arbeitgeber, die die beaufsichtigten Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge nutzen.

Nationale Finanzaufsicht: Belange der betrieblichen Altersvorsorge stärker berücksichtigen Über die Struktur der Finanzaufsicht wird nicht nur in Europa, sondern auch auf nationaler Ebene diskutiert. So fordert der Koalitionsvertrag, dass die bisherige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) künftig bei der Bundesbank angesiedelt werden soll. Seitdem wird um die konkrete Ausgestaltung der künftigen Aufsicht gerungen. Für die BDA steht bei dieser Debatte weniger die Frage der Kompetenzverteilung im Vordergrund als vielmehr eine stärkere Gewichtung der Belange der betrieblichen Altersvorsorge. Dies sollte auch in der künftigen Bezeichnung der Finanzaufsicht deutlich zum Ausdruck kommen. Aber auch die Aufsichtspraxis sollte Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge weit stärker als eigenständige Art von Einrichtungen begreifen und nicht lediglich als „spezielle“ Lebensversicherungsunternehmen. Aus diesem Grund hat die BDA angeregt, auch in der nationalen Aufsicht – so wie auf europäischer Ebene in EIOPA – eine eigene Interessengruppe für die betriebliche Altersvorsorge als ergänzenden Fachbeirat einzurichten. Die Beteiligten

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der BaFin sowie des Bundesministeriums der Finanzen haben eine Prüfung dieses Anliegens zugesagt.

Finanzierung haben als Krankenkassen mit vielen einkommensstarken Mitgliedern und wenigen beitragsfrei Mitversicherten.

Gesetzliche Krankenversicherung: Finanzierungsreform belastet Arbeitgeber

Eine vollständige Abkopplung der Krankheitskostenfinanzierung von den Arbeitskosten gelingt damit jedoch bei Weitem nicht. Hierfür sind sehr viel weiter gehende Maßnahmen erforderlich. Die BDA tritt weiter dafür ein, die heutige Finanzierung auf eine einkommensunabhängige Gesundheitsprämie umzustellen, den Arbeitgeberanteil in den Bruttolohn auszuzahlen und für einkommensschwache Versicherte einen zielgenauen Sozialausgleich vorzusehen.

Am 17. Dezember 2010 hat der Bundesrat das „Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzierungsgesetz) verabschiedet. Es beinhaltet die Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes zur GKV von 14,9 % auf 15,5 % bei gleichzeitiger Festschreibung des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteils, die Weiterentwicklung des Zusatzbeitrags und die Einführung eines Sozialausgleichs, Regelungen zur Ausgabenbegrenzung bei Ärzten, Krankenhäusern und den Krankenkassen sowie die Rückkehr von der dreijährigen zur einjährigen Wartefrist beim Wechsel in die private Krankenversicherung. Das primäre Ziel des Gesetzes, die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen teilweisen Entkopplung der Krankheits- von den Arbeitskosten, wurde jedoch trotz der Weiterentwicklung des Zusatzbeitrags und der Festschreibung des Arbeitgeberanteils weitgehend nicht erreicht. Die kräftige Beitragssatzanhebung von 14,9 % auf 15,5 % führt im Gegenteil kurzfristig sogar zu einer noch engeren Kopplung. Da auch nur der Teil des Ausgabenwachstums, der über die Grundlohnsummensteigerung hinausgeht, künftig über Zusatzbeiträge finanziert wird, bleibt die lohnbezogene Finanzierung der Krankenversicherung in der Hauptsache dauerhaft bestehen. Die Änderungen beim Zusatzbeitrag sind grundsätzlich sinnvoll und entsprechen den langjährigen Forderungen der BDA: Zum einen garantiert die ausschließlich einkommensunabhängige Erhebung, dass er seine Rolle als Preissignal voll entfalten kann und somit der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen stimuliert wird. Zum anderen wird durch die Weiterentwicklung der bisherigen Überforderungsklausel (maximal 1 % des Einkommens bzw. 8 € pauschal) vermieden, dass Krankenkassen mit vielen einkommensschwachen Mitgliedern und vielen beitragsfrei Mitversicherten schlechtere Möglichkeiten der

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Die für 2011 erwartete Finanzierungslücke in der GKV wird überwiegend mit der Beitragssatzanhebung (6,3 Mrd. €) und damit durch Arbeitgeber und Versicherte geschlossen, nur ein kleiner Teil (3,5 Mrd. €) wird über eine Begrenzung der Ausgabenzuwächse bei den Ärzten, Krankenhäusern und Krankenversicherungen gedeckt. Damit fallen die Einsparbemühungen viel zu bescheiden aus. Bei voraussichtlichen Gesamtausgaben von fast 180 Mrd. € machen sie gerade einmal 2 % aus. Bei geschätzten Effizienzreserven in der GKV von bis zu 10 Mrd. € – was immerhin einem ganzen Beitragssatzpunkt in der GKV entspricht – bleibt der Gesetzgeber weit hinter den Einsparmöglichkeiten zurück. Anstatt mutig über die Ausgabenseite einen entscheidenden und vor allem einen nachhaltigen Beitrag zur Kostenbegrenzung – insbesondere über die Intensivierung des Wettbewerbs auf allen Ebenen – zu leisten, verteuert der Gesetzgeber durch die Anhebung des Arbeitgeberanteils von 7,0 % auf 7,3 % die Arbeitskosten und gefährdet damit die wirtschaftliche Erholung. Das widerspricht der Festlegung im Koalitionsvertrag, die Lohnzusatzkosten stabil zu halten. Zusätzliche bürokratische Belastungen für die Arbeitgeber bringt der Sozialausgleich. Dieser soll Versicherte vor einer finanziellen Überforderung durch Zusatzbeiträge schützen: Übersteigt der durchschnittliche Zusatzbeitrag innerhalb der GKV 2 % des beitragspflichtigen Einkommens des Arbeitnehmers (Rentners), soll der Arbeitgeber (Rentenversicherungsträger) den Versichertenanteil zur GKV um den übersteigenden Betrag reduzieren und an den Versicherten auszahlen.


Krankenversicherungskosten wachsen ungebremst in Mrd. €

190 180

15,1

15,6

170

166,0

7,2

160

4,0 2,5 150,0

150

155,9

157,4

158,0

4,2

140 137,8

1,0

140,1

2,5 140,3

142,2

2004

2005

2006

130 120 110 100 2003

2007

2008

2009

2010 s

2011 s

Beitragseinnahmen der GKV (inklusive Beiträgen aus geringfügiger Beschäftigung) Bundeszuschuss s: geschätzte Zahlen Quellen: Bundesministerium für Gesundheit; Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt; eigene Darstellung der BDA

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Die Abwicklung des Sozialausgleichs über die Arbeitgeber hat erhebliche Mehrbelastungen für die Betriebe bei der Entgeltabrechnung zur Folge: neue monatliche Nachweispflichten über die Höhe des erfolgten Sozialausgleichs, neue Meldepflichten bei Beschäftigten mit weiteren beitragspflichtigen Einnahmen und ein ganz neues Meldeverfahren zwischen Arbeitgebern und Krankenkassen. Einmaliges Entgelt ist in einem gesonderten, komplizierten Verfahren zu berücksichtigen. Aufwendige Rückrechnungen in der Entgeltabrechnung werden weiter zunehmen. Das Haftungsrisiko des Arbeitgebers im ­ komplexen Beitragsrecht steigt abermals. Im Rahmen der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags hat sich die BDA deshalb sehr kritisch zum vorgesehenen Sozialausgleichsverfahren geäußert. Hier sowie bei zahlreichen weiteren Gesprächen hat sich die BDA mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass der Sozialausgleich nicht über die Arbeitgeber erfolgt, sondern über die gesetzlichen Krankenkassen. Sie

sind bisher schon für den Schutz ihrer Versicherten vor Überforderung durch Zusatzbeiträge verantwortlich und entsprechend dem Zuzahlungsbefreiungsverfahren nach § 62 SGB V in der Lage, die gesamte Einkommenssituation ihrer Versicherten zu erfassen. Auf diese Weise kann der Sozial­ ausgleich deutlich zielgenauer und damit gerechter organisiert werden. Einige Verbesserungen für die Arbeitgeber konnte die BDA im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens durchsetzen. Der Sozialausgleich bei sog. unständig Beschäftigten erfolgt ausschließlich durch die Krankenkassen. Und die höchst komplizierte sog. Störfallregelung für Wertguthaben in § 23b Abs. 2 SGB IV ist beim Sozialausgleichsverfahren nicht zu beachten. Sehr zu begrüßen ist die Rücknahme der sog. 3-Jahres-Regelung, für die sich die BDA starkgemacht hat. Damit ist ein Wechsel in die

Handlungsbedarf in der gesetzlichen Krankenversicherung – überfällige Strukturreformen auf der Ausgabenseite angehen Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar 2010 (Auszug) Auf der Ausgabenseite besteht dringender Reformbedarf: Dies zeigt sich bereits daran, dass Deutschland einerseits von allen OECD-Ländern die dritthöchsten öffentlichen Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist, andererseits beim medizinischen Leistungsstand aber nur einen mittleren Platz belegt. In vielen anderen Ländern sind die Menschen gesünder, leben länger, und das bei geringeren Kosten. Diese Diskrepanz offenbart gravierende Ineffizienzen im Leistungsgeschehen. Das BDA-Präsidium fordert, zur Effizienzsteigerung und Ausgabenbegrenzung in der GKV den Wettbewerb auf allen Ebenen zu intensivieren. Vertragsfreiheit ist dafür die zentrale Voraussetzung. Die Krankenkassen und ihre jeweiligen Verbände sollten daher das Recht erhalten, eigenständig mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern zu verhandeln sowie – unter Beachtung kartell- und wettbewerbsrechtlicher Vorschriften – Verträge über Preise, Mengen und Qualitäten abzuschließen. Darüber hinaus muss der Leistungskatalog der GKV auf eine Basissicherung begrenzt werden. Ziel sollte sein, dass grundsätzlich nur noch solche Leistungen finanziert werden, die notwendig, evidenzbasiert und wirtschaftlich sind. Notwendig ist auch der Ausbau der Eigenverantwortung der Versicherten: Mehr Selbstbeteiligung ist insbesondere in den Bereichen sinnvoll, in denen eine steuernde Wirkung auf das Verhalten der Versicherten zu erwarten ist.

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private Krankenversicherung – so wie bis zum Jahr 2007 – wieder nach einmaligem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze möglich. Dadurch wird zum einen die in der vergangenen Legislaturperiode erfolgte Schwächung der privaten Krankenversicherung korrigiert, zum anderen entfallen für die Arbeitgeber die drei Jahre in die Vergangenheit gerichteten, äußerst aufwendigen Betrachtungen zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Gesetzliche Krankenversicherung“

Kostenerstattung: Wettbewerb um die beste Versorgungsform Bereits nach geltendem Recht ist in der GKV die Wahl von Kostenerstattung statt von Sachleistungen möglich. Da von dieser Option aber nur wenig Gebrauch gemacht wird (nur rd. 0,2 % der Versicherten), hat die Bundesregierung im GKVFinanzierungsgesetz das Kostenerstattungsprinzip als Instrument zur Förderung von Transparenz und Kostenbewusstsein gestärkt. Unter anderem sind die Bindungsfristen bei der Wahl von Kostenerstattungstarifen erheblich gekürzt worden. Ob Kostenerstattung zu mehr Kostenbewusstsein führt oder nicht, ist allerdings – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis – nach wie vor umstritten. Zum einen steht dem Vorteil größerer Transparenz und Gestaltungsspielräume für die Versicherten der Nachteil verminderter Steuerbarkeit von Leistungen und zusätzlichen Verwaltungskosten auf der Kassenseite gegenüber. Zum anderen besteht auch im Sachleistungssystem die Möglichkeit, Leistungstransparenz und Kostenbewusstsein zu stärken, z. B. über Patientenquittungen und Zuzahlungsregelungen. Die BDA plädiert deshalb dafür, den Wettbewerb entscheiden zu lassen bzw. es jeder Krankenkasse freizustellen, ob und in welcher Ausgestaltung sie Kostenerstattung oder Sachleistungen anbietet. Gesetzliche Vorgaben zu Verwaltungskostenabschlägen oder Bindungsfristen bei Kostenerstattung sind kontraproduktiv. Sie behindern den Wettbewerb der Krankenkassen um die unter Qualitäts- und Kostenaspekten beste Versorgungsform. Sachgerecht ist einzig das

Verbot einer Quersubventionierung der Kostenerstattung zu Lasten anderer Versichertenkollektive. Ein entsprechendes Positionspapier hat der BDA-Vorstandsausschuss „Soziale Sicherung“ am 27. Oktober 2010 verabschiedet.

Arzneimittelmarktneuordnungs­ gesetz: erster Schritt zu mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb Am 17.  Dezember  2010 hat der Bundesrat das Gesetz zur Arzneimittelmarktneuordnung (AMNOG) verabschiedet. Es sieht neben einer Nutzenbewertung neuer Arzneimittel innerhalb von drei Monaten ab Zulassung (sog. schnelle Nutzenbewertung) und Erstattungspreisverhandlungen zwischen Arzneimittelherstellern und dem GKV-Spitzenverband auch Regelungen zur konsequenten Anwendung von Wettbewerbs- und Kartellrecht auf die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sowie die Verstetigung und Weiterentwicklung von Rabattverträgen und eine Straffung der Regulierungsinstrumente im Arzneimittelbereich vor. Die BDA hat u. a. bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags die schnelle Nutzenbewertung von Arzneimitteln und neuen Wirkstoffen sowie die vorgesehenen Neuregelungen zur Arzneimittelpreisfindung als ersten Schritt hin zu mehr Wirtschaftlichkeit in der GKV grundsätzlich begrüßt. Die schnelle Bewertung des (Zusatz-)Nutzens von neuen Medikamenten gegenüber einer Vergleichstherapie muss einen Beitrag dazu leisten, dass von den Krankenkassen in Zukunft im Arzneimittelbereich nur noch solche Leistungen übernommen werden, deren Nutzen und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen sind. Die Einführung von Vertragsverhandlungen zwischen Arzneimittelherstellern und dem GKV-Spitzenverband über Erstattungsbeträge für Arzneimittel als neues Verfahren zur Arzneimittelpreisfindung für neue und innovative Arzneimittel führt zwar zu mehr Transparenz und einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen beider Verhandlungspartner. Besser wäre es jedoch, wenn die Erstattungspreise im Wege wettbewerblicher Verhandlungen zwischen den Arzneimittelherstellern und den einzelnen Krankenkassen

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zustande kämen. Positiv ist, dass die Neuregelungen im Bereich der GKV auch auf die private Krankenversicherung erstreckt werden und so nun auch hier die Möglichkeit der Kostensteuerung und Kostenbegrenzung verbessert wird. Die mit dem Gesetz ebenfalls erfolgte entsprechende Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf die GKV ist ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen. Wenn Krankenkassen wie Unternehmen Verträge schließen (Selektivverträge), sollten für sie die gleichen wettbewerblichen Regelungen gelten. Denn Wettbewerb braucht einen staatlichen Regelungsrahmen, um sinnvoll funktionieren zu können. Wettbewerbsbeschränkungen, egal ob sie auf Seiten der Anbieter (Leistungserbringer) oder der Nachfrager (Krankenkassen) bestehen, sind schädlich. Die Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf die GKV muss daher gleichermaßen für die Anbieterseite (Leistungserbringer) und die Nachfragerseite (Krankenkassen) gelten. Dabei müssen auf Märkten mit vielen kleinen Anbietern oder Nachfragern (polypolistische Angebots- oder Nachfragestrukturen) Kooperationen, Zusammenschlüsse bzw. Arbeitsgemeinschaften – wie sie heute schon wettbewerbsrechtlich vorgesehen sind – auch künftig möglich sein, damit z. B. Leistungsanbieter mit kleinen Marktanteilen nicht dem Preisdiktat großer Nachfrager unterliegen. Wenn für Krankenkassen im selektivvertraglichen Bereich die gleichen wettbewerblichen Regelungen gelten wie für Unternehmen, so muss im Umkehrschluss aber auch gelten, dass dort, wo die Krankenkassen weiterhin kollektiv tätig werden müssen, das Wettbewerbsrecht ausgeschlossen ist und Kartellrecht keine Anwendung findet. Allerdings reicht es für eine wettbewerbliche Neuordnung der GKV nicht aus, das Wettbewerbs- und Kartellrecht auf die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern anzuwenden. Darüber hinaus sollten die Beziehungen zwischen den Krankenkassen dem Wettbewerbsrecht unterworfen werden. Dies haben die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Einführung von Zusatzbeiträgen deutlich gemacht. Es darf nicht mehr vorkommen, dass sich Krankenkassen bei der Bekanntgabe von Zusatzbeiträgen untereinander absprechen, um die damit verbundenen negativen

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Wettbewerbswirkungen zu mindern. Ebenso wie das Kartellrecht Autofahrer vor Absprachen über Benzinpreise schützt, muss dies auch für gesetzlich Krankenversicherte bei Absprachen über Zusatzbeiträge gelten. Dies zu verhindern hat der Gesetzgeber versäumt. Mindestens ebenso wichtig wie die Ausweitung des Wettbewerbsrechts auf die GKV ist darüber hinaus, wie von der BDA gefordert, die Ausweitung der wettbewerblichen Spielräume der Krankenkassen. Die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sind nach wie vor ganz überwiegend kollektiv und damit nicht einzelvertraglich und damit wettbewerblich geregelt. Das vor allem muss sich ändern. Die Krankenkassen brauchen deutlich größere Spielräume, um die Versorgung ihrer Versicherten bestmöglich zu regeln. Dazu muss z. B. auch das Recht gehören, mit unwirtschaftlich arbeitenden Krankenhäusern keinen Versorgungsvertrag zu schließen oder auf einen gesonderten Hausärztevertrag zu verzichten. Auch diese notwendige Ausweitung der wettbewerblichen Spielräume wurde vom Gesetzgeber bisher versäumt. Erfreulich ist immerhin, dass auf das noch im Referentenentwurf vorgesehene Verbot von Pickup­-Stellen (Bestell- und Abholservice für Arzneimittel, z. B. in Drogeriemärkten) verzichtet wurde. Die BDA hatte sich gegen diese Einschränkung des Arzneimittelvertriebs gewandt. Die für ein solches Verbot vorgebrachten Argumente, dass eine Abgabe von Arzneimitteln über Pickup-Stellen die Arzneimittelsicherheit beeinträchtige und der Eindruck entstehe, dass Arzneimittel wie „gewöhnliche“ Waren in Geschäften frei erhältlich seien, war ebenso wenig überzeugend wie die angeblich gefährdete flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Vielmehr sollte im Interesse einer höheren Wettbewerbsintensität der Apothekenvertrieb liberalisiert werden, so wie es auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mehrfach vorgeschlagen hat. Dies verlangt auch die Abschaffung des wettbewerbsfeindlichen Mehrund Fremdbesitzverbots. Selbst wenn der Europäische Gerichtshof feststellt, dass das Fremdund Mehrbesitzverbot nicht gegen Europarecht verstößt, so ist diese Wettbewerbsbeschränkung keineswegs europarechtlich geboten. Bezahlbare Arzneimittel sind wichtiger als das Festhalten an


überkommenen, zunftähnlichen Vertriebsstrukturen im Arzneimittelbereich. Hier besteht noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Mit dem Gesetz wird schließlich auch die Regulierungsdichte im Arzneimittelbereich verringert, indem die Bonus-Malus-Regelung für Ärzte und die Regelung zur Verordnung besonderer Arzneimittel aufgehoben werden. Diese Straffung ist zwar notwendig, jedoch bei Weitem nicht ausreichend. Eine deutliche weitere Reduzierung der Regulierungsinstrumente im Arzneimittelbereich wäre möglich und nötig, wie wissenschaftliche Studien zeigen. Das vielschichtige Regulierungssystem im GKV-Arzneimittelmarkt umfasst demnach 27 Regulierungsinstrumente, die sich gegenseitig in unerwünschter Weise verstärken bzw. schwächen, überflüssig machen oder ihren angestrebten Effekt ausschließen. Die BDA fordert, dass alle bestehenden Instrumente – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Wirkung auf die neu einzuführende schnelle Nutzenbewertung und die Vertragsverhandlungen zwischen GKVSpitzenverband und Arzneimittelherstellern – auf bestehende Interdependenzen geprüft und auf das notwendige Mindestmaß reduziert werden.

Europäische Sozialrechtskoor­ dinierung: Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bringt nicht nur Vorteile für die Arbeitgeber Nach Verabschiedung der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 im September 2009 ist zum 1.  Mai  2010 die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Kraft getreten. Die Verordnung regelt, welche Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherungssysteme bei einer grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit anzuwenden sind, und ersetzt grundsätzlich die Verordnung (EWR) Nr. 1408/71, die bislang in diesem Bereich maßgeblich war. Ziel der neuen Verordnung ist es, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit klarere und einfachere Vorschriften für den Personenverkehr zu schaffen. Dies ist allerdings nur teilweise gelungen. Zu den positiven Neuerungen gehören insbesondere die Verlängerung des Entsendezeitraums von

12 auf 24 Monate, die Umstellung beim Datenaustausch zwischen den zuständigen Trägern von Papierdokumenten auf elektronische Dokumente sowie die neuen Auskunftspflichten des zuständigen Sozialversicherungsträgers zum anzuwendenden Sozialversicherungsrecht. Jedoch ergeben sich durch die neue Verordnung auch einige Probleme in der Praxis. Diese beziehen sich vor allem auf den Wegfall des vereinfachten Verfahrenswegs bei kurzfristigen Entsendungen sowie den Wegfall der Sonderregelungen für das fliegende und fahrende Personal. Diese Probleme sollten bei der nationalen Umsetzung sowie bei den Beschlussfassungen der EG-Verwaltungskommission berücksichtigt werden. Dafür setzt sich die BDA in Gesprächen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), im Beratenden Ausschuss für die Koordinierung der Sozialversicherungssysteme sowie über ­BUSINESSEUROPE ein. Aktuell werden in diesem Zusammenhang Vorschläge für einfache und praktikable Verfahren für die Behandlung von in mehreren Mitgliedstaaten beschäftigten Personen des internationalen Transportgewerbes (z. B. Einführung einer sog. Home-Base-Regelung) vorangetrieben.

Grenzüberschreitende Patienten­ rechte: EU-Patientenrechte-Richt­ linie ist überflüssig Nachdem es dem Rat Ende 2009 nicht gelungen war, einen gemeinsamen Standpunkt zu verabschieden, war die geplante EU-PatientenrechteRichtlinie vorerst gescheitert. Am 8. Juni 2010 konnten die EU-Gesundheitsminister dann aber doch überraschenderweise eine politische Einigung über einen gemeinsamen Standpunkt erzielen. Diese kam auf Grundlage eines von Spanien Ende April 2010 vorgelegten neuen Kompromisstexts zustande. Bis auf Polen, Rumänien, die Slowakei und Portugal sprachen sich dabei alle Mitgliedstaaten für den Richtlinientext aus. Der gefundene Kompromiss sieht vor allem Änderungen in den Bereichen vor, die bislang von einigen Mitgliedstaaten als eine Gefahr für die finanzielle Tragfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme angesehen wurden. So beinhaltet der Kompromiss z. B. eine Regelung, nach der für die Behandlungskosten der Auslandsrentner, die in ihrer Heimat

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anfallen, der heimische Kostenträger und nicht das aushelfende System aufkommt. Ebenso ist vorgesehen, dass neben einem Vorabgenehmigungssystem (z. B. bei Krankenhausbehandlungen im Ausland) die Mitgliedstaaten die Übernahme der Kosten für eine grenzüberschreitende Behandlung auch ablehnen können, wenn durch die Übernahme ihre jeweiligen Sozialversicherungssysteme finanziell unterminiert bzw. eine ausgewogene Krankenhausversorgung gefährdet würde. Der Richtlinienvorschlag wird derzeit im EP in zweiter Lesung beraten. Wenn die Position des EP stark vom gemeinsamen Standpunkt des Rats abweichen sollte, schließt sich ein Vermittlungsverfahren an. Die BDA hat den Vorschlag als insgesamt überflüssig beurteilt und abgelehnt, da kein Regelungsbedarf besteht. Alle noch offenen Fragen zur Patientenmobilität lassen sich ebenso gut innerhalb des nationalen Rechts bzw. mit Hilfe der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regeln. Auch ist für in Deutschland Versicherte die Kostenerstattungsmöglichkeit bereits weitgehend mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz zum 1. Januar 2004 erfolgt. Zudem erfolgt in Deutschland nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schon heute die Übernahme der bei Auslandsrentnern im Versicherungsstaat anfallenden Behandlungskosten durch den heimischen Träger. Darüber hinaus birgt der Vorschlag die Gefahr, dass die EU ihren Einfluss auf die nationale Gesundheitspolitik ausweitet und damit das Subsidiaritätsprinzip unterlaufen wird. Eine ausführliche Stellungnahme zum Richtlinien­ entwurf hat die BDA in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) erarbeitet und in den Prozess eingespeist.

Pflegeversicherung: Weiter­ entwicklungsgesetz belastet Beitragszahler Nach Berechnungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hat die soziale Pflegeversicherung das Jahr 2009 mit einem Überschuss von 990 Mio. € abgeschlossen. Einnahmen von 21,31 Mrd. € standen Ausgaben von 20,33 Mrd. € gegenüber. Grund für den Einnahmenüberschuss war vor allem die Anhebung des Beitragssatzes

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zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte durch das „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“. Hierdurch flossen den Pflegekassen 2009 rd. 2,6 Mrd. € zusätzlich an Beitragsmitteln zu. Insgesamt stiegen die Beitragseinnahmen 2009 um 7,8 % an. Auch auf der Ausgabenseite spiegeln sich die Maßnahmen des „Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“ deutlich wider. Vor allem die Anhebung der Sachleistungsbeträge bei häuslicher Pflege, die Erhöhung des Pflegegelds, die Steigerung der Pflegeleistungen bei stationärer Pflege (bei Pflege­stufe III und in Härtefällen) sowie die bessere Betreuung von Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz haben bereits 2008 zu einem Ausgabenwachstum von 4,4  % beigetragen, das sich 2009 noch auf 6,2 % gesteigert hat. So ist die Zahl der Personen, die – insbesondere wegen Demenz – zusätzliche Betreuungsleistungen erhalten, von 70.000 (2007) auf 115.000 (2009) gestiegen. Gleichzeitig wurde die Betreuungsleistung von 460 € auf 1.200 € bzw. 2.400 € pro Jahr angehoben. Im stationären Bereich haben inzwischen – so das BMG – 70 % aller Pflegeheime zusätzliche Betreuungskräfte für demenziell erkrankte Heimbewohner eingestellt. Die Rücklagen der sozialen Pflegeversicherung haben sich zum Jahresende 2009 um rd. ein Viertel auf 4,80 Mrd. € bzw. 2,8 Monatsausgaben erhöht. Sie liegen damit in etwa wieder auf dem Niveau des Jahres 2003. Einen nennenswerten weiteren Rücklagenaufbau dürfte es 2010 jedoch nicht geben, da die Leistungssätze der Pflegeversicherung zum 1. Januar 2010 nochmals angehoben worden sind. Bereits ab 2011 werden die Beitragseinnahmen nicht mehr ausreichen, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren. Um den drohenden Beitragssatzsteigerungen entgegenzuwirken – das BMG geht für das Jahr 2020 von einem Beitragssatz von 2,3 % aus –, sollten möglichst bald Reformmaßnahmen ergriffen werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Pflegeversicherung“


Soziale Pflegeversicherung – positives Finanzergebnis nur durch Beitragssatzerhöhung Jahresüberschüsse und ­fehlbeträge

in Mio. €

1.200 990

900 630

600 300 0 –30 –130

–60

–300 –380

–360

–370

2005

2006

–320

–600 –690

–900

–820

–1.200 1999

2000

2001

2002

2003

2004

2007

2008

2009

Quellen: Bundesministerium für Gesundheit und Bundesministerium für Arbeit und Soziales; eigene Darstellung der BDA; ohne Beachtung der einmaligen zusätzlichen Beiträge im Jahr 2006 durch die Vorverlegung der Beitragsfälligkeit (820 Mio. €)

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Grundsätze zur Weiterentwicklung der sozialen Pflegeversicherung Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar 2010 Kein anderer Sozialversicherungszweig wird so sehr durch die demografische Entwicklung getroffen wie die Pflegeversicherung. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um rd. die Hälfte steigen wird. In ihren heutigen Strukturen ist die Pflegeversicherung jedoch in keiner Weise auf diese Entwicklung vorbereitet. Umlageverfahren durch kapitalgedeckte Risikovorsorge ergänzen Zur langfristigen Sicherung der Finanzierbarkeit von Pflegeleistungen ist eine ergänzende kapitalgedeckte Vorsorge unverzichtbar. Eine weiter ausschließliche Finanzierung über das heutige Umlagesystem würde angesichts der absehbaren demografischen Entwicklung zu massiven Beitragssatzsteigerungen in der Pflegeversicherung führen, damit die Arbeitskosten erhöhen und den Erhalt von Arbeitsplätzen erschweren. Außerdem käme es zu gravierenden Umverteilungen zu Lasten der nachfolgenden Generationen. In einem Kapitaldeckungssystem mit Alterungsrückstellungen ist die Demografieanfälligkeit demgegenüber erheblich geringer. Das BDA-Präsidium unterstützt daher die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, das bestehende Umlageverfahren durch eine verpflichtende und individualisierte kapitalgedeckte Vorsorge zu ergänzen. Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich einführen Die einseitig lohnbezogene Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung sollte durch Umstellung auf ein Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich ersetzt werden. Die BDA hat dazu ein umsetzungsfähiges Konzept entwickelt. Das Pflegeprämienmodell führt nicht nur zu einer deutlich beschäftigungsfreundlicheren Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung, es ist darüber hinaus auch weniger demografieanfällig und generationengerechter. Denn der Übergang vom Erwerbsleben in die Rente führt im Pflegeprämienmodell – anders als im bestehenden System mit lohnorientierten Beiträgen – nicht mehr zu Beitragsmindereinnahmen bei den Pflegekassen. Berechnungen haben ergeben, dass die fiskalischen Effekte der demografischen Veränderung durch die Einführung eines Pflegeprämienmodells bereits um ein Drittel verringert werden können. Das BDA-Präsidium fordert, die bisherige Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung mittelfristig auf ein Pflegeprämienmodell mit sozialem Ausgleich umzustellen. Ausgabenentwicklung begrenzen Alle Anstrengungen, die nachhaltige Finanzierbarkeit der sozialen Pflegeversicherung durch Strukturanpassungen auf der Einnahmenseite zu sichern, werden vergeblich sein, wenn nicht gleichzeitig auf der Leistungsseite Begrenzungen vorgenommen werden. Das ist bislang zu kurz gekommen, im Gegenteil wurden mit der letzten Pflegereform die Leistungssätze angehoben und dynamisiert sowie neue Leistungsansprüche geschaffen. Das BDA-Präsidium fordert, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Weiterentwicklung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs aufwandsneutral umzusetzen, die gesetzliche Dynamisierung der Leistungssätze zumindest auszusetzen und endlich auch in der Pflegeversicherung einen Kosten- und Qualitätswettbewerb einzuführen – sowohl zwischen den Pflegekassen als auch zwischen den Leistungsanbietern.

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/ Wissen macht attraktiv

Noch nie war Mitarbeiterbindung so wichtig wie heute. Nutzen Sie deshalb die IPV-Akademie zur Weiterbildung im Bereich der Altersund Gesundheitsvorsorge. Exklusiv für die Verbände von BDA und BDI und deren Unternehmen: Praxisorientierte Weiterbildung im Bereich der Alters- und Gesundheitsvorsorge Für Unternehmer, Führungskräfte und Personalleiter Mit Referenten des IPV und Gastreferenten aus Wirtschaft und Politik Hochwertiger Informationsaustausch Kleine Gruppen

Die nächsten Termine: / 27.01.11

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und Pensionszusage: Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung Gastreferentin: Christine Harder-Buschner vom BMF

/ 24.02.11

Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung (bAV I)

/ 24.03.11

Restrukturierung von Pensionszusagen

/ 31.03.11

Aktuelle Entwicklung in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung

/ 28.04.11

Aufbauseminar betriebliche Altersversorgung (bAV II)

/ 26.05.11

Wertkonten und bAV

/ 30.06.11

Expertenseminar: Im Fokus − Unterstützungskasse Gastreferentin: Christine Harder-Buschner vom BMF

Jetz

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Alle weiteren Termine finden Sie im Internet unter www.ipv.de/Akademie Die Seminare finden statt in der Akademie des Industrie-Pensions-Vereins e.V. in Berlin jeweils von 10:00 bis 16:00 Uhr. Die Teilnahmegebühr beträgt 115,- € inkl. MwSt. für IPV-Mitglieder, 250,- € inkl. MwSt. für Nicht-Mitglieder. Bitte melden Sie sich spätestens 30 Tage vor Seminartermin an. Industrie-Pensions-Verein e.V. Niederwallstraße 10 ∙ 10117 Berlin Telefon 030 206732-0 Fax 030 206732-333 info@ipv.de www.ipv.de


Unfallversicherung: Reform des Leistungsrechts steht weiter aus Die Umsetzung der Organisationsreform der gesetzlichen Unfallversicherung, die 2008 mit dem Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG) beschlossen wurde, steht bezüglich der Fusionen der gewerblichen Berufsgenossenschaften kurz vor dem Abschluss. Nach dem UVMG ist eine Reduktion der Berufsgenossenschaften auf neun Träger als Ziel vorgesehen. Anfang 2010 gab es noch 13 Berufsgenossenschaften, zum 1. Januar 2011 wird das Ziel von neun Berufsgenossenschaften erreicht sein. Bis zu diesem Datum werden die zwei noch ausstehenden Fusionen, zum einen der Zusammenschluss der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten mit der Fleischerei-Berufsgenossenschaft, zum anderen die Fusion der Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft, Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft, Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd und der Holz-Berufsgenossenschaft, erfolgen. Die Reform des Leistungsrechts, die eigentlich schon mit dem UVMG erfolgen sollte, steht jedoch weiter aus. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP ist zwar eine zielgenauere Ausgestaltung des Leistungsrechts vorgesehen, und ursprünglich war auch für Ende März 2010 die Vorlage von Eckpunkten zur Leistungsrechtsreform in Aussicht gestellt worden. Passiert ist bislang jedoch nichts. Wann es zur Vorlage von Reformvorschlägen kommen wird, ist derzeit unklar. Die BDA wird weiter auf eine Reform des Leistungsrechts dringen. Denn nur durch eine Reform des Leistungsrechts kann die seit langem überfällige Beitragsentlastung der Unternehmen – die vor dem Hintergrund der steigenden Beitragslast in der Kranken- und Arbeitslosenversicherung umso notwendiger wird – erreicht werden. Angesichts der erfreulicherweise immer weiter sinkenden Unfallzahlen ist es immer weniger nachvollziehbar, warum diese Präventionserfolge der Betriebe sich nicht endlich in deutlich geringeren Unfallversicherungsbeiträgen niederschlagen.

Neue Arbeitsstättenregeln: Mehraufwendungen für Betriebe minimieren Im Arbeitsstättenausschuss (ASTA), einer Einrichtung im Geschäftsbereich des BMAS, und seinen Gremien wurde im Jahr 2010 intensiv über die Frage diskutiert, inwieweit für Betriebe und ihre Arbeitsstätten Bestandsschutz besteht, wenn die bisherigen Arbeitsstättenrichtlinien durch neue Arbeitsstättenregeln (ASR) ersetzt werden und diese höhere Anforderungen festschreiben, als dies bisher der Fall war. Die Arbeitsgruppen des ASTA waren bislang bei der Erarbeitung von ASR davon ausgegangen, dass die neuen Anforderungen nur für „Neubauten“ gelten. Das BMAS hat dem widersprochen und erklärt, dass es keinen Bestandsschutz für Arbeitsstätten über die Regelungen in § 8 ArbStättV hinaus gebe. Die BDA hat gegenüber dem BMAS nachdrücklich deutlich gemacht, dass die Frage des Bestandsschutzes enorme wirtschaftliche Bedeutung hat und höhere Anforderungen in ASR (z. B. bei Fluchtwegen) sehr teure Umbaumaßnahmen in den Betrieben zur Folge haben können. Das BMAS hat daraufhin ein Papier zum Thema „Bestandsschutz“ erarbeitet, welches im September 2010 vom ASTA verabschiedet wurde. Darin wird zwar festgestellt, dass es keinen Bestandsschutz für bestehende Arbeitsstätten gibt. Es wird jedoch zugleich deutlich gemacht, dass höhere Anforderungen in ASR nur dann festgelegt werden dürfen, wenn diese mit dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstigen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten begründet werden können. Sofern so angepasste Bestimmungen in bestehenden Arbeitsstätten umfangreiche Änderungen oder unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Folge haben, sollen in den betreffenden ASR alternative Gestaltungslösungen beschrieben werden, die es den Arbeitgebern ermöglichen, ein vergleichbares Niveau von Sicherheit und Gesundheitsschutz zu erreichen. Die BDA wird sich weiter dafür einsetzen, dass im ASTA Regeln erarbeitet werden, die für die Betriebe praktikabel und handhabbar sind

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Risiko eines Arbeitsunfalls so gering wie noch nie Meldepflichtige Arbeitsunfälle je 1.000 Vollarbeiter

150 132,7

120 102,5

90

76,4

60

52,1 37,1

30

27,3

25,0

2005

2009

0 1960

1970

1980

1990

2000

Quelle: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV); eigene Darstellung der BDA

Die Arbeitssicherheit in der gewerblichen Wirtschaft hat sich weiter verbessert. Im letzten Jahr war das Risiko, einen Arbeitsunfall zu erleiden, so gering wie noch nie in der 125-jährigen Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung. 2009 lag die sog. Arbeitsunfallquote bei 25 Fällen je 1.000 Vollarbeiter. Vor 20 Jahren war die Unfallquote mit einem Wert von knapp 52 noch mehr als doppelt so hoch wie heute. Auch die absolute Zahl der Arbeitsunfälle sank 2009 erneut deutlich, und zwar um 9,6 % auf 782.736.

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und keine überzogenen Anforderungen an das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten stellen. Vor diesem Hintergrund müssen alle bereits beschlossenen oder noch in der Erarbeitung befindlichen ASR genau darauf hin geprüft werden, ob sie mit den beschriebenen Grundsätzen des „Bestandsschutzpapiers“ übereinstimmen.

Künstliche optische Strahlung: Sonnenstrahlung aus der Verordnung verbannt Die Verordnung zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung ist im Juli 2010 in Kraft getreten. Sie behandelt tatsächliche und mögliche gesundheitliche Gefährdungen insbesondere der Augen und der Haut von Beschäftigten im Umgang mit künstlicher optischer Strahlung bei der Arbeit. In dem rechtskräftigen Text ist, wie von der BDA gefordert, kein Hinweis auf den Arbeitsschutz vor Sonneneinwirkung mehr enthalten. Die in dem Referentenentwurf enthaltene Ausweitung auf den Arbeitsschutz vor Sonneneinwirkung hätte ein nationales Aufsatteln auf die europäischen Vorgaben bedeutet. Auf Wunsch des Bundesrats sind in die Verordnung zusätzlich Regelungen für den Einsatz eines fachkundigen Laserschutzbeauftragten analog einer bestehenden Unfallverhütungsvorschrift aufgenommen worden. Die BDA konnte eine Präzisierung der Regelungen zum Einsatz der Laserschutzbeauftragten durchsetzen und den Einsatz der speziell qualifizierten Fachkundigen ausschließlich auf die Verwendung von Lasern beschränken. Bei der praktischen Umsetzung der neuen Regelungen zum Arbeitnehmerschutz beim Einsatz künstlicher optischer Strahlen gilt es, aufwendige Messungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen zu vermeiden. Auch in der Verordnung selbst heißt es daher, dass der Messaufwand für eine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung bei Anwendung künstlicher optischer Strahlung in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden solle, indem Informationen des Herstellers der verwendeten Arbeitsmittel oder aus anderen ohne weiteres zugänglichen Quellen verwendet werden.

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Die BDA wird sich durch direkte Beteiligung im Ausschuss für Betriebssicherheit dafür einsetzen, dass die für die Unternehmen erforderlichen Informationen auch tatsächlich verfügbar sind bzw. erstellt werden.

Psychische Gesundheit: Unternehmen aktiv Übereinstimmend melden die Krankenkassen in ihren Statistiken zur Arbeitsunfähigkeit einen überproportional steilen Anstieg in der Diagnose­ gruppe „psychischer Störungen“. Eine trennscharfe Analyse, wodurch dieser Anstieg bedingt ist, ist jedoch ebenso wenig möglich wie die Ursachenerforschung behandlungsrelevanter psychischer Störungen selbst. Allgemein anerkannt ist die Tatsache, dass psychische Störungen das Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens sind. Neben Einflüssen aus dem Arbeitsalltag spielen personenbezogene Einflüsse wie auch genetische/konstitutionelle Faktoren und das Privatleben eine Rolle. Das Engagement der Betriebe zur Stärkung der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaften reicht deshalb oft weit über die Arbeitssphäre hinaus. Allerdings sind der Beeinflussbarkeit psychischer Störungen durch unternehmerisches Handeln aufgrund der multifaktoriellen Hintergründe letztlich Grenzen gesetzt. Erfolgversprechende Ansätze bei Unternehmen trennen bei den Maßnahmen klar zwischen der psychischen Belastung aus Arbeitsinhalten (generelles Vorgehen) und der Pflege der psychischen Gesundheit im Betrieb (individuelle Ansprache). Dabei können gerade auch bei der individuellen Ansprache Unternehmen mit anderen Stellen, wie z. B. dem werksärztlichen Dienst und/oder speziellen Beratungsdiensten (z.  B. Schuldnerberatung, Suchtberatung), zusammenarbeiten. Einerseits sollte auffälligem Verhalten über sensible Führungsarbeit möglichst frühzeitig nachgegangen werden und andererseits sollten Strukturen für Hilfestellungen zur Verfügung gestellt werden, die Mitarbeitern als Anlaufstellen in Krisenfällen bekannt sind. Grundsätzlich gilt, dass Mitarbeitern in Krisen möglichst frühzeitig und kompetent in ihrem eigenen, aber auch im Interesse der Unternehmen geholfen wird.


Modelle eines koordinierten Vorgehens mit Krankenkassen haben sich bereits in verschiedenen Unternehmen bewährt. Neben der Bildung eigener innerbetrieblicher Strukturen und damit verzahnter Netzwerke wie psychotherapeutischer Einrichtungen bedienen sich Unternehmen vermehrt externer Anbieter für umfassende Mitarbeiter- und Organisationsberatung. Die BDA tritt im Rahmen ihres Engagements in der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz für eine sachliche Behandlung des Themas „Psyche“ im betrieblichen Kontext ein. Dabei ist der falschen Herleitung, dass psychische Belastung aus der Arbeitsaufgabe zur psychischen Störung der Mitarbeiter führt, entgegenzutreten. Ferner informiert die BDA über erfolgreiche Firmenbeispiele und fördert den Erfahrungsaustausch der Unternehmen, z. B. als Mitveranstalter des Kongresses „Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz – was können Unternehmen tun?“, der am 22. November 2010 stattgefunden hat. Inhaltlich wird das Thema kompetent in BDA-Gremien wie dem Arbeitskreis „Psychische Belastung“ und dem Ausschuss „Arbeitssicherheit“ bearbeitet. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Erfolgsfaktor Psychische Gesundheit“

Beitragseinzug: Verfahren muss vereinfacht werden Auf Initiative der BDA wird derzeit die Ausgestaltung der sog. Weiterleitungsstellen, die den Beitragseinzug zur Sozialversicherung für die Arbeitgeber erleichtern sollen, überarbeitet. Die bislang vorgesehene gesetzliche Konzeption greift deutlich zu kurz, insbesondere weil danach die Weiterleitungsstellen nicht alle Aufgaben einer Einzugsstelle übernehmen, sondern lediglich Beiträge und Meldungen gesammelt entgegennehmen und dann an die weiterhin zuständig bleibenden ca. 160  Einzugsstellen/Krankenkassen weiterleiten. Damit ist jedoch wenig gewonnen. Die Arbeitgeber müssten auch weiterhin Krankenkassenbeiträge nach Krankenkassenzugehörigkeit getrennt kalkulieren und ausweisen und sich mit einer Vielzahl von Krankenkassen in allen Fragen des Mitgliedschafts-, Melde- und Beitragsrechts auseinandersetzen.

Deshalb sollten den Weiterleitungsstellen alle Aufgaben einer Einzugsstelle übertragen werden. Dann könnten die Arbeitgeber bei einer Stelle das gesamte Beitragseinzugsverfahren für alle ihre Beschäftigten durchführen. Um dies zu erreichen, sollte der Gesetzgeber den Krankenkassen die Möglichkeit geben, die Aufgabe einer Weiterleitungsstelle zu übernehmen und alleinige Einzugsstelle für einen Arbeitgeber zu werden, wenn der Arbeitgeber dies beantragt. Hierdurch würden die Arbeitgeber erheblich von bürokratischem Aufwand beim Beitragseinzug entlastet. Zudem würde der Wettbewerb um eine kostengünstige Administration des Beitragseinzugsverfahrens gefördert und würden Effizienzgewinne beim Beitragseinzug erreicht. Auf Ressortebene zeichnet sich derzeit ab, dass – entsprechend dem BDA-Vorschlag – die Arbeitgeber ab 2012 optional eine Krankenkasse als allein zuständige Beitragseinzugsstelle wählen können. Die Arbeitgeber, die von der Option Gebrauch machen, müssen dann auch nur noch einen monatlichen Beitragsnachweis ausstellen.

Umlageverfahren U1: verpflichtende Teilnahme beenden Die BDA setzt sich dafür ein, die bisher verpflichtende Teilnahme am U1-Verfahren freiwillig zu machen. Beim U1-Verfahren wird dem Arbeitgeber das nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers fortgezahlte Arbeitsentgelt von den Krankenkassen erstattet. Finanziert wird das U1-Verfahren durch eine Arbeitgeberumlage. Den verpflichtend einbezogenen Kleinbetrieben (Arbeitgeber mit bis zu 30 Arbeitnehmern) entstehen nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) durch die Administration des U1-Verfahrens jährliche Verwaltungskosten von 566 Mio. €. Hinzu kommen die von den Arbeitgebern über die U1-Umlage zu finanzierenden Verwaltungskosten der Krankenkassen von 130 Mio. € im Jahr. Der einzelne Arbeitgeber muss das U1-Verfahren mit jeder Krankenkasse durchführen, bei der einer seiner Beschäftigten versichert ist. Dementsprechend sind – je nach Satzung der Krankenkasse – jeweils unterschiedliche Erstattungssätze (derzeit über 200) und damit auch unterschiedliche

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Umlage­sätze zugrunde zu legen und vom Arbeitgeber zu berücksichtigen. Für ein obligatorisches Ausgleichsverfahren von Entgeltfortzahlungskosten besteht aber gar keine Notwendigkeit. Über den bürokratischen Aufwand hinaus bewirkt es, dass Betriebe mit niedrigem Krankenstand (z. B. aufgrund betrieblicher Gesundheitsförderung) ohne Grund für Betriebe mit hohem Krankenstand finanziell eintreten müssen. Die über das U1-Verfahren hergestellte kollektive Finanzierung von Entgeltfortzahlungskosten setzt damit auch negative Anreize zur Fehlzeitenreduzierung, zur betrieblichen Gesundheitsförderung und zur Prävention. Das obligatorische U1-Verfahren muss deshalb beendet werden. Soweit Kleinbetriebe dennoch an einem solchen Ausgleichsverfahren teilnehmen wollen, kann dies auf freiwilliger

Grundlage geschehen. Sollte trotz der genannten Bedenken weiter an einer obligatorischen Teilnahme festgehalten werden, gilt es, zumindest den bürokratischen Aufwand des Verfahrens zu minimieren: Das U1-Verfahren sollte bei einer Stelle durchgeführt werden können. Der Arbeitgeber hätte dann einen einzigen Ansprechpartner und für alle seine Beschäftigten einheitliche Beitragsbzw. Erstattungssätze und insbesondere einheitliche Erstattungsregeln. Dadurch könnte die Bürokratiebelastung der Arbeitgeber deutlich reduziert werden. Die BDA ist derzeit in Gesprächen mit der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen, um eine baldige Freiwilligkeit des U1-Verfahrens zu erreichen. Verabredet ist bereits, dass mindestens die von der BDA vorgeschlagenen Verfahrensvereinfachungen umgesetzt werden sollen.

ELENA-Verfahren: Datensatz verschlanken und weitere Papierbescheini­ gungen einbeziehen Die Grundidee des ELENA-Verfahrens ist zweifellos gut. Der Arbeitgeber meldet einmal im Monat einen schlanken Entgeltdatensatz, statt viele unterschiedliche Papierbescheinigungen für seine Arbeitnehmer ausfüllen zu müssen. In der Praxis stellt sich die Lage allerdings noch anders dar. Zunächst sollen nur drei Papierbescheinigungen durch ELENA ersetzt werden, die meisten Bescheinigungspflichten bestehen in Papierform fort. Hinzu kommt, dass es der Gesetzgeber trotz zahlreicher Aufforderungen versäumt hat, die Leistungsberechnung für die betroffenen Sozialleistungen zu vereinfachen. Deshalb ist der vom Arbeitgeber zu meldende ELENA-Datensatz nicht so schlank, wie er sein könnte und müsste. Daher müssen jetzt schnellstmöglich weitere und im Ergebnis alle Papierbescheinigungspflichten der Arbeitgeber wegfallen und zukünftig mit ELENA abgewickelt werden, so wie es richtigerweise im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Zudem müssen die in den Leistungsgesetzen festgeschriebenen jeweils höchst unterschiedlichen Datenanforderungen für die Bewilligung von staatlichen Sozialleistungen endlich harmonisiert werden.

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ELENA-Verfahren: Normenkont­ rollrat unterstützt Optimierungs­ vorschläge der BDA – Koalition plant Startverschiebung auf ­Kosten der Unternehmen Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat am 13. September 2010 ein umfangreiches Gutachten zu den Auswirkungen des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens (ELENA-Verfahren) hinsichtlich der Be- und Entlastungen für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung vorgelegt. Das Gutachten bestätigt, dass das Verhältnis von Aufwand und Entlastung für die Arbeitgeber leider bislang nicht befriedigend ist – weder für kleine noch für große Betriebe. Zu Recht drängt der NKR deshalb darauf, weitere Papierbescheinigungen in das ­ ELENA-Verfahren einzubeziehen sowie die zugrunde liegenden rechtlichen Regelungen zu vereinheitlichen und damit den ELENA-Datensatz deutlich zu verkleinern. Er stellt sich damit voll und ganz hinter die Forderungen der BDA. Am 18. November 2010 haben die Koalitionsspitzen beschlossen, dass der verpflichtende Datenabruf im ELENA-Verfahren von 2012 auf 2014 verschoben werden soll. Die BDA hatte sich u. a. gegenüber dem Bundeskanzleramt, das den Koalitionsausschuss vorbereitet hatte, mit allem Nachdruck gegen eine Verschiebung des Datenabrufs ausgesprochen. Der jetzige Beschluss sorgt für neue zusätzliche Bürokratie für die Betriebe, die bis zu zwei Jahre länger die gleichen Daten parallel sowohl elektronisch melden als auch auf Papierformularen bescheinigen müssen. Statt die Betriebe schnellstmöglich durch ELENA von Bürokratie zu entlasten, werden sie jetzt zusätzlich durch Doppelmeldungen belastet. Deshalb gilt es jetzt umso mehr, dass endlich weitere Papierbescheinigungen wegfallen bzw. mit dem ELENA-Verfahren abgewickelt werden und eine Entlastung der Betriebe auch tatsächlich erreicht wird. Die BDA setzt sich des Weiteren dafür ein, dass die beteiligten Behörden von der Option eines früheren Datenabrufs Gebrauch machen und diesen so früh wie möglich starten. Das gilt insbesondere für die Bundesagentur für Arbeit, die nach derzeitigem Stand ab 2012 zum

Datenabruf in der Lage sein wird. Die bisher von den Arbeitgebern gemeldeten Daten würden dann wie vorgesehen Verwendung finden.

Arbeitgebermeldewesen: bessere Koordinierung dringend geboten Bislang fehlt es im Arbeitgebermeldewesen an einer konsistenten IT-Strategie der öffentlichen Hand. Die notwendige Koordinierung der bestehenden Aktivitäten findet nicht statt, ein übergreifendes, abgestimmtes Konzept ist nicht erkennbar. Stattdessen gibt es heute mehrere parallele Verfahren, z. B. das DEÜV-Meldeverfahren, mit dem die Arbeitgeber mit der Sozialversicherung kommunizieren, das neue ELENA-Verfahren oder das ElsterLohn-Verfahren im Bereich der Finanzverwaltung. Zudem existieren elektronische Datenaustauschverfahren etwa für das Krankengeld und die Umlageverfahren U1/U2 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG). Es ist dringend geboten, die zahlreichen Verfahren stärker zusammenzuführen und für die Zukunft ein gebündeltes, multifunktionales (Melde-)Verfahren zu etablieren. Die zu meldenden Daten müssen dabei auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Dies verlangt, dass die für den Bezug von (Sozial-)Leistungen maßgeblichen Voraussetzungen aufeinander abgestimmt werden (Harmonisierung der Berechnungsgrundlagen). Hierdurch reduziert sich der Bürokratie- und Kostenaufwand sowohl auf Seiten der Arbeitgeber als auch bei den Empfängern der Meldungen. Ein gebündeltes Verfahren kann zudem datenschutzrechtliche Belange besser erfüllen. Die BDA hat hierzu einen Dialog mit dem NKR und den fachlich zuständigen Bundesministerien begonnen. Die Bundesregierung, die derzeit an einer „Strategie zur digitalen Zukunft Deutschlands“ arbeitet, hat die Berücksichtigung der BDA-Vorschläge und die Einbindung der BDA in das weitere Verfahren zugesagt.

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Wichtige Weichenstellungen für ein zukunftsfähiges Arbeitsrecht Im zu Ende gehenden Jahr hat kein anderes Thema die Diskussion über das Arbeits- und Tarifrecht so beherrscht wie die Tarifeinheit. Im Sommer und Herbst fanden in dichter Folge Symposien, Diskussionsrunden und Vortragsveranstaltungen statt. Unabhängig davon, ob Gegner oder Befürworter der Tarifeinheit, vertritt die überwältigende Zahl der Beiträge die weitgehend unbestrittene Auffassung, der Gesetzgeber müsse handeln. Dem Grunde nach sind sich (fast) alle einig, dass die Zersplitterung des Tarifvertragssystems eine Gefahr für die Tarifordnung in Deutschland als solche darstellt. Ständige Arbeitskämpfe oder die Gefahr ständiger Arbeitskämpfe, wie sie z. B. im Vereinigten Königreich in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Niedergang der britischen Industrie und vor allem zur Zerstörung der englischen Tarifautonomie beigetragen haben, werden als Bedrohung des sozialen Friedens erkannt. So klar der Befund ist, so unterschiedlich ist die Bereitschaft, hieraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Zur Sicherung der Tarifautonomie ist eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit unverzichtbar. BDA und DGB haben hierzu bereits im Juni Eckpunkte vorgeschlagen. Diese müssen noch im Jahr 2010 aufgegriffen werden und in einen Gesetzentwurf münden. Die in der letzten Legislaturperiode in das Bundesdatenschutzgesetz eingefügte Regelung zum Arbeitnehmerdatenschutz muss weiterentwickelt, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit müssen gewahrt oder, wo sie durch die Neuregelung verloren gegangen sind, neu begründet werden. Die Bundesregierung hat hierzu einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt, der die Voraussetzungen eines modernen Datenschutzrechts im Beschäftigungsverhältnis noch nicht erfüllt. Der Entwurf strotzt vor neuer Unsicherheit und neuen unbestimmten Rechtsbegriffen, er beseitigt weitgehend wichtige Regelungsmechanismen, wie die Einwilligung des Arbeitnehmers oder die Betriebsvereinbarung, und ist geeignet, die Bekämpfung von Vertrags- und Gesetzesverstößen in den Unternehmen zu behindern. Diese Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung ist ein wesentliches Anliegen im Sinne der Arbeitnehmer

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und der Arbeitgeber. Sie muss gewährleistet bleiben. Datenschutz steht nicht im Widerspruch zur Einhaltung unternehmensinterner Regeln (Compliance), er setzt diese vielmehr voraus, weil auch der Datenschutz Teil der unternehmensinternen Regelbefolgung ist. Daher muss Datenschutz seinen Beitrag leisten, die Einhaltung von Vertragspflichten und Gesetzen zu unterstützen. Gefährlich, überflüssig und bürokratisch ist der Vorschlag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ein Gesetz zur Familienpflegezeit zu schaffen. Es gibt bereits eine umfassende Zahl von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, die entsprechende Materien interessengerecht regeln. Darüber hinaus gibt es mit dem Pflegezeit- und dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) weitere Ansprüche auf Arbeitszeitreduzierung. Langzeitkonten (Wertguthaben) können Pflegewünsche erleichtern helfen. Warum dann in einem eigenen Gesetz neben dem Pflegezeitgesetz ein weiterer Pflegezeitanspruch geschaffen werden soll, erschließt sich nicht. Dies gilt besonders auch für die Ausdehnung von Sonderkündigungsschutz und Kündigungsschutz. Beschäftigungsformen, die sich neben dem teilweise als „Normalarbeitsverhältnis“ apostro­ phierten unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis etabliert haben, haben einen wesentlichen Anteil daran, dass Beschäftigung gesichert und neue Beschäftigung geschaffen wird. Gerade die Krise und die Krisenbewältigung haben dies für zwei klassische Formen solcher Beschäftigungsverhältnisse gezeigt, nämlich Befristung und Zeitarbeit. Befristete Arbeitsverhältnisse sind neben der Zeitarbeit ein Motor für neue Beschäftigung. Ihre Weiterentwicklung ist sinnvoll und längst geboten. Zu Recht verspricht der Koalitionsvertrag daher Beschäftigungssuchenden und Arbeitslosen die Aufhebung des völlig widersinnigen Beschäftigungsverbots in Form des Ersteinstellungsgebots. Dies ist überfällig und wird von der BDA schon lange gefordert. Es ist höchst bedauerlich, dass sich bis heute keine Schritte abzeichnen, dem Versprechen des Koalitionsvertrags Taten folgen zu lassen. Dabei bleibt der Koalitionsvertrag noch weit hinter dem zurück, was die europäische Befristungsrichtlinie ermöglicht. Die Abschaffung des Ersteinstellungserfordernisses und seine Ersetzung durch ein


Neueinstellungserfordernis mit einer Karenzzeit von zwölf Monaten wären ein richtiger Schritt. Ein solcher macht zwar grundlegende Reformen im Individualarbeitsrecht generell nicht überflüssig, insbesondere das Beschäftigungshemmnis Kündigungsschutz muss angegangen werden, er zeigt aber, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland überhaupt noch reformfähig und -willig ist. Das Fehlen dieser Reformfähigkeit hat in erschreckender Weise den diesjährigen Deutschen Juristentag in der Abteilung Arbeitsrecht geprägt. In wilder Entschlossenheit haben 200  Gewerkschaftssekretäre jede Reform des Arbeitsmarkts zu Gunsten von Beschäftigungsaufbau und Beschäftigungssicherung niedergestimmt. Im Bereich Zeitarbeit wurden sogar die eigenen Zeitarbeitstarifverträge „weggestimmt“. Diese Instrumentalisierung des Juristentags birgt große Gefahren für die wichtigste juristische Großveranstaltung innerhalb der Bundesrepublik. Zu keinem anderen Zeitpunkt trifft sich die gleiche Zahl hochkarätiger Wissenschaftler, Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Gewerkschaftsund Verbandsjuristen wie auf diesen alle zwei Jahre stattfindenden Treffen. Der offene Diskurs und das Ringen um die richtige Lösung müssen in allen Abteilungen gewahrt bleiben. Wer den Juristentag zum Spielball einer Interessengruppe macht, gefährdet seine Akzeptanz. Die Bereitschaft, nicht nur mit Mitgliedsbeiträgen die Organisation zu stützen, sondern darüber hinaus durch Engagement und eigene Beiträge den Treffen zum Erfolg zu verhelfen, kann empfindlichen Schaden erleiden. Die Ständige Deputation und der Abteilungsvorstand sind aufgefordert, denen durch gezielte Maßnahmen entgegenzuwirken, die den Ruf des Juristentags bleibend schädigen können. Die Bereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitgeberverbänden, sich auf dem Juristentag zu engagieren, rührt von der Kenntnis her, dass Recht einem Staatswesen Struktur und Akzeptanz verschafft. Dies gilt nicht allein für das Arbeitsrecht und seine befriedende Wirkung auf Arbeitsbeziehungen, es gilt für die Rechtsordnung insgesamt. Auf europäischer Ebene erwächst dabei mit der EU-Kommission und vor allem mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein weiterer für Deutschland bedeutender, ja

immer wichtiger werdender Mitspieler. Der EuGH etabliert sich faktisch zwischen Fachobergericht und Verfassungsgericht für die 27 Staaten der Europäischen Union. Wie alle Institutionen entwickelt der EuGH die Tendenz immer weiter, seine Kompetenzen tief in das nationale Recht hineinwirken zu lassen. Ein Beispiel des Jahres 2010 ist die sog. Kücükdeveci-Entscheidung, die dem Grunde nach das Ermessen der Richter in Luxemburg an die Stelle des Ermessens des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung europäischer Richtlinien setzt. Diese Entscheidung wirft verschiedenste verfassungsrechtliche Fragen auf. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Lissabon-Entscheidung Grenzen für die rechtsprechende und rechtsetzende europäische Gewalt definiert, deren Einhaltung bedarf aber der Kontrolle. Diese Kontrolle kann das BVerfG nicht in jedem Einzelfall allein leisten, sie obliegt vielmehr in erster Linie Parlament und Regierung. Beide sind aufgefordert, Regelungsmechanismen zu entwickeln und auf europäischer Ebene durchzusetzen, die Rechtssicherheit und Rechtsvertrauen in der Bundesrepublik Deutschland stärken. Ein Beitrag, zwar nicht auf Ebene des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung, wohl aber auf wissenschaftlichem Gebiet für mehr Rechtsklarheit zu sorgen, ist die Zeitschrift für Arbeitsrecht (ZfA), deren Redaktion in der bewährten Hand der BDA liegt. Sie gehört zu den großen bedeutenden, den Hintergrund beleuchtenden Zeitschriften des Rechts in Deutschland, vergleichbar dem „Archiv für die Civilistische Praxis“ oder der Zeitschrift „Der Staat“. Unsere ZfA ist in diesem Jahr 40 Jahre alt geworden. Die BDA wird auch weiter ihren Beitrag dazu leisten, der Stimme des Arbeitsrechts unbeeinflusst Gehör zu verschaffen. Dies ist, wie die Entwicklung in Rechtsprechung und Gesetzgebung zeigt, nie dringlicher gewesen als heute.

Tarifeinheit gesetzlich regeln – Tarifautonomie sichern Am 7. Juli hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit seinem Endurteil den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben. Schon der Beschluss des Senats vom 27. Januar, den Zehnten Senat hierzu anzufragen, sowie die Zustimmung des

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Zehnten Senats vom 23. Juni 2010 ließen diese Entscheidung erwarten. Dies kann zu einer Zersplitterung des Tarifvertragssystems, einer Spaltung der Belegschaften und einer Vervielfachung kollektiver Konflikte führen. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit damit rechnen müssen, Arbeitskämpfen einzelner Spartenorganisationen ausgesetzt zu sein, drohen englische Verhältnisse. Ständige Arbeitskämpfe unterschiedlicher Gruppen haben im Vereinigten Königreich in den 1970er Jahren die Tarifautonomie weitgehend zerstört und zur Deindustrialisierung des Landes beigetragen. Das deutsche System der Flächen- und Branchentarifverträge ist auf die Tarifeinheit angewiesen. Ohne die Tarifeinheit ist der Flächentarifvertrag, den die Sozialpartner in den letzten Jahren nachhaltig modernisiert und insbesondere durch Öffnungsklauseln attraktiver gestaltet haben, im Kern gefährdet. Die Tarifautonomie als Ausdruck der Koalitionsfreiheit hat sich in Deutschland bewährt: Auf Grundlage einer gewachsenen Vertrauenspartnerschaft zwischen den Sozialpartnern prägen Tarifverträge die Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet, dass sich die Koalitionen im Wirtschaftsleben betätigen und Einfluss nehmen. Der Befriedungseffekt auf das Arbeits- und Wirtschaftsleben sowie die Planungssicherheit, die von Tarifverträgen ausgehen, sind dabei unverzichtbar. Die Tarifeinheit ist eine Säule der Tarifautonomie, weil sie der Zersplitterung des Tarifvertragssystems wirksam entgegenwirken kann. Der Gesetzgeber muss die Tarifeinheit im bestehenden Tarifvertragsgesetz gesetzlich regeln. In seinem Urteil betont das BAG, dass eine gesetzliche Grundlage für den Grundsatz der Tarifeinheit nicht bestehe. Die Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit obliege dem Gesetzgeber. Bereits Anfang Juni haben BDA und DGB daher einen gemeinsamen Vorschlag vorgestellt, die Tarifeinheit gesetzlich zu regeln, um die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern. Mit der Verständigung über diese Eckpunkte ist ein fast dreijähriger Erörterungsprozess mit dem DGB zu einem Abschluss gelangt.

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Der gemeinsame Vorschlag sieht folgende zentralen Elemente vor:

Bei sich überschneidenden, konkurrierenden Tarifverträgen hat derjenige Vorrang, an den die meisten Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden sind. Schon bisher ist das Repräsentativitätsprinzip dort angewendet worden, wo gleich spezielle Tarifverträge aufeinandergestoßen sind (z. B. im Verhältnis von Flächen- zu Flächentarifvertrag oder von Haus- zu Haustarifvertrag).

Ein weiteres zentrales Element ist die Friedenspflicht. Diese wird im Tarifvertragsgesetz bestätigt. Während der Laufzeit eines Tarifvertrags, der für den Betrieb und die in ihm beschäftigten Arbeitnehmer maßgeblich ist, gilt die Friedenspflicht für alle Tarifverträge. Nach Ablauf der Friedenspflicht des repräsentativen Tarifvertrags kann jede Gewerkschaft ihre Ziele geltend machen und ggf. um diese Ziele auch einen Arbeitskampf führen.

Wie bisher bedeutet die von BDA und DGB vorgeschlagene gesetzliche Regelung kein Monopol für bestimmte Tarifvertragsparteien. Sie schafft vielmehr Rechtsklarheit für den Fall einer Kollision unterschiedlicher Tarifverträge. Tarifeinheit hat nie bedeutet und wird auch zukünftig nicht bedeuten, dass Monopole für Tarifverhandlungen geschaffen werden. Es wird auch in Zukunft unterschiedliche Gewerkschaften geben und es wird auch Konkurrenz und Wettbewerb zwischen Gewerkschaften geben. Es soll lediglich sichergestellt sein, dass entsprechend dem bisherigen Grundsatz der Tarifeinheit Klarheit darüber besteht, welcher Tarifvertrag angewandt wird, und dass während der Laufzeit des vorrangigen Tarifvertrags Friedenspflicht besteht. Der Regelungsvorschlag zur Tarifeinheit steht einer vereinbarten Tarifpluralität nicht entgegen. Wenn Tarifverträge, die im selben Betrieb gelten, sich nicht in ihrem Anwendungsbereich überschneiden, können beide Tarifverträge im Betrieb angewendet werden. Es bleibt völlig unberührt, dass einvernehmlich mit unterschiedlichen Gewerkschaften für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen Tarifverträge vereinbart werden können. Die Rechtslage für eine solche vereinbarte


Tarifpluralität bleibt völlig unverändert. Das gilt auch für die Bildung von Tarifgemeinschaften verschiedener Gewerkschaften, die unverändert möglich sind. Es soll allein verhindert werden, dass die Tarifautonomie durch eine Vielzahl sich überschneidender Tarifverträge beliebig zerlegt werden kann. Ebenso möglich bleiben Anerkennungs- und Anschlusstarifverträge. Da es arbeits- oder tarifrechtliche Gründe gegen die Tarifeinheit nicht gibt, verlagert sich die Diskussion über eine gesetzliche Regelung immer stärker auf das Verfassungsrecht. Die Tarifeinheit als Ordnungssystem ist eine unverzichtbare Bedingung, um die von der Verfassung gewährleistete Tarifautonomie funktionsfähig zu halten. Die Tarifeinheit ist mit der Koalitionsfreiheit in diesem Sinne nicht nur zu vereinbaren, sie ist sogar von ihr geboten. Auch mehrere Verfassungsrechtler haben mittlerweile bestätigt, dass eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit auf der Grundlage des geltenden Art. 9 Abs. 3 GG möglich ist und von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gestützt wird. Dies hat auch die Diskussion auf dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 7. September durchgeführten Symposium zur Tarifeinheit deutlich gemacht. Ob es sich bei der Tarifeinheit um eine Ausgestaltung oder einen Eingriff in die Tarifautonomie handelt, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Gute Gründe sprechen dafür, in der Tarifeinheit eine Ausgestaltung der Tarifautonomie zu sehen. Sowohl Ausgestaltung als auch Eingriff lassen sich vor dem Hintergrund einer Abwägung der unterschiedlichen aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Rechte rechtfertigen. Der Vorschlag von BDA und DGB wird im Ergebnis dazu führen, dass Tarifverhandlungen und etwaige Arbeitskämpfe zeitlich synchronisiert werden und die Kooperation unterschiedlicher Tarifakteure zunehmen wird. In der Praxis wird es nur ganz selten zu Rechtsstreitigkeiten wegen der Repräsentativität kommen. Denkbar sind lediglich die beiden Fälle, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch aus einem nicht repräsentativen Tarifvertrag einklagt oder dass der Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung einen angedrohten Arbeitskampf einer Spartengewerkschaft stoppt.

Mittlerweile liegen verschiedene Alternativkonzepte zur Neuregelung der Tarifeinheit vor. Alle Konzepte eint die Einschätzung, dass die Rechtsprechung des BAG die Tarifautonomie untergraben kann, weil sie deren Funktionsfähigkeit gefährdet. Es werden unterschiedliche Lösungsansätze vertreten. So hat etwa die Monopolkommission in ihrem XVIII. Hauptgutachten die Möglichkeit betont, Zwangstarifgemeinschaften vorzusehen. Diese Alternativkonzepte enthalten teils empfindlichere Eingriffe in die Tarifautonomie, teils sind sie nicht geeignet, nachhaltig Friedenswirkung und Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems zu garantieren. Sie stellen daher keine belastbare Alternative zu dem gemeinsamen Vorschlag von BDA und DGB dar. Auch der Vorschlag der Professorengruppe um Prof. Dr. Gregor Thüsing und Prof. Dr. Ulrich Preis stellt keine Alternative dar. Der Vorschlag regelt Tarifeinheit ausschließlich bezogen auf die jeweils betroffene Arbeitnehmergruppe. Maßgeblich soll also nach dem Mehrheitsprinzip die stärkere Organisation in der jeweiligen Arbeitnehmergruppe und nicht im gesamten Betrieb sein. Eine solche Regelung würde die Bildung weiterer Spartengewerkschaften noch fördern und die Zerfaserung der Tarifautonomie verstärken. Wenn auf die jeweilige Arbeitnehmergruppe abgestellt wird, würden sich immer kleinere Organisationseinheiten bilden, um ihre Individualinteressen durchzusetzen. Auch die Regelung im Vorschlag der Wissenschaftler zur tarifvertraglichen Friedenspflicht ist nicht zielführend. Die Friedenswirkung des Tarifvertragssystems wird nicht gesichert. Nähere Informationen unter ­www.arbeitgeber.de > kompakt > „Tarifeinheit“

Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance in Einklang bringen Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und FDP darauf geeinigt, den Arbeitnehmerdatenschutz neu zu regeln. Die Neuregelung soll Rechtsklarheit schaffen und die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität in den Unternehmen unterstützen. Dieses Ziel verfolgt auch der am 25. August 2010 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des

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Beschäftigtendatenschutzes. Dieser Entwurf, der an die Stelle des am 1. September 2009 in das Bundesdatenschutzgesetz eingefügten – höchst unklaren – § 32 treten soll, erfüllt dieses selbst gesetzte Ziel nicht. Er schafft nicht die notwendige Rechtssicherheit für Arbeitgeber und

Arbeitnehmer bei der Verwendung personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis und gewährleistet nicht die Erfüllung der Aufgabe, die die Unternehmen u. a. durch Gesetze übertragen erhalten haben, nämlich Korruption und Kriminalität zu bekämpfen (Compliance).

Beschäftigtendatenschutz darf nicht Täterschutz sein Beschluss des Präsidiums der BDA, 20. September 2010 Das Präsidium der BDA begrüßt das Anliegen der Koalitionsparteien und der Bundesregierung, den Arbeitnehmerdatenschutz im Rahmen des Bundesdatenschutzgesetzes klarzustellen und dabei rechts­ sichere Regelungen für Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung in den Unternehmen zu schaffen. Mit dem Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vom 25. August hat die Bundesregierung einen Vorschlag für eine Regelung des Arbeitnehmerdatenschutzes vorgelegt. Dieser Entwurf bedarf jedoch erheblicher Korrekturen, um klare und rechtssichere Regelungen für den Datenschutz im Arbeitsverhältnis zu schaffen. Das Präsidium der BDA appelliert an Bundesrat und Bundestag, den vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz im parlamentarischen Verfahren praxistauglich zu machen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer benötigen handhabbare Vorgaben zum Datenschutz.

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Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen zum Arbeitnehmerdatenschutz muss weiterhin eine Grundlage für die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung von Daten sein können, auch wenn in einer solchen Betriebsvereinbarung teilweise von gesetzlichen Vorgaben abgewichen wird. Betriebsnahe Lösungen sind wichtig, um die gesetzlichen Vorgaben in den Betrieben anzuwenden und mit Leben zu erfüllen. Dem Ziel eines praxisnahen Arbeitnehmerdatenschutzes genügen solche Regelungen vielfach besser und nachhaltiger als gesetzliche Regelungen.

Eine gesetzliche Regelung muss ebenfalls den Datenaustausch zwischen Konzernunternehmen sicherstellen. Bisher wird ein solcher auf die Konzernstruktur zugeschnittener Datenschutz nicht gewährleistet. Um hier Abhilfe zu schaffen, fordert das Präsidium der BDA eine rechtssichere Möglichkeit, um z. B. Beschäftigtendaten von Konzerntöchtern an die Konzernmütter weitergeben zu können.

Korruptions- und Kriminalitätsbekämpfung ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein wichtiges Anliegen. Arbeitnehmerdatenschutz muss die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität unterstützen. Hierfür kann auch eine gezielte Videoüberwachung erforderlich sein, damit Unternehmen beweis­ sicher einen konkreten Verdacht auf eine Straftat erhärten oder entkräften können.

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Nationale wie internationale Vorschriften verlangen von Unternehmen, dass sie die Einhaltung der von ihnen selbst aufgestellten Regelungen ebenso prüfen und kontrollieren wie die Einhaltung staatlicher Normen. Rechtsklare und eindeutige Regelungen sind erforderlich, die den Arbeitnehmerdatenschutz als Teil der unternehmensinternen Compliance sicherstellen und gleichzeitig diese Compliance unterstützen. Vor diesem Hintergrund setzt sich die BDA dafür ein, dass der Gesetzentwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz im Gesetzgebungsverfahren deutlich nachgebessert wird. Arbeitnehmerdatenschutz muss die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität unterstützen. Der Gesetzentwurf bleibt jedoch in gefährlicher Weise unbestimmt, was die Verhinderung von Pflicht-, Vertrags- und Gesetzesverstößen angeht. So soll z. B. die nicht offene Datenerhebung nur zulässig sein, wenn Straftaten oder Pflichtverstöße vorliegen, die eine Kündigung aus wichtigem Grund ermöglichen würden. Eine solche Prognose­entscheidung darf dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden, er kann sie nicht rechtssicher treffen. Der Bundesrat will die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität sogar noch weiter einschränken. Präventive Datenerfassungen sollen danach nahezu ausgeschlossen sein. Die Analyse von möglichem Fehlverhalten durch gezielte Abgleiche von Daten muss wie bisher möglich bleiben. Die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität muss auch durch eine gezielte Videoüberwachung erfolgen können, wenn ein konkreter Verdacht auf eine bestimmte Straftat vorliegt. Das im Gesetzentwurf vorgesehene rigorose Verbot einer gezielten Videoüberwachung, z. B. in Laden- und Verkaufsräumen, ist nicht akzeptabel. Betriebsvereinbarungen müssen auch weiterhin eine praktikable Grundlage für die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung von Daten sein können. Selbst eine gelungene gesetzliche Regelung bedarf vielfach der Ergänzung durch Betriebsvereinbarungen, damit betriebliche Notwendigkeiten und Gegebenheiten abgebildet werden können. Der Gesetzentwurf führt jedoch zur faktischen Abschaffung der Betriebsvereinbarung als ergänzenden Regelungsinstruments neben

dem Gesetz. Die bisherige Praxis würde hierdurch faktisch zum Leerlauf gebracht werden. Die Betriebsvereinbarung als bewährtes Regelungsinstrument zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darf durch die gesetzlichen Neuerungen nicht auf das Abstellgleis gestellt werden. Die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung seiner Daten muss grundsätzlich möglich sein, solange sie im Einzelfall nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach dem Gesetzentwurf soll hingegen die Einwilligungsmöglichkeit nur noch ausnahmsweise bestehen. Die Einwilligung ist insbesondere unersetzlich für die Datenverarbeitung, die auf freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers beruht. Wollen Arbeitnehmer Leistungen von Sozialeinrichtungen des Arbeitgebers wie Kindergärten in Anspruch nehmen, ist es in ihrem Interesse, durch ihre Einwilligung personenbezogene Daten freizugeben. Der pauschale weitgehende Ausschluss der Einwilligungsmöglichkeit ist nicht begründet. Die Arbeitnehmer würden hierdurch faktisch entmündigt. Eine gesetzliche Neuregelung des Arbeitnehmerdatenschutzes muss den Datenaustausch zwischen Konzernunternehmen erleichtern. Eine Konzernklausel ist unverzichtbar, um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und insbesondere bei einer konzerninternen Bündelung von Aufgaben die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung zu schaffen. Solche Vorgaben fehlen bislang im Gesetzentwurf. Vor diesem Hintergrund ist z. B. wesentlich, eine rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, Beschäftigtendaten von Konzerntöchtern an die Konzernmütter weiterzugeben. Die Klarstellung des geltenden Arbeitnehmerdatenschutzes im Bundesdatenschutzgesetz ist notwendig. Ein moderner Arbeitnehmerdatenschutz versteht sich als Teil der Unternehmenscompliance und sieht sich hierzu nicht im Widerspruch. Die BDA setzt sich im parlamentarischen Verfahren dafür ein, dass ein solcher Widerspruch nicht konstruiert wird und die Änderung des Arbeitnehmerdatenschutzrechts klare und rechtssichere Regeln für die Praxis zur Folge hat. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Arbeitnehmerdatenschutz“

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Anonymisierte Bewerbungen blockieren ausgewogene Personalpolitik Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) startete im Herbst 2010 unter Beteiligung von fünf Unternehmen ein Pilotprojekt, um die Praktikabilität und den Nutzen anonymisierter Bewerbungen – ohne Foto, Name oder Angaben über Alter, Geschlecht, Herkunft und Familienstand – zu testen. Die ADS will Arbeitnehmern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Tatsächlich werden aber durch solche anonymisierten Bewerbungen neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) neue Einstellungshürden geschaffen. Sie wirken der Förderung der Vielfalt entgegen, verlängern die Bewerbungsverfahren und führen zu deutlich höheren Kosten. Die BDA lehnt daher das Vorhaben der ADS ab, anonymisierte Bewerbungen langfristig zum Standard in der Praxis zu machen. Vielfalt in der Beschäftigung ist den Arbeitgebern in Deutschland ein wichtiges Anliegen. Dies zeigt z. B. die von der Wirtschaft bereits 2006 ins Leben gerufene „Charta der Vielfalt“. Die Arbeitgeber sind im weltweiten Wettbewerb um Talente und in Zeiten wachsenden Fachkräftemangels auf die Potenziale und Talente aller Mitarbeiter angewiesen. Unternehmen können und wollen es sich nicht leisten, geeignete Bewerber nach unsachlichen Kriterien abzulehnen. Entscheidendes Kriterium bei der Auswahl geeigneter Bewerber ist und bleibt deren Qualifikation. Um der Forderung nach Anonymität zu entsprechen, müssten Bewerbungen unsinnigerweise notfalls auch kostenpflichtig von einem Dienstleister geschwärzt oder getrennt werden, um dann zum Vorstellungsgespräch doch wieder vollständig zusammengefügt zu werden. Das ist das Gegenteil des von der Bundesregierung versprochenen Bürokratieabbaus. Die Besetzung neuer Stellen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze werden durch diesen bürokratischen Aufwand weiter verteuert.

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Die BDA wird sich dafür einsetzen, dass Unternehmen nicht über das AGG hinaus administrativ belastet werden, sondern endlich dem Versprechen der Entbürokratisierung Taten folgen. Jedem Unternehmen sollte die Möglichkeit belassen werden, den Prozess der Personalauswahl eigenverantwortlich und individuell zu gestalten. Es wäre ein Schaden für die Unternehmenskultur, wenn politischer Druck zur Diskriminierung von Unternehmen führt, die sich für die Beibehaltung des klassischen Bewerbungsverfahrens entscheiden.

Anspruch auf Familienpflegezeit führt zu neuen Belastungen Unter dem Eindruck der demografischen Entwicklung und der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen schlägt Bundesministerin Dr. Kristina Schröder für das Jahr 2011 die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine zweijährige Familienpflegezeit vor. Der bisher vorliegende Entwurf sieht vor, dass der Beschäftigte, der seinen Angehörigen pflegt, 50 % arbeiten und während dieser Zeit 75 % seines bisherigen Gehalts bekommen soll. Nach Beendigung der Pflegephase arbeitet der Beschäftigte wieder 100 %, erhält jedoch nur 75 % seines Gehaltes, bis das zusätzlich gezahlte Gehalt zurückgeflossen ist. Die Finanzierung soll über Arbeitszeitkonten erfolgen. Demzufolge soll der Arbeitnehmer für den 25%igen Lohnvorschuss das von ihm angesparte Guthaben einsetzen. Reicht dieses nicht aus, soll der Arbeitgeber einen Lohnvorschuss gewähren. Um eine Belastung des Arbeitgebers durch die Entgeltaufstockung auszuschließen, ist vorgesehen, dass dieser einen Anspruch auf die Gewährleistung eines zinslosen Darlehens durch das Bundesamt für Zivildienst geltend machen kann. Die Umsetzung des Entwurfs der Bundesministerin würde große betriebsorganisatorische Probleme mit sich bringen. Arbeitgeber würden mit neuer Bürokratie belastet und der Kündigungsschutz würde im Umweg über die Pflegezeit weiter ausgedehnt werden. Auch aus personalwirtschaftlicher Sicht ist der Entwurf nicht praxis­ tauglich. Er blendet die Probleme und Folgen der


Neue Bürokratie durch anonymisierte Bewerbungen verhindern Beschluss des Präsidiums der BDA, 20. September 2010 Das Präsidium der BDA bekennt sich ausdrücklich zu diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahren. Vielfalt in der Beschäftigung ist den Arbeitgebern in Deutschland ein wichtiges Anliegen. Der Vorschlag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, anonymisierte Bewerbungen einzuführen, ist unnötig und kontraproduktiv. Die Arbeitgeber sind – noch verstärkt aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels – auf die Potenziale und Talente aller Mitarbeiter angewiesen. Schon aus demografischen Gründen wollen und können es sich Unternehmen nicht leisten, geeignete Bewerber nach unsachlichen Kriterien auszusortieren. Entscheidendes Kriterium bei der Auswahl geeigneter Bewerber ist und bleibt deren Qualifikation. Bewerbungen, bei denen sämtliche Angaben geschwärzt sind, aus denen man z. B. auf Alter, Geschlecht oder Herkunft schließen kann, sind für Personalverantwortliche unbrauchbar. Mit der Anonymisierung von Bewerbungsunterlagen geht allenfalls ein erhöhter bürokratischer Aufwand und somit ein verteuerter sowie verlängerter Bewerbungsprozess einher. Anonymisierte Bewerbungen behindern zudem existierende Maßnahmen zur Erhöhung der Vielfalt in den Belegschaften (Diversity Management). Unternehmen können ihren Bewerbungsprozess dann nicht mehr gezielt von Beginn an nach ausgewählten Kriterien steuern. Es muss auch künftig möglich bleiben, gemischte Teams mit unterschiedlichen Qualifikationen schnell und passgenau zusammenzustellen. Bisherige Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungen im Ausland zeigen, dass die erhofften positiven Effekte nicht belegbar sind. Spätestens das Bewerbungsgespräch führt zur Aufhebung der Anonymisierung. Sicher sind nur der bürokratische Mehraufwand und die höheren Kosten im Bewerbungsprozess. Das Präsidium der BDA fordert,

die Unternehmen nicht über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hinaus noch weiter administrativ zu belasten, sondern endlich dem Versprechen der Entbürokratisierung Taten folgen zu lassen;

die Besetzung neuer Stellen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht durch weiteren bürokratischen Aufwand zu verteuern;

jedem Unternehmen die Möglichkeit zu belassen, den Prozess der Personalauswahl eigenverantwortlich und individuell zu gestalten. Es wäre ein Schaden für die Unternehmenskultur, wenn politischer Druck zur Diskriminierung von Unternehmen führt, die sich für die Beibehaltung des klassischen Bewerbungsverfahrens entscheiden. Als genereller – auch untergesetzlicher – Standard sind anonymisierte Bewerbungen kontraproduktiv.

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betrieblichen Organisation der Pflegezeit aus. Vor allem die Besetzung des frei werdenden Arbeitszeitvolumens kann die Betriebe schnell überfordern. Neue Mitarbeiter müssten innerhalb kürzester Zeit eingestellt und eingearbeitet werden. Bei der vorgesehenen Ankündigungsfrist von nur zwei Monaten entfällt der Transfer von Erfahrungswissen oder wird erheblich erschwert. Darüber hinaus birgt der vorgesehene Sonderkündigungsschutz die Gefahr des Missbrauchs. Arbeitnehmer können sich über die Geltendmachung der Familienpflegezeit einen Sonderkündigungsschutz von zwei Jahren verschaffen, während der Arbeitslohn um 25 Prozentpunkte aufgestockt wird. Soweit der Arbeitnehmer nicht über ein positives Arbeitszeitguthaben verfügt, soll der Lohnvorschuss in der sog. Nachpflegephase durch Nacharbeit wieder ausgeglichen werden. Der Arbeitgeber kann sich von einem die Familienpflegezeit in Anspruch nehmenden Arbeitnehmer praktisch so lange nicht trennen, wie der Arbeitnehmer seine Zeitschulden nicht abgeleistet hat. Denn im Fall einer nicht verhaltensbedingten Kündigung entfällt der Ausgleichsanspruch des Arbeitgebers. Wird also das Arbeitsverhältnis betriebs- oder personenbedingt gekündigt, würde dies faktisch zu einem besonderen Kündigungsschutz führen. Für die deutsche Wirtschaft ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein Thema von großer Bedeutung. Viele Unternehmen bemühen sich, Fachkräfte mit Pflegeverantwortung durch passgenaue und individuell ausgehandelte Regelungen zu unterstützen und ihnen bei der Pflege zu helfen. Probleme können nicht über die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Familienpflegezeit gelöst werden. Schon heute bestehen in Tarifverträgen hierzu individuelle Möglichkeiten. Auch über den allgemeinen Teilzeitanspruch und den Pflegezeitanspruch nach dem Pflegezeitgesetz bestehen bereits Instrumente, um das durch den Entwurf angestrebte Ziel der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu erreichen. Mit einer Novelle des SGB IV ist mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Verbindung von langfristigen Arbeitszeitkonten und Pflege gesetzlich geregelt worden.

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Ergebnisse des 68. Deutschen Juristentags enttäuschend und gefährlich für Beschäftigung Das Ausland schaut anerkennend auf das deutsche Jobwunder und das Weltwirtschaftsforum hat Deutschland zum wettbewerbsfähigsten Land in der Eurozone gekürt. Zurückgeführt wird dies auch auf eine gestiegene Flexibilität des Arbeitsmarkts und auf Beschäftigungsformen wie befristete Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit. Diese haben die Beschäftigung in der Wirtschaftskrise stabilisiert und im Anschluss den Aufbau von Beschäftigung ermöglicht. Die Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentags gehen an dieser Realität vorbei. Im eklatanten Widerspruch zu früheren Beschlüssen forderte die Mehrheit eine gesetzliche Beschränkung moderner Beschäftigungsformen. Notwendige Anpassungen der Rechtslage an die Arbeitsmarktsituation und die Erhöhung der Beschäftigungschancen von Arbeitslosen und Berufseinsteigern wurden durch die große Zahl von abstimmenden Gewerkschaftssekretären abgelehnt. In nicht nachvollziehbarer Weise hat sich der DGB mit seinen Vertretern z. B. auch für die faktische Abschaffung seiner eigenen Tarifverträge in der Zeitarbeit im Hinblick auf gesetzliche Öffnungsklauseln starkgemacht. Zudem wurde für einen generellen Mindestlohn gestimmt. Hier konnte allerdings ein Bekenntnis zur Tarifautonomie in den Beschlüssen fixiert werden. Der Deutsche Juristentag ist das zentrale rechtspolitische Forum für einen offenen Meinungsaustausch und eine offene Diskussion. Seine Bedeutung schwindet allerdings aufgrund der Instrumentalisierung durch den DGB zusehends. Die BDA wird weiterhin versuchen, dieser Instrumentalisierung entgegenzuwirken. Dies ist im Interesse der Unternehmen, vor allem aber auch im Interesse der Beschäftigungssicherung und der Schaffung neuer Beschäftigung. Sollte dieses nicht gelingen, muss über das weitere Engagement im Deutschen Juristentag neu nachgedacht werden.


Die Arbeitgeberverbands-Police der Funk Gruppe

Die Funk Gruppe hat gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände für die über die BDA organisierten Verbände die Arbeitgeberverbands-Police entwickelt, die die wesentlichen Risiken eines Verbandes abdeckt. Ein ganz erheblicher Vorteil für Sie: Das Bedingungswerk geht deutlich über die am Markt erhältlichen Policen hinaus und schützt sowohl den Verband als auch die geschäftsführenden Organe umfangreich gegen die Kernrisiken. Somit sichern Sie den Verband mit nur einer Police vor den elementaren operativen und organschaftlichen Risiken ab. Der Versicherungsschutz umfasst die folgenden Sparten: -

Vermögensschaden-Haftpflicht (für den Verband) D & O-Haftpflicht (Vermögensschaden-Haftpflicht für die Organe) Vermögensschaden-Rechtsschutz (ergänzende Rechtsschutz-Funktion für die Organe) Straf-Rechtsschutz

Die Inhalte der einzelnen Versicherungen sind aufgrund eines durchgeschriebenen Bedingungswerks optimal aufeinander abgestimmt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Policen, die insbesondere im D & O-Bereich oft eine Flut von Informationen vom Versicherungsnehmer verlangen, wird die Prämie zur BDA-Police anhand weniger Merkmale kalkuliert. Maßgeblich ist die Anzahl der tätigen Geschäftsführer, Referenten und Assistenten und ob noch weitere Verbände und/oder GmbHs mit berücksichtigt werden müssen (der Einschluss ist unter bestimmten Voraussetzungen ohne Weiteres möglich). Von besonderer Bedeutung ist, dass der gesamte Vorstand, das Präsidium sowie die Ehrenämter automatisch vom Versicherungsschutz umfasst sind; und zwar unabhängig davon, wie viele Personen den Gremien angehören. Sofern der mitversicherte Personenkreis im Interesse des Verbands Aufgaben in profit- oder non-profit-Organisationen wahrnimmt, sind diese ebenfalls im Rahmen des D & O-Bausteins vom Versicherungsschutz erfasst (bei profit-Organisationen nur, sofern ausschließlich Kontrollfunktionen ausgeübt werden). Durch die Bündelung verschiedener Risiken in nur einer Police reduzieren Sie nicht nur spürbar Ihren administrativen Aufwand, der üblicherweise bei der Risikoerfassung und -fortschreibung anfällt. Sie genießen gleichzeitig auch einen sehr spezifischen Versicherungsschutz zu einem außergewöhnlichen Preis-/Leistungsverhältnis. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Gern stehen wir Ihnen auch in einem persönlichen Gespräch zur Verfügung. Bitte sprechen Sie uns an: Christian Mattheus fon +49 30 250092-724 | fax +49 30 250092-711 E-Mail: c.mattheus@funk-gruppe.de


Befristungsrecht modernisieren – Beschäftigung unterstützen Befristete Arbeitsverhältnisse sind ein unverzichtbarer Jobmotor des deutschen Arbeitsmarkts. Sie bieten Arbeitsuchenden einen erfolgversprechenden Weg für einen Erst- oder Wiedereinstieg in Arbeit, insbesondere nach Arbeitslosigkeit. Die Regelungen über die Befristung von Arbeitsverhältnissen haben daher ganz wesentlich das Ziel, Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit abzubauen. Eine Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat ergeben, dass derzeit jedes zweite befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt wird. Um das gesamte Potenzial von Befristungen zu erschließen, müssen sie unbürokratisch und rechtssicher ausgestaltet werden.

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Dazu gehört es in erster Linie, das sog. Ersteinstellungserfordernis abzuschaffen. Es wirkt wie ein Beschäftigungsverbot. Dies wird auch im Koalitionsvertrag deutlich, in dem die Koalitionspartner erklärt haben, dass das Ersteinstellungsgebot Anschlussbeschäftigungsverhältnisse erschwert. Wie im Beschäftigungsförderungsgesetz sollte an dessen Stelle eine Karenzzeit eingeführt werden, die den Vorgaben der Befristungsrichtlinie auf europäischer Ebene entspricht. Danach wäre eine Dauer von drei Monaten ausreichend. Davon würden vor allem junge arbeitsuchende Menschen profitieren, die sich bereits in der Vergangenheit im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen engagiert gezeigt und Berufserfahrung gesammelt haben. Der Koalitionsvertrag spricht dabei von einer Zeitspanne von zwölf Monaten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die erleichterte Befristung muss ebenfalls zu einem effektiven Instrument weiterentwickelt werden, Arbeitslosigkeit zu beenden und den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Ihr Potenzial bleibt heute noch vielfach ungenutzt. Denn diese Beschäftigungsmöglichkeit setzt voraus, dass der Arbeitsuchende vorher mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist und das 52. Lebensjahr vollendet hat. Das ist kontraproduktiv. Das Ziel muss

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sein, Arbeitslosigkeit (den häufigsten Fall der Beschäftigungslosigkeit) zu verhindern. Neben dem Eintritt von Arbeitslosigkeit sollte daher auf die Vermeidung von „drohender“ Arbeitslosigkeit abgestellt werden. So lässt sich schon der Eintritt von Arbeitslosigkeit verhindern. Dabei sollte auch das Alter des Arbeitsuchenden keine Rolle mehr spielen.

Nach der Rechtsprechung des BAG dürfen zum Zeitpunkt der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses keinerlei sonstige Veränderungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden – wie z. B. eine Gehaltserhöhung. Schon durch geringe gesetzliche Änderungen kann hier eine sinnvolle und praxisgerechte Regelung getroffen werden, die weniger bürokratisch ist und den Bedürfnissen beider Arbeitsvertragsparteien entspricht.

Gleichermaßen muss eine Heilungsmöglichkeit bei fehlender Schriftform der Befristungsabrede eingeführt werden. Die Befristungsabrede muss auch nach Arbeitsaufnahme noch schriftlich niedergelegt werden können.

Eine solche Reform des Befristungsrechts macht eine umfassende Modernisierung des Kündigungsschutzrechts in Deutschland nicht obsolet. Das geltende Kündigungsschutzrecht ist eine Beschäftigungsbremse. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen können die vom Kündigungsschutzrecht ausgehende Rechtsunsicherheit und Rechtsunklarheit ohne Beratung nicht meistern. Daher unterbleiben mögliche Neueinstellungen. Die Einführung einer Abfindungsoption für neu begründete Arbeitsverhältnisse, bei der die vertragliche Vereinbarung einer Abfindung an die Stelle des geltenden Kündigungsschutzrechts tritt, ist daher notwendig. Sie schafft Rechtssicherheit und Rechtsklarheit und lockert so die Beschäftigungsbremse Kündigungsschutz. Eine solche Abfindungsoption für Neueinstellungen ändert an der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für bestehende Arbeitsverhältnisse nichts. Sie schafft aber die notwendige Basis für die Begründung neuer Arbeitsverhältnisse. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Befristungen“


Flexible Erwerbsformen schaffen zusätzliche Arbeitsplätze

1998

20.252

5.450

1999

20.156

5.832

2000

20.212

2001

20.126

2002

19.845

2003

19.009

2004

19.595

0

4.000

8.000

12.000

16.000

20.000

34.339

2.842 1.786

34.812

2.744 1.842

34.980

2.740 1.821

35.249

2.543 1.858 2.603 1.960

8.018 8.084

24.000

34.971 34.641

2.478 2.076

7.857

19.185

2008

6.386

7.207

18.792

2007

6.255

6.675

18.380

2006

5.990

6.625

18.700

2005

2.536 1.789

34.076

3.075 2.291

34.971

3.389 2.317 3.291 2.323 3.465 2.306

28.000

32.000

35.885 36.463 37.083

36.000

40.000

Erwerbstätige in Tsd.

„normales“ Arbeitsverhältnis Teilzeit befristete Tätigkeit Selbstständigkeit (ohne Beschäftigte) insgesamt „Normales“ Arbeitsverhältnis: unbefristete Tätigkeit mit mehr als 35 Stunden pro Woche Insgesamt: einschließlich Sonstiger; ohne Auszubildende Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2009; Statistisches Bundesamt (Ursprungsdaten)

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Kein Freibrief für vermeintliche Bagatellen im Arbeitsverhältnis

Das BAG hat die fristlose Kündigung zwar für unwirksam erklärt. Es hat jedoch betont, dass die Tat der Klägerin an sich einen Kündigungsgrund darstellt. Zudem hat es klargestellt, dass auch Pflichtwidrigkeiten, die nur zu einem geringen oder sogar gar keinem Schaden führen, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen können, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Es hat ferner klargestellt, dass die Kündigung wegen des dringenden Verdachts eines pflichtwidrigen Verhaltens neben der Kündigung wegen einer erwiesenen Tat weiterhin möglich ist.

Im vergangenen Jahr wurden in der öffentlichen Diskussion immer wieder Fälle dramatisiert, in denen Arbeitnehmern wegen vermeintlicher Bagatellstraftaten zu Lasten des Arbeitgebers fristlos gekündigt wurde. Anlass der öffentlichen Diskussion war der sog. Fall „Emmely“, über den das BAG zu entscheiden hatte (Urteil vom 10. Juni 2010, 2 AZR 541/09). Eine Supermarktkette hatte einer Kassiererin nach über 30-jährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses gekündigt, weil sie Pfandbons im Wert von 1,30 € unterschlagen hatte.

Beachtenswert sind auch die Ausführungen des BAG zur Videoüberwachung. Das BAG

Vermeintliche Bagatellen führen zu erheblichem Schaden Erhebung zeigt: eigene Mitarbeiter für ein Viertel der Inventurdifferenzen verantwortlich, in %

8,2

20,4

52,7

18,7

Mitarbeiter Lieferanten/Servicekräfte Kunden Organisation Quelle: EHI Retail Institute, 2010

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betont in seinem Urteil die besondere Bedeutung des Vertrauens des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers als Grundlage des Arbeitsverhältnisses. Die praktizierte Videoüberwachung bedeute keine Einschränkung des Vertrauens des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers. Jeder Arbeitnehmer habe sich ohnehin so zu verhalten, dass es um seinetwillen keiner Kontrolle bedürfe. Das BAG trägt den Besonderheiten des Einzelhandels Rechnung. Es weist auf die in der Summe hohen Einbußen durch eine Vielzahl von geringfügigen Schädigungen hin. Es macht klar, dass hier eine Arbeitnehmerin, die gerade als Kassiererin für die Sicherung und Verbuchung von Einnahmen zuständig ist, einen erheblichen Vertragsverstoß begeht, wenn sie eine Pflicht zum Schutz des Eigentums und des Vermögens des Arbeitgebers verletzt. Das BAG ist mit Recht davon ausgegangen, dass Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers auch bei geringwertigen Vermögensgegenständen an sich einen Kündigungsgrund darstellen. Dies entspricht auch ständiger Rechtsprechung des BAG. Insofern ist es auch konsequent, in der Folge eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Dabei können die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinreichend berücksichtigt werden. Einzelne Elemente der Begründung erwecken den Eindruck, dass es für die Frage des Vertrauens auf eine objektivierte Betrachtungsweise ankommt. Damit lässt das BAG jedoch unberücksichtigt, dass der Begriff des Vertrauens in erster Linie ein subjektives Moment enthält. Der Arbeitgeber entscheidet, ob er noch Vertrauen in die Redlichkeit eines Arbeitnehmers hat oder nicht. Die von der Entscheidung ausgehenden Fehlentwicklungen werden bereits jetzt deutlich. So hat das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg (Urteil vom 16. September 2010, 2 Sa 509/10) einen Betrug mit einem Schaden in Höhe von 160 € nicht für eine außerordentliche Kündigung ausreichen lassen. Parallel zur Entscheidung im Fall „Emmely“ brachten die SPD, DIE LINKE und ­ Bündnis 90­ /

­ie Grünen Vorschläge zur Erweiterung des D Kündigungsschutzes bei sog. Bagatelldelikten in den Bundestag ein (BT-Drs. 17/648, 17/649, 17/1986). Im Ergebnis laufen die Vorschläge auf die Einführung eines Abmahnungserfordernisses hinaus, wenn ein Eigentums- oder Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurde und der wirtschaftliche Schaden nicht ins Gewicht fällt (SPD), geringfügig ist (Bündnis 90/Die Grünen) oder sich auf geringwertige Gegenstände bezieht (DIE LINKE). Die BDA hat im Rahmen der Anhörung vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags deutlich gemacht, dass die beschriebenen gesetzlichen Regelungen nicht erforderlich sind. Das Urteil des BAG vom 10. Juni 2010 macht klar, dass jegliche Ansätze zur gesetzlichen Regelung der sog. Bagatellkündigungen überflüssig sind. Die Einführung eines generellen Abmahnungserfordernisses würde einen Freibrief für sog. Bagatelldelikte zu Lasten des Arbeitgebers bedeuten. Die BDA wird in der öffentlichen Diskussion weiter klarstellen, dass Eigentums- und Vermögensdelikte im Arbeitsverhältnis keine Bagatellen sind. Es darf keinen Freibrief für sog. Bagatelldelikte geben.

Vertrauensschutz auf europäischer Ebene sichern Am 6. Juli 2010 hat das BVerfG in der Sache „Honeywell“ entschieden, dass die sog. MangoldFolgeentscheidung des BAG im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die Entscheidung verstärkt die durch mehrere Entscheidungen von EuGH und Arbeitsgerichten hervorgerufene Rechtsunsicherheit. Der EuGH hatte in seinem Urteil vom 22. November 2005 in der Rechtssache „Mangold“ (C-141/04) festgestellt, dass ein aus den Verfassungstraditionen hergeleiteter allgemeiner Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung sowie insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ­2000/­78/­EG einer nationalen Regelung wie § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG zur erleichterten Befristungsmöglichkeit für Arbeitnehmer ab dem

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52. Lebensjahr entgegenstehen. Das nationale Gericht müsse jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lassen, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen sei. Das BAG hatte diese Rechtsprechung in seiner Umsetzungsentscheidung vom 26. April 2006 (7 AZR 500/04) bestätigt und es ferner abgelehnt, § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vertrauensschutzes auf eine vor dem 22. November  2005 getroffene Befristungsabrede anzuwenden. Gegen dieses BAG-Urteil reichte der unterlegene Arbeitgeber Verfassungsbeschwerde ein, da der EuGH mit seiner Entscheidung seine Kompetenz überschritten und das BAG den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz nicht geachtet habe. Das BVerfG erkennt die Begründung des EuGH als falsch, sieht hierin aber keinen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß durch den EuGH. Der EuGH dürfe Rechtsfortbildung betreiben, solange diese nicht deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändere oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schaffe. Der EuGH habe aber auch einen Anspruch auf Fehlertoleranz. Es sei nicht Aufgabe des BVerfG, bei Auslegungsfragen des Unionsrechts seine Auslegung an die Stelle derjenigen des EuGH zu setzen. Im Hinblick auf die Versagung von Vertrauensschutz beanstandete das BVerfG das Urteil des BAG nicht. Durch die Entscheidung des BVerfG entsteht insbesondere für das deutsche Zivilrecht und damit auch für das Arbeitsrecht große Unsicherheit, wenn einschlägige Vorschriften entweder zur Umsetzung von Richtlinien dienen oder die Gefahr besteht, dass von interessierter Seite ein Konflikt z. B. mit der kürzlich in Kraft getretenen Grundrechtecharta der EU konstruiert wird. Der Beschluss des BVerfG ist insbesondere deshalb enttäuschend, weil er zum einen zu untragbarer Rechtsunsicherheit für den Rechtsanwender führt und zum anderen die in seiner Lissabon-Entscheidung vom 30. Juni 2009

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Arbeitsrecht

aufgestellten Kriterien zur Feststellung der Kompetenzüberschreitung des EuGH einschränkt. Denn die dort vom BVerfG betonte Gefahr mangelnder Legitimation europäischer Entscheidungen äußert sich besonders in der Rechtssache „Mangold“, indem der EuGH sein Urteil auf einen nicht existierenden allgemeinen Rechtsgrundsatz stützt. Es ist zu befürchten, dass Richter gesetzliche Regelungen mit dem Argument unangewendet lassen, dass diese gegen – geschriebenes oder ungeschriebenes – europäisches Primärrecht verstoßen. Durch das Inkrafttreten der Grundrechtecharta kann sich diese Gefahr noch potenzieren. Zwar sollen aus der Grundrechte­ charta keinerlei neuen Rechte hergeleitet werden. Dies vermeidet aber, wie auch schon die Kücükdeveci-Entscheidung gezeigt hat, offenbar nicht die Herleitung zumindest negatorischer Ansprüche aus der Charta. Die Mangold- und die Kücükdeveci-Entscheidung des EuGH sowie die Bestätigung der Mangold-Folgeentscheidung des BAG durch die Entscheidung des BVerfG machen den Handlungsbedarf auf europäischer Ebene deutlich. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sollte so angepasst werden, dass zumindest beim Rechtsstreit zwischen Privaten der EuGH die Obliegenheit hat, für Vertrauensschutz zu sorgen. Die zeitliche Wirkung eines Unanwendbarkeitsausspruchs muss begrenzt werden. Rechtsprechung und Gesetzgebung müssen daher klarstellen, dass der Rechtsanwender auf geltende Gesetze vertrauen kann. Urteile des EuGH zu der Wirksamkeit eines Gesetzes sollten daher im Verhältnis zwischen Privaten nur für die Zukunft Wirkung entfalten. Erst innerhalb dieser Zeit kann der Mitgliedstaat die angegriffene Norm anpassen.

Rechtsprechung im Urlaubsrecht wirft immer neue Fragen auf Ein Beispiel für die Gefährdung zentraler Rechtsgrundsätze durch den EuGH ist dessen Entscheidung vom 20. Januar 2009 im Fall „SchultzHoff/Stringer“ (EuGH, verbundene Rechtssache C-250/06 bzw. C-520/06). Der EuGH hat damit auch das deutsche Urlaubsrecht grundlegend


verändert. Die Folgen für die Unternehmen lassen sich bis heute nicht abschließend bewerten. Das BAG hat seine seit 1982 bestehende Rechtsprechung geändert, wonach der Urlaubsanspruch auch bei Erkrankung spätestens zum 31. März des Folgejahres verfiel. Das BAG gelangte zu dem Ergebnis, dass dies bei lang andauernder Erkrankung nicht mehr möglich ist, wenn der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gehabt hat, den Urlaub zu nehmen. Zudem steht dem Arbeitnehmer nunmehr auch beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu, selbst wenn er zum Zeitpunkt des Ausscheidens noch erkrankt war. Bereits mit Urteil vom 24. März 2009 hatte das BAG keinen Vertrauensschutz für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Hinblick auf die seit 1982 währende Rechtsprechung zumindest seit dem Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf an den EuGH vom 2. August 2006 (12 Sa 486/06) gewährt. Das BAG hat dies mit seinem Urteil vom 23. März 2010 noch erweitert. Mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Arbeitszeitrichtlinie am 23. November 1996 habe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Vertrauensschutz mehr bestanden, bereits dann sei mit einer Rechtsprechungsänderung zu rechnen gewesen. Die Rechtsprechungsänderung des BAG bezieht sich primär auf den gesetzlichen Mindesturlaub sowie den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen (§ 125 SGB IX). Hinsichtlich des übergesetzlichen Urlaubs können die Tarifvertrags- bzw. Arbeitsvertragsparteien weiterhin Regelungen treffen, wonach der Urlaubsanspruch auch bei lang andauernder Erkrankung verfällt. Weder EuGH noch BAG haben darüber entschieden, wie lange dem Arbeitnehmer der Urlaubsanspruch erhalten bleibt. Sollte eine Ansammlung unbegrenzt möglich sein, so führt dies bei einer Erkrankung über Jahre hinweg zu untragbaren Ergebnissen. So könnte, wenn keine Begrenzung erfolgt, z. B. ein seit zehn Jahren erkrankter Arbeitnehmer für diesen Zeitraum den Urlaub ansammeln. Allein der gesetzliche Mindesturlaub würde einen Umfang von 200 Tagen haben.

Im Rahmen der Sozialpartneranhörung hat sich die BDA auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass die Arbeitszeitrichtlinie praxisgerecht angepasst wird. Eine Ansammlung des Urlaubsanspruchs über mehrere Jahre hinweg ist auch bei lang andauernder Erkrankung nicht vom Sinn und Zweck des Urlaubsanspruchs erfasst. Die Arbeitszeitrichtlinie muss daher in jedem Fall eine Verfallsregelung für den Urlaubsanspruch bei langjähriger Erkrankung vorsehen. Der ­Richtliniengeber sollte aber auch die Gelegenheit nutzen, die Rechtsprechung des EuGH im Fall „Schultz-Hoff/Stringer“ zu korrigieren und auch bei lang andauernder Erkrankung den Urlaubsanspruch strikt auf das Urlaubsjahr zu begrenzen. Darüber hinaus besteht auch auf deutscher Ebene Handlungsbedarf. Der deutsche Gesetzgeber muss im deutschen Recht klarstellen, dass für Altfälle vor der Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 Vertrauensschutz besteht. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer mussten auch bei Ablauf der Umsetzungsfrist für die Arbeitszeitrichtlinie damit rechnen, dass eine derartig tief greifende Veränderung der Rechtsprechung zum Urlaubsrecht erfolgt.

Überobligatorische Umsetzung der Europäischen Betriebsräterichtlinie vermeiden Am 15. September 2010 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie ­2009/38/EG über Europäische Betriebsräte (EBR) verabschiedet. Die neu gefasste Richtlinie muss bis zum 5. Juni 2011 in nationales Recht umgesetzt werden. Im Wesentlichen orientiert sich der Entwurf an den Vorgaben der Richtlinie und übernimmt diese. Er bedarf allerdings dort der Anpassung, wo er über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht oder den vorhandenen Spielraum nicht in einer Weise nutzt, die optimale Rechtssicherheit schafft. Nicht von der Richtlinie vorgegeben ist, dass Unterrichtung und Anhörung des EBR spätestens gleichzeitig mit den nationalen Arbeitnehmervertretungen durchzuführen sind. Die Richtlinie sieht hier eine vereinbarungsoffene Lösung vor.

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Arbeitsrecht

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Auch die Übergangsregelung zum Bestandsschutz für Altvereinbarungen schöpft die Möglichkeiten der Richtlinie nicht in vollem Umfang aus. Sie widerspricht insbesondere dem der neuen Richtlinie zugrunde liegenden Konsens der Sozialpartner, der einen umfassenden Bestandsschutz von Altvereinbarungen vorsah. Es muss insoweit klargestellt werden, dass auch im Falle wesentlicher Strukturänderungen der Bestandsschutz greift, wenn die EBR-Vereinbarung im Einvernehmen von EBR und Unternehmensleitung angepasst wird. Hier muss auch darauf geachtet werden, dass die Regelung des Bestandsschutzes im Einklang mit den Umsetzungsgesetzen der anderen EU-Mitglieder erfolgt.

Europäische Privatgesellschaft auf den Weg bringen

In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und FDP eine Reform des Insolvenzrechts angekündigt. Mit einer solchen Reform soll insbesondere die Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen erleichtert und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich erhöht. Die Krise hat an einigen Stellen des Insolvenzrechts Reformbedarf deutlich gemacht. Ein auf die Fortführung von Unternehmen gerichtetes Insolvenzrecht kann einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten. Die Änderungen dürfen jedoch nicht zu Mehrbelastungen solventer Unternehmen führen und deren Arbeitsplätze gefährden.

Die Wirtschaft setzt sich auch weiterhin dafür ein, einen belastbaren Rechtsrahmen für eine Einführung der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) auf europäischer Ebene zu schaffen. Zuletzt haben BDA und BDI erfolgreich auf einen Beschluss der Justizminister der Länder hingewirkt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Einführung der EPG voranzutreiben. Die EPG soll als einheitliche europäische Rechtsform eine Alternative zur deutschen GmbH sein, die überall in Europa ohne Kenntnis der dortigen Gesellschaftsrechte gegründet werden kann.

BDA und BDI haben daher im März 2010 ein gemeinsames Positionspapier erstellt, um die Anforderungen der Wirtschaft an ein modernes, zukunftsfähiges Insolvenzrecht frühzeitig gegenüber Regierung und Abgeordneten zu unterstreichen. Die BDA setzt sich dafür ein, dass im Gesetzgebungsverfahren die Besonderheiten der Insolvenzanfechtung im Sozialversicherungsrecht angemessen berücksichtigt werden, um eine inkongruente Belastung der Beitrags- und Steuerzahler und eine damit einhergehende Gefährdung von Beschäftigung zu vermeiden.

Die deutsche Mitbestimmung ist in Europa isoliert und deswegen mit anderen Beteiligungssystemen in Europa und dem europäischen Modell der Verhandlungslösung nicht kompatibel. Ihre Neugestaltung ist überfällig. Der Streit über die deutsche Ausgestaltung sollte aber nicht die Einführung der EPG blockieren. Zu achten ist aber darauf, dass es nicht zu einer – auch nur mittelbaren – Ausdehnung der nicht systemgerechten deutschen Mitbestimmung kommt.

Derzeit liegt ein Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom Juli 2010 vor, der sich noch in der Ressortabstimmung befindet. Zudem wurden im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes Änderungen der Insolvenzordnung vorgenommen.

Die Arbeitgeber bekennen sich zur Notwendigkeit einer europäischen Gesellschaftsform für mittlere und kleine Unternehmen. Die BDA wird den Prozess auf europäischer Ebene fördern. Bei der derzeit stattfindenden Kompromisssuche muss aber in jedem Fall sichergestellt werden, dass Mitbestimmung nicht noch ausgeweitet wird.

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Insolvenzrecht behutsam weiterentwickeln

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Arbeitsrecht

Bürokratieabbau weiter vorantreiben Ein konsequenter Abbau von bürokratischen Lasten ist alternativlos. Eine Berechnung nach dem sog. Standardkostenmodell hat eine Belastung der deutschen Wirtschaft durch Bürokratie von rd. 48 Mrd. € ergeben. Es ist auch ein Verdienst des Nationalen Normenkontrollrats (NKR),


permanent auf diesen Zusammenhang hingewiesen zu haben. Der NKR kommt damit vorbildlich seiner Aufgabe nach, die Reduzierung von Bürokratiekosten voranzutreiben. Die BDA hat gemeinsam mit anderen Verbänden bereits 2003 umfangreiche Vorschläge zum Bürokratieabbau gemacht und damit gezeigt, wie dem Wachstumskiller Bürokratie wirksam zu Leibe gerückt werden kann. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2011 25 % dieser Bürokratielasten abzubauen. Bislang ist davon allerdings erst die Hälfte erreicht. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass das Bundeskabinett mit Beschluss vom 27. Januar 2010 Eckpunkte vorgestellt hat, mit denen sie den Bürokratieabbau weiter vorantreiben möchte. Die deutsche Wirtschaft hat permanent auf Möglichkeiten hingewiesen, bürokratische Regelungen abzubauen. Im Juni 2010 hat die BDA gemeinsam mit BDI und DIHK beispielhaft zwölf bis ins Detail ausgearbeitete Vorschläge vorgelegt, die zum Abbau von bürokratischen Hemmnissen beitragen können. Eine konsequente Umsetzung dieser Vorschläge würde den Bürokratieabbau spürbar vorantreiben und den Standort Deutschland attraktiver machen. Mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktion zur Änderung des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG) ist die Bundesregierung einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gegangen. Der Gesetzentwurf zeigt, dass die Regierungsfraktionen ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ernst nehmen, den NKR zu stärken und den Bürokratieabbau zielgerichtet voranzutreiben. Positiv ist auch zu bewerten, dass der Begriff des Erfüllungsaufwands, der weiter ist als der Begriff der Bürokratiekosten, in das Gesetz aufgenommen werden soll. Dadurch wird die Prüfungskompetenz des NKR praxis­gerecht erweitert. Neben dem Abbau von Bürokratie muss darauf geachtet werden, dass keine neuen Belastungen durch Bürokratie aufgebaut werden. Ein negatives Beispiel in dieser Hinsicht ist der Entwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes. In diesem sind insgesamt 18 neue Informationspflichten enthalten, die gravierende bürokratische Belastungen für Unternehmen bedeuten.

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Bürokratieabbau“ sowie unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Bürokratieabbau

Belastungen durch Neuordnung der Rundfunkfinanzierung verhindern Am 15. Dezember haben die Ministerpräsidenten den Entwurf eines 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags (RÄStV) auf den Weg gebracht, mit dem ein neuer Rundfunkbeitrag eingeführt werden soll. Der Staatsvertrag soll im Jahr 2011 in den Länderparlamenten ratifiziert werden. 2012 soll die Umstellung organisatorisch vorbereitet werden. Ab Januar 2013 soll der neue Beitrag gelten. Die BDA hat den Entwurf des RÄStV gemeinsam mit zahlreichen anderen Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden kritisiert und Nachbesserungen gefordert. Der Staatsvertrag sieht einen Wechsel von der gerätebezogenen Erhebung der Rundfunkgebühr hin zu einem wohnungs- und betriebsstättenbezogenen Rundfunkbeitrag vor. Jede Betriebsstätte muss ab 2013 – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung eines Rundfunkgeräts – gestaffelt nach ihrer Beschäftigtengrößenklasse einen Rundfunkbeitrag entrichten. Dienstlich genutzte Kraftfahrzeuge und Hotelzimmer werden darüber hinaus gesondert herangezogen. Die Neuordnung führt in ihrer aktuellen Ausgestaltung zu zusätzlichen Belastungen und willkürlicher Ungleichbehandlung einzelner Branchen. Die Ministerpräsidenten haben den Forderungen der Wirtschaft insofern entsprochen, als Unternehmen mit bis zu acht Beschäftigten nun mit nur einem Drittel Beitrag belastet werden. Im Arbeitsentwurf des 15. RÄStV lag die Grenze für diese Beitragshöhe noch bei vier Beschäftigten. Damit werden kleine Unternehmen und einige Filialbetriebe im Vergleich zum Arbeitsentwurf entlastet. Zudem konnte die Wirtschaft sich dahingehend durchsetzen, dass pro Betriebsstätte ein nichtprivates Kraftfahrzeug beitragsfrei gestellt wird. Auch wurden die Auszubildenden bei der Definition der Beschäftigten herausgenommen, so dass sie bei der jeweiligen Berechnung des Beitrags keine Berücksichtigung finden.

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Arbeitsrecht

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Die Änderungen gehen aber nicht weit genug. Es ist weiterhin mit einer Mehrbelastung der Wirtschaft in Höhe von rd. 250 Mio. € im Vergleich zur jetzigen Gebühr zu rechnen. Die BDA hat sich für weitere Änderungen des Entwurfs des 15.  RÄStV eingesetzt: Der Wechsel von einem geräteabhängigen zu einem geräteunabhängigen Finanzierungsmodell ist zwar im Grundsatz richtig und baut Bürokratie ab. Das neue Modell kann aber nur breite gesellschaftliche Akzeptanz finden, wenn es keine Systemwidrigkeiten und groben Ungleichbehandlungen enthält. Der Grundsatz, Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu erheben, ist konsequent und uneingeschränkt umzusetzen. Die Belastung nichtprivater Kraftfahrzeuge zusätzlich zum bereits entrichteten Beitrag pro Betriebsstätte ist eine Abkehr vom geräteunabhängigen Ansatz. Sie belastet bestimmte Branchen willkürlich mehr als andere. Daran ändert auch die nachträglich eingeführte Befreiung eines Kraftfahrzeugs pro Betriebsstätte nichts. Das Gleiche gilt für die Erhebung nach Hotelzimmern. Diese Sondertatbestände müssen vollständig gestrichen werden. Mit dem Beitrag für die Unternehmen gestaffelt nach Beschäftigtengrößenklassen ist daher künftig die gesamte Rundfunknutzung der Wirtschaft abzugelten. Einige Branchen, darunter der Einzelhandel und die Gastronomie, beschäftigen eine besonders hohe Quote an Teilzeitkräften. In diesen Branchen wird es zu einer ungleich höheren Belastung kommen, weil jeder Teilzeitbeschäftigte mit Blick auf den Rundfunkbeitrag einem Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt wird. Um für diese Branchen eine willkürliche Mehrbelastung zu vermeiden, muss die Definition von Beschäftigten im RÄStV konkretisiert werden. Erforderlich ist deshalb eine Umrechung der Teilzeitbeschäftigten auf Vollzeitäquivalente. Die geplante Staffelung nach Beschäftigtengrößenklassen je Betriebsstätte führt zu willkürlichen Ergebnissen, da gleich große Unternehmen unterschiedlich stark belastet werden. Dies gilt vor allem für Filialunternehmen, die so deutlich schlechter gestellt werden. Um filialintensive Branchen nicht gegenüber anderen Branchen zu benachteiligen, muss sich die Staffelung des

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Arbeitsrecht

Beitrags an den Beschäftigtengrößenklassen der Unternehmen statt an denen der Betriebsstätten orientieren. Nur so kann eine Gleichbehandlung gleich großer Unternehmen gewährleistet ­werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Rundfunkbeitrag

40 Jahre Zeitschrift für Arbeitsrecht – 40 Jahre im Dienste der Arbeitsrechtswissenschaft Im Jahr 1970 ist zum ersten Mal die ZfA erschienen. Sie hat sich schnell zu einer in Wissenschaft, Richterschaft und Praxis hoch angesehenen wissenschaftlichen Publikation entwickelt. Im Jahr ihres 40-jährigen Bestehens kann sie auf eine Vielzahl wegweisender grundsätzlicher und aktueller Beiträge zu allen wichtigen Fragen des Arbeitsrechts zurückblicken. Die Zeitschrift hat wichtige rechtspolitische Impulse geliefert. Die wissenschaftliche Qualität der Zeitschrift beruht auf einem hochkarätigen Herausgeberkreis, bestehend aus Wissenschaftlern, Richtern, Unternehmensvertretern und Verbandsjuristen. Als einzige arbeitsrechtliche Fachzeitschrift liefert die ZfA jährlich einen umfassenden Überblick über die gesamte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und alle wissenschaftlichen Beiträge zum Arbeitsrecht des jeweiligen Vorjahres. Nähere Informationen unter www.wolterskluwer.de/ zfa





Tarifjahr 2010 – von der Krise in den Aufschwung

Entwicklung am Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat. Dass die Unternehmen in Deutschland den Rekordeinbruch so gut und zum großen Teil sogar viel besser überstanden haben als Unternehmen anderer europäischer Länder, ist nicht zuletzt einer äußerst verantwortungsvollen Tarifpolitik zu verdanken. Dazu gehörten moderate, produktivitätsorientierte Lohnerhöhungen in den letzten Jahren ebenso wie eine moderne Tarifpolitik, die den Betrieben durch Öffnungsklauseln mehr Flexibilisierungsspielräume bei Lohn und Gehalt, Sonderzahlungen oder Arbeitszeiten bietet. Letzteres gab den Betrieben den notwendigen

Das Tarifjahr 2010 stand ganz im Zeichen einer wirtschaftlichen Entwicklung, die sich im Laufe des Jahres gänzlich gedreht hat. Während das erste Halbjahr noch von der anhaltenden Wirtschaftskrise geprägt war, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage im zweiten Halbjahr schneller, als viele Prognosen zu hoffen gewagt hatten. Der Aufschwung erfasste viele Unternehmen in einem so hohen Maße, dass er sich in einer positiven

Lohnpolitisches Augenmaß vor der Krise sichert Beschäftigung Index 2000 = 100 120 119,4

115

110

108,9

105

106,7

100

100,0

100,4

110,0

102,9

102,9

103,1

2008

2009

2010

101,5 99,9

98,9

99,3

99,2

2004

2005

99,8

95

90 2000

2001

2002

2003

2006

Tarifliche Stundenlöhne und -gehälter Produktivität Erwerbstätige 2010: Prognose; Produktivität: reales Bruttoinlandsprodukt je Beschäftigtenstunde Quellen: Deutsche Bundesbank; Statistisches Bundesamt

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Tarifpolitik

2007


Tarifjahr 2011/2012 – Stabilisierungskurs halten Kündigungstermine

Branche

Tarifgebiete

Beschäftigte in 1.000

Gewerkschaft

11/10

Wohnungs-/Immobilienwirtschaft

West + Ost

60

IG BAU/ver.di

12/10

Steinkohlenbergbau Feinkeramische Industrie Energieversorgung – TG Vattenfall Deutsche Telekom AG Service Öffentlicher Dienst (Länder ohne Berlin) Hotel- und Gaststättengewerbe

West Ost West + Ost West + Ost West

40 8 16 50 700 111

IG BCE IG BCE IG BCE/ver.di ver.di ver.di NGG

01/11

Volkswagen AG

West

100

IGM

02/11 02/11–04/11

Textil- und Bekleidungsindustrie Chemische Industrie

West West + Ost

130 550

IGM IG BCE

03/11

Bauwirtschaft Druckindustrie Versicherungswirtschaft (Innendienst) Textilindustrie Zuckerindustrie Deutsche Lufthansa AG – Piloten Groß- und Außenhandel Einzelhandel Süßwarenindustrie Steine und Erden

West + Ost West + Ost West + Ost Ost West + Ost West + Ost West + Ost West + Ost West West + Ost

700 170 170 15 6 4,5 1.600 2.700 50 10

IG BAU ver.di ver.di/DHV/DBV IGM NGG VC ver.di ver.di NGG IG BAU

04/11

Holz- und kunststoffverarb. Industrie Systemgastronomie (BdS)

West + Ost West + Ost

200 80

IGM NGG

05/11

Energieversorgung – E.ON-Bereich

30

IG BCE

06/11

Maler- und Lackiererhandwerk Energieversorgung – GWE-Bereich

West + Ost

140 8,5

IG BAU IG BCE

07/11

Dachdeckerhandwerk

West + Ost

60

IG BAU

08/11

Öffentlicher Dienst – Ärzte komm. KH GaLaBau

West + Ost West + Ost

55 80

MB IG BAU

09/11

Kautschukindustrie (ADK)

West + Ost

43

IG BCE

10/11

Stahlindustrie

West

85

IGM

12/11

Deutsche Post AG Deutsche Lufthansa AG – Boden + Kabine Energieversorgung – AVEU-Bereich Gebäudereinigerhandwerk

West + Ost West + Ost Ost West + Ost

130 50 20 340

ver.di ver.di IG BCE IG BAU

02/12

Glasindustrie Banken Öffentlicher Dienst (Bund und Gemeinden)

Ost West + Ost West + Ost

11 260 2.000

IG BCE ver.di ver.di, dbb-TU

03/12

Metall- und Elektroindustrie

West + Ost

3.350

IGM

04/12

Kfz-Gewerbe

West + Ost

280

IGM

06/12

Zeitarbeit (AMP + BVD)

West + Ost

400

CGB

07/12

Genossenschaftsbanken

West + Ost

166

DBV/DHV

08/12

Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie

West

90

ver.di

2010

2011

03/11–04/11 03/11–06/11 03/11–07/11 03/11–08/11

2012

Quelle: BDA-Tarifarchiv

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Freiraum, sich schnell an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Allein durch die Arbeitszeitflexibilisierung konnten 2009 laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1,2 Mio. Jobs gesichert werden. Die Herausforderung in der zweiten Jahreshälfte bestand darin, den Wachstums­trend nicht sofort wieder auszubremsen. Kontraproduktiv waren vor diesem Hintergrund die mit dem Aufschwung reflexartig einhergehenden pauschalen Forderungen nach kräftigen Lohnerhöhungen, die von Gewerkschaften erhoben und die sogar aus den Reihen der Politik unterstützt wurden. Denn trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung hatten viele Unternehmen noch immer mit den Folgen der Krise zu kämpfen und bei Weitem noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass sich der Aufschwung – das bestätigen zahlreiche Wirtschaftsforschungsinstitute – nicht in diesem Ausmaß fortsetzen kann. Auslaufende Konjunkturprogramme und wachsende gesamtwirtschaftliche Risiken in wichtigen Exportmärkten werden die konjunkturelle Entwicklung 2011 bremsen. Hinzu kommt, dass Deutschland trotz verbesserter Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor zu den teuersten Wirtschaftsstandorten weltweit zählt. Um den positiven Konjunkturverlauf dennoch nachhaltig aufrechterhalten zu können, müssen die Standortfaktoren in Deutschland stetig verbessert werden. Tarifpolitisch bedeutet dies vor allem, den Kurs einer branchengerechten und produktivitätsorientierten Lohnpolitik mit den notwendigen betrieblichen Gestaltungsspielräumen auch in Zukunft konsequent fortzusetzen. Der sich in der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung widerspiegelnde Erfolg dieses Wegs sollte Ansporn sein. Die meisten Tarifabschlüsse des Jahres 2010 standen im Schatten des Wirtschaftseinbruchs und trugen der sich daraus ergebenden besonderen Lage der Branchen und ihrer Betriebe Rechnung. Im Mittelpunkt stand damit in erster Linie die Beschäftigungssicherung. Zusätzliche Belastungen galt es so gering wie möglich zu halten. So lag die Tarifanhebung in der Mehrheit der Tarifabschlüsse in einer Spanne von 1,2 % bis ca. 2 %. In der chemischen Industrie wurde sogar ganz auf tabellenwirksame Tariflohnsteigerungen verzichtet. In anderen Branchen wurden die

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Entgelte erst nach zahlreichen Nullmonaten angehoben – zuweilen erst nach 12 bzw. 15 Monaten. Mehr als ein Drittel der Abschlüsse sahen in den ersten Monaten anstatt Lohnsteigerungen nicht tabellenwirksame Einmalzahlungen vor. In diesem Zusammenhang spielten auch in der diesjährigen Tarifrunde Öffnungsklauseln eine wichtige Rolle. Die Tarifabschlüsse sahen insbesondere Flexibilisierungsmöglichkeiten im Entgeltbereich vor – in erster Linie in Form von zeitlicher Verschiebung oder Kürzung von Einmalzahlungen. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Unsicherheiten stand für die Betriebe das Streben nach Planungssicherheit im Mittelpunkt. So fielen die Laufzeiten mit größtenteils über 20 Monaten lang aus. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Tarifpolitik

Tarifabschlüsse 2010 – Beweis verantwortungsvollen Handelns Die Zweiteilung des Tarifjahres 2010 zeigte sich auch in den Tariflohnforderungen der Gewerkschaften. In der ersten Jahreshälfte – als die Wirtschaft noch ganz im Zeichen der Krise stand, was für viele Unternehmen mit großen Unsicherheiten verbunden war – verzichteten die Gewerkschaften in zahlreichen Branchen wie der Metall- und Elektroindustrie, der chemischen Industrie und bei den Banken auf Forderungen nach tabellarischen Entgeltanhebungen – ein in der Geschichte der Bundesrepublik z. T. einmaliger Vorgang. Ein wichtiger Beitrag zur Beschäftigungssicherung war der am 18. Februar 2010 erzielte Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie. In bemerkenswerter Weise haben die Tarifpartner bei Inhalt und Zustandekommen Realitätssinn und Verantwortung gezeigt. So hat die IG Metall auf die sonst üblichen Rituale verzichtet und ist ohne konkrete Entgeltforderung in die vorgezogenen Verhandlungen gegangen. Der Verzicht auf eine lineare Tariferhöhung für 2010 hat dem massiven Einbruch der Branche Rechnung getragen. Dafür erhielten die Beschäftigten für die ersten elf Monate eine angemessene Einmalzahlung von 320 €. Ab dem 1. April 2011 erfolgt eine Erhöhung der Tabellenentgelte um 2,7 %, die betrieblich um zwei Monate zeitlich sowohl nach vorne


Branchentarifverträge 2010 – Basis für den Aufschwung Tarifbereich Laufzeit

Eckpunkte Tarifabschluss

Metall- und Elektroindustrie (01.05.10–31.03.12)

320 € Einmalzahlung, 2,7 % ab 04/11 (betrieblich um 2 Monate verschiebbar)

Öffentlicher Dienst Bund und Gemeinden (01.01.10–29.02.12)

1,2 % ab 01/10, 0,6 % ab 01/11, 0,5 % ab 08/11; 240 € zusätzliche Pauschale in 01/11 als soziale Komponente

Kautschukindustrie (01.12.09–30.09.11)

200 € Einmalzahlung in 04/10, 170 € Einmalzahlung in 10/10, 2,1 % ab 01/11; 300 € ab 01/12 jährliche Einmalzahlung zur Verwendung für Langzeitkonten oder betriebliche Altersvorsorge

Zeitarbeit AMP (01.07.10–30.06.12)

3,4 % (Ost 4,1 %) ab 07/10 (E1 + E2 West, E2 Ost ab 10/10), 2,0 % (Ost 2,5 %) ab 07/11; Branchenzuschlag für Einsatz in Metall- und Elektroindustrie: E1 Ost 0,60 €; sonst 0,40 €

Zeitarbeit BZA (01.07.10–31.10.13)

2,5 % ab 07/10, 2,5 % ab 05/11, 1,28 % (Ost 1,74 %) ab 11/11, 2,5 % ab 11/12; EGr. 1 (Mindestlohn): stufenweise Anhebung bis 11/12 auf 8,19 € West / 7,50 € Ost

Chemische Industrie (Apr/Mai/Jun 10–Feb/Mrz/Apr 11)

keine Entgelterhöhung 550 € Einmalzahlung (für Schichtarbeiter bis 715 €) in 06/10; 200 € Konjunkturbonus (für Schichtarbeiter bis zu 260 €) in 06/10

Zeitarbeit BVD (01.07.10–30.06.12)

3,6 % (Ost 4,1 %) ab 07/10 (E1 West ab 10/10), 2,2 % (Ost 1,7 %) ab 07/11; Branchenzuschlag bei Einsatz von Metall- und Elektroberufen in Metall- und Elektroindustrie: E1 Ost 0,60 €; sonst 0,40 €

Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie – West (01.05.10–31.08.12)

6 Nullmonate 05/10–10/10, 1,3 % ab 11/10, 1,5 % ab 05/11, 1,3 % ab 03/12

Öffentlicher Dienst – Ärzte kommunale Krankenhäuser (01.01.10–31.08.11)

400 € Einmalzahlung, 2,0 % ab 05/10

Banken (01.05.10–29.02.12)

300 € Einmalzahlung, 1,6 % ab 01/11

Zuckerindustrie (01.04.10–31.03.11)

2 Nullmonate 04/10–05/10, 2,5 % ab 06/10

Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (01.09.10–31.08.11)

2,0 % (Ost 2,5 %) ab 09/10

Stahlindustrie (Nordwest) (01.09.2010–31.10.2011)

150 € Einmalzahlung, 3,6 % ab 10/10

Quelle: BDA-Tarifarchiv

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Löhne im internationalen Vergleich: Deutschland in Spitzengruppe Durchschnittliche Bruttostundenlöhne und -gehälter im verarbeitenden Gewerbe, 2009

Norwegen

34,08

Schweiz

30,94

Dänemark

29,72

Luxemburg

28,75

Deutschland (West)

27,57

Finnland

26,89

26,30

Deutschland Belgien

25,76

Niederlande

25,22

Irland

24,60

Österreich

24,35

Frankreich

22,13

Schweden

21,74

Italien

18,69

Japan

18,13

USA

17,84

Großbritannien

17,26

Kanada

16,77

Deutschland (Ost)

16,68

Spanien

15,86

Griechenland

11,76

Slowenien

11,13

Portugal

7,94

Tschechische Republik Slowakische Republik

6,43 5,77

Ungarn

5,00

Polen

4,77

Rumänien

2,55

Bulgarien

1,97

0

5

10

15

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2010

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20

25

30

35

40

in €


als auch nach hinten verschoben werden kann. Damit haben die Betriebspartner den notwendigen Gestaltungsspielraum, um die künftige wirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen. Vor dem Hintergrund der vorherrschenden schnellen wirtschaftlichen Erholung haben einige große Unternehmen, insbesondere aus der Automobilindustrie, bereits angekündigt, die Tariflohnsteigerung auf den Februar vorziehen zu wollen. Zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses stand die Sicherung der Beschäftigung in den Betrieben im Vordergrund. Dazu wurden die Möglichkeit zur Senkung der beim Arbeitgeber verbleibenden Kosten bei gesetzlicher Kurzarbeit sowie Gestaltungsspielräume für die betriebliche Beschäftigungssicherung ausgebaut. Die lange Laufzeit des Tarifvertrags von 23 Monaten gibt den Unternehmen

Planungssicherheit. Vor dem Hintergrund dieser Laufzeit wird auch deutlich, dass die in der zweiten Jahreshälfte aufgekommene ­Diskussion von Politik und Gewerkschaften über höhere Lohnsteigerungen zur Unzeit geführt wurde. In der chemischen Industrie ist die IG BCE ebenfalls ohne konkrete Lohnforderung in die Tarifrunde gestartet. Bereits in der ersten bundesweiten Verhandlungsrunde am 21. April 2010 konnte ein krisengerechter Tarifabschluss erreicht werden, der komplett auf tabellarische Entgeltanhebungen und damit auf eine Dauer­ belastung der Unternehmen verzichtet. Die vereinbarte Einmalzahlung in Höhe eines Basisbetrags von 550 € ist moderat und bietet Raum für unternehmensspezifische Differenzierungen.

Deutschland – fünfthöchstes Lohnniveau weltweit Kaum geht es mit den Konjunkturprognosen wieder nach oben, werden Forderungen nach kräftigen Lohnsteigerungen laut – nicht nur von den Gewerkschaften, von denen dies zu erwarten ist, sondern auch aus den Reihen der Politik. Sogar die französische Finanzministerin Christine Lagarde forderte mit Blick auf die Wettbewerbsposition anderer EU-Länder die Unternehmen in Deutschland dazu auf, die Löhne deutlich zu erhöhen. In der Tat hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland auch aufgrund der moderaten, produktivitätsorientierten Lohnentwicklung der letzten Jahre verbessert. Das bestätigte zuletzt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die verantwortungsvolle Lohnpolitik ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem niedrigen Einkommensniveau. Ganz im Gegenteil: Im internationalen Vergleich der Bruttostundenlöhne und -gehälter belegt Deutschland nach wie vor eine Spitzenposition. Mit einem durchschnittlichen Stundenlohn im verarbeitenden Gewerbe von über 26 €, in Westdeutschland sogar von fast 28 €, steht Deutschland auf Platz 5 der weltweit höchsten Verdienste. Zum Vergleich: In Frankreich liegt der entsprechende Durchschnittslohn mit knapp über 22 € pro Stunde deutlich unter dem deutschen Einkommensniveau. Damit gehört Deutschland nach wie vor zu den teuersten Industriestandorten weltweit. Das Arbeitskostenniveau Deutschlands liegt mit über 34 € pro Stunde 23 % über dem Durchschnitt der anderen Industrieländer, Westdeutschland liegt mit über 36 € pro Stunde sogar 29 % darüber. Im Krisenjahr stiegen darüber hinaus die Lohnstückkosten stark an, im produzierenden Gewerbe sogar um 16 %. Das lag vor allem daran, dass die Produktivität in den Betrieben durch sinkende Auftragslagen, Kurzarbeit und Abschmelzen von Arbeitszeitkonten sank. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Arbeitskosten

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Bei der Beschäftigungssicherung haben die Tarifparteien auf die Vermeidung von Entlassungen und den Erhalt der Fachkräfte durch regionale Netzwerke gesetzt. Im Bereich Ausbildung zeigt der Abschluss, dass die Tarifparteien nicht nur bestrebt sind, vorhandene Fachkräfte an die Branche zu binden, sondern auch in der Krise das hohe Niveau an Ausbildungsplätzen zu erhalten. Die Tarifpartner der chemischen Industrie setzten auf eine eher kurze Laufzeit von elf Monaten. Am 28. Februar 2010 übernahmen die Tarifpartner im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen nach einer schwierigen Suche nach einem Kompromiss das drei Tage zuvor getroffene Schlichtungsergebnis. Der Tarifabschluss sieht während der 26-monatigen Laufzeit ab Januar 2010 eine Entgeltanhebung von 1,2 % vor. Im darauf folgenden Jahr werden ab Januar, neben der Gewährung einer Einmalzahlung von 240 €, die Tariflöhne um 0,6 % und ab August um 0,5 % erhöht. Darüber hinaus wird die leistungsorientierte Vergütung bis 2013 in vier Stufen von 1,0 % auf 2,0 % des Entgelts ausgebaut. Neben Einschränkungen bei der Regelung zur Altersteilzeit und dem Regelarbeitsentgelt wurde das sog. FALTER-Modell vereinbart. Bei diesem Modell zur flexiblen Altersteilzeitregelung können Beschäftigte zwei Jahre vor und zwei Jahre nach der abschlagsfreien Zugangsmöglichkeit in Altersrente ihre Arbeitszeit um die Hälfte reduzieren und mit einer Teilrente in Höhe von 50 % der jeweiligen Altersrente ausgleichen. Am 20. Mai 2010 einigten sich der Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung und ver.di in der dritten Verhandlungsrunde auf einen Abschluss, der den Betrieben durch eine lange Laufzeit von 28 Monaten Planungssicherheit gibt. Die Lohnentwicklung fällt mit sechs Nullmonaten und einer dreistufigen Entgeltanhebung von 1,3 % ab 1. November 2010, 1,5 % ab 1. Mai 2011 und 1,3 % ab 1. März 2012 moderat aus. Im Bankengewerbe war ver.di – anders als im öffentlichen Dienst – ohne konkrete Lohnforderung in die Verhandlung gegangen. Dafür hatten die Gewerkschaften den Gesundheitsschutz in den Fokus der Gewerkschaft gestellt. Im Ergebnis gelang am 10. Juni 2010 ein moderater Entgeltabschluss, in dem mit einer gemeinsamen Erklärung

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zum Gesundheitsschutz eine normative Regelung verhindert werden konnte. Die 22-monatige Laufzeit begann mit acht Nullmonaten und einer Einmalzahlung von 300 € zum 1. August 2010. Ab 1. Januar 2011 werden die Tariflöhne um 1,6 % angehoben. Zum betrieblichen Gesundheitsschutz wurde eine Erklärung verfasst, mit der keine unmittelbaren Rechte und Pflichten verbunden sind. Mit wachsender Auftragslage und Zuversicht der Wirtschaftsforschungsinstitute über die weitere Entwicklung der Konjunktur stiegen im zweiten Tarifhalbjahr die Forderungen der Gewerkschaften überproportional auf z. B. 6 % in der Stahl­industrie. Auch für das Tarifjahr 2011 reißt das hohe Forderungsniveau nicht ab. So liegen die ersten Entgeltforderungen für Branchen, die Anfang 2011 ihre Tarifverhandlungen beginnen, in einer Spanne von 5 % bis 7 %. Der Tarifabschluss der westdeutschen Stahl­ industrie vom 30. September 2010 erklärt sich vor allem vor dem Hintergrund der konjunkturellen Sondersituation der Branche. Nach einer Einmalzahlung von 150 € für den September folgte ab Oktober eine Entgeltanhebung um 3,6 % bei einer Gesamtlaufzeit von 14 Monaten. Darüber hinaus wurde ein „Tarifvertrag zur Bezahlung von Leiharbeitern“ vereinbart, der die Stahlunternehmen verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Zeitarbeitnehmer gegen ihr Zeitarbeitsunternehmen einen Anspruch in der Höhe eines Vergleichsentgelts – nicht Equal Pay – haben. Diese Regelung ist rechtlich wie tarifpolitisch problematisch. Zeitarbeitnehmer sind nicht bei den Stahl-, sondern bei den Zeitarbeitsunternehmen angestellt und diese sind nicht Vertragspartei des Tarifvertrags der Stahlindustrie. Die Regelung zur Zeitarbeit kann damit keinesfalls Beispielcharakter für andere Branchen haben. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Tarifverhandlungen

Gesundheitsförderung: kein Gegenstand der Tarifpolitik Die Gewerkschaften versuchen auf unterschiedlichen Wegen ihren Einfluss in den Unternehmen auszubauen. Aus diesem Grund gewinnt auch


das Thema „Gesundheitsförderung“ als Gegenstand tarifpolitischer Forderungen zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen der Kampagne „Gute Arbeit“ und im weiteren Kontext auch mit der Bekämpfung der „Rente mit 67“ werden verstärkt die mangelnde Berücksichtigung von gesundheitlichen Anforderungen von Beschäftigungen und angebliche Defizite im betrieblichen Gesundheitsschutz und in der Gesundheitsförderung angeprangert. Dahinter steht regelmäßig der Versuch, stärkeren Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen sowie auf Fragen der Arbeits- und Organisationsgestaltung zu nehmen. So findet sich immer häufiger die Forderung nach weiteren Instrumenten der betrieblichen Mitbestimmung, z. B. in Form von Arbeitskreisen und Gesundheitszirkeln. Deutsche Unternehmen sind durch bestehende Gesetze bereits umfassend zum Gesundheitsschutz vor konkreten berufsbedingten Gefahren und schädigenden Belastungen verpflichtet. Die betriebliche Gesundheitsförderung hat darüber hinausgehend das Ziel, Gesundheitsressourcen im jeweiligen Betrieb aufzubauen. Im Gegensatz zu dem durch gesetzliche Handlungspflichten geprägten Arbeits- und Gesundheitsschutz handelt es sich daher um eine Materie, die von den Unternehmen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten frei gestaltbar sein muss. So gibt es in den Betrieben bereits eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen zur Verbesserung der konkreten Arbeitsbedingungen und zur Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine wirksame Gesundheitsförderung nicht allein in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, sondern die Arbeitnehmer in hohem Maße Eigenverantwortung tragen. Arbeitnehmer verbringen nur einen Teil ihrer Zeit an ihrem Arbeitsplatz, so dass betriebliche Maßnahmen nur eine begrenzte Wirkung haben. Verpflichtungen auf tariflicher Ebene sind nicht geeignet, sinnvolle und auf den jeweiligen Betrieb zugeschnittene Lösungen zu unterstützen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Tarifpolitik

Jobmotor Zeitarbeit sichern Die Zeitarbeitsbranche hat sich zu einer Schlüsselbranche in Deutschland entwickelt. Den Unternehmen gibt sie die in einer zunehmend international verflochtenen Wirtschaft ­notwendige Flexibilität. Damit hat auch die Zeitarbeit einen wichtigen Anteil an der erfolgreichen Überwindung der Krise. Vor allem aber stellt sie sicher, dass sich der beginnende Aufschwung sehr frühzeitig in neuer Beschäftigung niederschlagen kann. Denn zu einem Zeitpunkt, der noch von großer Unsicherheit geprägt ist, sind Unternehmen kaum in der Lage, bereits die eigene Belegschaft aufzustocken. Damit profitiert auch der Arbeitsmarkt von der Zeitarbeit. Zudem ist Zeitarbeit für Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte ein unverzichtbares Sprungbrett in Beschäftigung. Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Zeitarbeit war es wichtig, dass im Frühjahr neue und vor allem rechtssichere Tarifverträge von den Tarifpartnern der Branche vereinbart wurden. Unsicherheiten über die Anwendung der Zeitarbeitstarifverträge waren u. a. entstanden vor dem Hintergrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zur Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP), die am 14. Dezember 2010 vom Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt wurde. Diese Entscheidung betrifft nicht die geltenden Branchentarifverträge in der Zeitarbeit, vor allem nicht die Tarifwerke vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und vom Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen (BVD). Diese neuen mehrgliedrigen Tarifverträge traten bereits Anfang 2010 in Kraft und wurden mit den christlichen Einzelgewerkschaften abgeschlossen. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Entscheidung zur rückwirkenden Unwirksamkeit der alten Tarifverträge führen kann. Dazu hatte sich das BAG am Tag der Entscheidung nicht geäußert. Dagegen spricht die besondere rechtliche Konstruktion der Zeitarbeitsbranche, weshalb aufkommende Forderungen nach sofortigem Handlungsbedarf zurückzuweisen sind. Mit den langfristigen vom Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) mit den

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DGB-Gewerkschaften und AMP und BVD mit den Christlichen Gewerkschaften vereinbarten Tarifabschlüssen wurden nicht nur neue, angemessene Entgelte vereinbart. Die Tarifpartner haben zudem Lösungen gefunden, mit denen Missbräuche, die – ausgelöst durch den Fall Schlecker – zu einer massiven öffentlichen Diskussion über die Zeitarbeit geführt haben, zukünftig tarifvertraglich ausgeschlossen sind. Wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zusätzlich mit einer „Drehtürklausel“ im Arbeitnehmerüberlassungsgestz (AÜG) reagieren will, ist dies damit eigentlich überflüssig, bei einer Orientierung an den tarifvertraglichen Klauseln aber auch unschädlich. Keinesfalls dürfen dadurch jedoch zusätzlich Hürden aufgestellt werden, die den arbeitsmarktpolitisch sinnvollen Einsatz von Zeitarbeit behindern. Die Herstellung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für die EU-Mitgliedsländer Mittel- und Osteuropas ab 1. Mai 2011 darf nicht dazu führen, dass die Zeitarbeit in Deutschland beschädigt wird. Es ist zu erwarten, dass ohne ein Handeln des Gesetzgebers ab Mai 2011

Zeitarbeitsunternehmen aus diesen Ländern mit deutlich niedrigeren Tariflöhnen am deutschen Zeitarbeitsmarkt aktiv werden. Diese Fälle hätten, auch wenn sie zahlenmäßig unbedeutend wären, eine Diskreditierung der gesamten Zeitarbeitsbranche zur Folge. Vor diesem Hintergrund unterstützt die BDA das Bestreben der Branche, die in Deutschland bereits flächendeckend geltenden untersten Löhne der Zeitarbeit auch auf ausländische Zeitarbeitsunternehmen und deren in Deutschland eingesetzte Arbeitnehmer zu erstrecken. Es geht damit nicht um die Einführung eines neuen Mindestlohns. In Deutschland gelten faktisch in der Zeitarbeit bereits flächendeckend tarifliche Mindestlöhne. Dies ist eine Folge der gesetzlichen Konstruktion. Wegen der ansonsten bestehenden Verpflichtung zum Equal Pay finden die Tarifverträge der Zeitarbeit zu fast 100 % unmittelbar oder durch Bezugnahme Anwendung. Die Tarifvertragsparteien der Branchen haben inzwischen mit einer einheitlichen Lohnuntergrenze auch die Voraussetzung für die Erstreckung geschaffen. AMP und BVD haben mit den Christlichen Gewerkschaften Mindestlohntarifverträge unterzeichnet, deren Entgelthöhe den

Zeitarbeit – Erwartungen des Gesetzgebers erfüllt Elfter Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmer­überlassungsgesetzes Zu Beginn des Jahres 2010 hat die Bundesregierung den Elften Bericht über Erfahrungen bei der Anwendung des AÜG veröffentlicht. Die Ergebnisse bestätigen die Bedeutung der Zeitarbeit für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die zusätzlichen Beschäftigungschancen für Arbeitslose. Die Bundesregierung erkennt an, dass Zeitarbeit Brücken baut für den Einstieg oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Insbesondere für Langzeitarbeitslose sei Zeitarbeit eine unverzichtbare Chance auf einen Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die Erwartungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Reform 2002, zusätzliche Beschäftigung zu erschließen, hätten sich erfüllt. Zeitarbeit biete in der Regel voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Der überwiegende Teil der ehemaligen Zeitarbeitnehmer befinde sich auch mittelfristig weiterhin in Beschäftigung. Auch zeigen die Ergebnisse des Berichts, dass Zeitarbeit nicht zu Lasten der Stammbelegschaft geht.

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vom BZA mit den DGB-Gewerkschaften vereinbarten Mindestlöhnen entspricht. Die Mindestlohntarifverträge gelten bis Oktober 2013 und sehen stufenweise Erhöhungen bis 8,19 € (West) und 7,50 € (Ost) vor. Höchst problematisch ist der aus der FDPBundestagsfraktion unterbreitete Vorschlag einer zeitlichen Begrenzung der Tariföffnungsklausel im AÜG. Equal Pay würde Zeitarbeit in einem Maße verteuern und zu neuer Bürokratie in einem Umfang führen, dass ihr Einsatz in vielen Fällen nicht mehr stattfinden könnte. Dies hätte massive Auswirkungen nicht nur auf die Zeitarbeit, sondern auf die gesamte deutsche Wirtschaft. Betroffen wären zudem im besonderen Maße gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose, für die bisher Zeitarbeit eine Brücke in Beschäftigung ist. Ganz praktisch betrachtet richtet sich der Vorschlag zudem gegen den Mittelstand: Große Zeitarbeitsunternehmen werden eine Rotation der Zeitarbeitnehmer organisieren, wozu kleine und mittelständische Zeitarbeitsunternehmen und deren mittelständische Kunden kaum in der Lage sind. Darüber hinaus würde der Vorschlag nicht verhindern, dass in

den ersten Monaten der Überlassung Zeitarbeitnehmer zu polnischen Tarifverträgen von unter 5 € in Deutschland zum Einsatz kommen. Zeitarbeit ist eine eigenständige Branche, so dass auch eine eigene, branchenbezogene tarifvertragliche Vergütung gerechtfertigt ist. Wie in keiner anderen Branche werden die Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit flächendeckend von Tarifverträgen bestimmt. Eine Einschränkung der tariflichen Öffnungsklausel käme der staatlichen Zensur dieser Tarifverträge gleich. Mit dem Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch in der Arbeitnehmerüberlassung, den das BMAS im zweiten Halbjahr vorgelegt hat, soll nicht nur eine „Drehtürklausel“ zur Verhinderung künftiger „Schlecker-Fälle“ eingebaut werden. Es soll zugleich die europäische Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104/EG in das deutsche Recht umgesetzt werden. Der Entwurf sieht u. a. Ansprüche des Zeitarbeitnehmers gegen den Einsatzbetrieb auf Information über freie Arbeitsplätze und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten vor. Dabei setzt sich die BDA mit Nachdruck dafür ein, dass die Umsetzung der Zeitarbeitsrichtlinie

Zeitarbeit – Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung Tätigkeit der Arbeitnehmer vor Zeitarbeit, in %

7,6 8,5 36,0

beschäftigt weniger als 1 Jahr arbeitslos 1 Jahr und länger arbeitslos

47,8

noch nie beschäftigt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Stichtag: 31. Dezember 2009

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auf das wirklich Notwendige beschränkt wird, also kein „gold plating“ betrieben und dadurch neue Beschäftigungshürden aufgebaut werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Zeitarbeit

Branchenmindestlöhne müssen Ausnahme bleiben Erfreulicherweise hat die Regierungskoalition einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn eine

Absage erteilt und sich klar zur Tarifautonomie bekannt. Dementsprechend war die Entscheidung folgerichtig, dass zukünftig alle Mindestlohnverordnungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) nur unter Beteiligung des Tarifausschusses zustande kommen sollen. Damit wird in der Praxis der Zustand wiederhergestellt, der bis 1998 geltendes Recht war. Die begrüßenswerte Stärkung der Rolle des Tarifausschusses hat die BDA dazu veranlasst, die Kriterien nochmals klarzustellen, nach denen den Arbeitgebervertretern im Tarifausschuss die Zustimmung zu Anträgen empfohlen werden kann.

Bundesverwaltungsgericht stärkt Rechtsschutz gegen die staatliche Erstreckung von Tarifverträgen Nach zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) wird das BMAS bzw. die entsprechenden Landesministerien zukünftig stärker darauf achten müssen, dass bei der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) und Erlass einer Verordnung nach dem AEntG die gesetzlichen Vorgaben genau beachtet werden. Das BVerwG hatte am 28. Januar 2010 (8 C 19.09) die bereits von den Vorinstanzen festgestellte Rechtswidrigkeit der Postmindestlohn-Verordnung bestätigt. Nach Auffassung des Gerichts waren die Rechtspositionen der Kläger (mehrere private Konkurrenten der Post und deren Verbände) im Rahmen des Verordnungsverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Gericht betonte, dass für den Erlass einer Mindestlohnverordnung nach dem AEntG der Beteiligung der Betroffenen wegen des Verzichts auf weiter gehende inhaltliche oder formelle Vorgaben ein besonderes Gewicht zukomme. Insbesondere wegen der unmittelbaren und tief greifenden Wirkung einer Rechtsverordnung im Hinblick auf verfassungsrechtlich geschützte Positionen der Betroffenen sei diese von besonderer Bedeutung. Da die Verordnung bereits an formalen Fehlern litt, musste sich das Gericht nicht mit den massiven Folgen dieser Monopolsicherungsverordnung auseinandersetzen: Der Postmindestlohn hatte bereits kurz nach seinem Erlass tausende Arbeitsplätze gekostet. Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags ist davon auszugehen, dass Branchenmindestlöhne nur noch staatlich verordnet werden können, wenn der paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte Tarifausschuss zustimmt. Die Arbeitgeber werden einem neuen gegen Wettbewerb und Beschäftigung gerichteten Postmindestlohn jedenfalls nicht zustimmen. In einer zweiten Entscheidung hat das BVerwG am gleichen Tag betroffenen Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt, mit einer Feststellungsklage unmittelbar gegen die AVE von Tarifverträgen nach dem TVG vorzugehen (8 C 38.09). Damit ist die bisher umstrittene Frage geklärt, ob und mit welcher Klageart Arbeitgeberverbände Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch nehmen und die AVE inhaltlich überprüfen lassen können.

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Branchenmindestlöhne weiterhin Ausnahmeinstrument Branche

Laufzeit

Mindestentgelt in €/Stunde West

Ost

Abfallwirtschaft inklusive Straßenreinigung und Winterdienst

01.01.11–31.08.11

8,24

Bauhauptgewerbe

01.09.10–30.06.11

ML I: 10,90 ML II: 12,95

9,50

01.07.11–30.11.11

ML I: 11,00 ML II: 13,00

9,75

Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken

24.10.09–31.12.10

ML I: 11,17 ML II: 12,41

Dachdeckerhandwerk

19.03.10–31.12.10

10,60

01.01.11–31.12.11

10,80

01.01.11–31.12.11

9,70

8,40

01.01.12–31.12.12

9,80

8,65

01.01.13–31.12.13

9,90

8,85

10.03.10–31.12.10

ML I: 8,40 ML II: 11,13

ML I: 6,83 ML II: 8,66

01.01.11–31.12.11

ML I: 8,55 ML II: 11,33

ML I: 7,00 ML II: 8,88

01.09.10–30.06.11

ML I: 9,50 ML II: 11,50

9,50

01.07.11–29.02.12

ML I: 9,75 ML II: 11,75

9,75

01.08.10–31.12.11

8,50

7,50

01.01.12–30.06.13

8,75

7,75

01.07.13–31.12.14

9,00

8,00

Elektrohandwerk

Gebäudereinigerhandwerk

Maler- und Lackiererhandwerk

Pflegedienste (Altenpflege)

Wach- und Sicherheitsgewerbe (Antrag gestellt)

Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft

regional differenzierte Mindestlöhne 01.01.11–30.04.11

6,53–8,46

6,25–6,53

01.05.11–29.02.12

6,53–8,60

01.03.12–31.12.12

7,00–8,75

01.01.13–30.06.13

7,50–8,90

01.04.10–31.03.11

7,65

6,50

01.04.11–31.03.12

7,80

6,75

01.04.12–31.03.13

8,00

7,00

Quelle: BDA-Tarifarchiv

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Vorrang der Tarifautonomie vor staatlicher Lohnfestsetzung – Grundsätze der Arbeitgeber zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen und zur Anwendung des Arbeitnehmer-Entsende- und Mindestarbeitsbedingungengesetzes Beschluss des Präsidiums der BDA, 18. Januar 2010 (Auszug) 2. Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen als Ausnahmeinstrument Das BDA-Präsidium empfiehlt den Arbeitgebervertretern im paritätisch besetzten Tarifausschuss, einem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit von Mindestlohntarifverträgen grundsätzlich zuzustimmen, wenn die geltenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und

beide Tarifvertragsparteien die Allgemeinverbindlichkeit des Mindestlohntarifvertrags wollen,

es sich bei dem tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn um die unterste Lohngruppe handelt,

eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern der Branche erheblich unter den jeweils geltenden Tariflöhnen beschäftigt wird,

der Mindestlohn auch im Verhältnis zu anderen, vergleichbaren Branchen nicht überdurchschnittlich hoch ist und

durch die Allgemeinverbindlichkeit keine in der Branche konkurrierenden Tarifverträge verdrängt werden.

3. Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf Entsendeprobleme beschränken und Missbrauch unterbinden Die Aufnahme weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann in Betracht kommen, wenn unerwünschte soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer nachgewiesen sind und ein Mindestlohntarifvertrag besteht, der zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Diese Situation kann für vereinzelte Branchen entstehen, wenn ab dem 1. Mai 2011 die volle Freizügigkeit für die Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas besteht. Für die Arbeitgeber beurteilen sich auch Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) aus Branchen des Entsendegesetzes nach den gleichen Maßstäben wie AVE-Anträge aus anderen Branchen. Es gelten daher auch für das Verfahren nach dem Entsendegesetz die unter 2. aufgestellten Grundsätze, wobei die jeweilige Entsendeproblematik in der betreffenden Branche zu berücksichtigen ist. 4. Keine Anwendung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes Das Mindestarbeitsbedingungengesetz ist – aus guten Gründen – von keiner Bundesregierung jemals angewandt worden. Die BDA sieht auch in Zukunft keinen Sinn darin, dieses Gesetz anzuwenden. Wir wenden uns gegen jede Form staatlicher Lohnfestsetzung. Der Staat sollte sich aus der Lohngestaltung heraushalten. Anders als in anderen europäischen Ländern mit z. T. gesetzlichen Mindestlöhnen gibt es in der Bundesrepublik Deutschland eine funktionierende Tarifautonomie, ein gesetzlich garantiertes Mindesteinkommen und schon heute einen gesetzlichen Schutz vor sittenwidrigen Löhnen.

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Erstmals hatte der Tarifausschuss beim Gebäudereiniger- und Dachdeckerhandwerk Gelegen­heit, entsprechend der Festlegung der Regie­ rungskoalition auch im Rahmen des Verordnungsverfahrens nach dem AEntG sein Votum abzugeben. Unter Berücksichtigung der besonderen Situation in diesen Branchen konnte der Tarifausschuss in beiden Fällen zustimmen. Die neue Mindestlohnverordnung für die Gebäudereinigung ist am 10. März 2010 und die für das Dachdeckerhandwerk am 19. März 2010 in Kraft getreten. Für die Pflegebranche hatte der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der unter besonderem verfassungsrechtlichem Schutz stehenden spezifischen kirchenrechtlichen Regelungen des „Dritten Weges“ Sonderregelungen im AEntG geschaffen. Die auf dieser Basis unter Beteiligung des Arbeitgeberverbands Pflege eingerichtete Pflegekommission konnte sich nach intensiven Verhandlungen einstimmig auf die Festsetzung von Mindestentgelten verständigen. Dabei wurde sichergestellt, dass keine in der Branche bestehenden Tarifverträge außer Kraft gesetzt wurden. Die vom BMAS daraufhin erlassene Verordnung trat zum 1. August 2010 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2014. Sie sieht Mindestentgelte in Höhe von 8,50 € (West, inklusive Berlin) und 7,50 € (Ost) vor, die ab Juli 2013 auf 9 € (West) und 8 € (Ost) ansteigen. Die Verordnung gilt für Pflegebetriebe, die überwiegend ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen, und Arbeitnehmer, die Grundpflegedienstleistungen durchführen. Für den Bereich der Aus- und Weiterbildung hat das BMAS dem Antrag auf Erlass einer Mindestlohnverordnung inzwischen eine Absage erteilt. Die Arbeitgebervertreter im Tarifausschuss hatten den entsprechenden Antrag bereits im August 2009 wegen fehlender rechtlicher Voraussetzungen abgelehnt. So gab es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Tarifvertrags, der in einer Art „In-sich-Geschäft“ zwischen den Gewerkschaften und einem von deren Unternehmen dominierten Zweckverband abgeschlossen worden war. Zudem fehlte dem Tarifvertrag die notwendige Repräsentativität, da die in der Zweckgemeinschaft organisierten Unternehmen nur einen Bruchteil der Beschäftigten der beruflichen Aus- und Weiterbildungsbranche beschäftigen. Diesen Bedenken hat

sich nun wohl auch das BMAS angeschlossen und den Antrag zu Recht abgelehnt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie Allgemeinverbindlicherklärung

Kein gesetzlicher Mindestlohn durch die Hintertür Auf Landesebene zeigt sich die Tendenz, die Spielräume für gesetzliche Lohnvorgaben im Bereich der öffentlichen Vergabe auszureizen. Zunehmend beschränken sich die Bundesländer nicht auf die notwendigen Korrekturen der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2008 für europarechtswidrig erklärten früheren Tariftreue­ klauseln. Statt die richtigen Lehren zu ziehen und verzerrende Eingriffe in die Wirtschaftsordnung ganz zu unterlassen, gehen einige Landesgesetzgeber wieder deutlich über die vom EuGH gesteckten Grenzen hinaus und sehen teilweise sogar die Verpflichtung zur Einhaltung von Mindestlöhnen vor. In der Diskussion sind vergabespezifische Mindestlöhne von 7,50 € bis sogar 10 €. Durch Rechtsverordnung, teilweise auch unter Mitwirkung einer Mindestlohnkommission, soll zudem eine regelmäßige Anpassung dieses Vergabemindestlohns möglich sein. Über den Umweg des Vergaberechts wird damit versucht, einem flächendeckenden Mindestlohn Vorschub zu leisten. Dabei ist das Vergabe­ recht nicht vorgesehen und auch nicht geeignet zur Durchsetzung von allgemeinen politischen, sozialen oder gesellschaftspolitischen Zielen. Zudem begegnen die aktuellen Entwicklungen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Festsetzung von Löhnen ist Sache der Tarifvertragsparteien. Mit vergaberechtlichen Mindestlohnregelungen greift der Landesgesetzgeber massiv in den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Bereich der Koalitionen ein. Auch auf Landesebene gilt der Vorrang der Tarifautonomie vor staatlicher Lohnfestsetzung. Schließlich missachten ­vergabespezifische Mindestlohnregelungen auf Landesebene, dass der Bundesgesetzgeber bereits abschließend Regelungen zu Mindestlöhnen erlassen hat. Bei dem Mindestarbeitsbedingungengesetz, dem TVG und dem AEntG handelt es sich um ein Gesamtkonzept,

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mit dem die Möglichkeiten zur Regelung von Mindestlöhnen und die Erstreckung von Tarifverträgen auf Dritte umfassend geregelt werden sollten. Die aufgeführten Gesetze erlauben bewusst keinen generellen branchenübergreifenden Mindestlohn, was dem Landesgesetzgeber keinen Spielraum belässt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Mindestlohn

Rechtsprechung zu Flashmob mit Verfassungsbeschwerde angegriffen Die Diskussion über die Zulässigkeit von sog. Flashmob-Aktionen geht auf verfassungsrechtlicher Ebene weiter. In seiner Entscheidung vom 22. September 2009 (1 AZR 972/08) hatte das BAG entschieden, dass gewerkschaftlich organisierte Aktionen, bei denen die Teilnehmer durch den koordinierten Kauf von Kleinstartikeln oder das Stehenlassen von vollen Einkaufswagen in einem Einzelhandelsgeschäft ihren Tarifforderungen Nachdruck verleihen wollen, von der Arbeitskampffreiheit gedeckt und auch verhältnismäßig sind. Der Handelsverband Berlin-Brandenburg hat gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt, in deren Rahmen auch die BDA gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Stellung bezogen hat. Im Fokus stand dabei, dass den Arbeitgebern entgegen der Auffassung des BAG keine wirksamen Gegenmaßnahmen zur Verfügung stehen. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die für den Flashmob charakteristische Einbeziehung von Dritten und insbesondere die damit einhergehende Abkopplung vom Arbeitsverhältnis gerade zu einer Paritätsstörung zu Lasten des Arbeit­gebers führt. Zudem ist die erhebliche Eigentums- und Besitzstörung durch den Flashmob nicht ausreichend gewürdigt worden. Schließlich hat die BDA auch betont, dass es nicht Aufgabe des BAG ist, innere Schwächen der Gewerkschaften auszugleichen.

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Mit neuen Bildungskonzepten den Herausforderungen begegnen Der strukturelle Fachkräftemangel, der die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands heute schon und künftig verstärkt gefährdet, wird durch Defizite in allen Stufen des Bildungssystems und durch den demografischen Wandel gravierend verschärft. Neben einem zukunftsfesten, arbeitsmarktorientierten Zuwanderungskonzept zur gezielten Anwerbung jetzt benötigter Fachkräfte und der Fortsetzung der heute schon auf hohem Niveau von den Unternehmen geleisteten betrieblichen Aus- und Weiterbildung bedarf es tief greifender Reformen im Bildungssystem zur Förderung der Ausbildungsreife von Jugendlichen, einer Erhöhung der Zahl der Hochschulabsolventen, insbesondere auch durch eine größere Durchlässigkeit für beruflich Qualifizierte ohne Abitur, und einer Stärkung der MINT-Bildung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) in allen Bildungsstufen. Der erforderliche Ausbau des Kindergartens zur ersten Stufe des Bildungssystems mit systematischer Sprachförderung und die bedarfsgerechte Ausweitung der Ganztagsschule zur individuellen und systematischen Förderung aller Schüler und Schülerinnen bis zur Ausbildungsreife sind nur zu realisieren, wenn die demografische Rendite, die sich rechnerisch aus rückläufigen Schülerzahlen ergibt, im Bildungssystem verbleibt. Es werden mehr und umfassender qualifizierte Erzieher und Lehrer gebraucht, die leistungsorientiert bezahlt werden. Den Schulen muss mehr Selbstständigkeit, Finanz- und Personalverantwortung eingeräumt werden, um Profil entwickeln und sich im Wettbewerb verbessern zu können.

Dem Fachkräftemangel entgegenwirken Gut qualifizierte Mitarbeiter sind die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Deutschland langfristig wettbewerbs- und innovationsfähig bleibt. Insbesondere der Mangel an Nachwuchs in den MINT-Qualifikationen verschärft sich und erweist

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sich jetzt schon und mit zunehmender Tendenz als Wachstums- und Innovationsbremse. Wenn wir dem Fachkräftemangel jetzt nicht entschieden entgegenwirken, droht die schon heute bestehende MINT-Lücke sehr bald den Höchststand von rd. 150.000 fehlenden MINT-Fachkräften aus dem vergangenen Aufschwung noch zu übertreffen. Die Zahl der offenen Stellen im MINT-Segment wird regelmäßig auf Basis einer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) empirisch erhobenen Meldequote hochgerechnet. Stellt man diese der Zahl an Arbeitsuchenden mit entsprechenden Qualifikationen gegenüber, ergibt sich bereits jetzt ein Fachkräfteengpass von rd. 84.000 Personen, rd. die Hälfte davon in Ingenieurberufen. Der Fachkräftemangel bei Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Informatikern und Technikern ist in Deutschland kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem, das selbst während der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland fortbestand. Allein für altersbedingt ausscheidende Fachkräfte braucht die deutsche Wirtschaft jährlich 50.000 bis 60.000 Nachwuchskräfte. Weitere rd. 50.000 MINT-Professionals jährlich brauchen die Unternehmen, um zu expandieren. Die zu erwartende Zahl an Hochschulabsolventen kann diesen hohen Bedarf bei Weitem nicht decken. Nach Prognosen des IW ergibt sich aus diesem Missverhältnis zwischen MINT-Absolventenzahl und MINT-Bedarf bis 2020 eine Lücke von über 230.000 Personen. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Fachkräftesicherung“

Naturwissenschaftlich-technische Bildung stärken Quantität und Qualität des MINT-Unterrichts an Schulen verbessern, noch mehr junge Menschen für MINT begeistern und das Bewusstsein für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von MINT erhöhen – das sind Hauptziele der bildungspolitischen Initiative „MINT Zukunft schaffen“ von BDA und BDI und zahlreichen Partnerinitiativen der Unternehmen und Verbände ­(www.­mintzukunftschaffen.de) mit Partnern aus Politik und Wissenschaft. Um den Fachkräftebedarf


im MINT-Bereich mittelfristig zu decken, muss die naturwissenschaftlich-technische Bildung gestärkt und zukunftsfähig gestaltet werden. Wir brauchen insgesamt mehr und besseren MINT-Unterricht. Auf dem Weg dorthin ist es inhaltlich ein zentrales Moment und politisch ein unverzichtbares Signal, dass alle Schulen, die daran interessiert sind, eine MINT-freundliche Schule zu werden, von der Wirtschaft ein entsprechendes Angebot erhalten. Die Initiative „MINT Zukunft schaffen“ erhält daher einen neuen, zusätzlichen Handlungsschwerpunkt: Weiterführende Schulen können von den Partnern der Initiative nach bestimmten

verabredeten Mindeststandards als „MINT-freundliche Schule“ anerkannt und ausgezeichnet werden. Neben der bereits bestehenden Markierung und Förderung von Best-Practice-Schulen mit großer Strahlkraft, wie sie insbesondere durch die Initiative MINT-EC von Gesamtmetall vorgenommen wird, ist es hierbei das Ziel, möglichst alle weiterführenden Schulen in den Prozess einzubeziehen, die willens und auf dem Weg sind, eine „MINT-freundliche Schule“ zu werden. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > „MINT Zukunft schaffen“

Akademiker: der Millionenbedarf So viele Hochschulabsolventen werden in Deutschland gebraucht

2010–2014

660.000

605.000

2015–2019

765.000

595.000

1.360.000

2020–2024

860.000

500.000

1.360.000

0

300.000

600.000

900.000

1.265.000

1.200.000

1.500.000

Anzahl

aufgrund der demografischen Entwicklung aufgrund struktureller Veränderungen insgesamt Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2010

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MINT-Botschafterkonferenz Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik können anschaulich und spannend sein – wie es gelingt, für MINT zu faszinieren, und wie die mittlerweile über 3.600 MINT-Botschafter ihr Engagement gestalten, wurde auf der MINTBotschafterkonferenz am 4. November 2010 im Haus der Deutschen Wirtschaft präsentiert und mit über 200 Teilnehmern diskutiert. Auf dem Marktplatz der Möglichkeiten präsentierten Partner der MINT-Initiative ihre MINT-Ideen sowie

Einstiegsmöglichkeiten und Karrierewege in MINTBerufen. In ihrer Video-Grußbotschaft an die Konferenz unterstrich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Notwendigkeit, Kinder bereits früh die Faszination naturwissenschaftlicher Phänomene hautnah erleben zu lassen. Sie begrüße es sehr, dass die Initiative „MINT Zukunft schaffen“ die verschiedenen Ansätze der MINT-Förderung bündle. Alle Beteiligten, von den Kindern und Jugendlichen selbst über die Wirtschaft bis hin

MINT-Fachkräfte fehlen selbst in Krisenzeiten Entwicklung der bundesweiten MINT-Fachkräftelücke

Anzahl 200.000

160.000

120.000

80.000

40.000

0 Aug 2000

Aug 2001

Aug 2002

Aug 2003

Aug 2004

Aug 2005

Aug 2006

Aug 2007

Aug 2008

Aug 2009

Aug 2010

MINT gesamt Ingenieure Datenverarbeitungsfachleute Techniker Naturwissenschaftler Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft Köln auf Basis von Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, 2010; IW-Zukunftspanel, 2009

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zur Wissenschaft, profitierten davon. Die MINTBotschafter wüssten am besten, wie man Kindern und Jugendlichen naturwissenschaftliche und technische Fragen nahebringen könne, und fungierten dabei als Vorbilder. Herausragende Botschafteraktivitäten wurden mit dem erstmals verliehenen MINT-Botschafterpreis ausgezeichnet. Der erste Preis ging an Alexander Heinrich, Bundessprecher „junge Deutsche Physikalische Gesellschaft“ (jDPG) in Bad Honnef. „Mathemacherin“ Carla Cederbaum vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (AlbertEinstein-Institut, AEI) und Dr. Renate Puchta, u. a. Autorin naturwissenschaftlichen Lehrmaterials für Kinder, folgen auf den Plätzen 2 und 3. Thomas Sattelberger, Vorsitzender der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ und Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, zeigte sich beeindruckt, wie die insgesamt zwölf ausgezeichneten MINT-Botschafter insbesondere Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund

in Schule und Ausbildung für MINT begeistern. Jeder fehlende Experte mit naturwissenschaftlich-technischem Hintergrund, so Sattelberger, bedeute einen volkswirtschaftlichen Schaden von 230.000 € pro Jahr. Daher sei es dringend notwendig, die Zahl der Studierenden insgesamt und vor allem in MINT-Fächern erheblich zu erhöhen. Beruflich Qualifizierten wie etwa einem studierwilligen Mechatroniker den Zutritt zur Uni zu erschweren kritisierte er als schlicht fahrlässig und volkswirtschaftlich unvernünftig.

Arbeitgeberpreis für Bildung 2010 verliehen Die deutschen Arbeitgeber engagieren sich seit Jahrzehnten mit eigenen Konzepten für bessere Bildung in Deutschland. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für Bildung spielt dabei eine herausragende Rolle. Im Jahr 2010 wurde er bereits zum elften Mal an vorbildliche Bildungseinrichtungen vergeben.

Stiftung der Deutschen Wirtschaft: Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) trägt zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland bei. Dies ist das Fazit des Jahres 2010. Es war von wissenschaftlich belegten Erfolgen im Übergangsmanagement von der Schule zur weiterführenden Schule, in die Ausbildung oder in ein Studium geprägt. Im Hauptschüler-Programm „Zeig, was Du kannst!“ z. B. haben 46 % der Teilnehmer im direkten Anschluss an die Schule den Sprung in eine Ausbildung geschafft. Im Bundesdurchschnitt gelingt dies nur 25 % der Hauptschüler. 37 % wollen auf einer weiterführenden Schule einen höheren Abschluss erreichen. Überdurchschnittlich viele Abiturienten führte das Programm „MINToring“ in ein MINT-Studium. 75 % der Teilnehmer haben sich dazu entschlossen, zum Wintersemester 2010/2011 oder nach Zwischenstationen wie Wehroder Zivildienst ein MINT-Studium aufzunehmen. Dass familiäre Bildungstraditionen beeinflussbar sind, bewies auch der „Studienkompass“. Er richtet sich an angehende Abiturienten aus nichtakademischen Elternhäusern. Hier haben 93 % der Teilnehmer die feste Absicht, ein Studium zu beginnen. Bundesweit sind es aus dieser Zielgruppe lediglich 24 %. Als Vorstandsvorsitzender verabschiedet wurde Dr. Klaus Murmann, Namensgeber des Studienförderwerks der sdw und Ehrenpräsident der BDA. Er trug in seinem 13-jährigen Engagement maßgeblich zur Entwicklung der Stiftung bei: Sie begann ihre operative Arbeit 1995 mit 21 Stipendiaten, heute sind es 1.650. Mit diesen nahmen im Jahr 2010 über 4.000 junge Menschen an ihren Programmen teil. Nachfolger ist der Unternehmer Ingo Kramer, Präsident der Unternehmensverbände im Lande Bremen und Präsidiumsmitglied der BDA.

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Unter dem Motto „Startchancen verbessern – individuell fördern“ wurde der Preis in diesem Jahr in Kooperation mit Telekom und Deutscher Bahn verliehen. Die Expertenjury hat Lernkonzepte ausgewählt, die jungen Menschen mit unterschiedlichen Talenten und Förderbedarfen eine optimale Unterstützung bieten. Gerade für diejenigen mit schlechten Startchancen sollen die Weichen für ihre Bildungsbiografie positiv gestellt werden. Die Preisträger sind:

Kategorie „Frühkindliche Bildung“: Evangelische Kindertageseinrichtung Melsbach (Rheinland-Pfalz)

Kategorie „Schule“: Hessenwaldschule Weiterstadt

Kategorie „Berufsschule“: Berufsbildende Förderschule „Robert Blum“ Leipzig

Kategorie „Hochschule“: Fachhochschule Gelsenkirchen

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Initiativen > Arbeitgeberpreis für Bildung sowie unter www.mediathek.arbeitgeber.de

Reformen der frühkindlichen Bildung voranbringen Im Februar 2010 führte die BDA eine Umfrage unter den Ministerien durch, die auf Bundes- und Landesebene für frühkindliche Bildung zuständig sind. Sie wurden um ihre Einschätzung gebeten, wie es im Zusammenhang mit dem Kinderförderungsgesetz um die Reformen in den Bundesländern steht. Viele Länder erkennen einen wachsenden Bedarf an akademisch ausgebildeten Frühpädagogen und erhöhen die Anzahl der Studienplätze oder richten neue Studiengänge ein. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen entwickelt sich regional sehr unterschiedlich – gerade in den neuen Bundesländern liegt das Angebot oft schon weit über den bundesweit angestrebten 35 %. Wo ein Betreuungsgeld thematisiert wird, lässt sich der zukünftige Bedarf besonders schwer abschätzen. Des Weiteren zeigten sich als Handlungsfelder, dass Zusatzqualifikationen des Personals im MINT-Bereich erfasst,

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die Sprachförderung verstärkt und Öffnungszeiten bedarfsgerecht gestaltet werden sollen.

Selbstständige Schule – Kernthema der Wirtschaft Die deutsche Wirtschaft sieht im Leitbild der Selbstständigen Schule den entscheidenden Hebel für eine Qualitätsverbesserung der nach wie vor viel zu oft unzureichenden Schulleistungen. Im internationalen Vergleich sind solche Schulsysteme erfolgreich, die durch klare Zielvorgaben und Zielkontrollen einerseits und selbstständige Einzelschulen andererseits gekennzeichnet sind. Inzwischen ist die Selbstständige Schule zwar politischer Konsens in Sonntags­reden, aber noch lange nicht Realität – vielmehr stagniert die Umsetzung in den Bundesländern. Die aktuelle Positionierung von BDA und BDI „Selbstständige Schule – Haushalt und Personalverantwortung neu gestalten“ schlägt daher eine Änderung der bestehenden Schulfinanzierung vor, die den Schulen neue Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten gibt und finanzielle Anreize schafft – auch bei den einzelnen Lehrkräften –, um die Qualität von Lehren und Lernen deutlich zu verbessern. Vizepräsident Dr. Gerhard F. Braun stellte das völlig neue Konzept am 15. April 2010 der Öffentlichkeit mit einem sehr positiven Presseecho vor. Die Vorschläge sehen ein Finanzbudget für die einzelne Schule, einen Sozialindex und ein Sozialbudget für besonders belastete Schulen sowie eine leistungsorientierte Besoldung für Lehrkräfte vor. Diese Positionierung fand viel Zustimmung bei Bund und Ländern, vor allem auch bei Schulleitungen; mehrere Gespräche mit Politikern fanden dazu statt. Das Thema „Selbstständige Schule“ bleibt das schulpolitische Kernanliegen der Arbeitgeber, das sie gegenüber den Kultusministerien wie der Bildungsverwaltung vor allem in den Landesverbänden, aber auch auf Bundesebene mit Tagungen und weiteren Gesprächen mit Entscheidungsträgern sowie im Netzwerk ­SCHULEWIRTSCHAFT weiter vorantreiben. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Schulpolitik“


BDA/BDI-Position „Selbstständige Schule – Haushalt und Personal­ verantwortung neu gestalten“

Schulen erhalten ein Finanzbudget, das sich an Zahl und Förderbedarf ihrer Schüler orientiert. Es ersetzt die bisherige komplexe und intransparente Form der Ausstattung durch Lehrerstellen und zweckgebundene Zuschläge.

Schulen entscheiden selbstständig, wie sie das Finanzbudget nach ihrem Bedarf einsetzen – welches pädagogische Personal sie einstellen, welche Zusatzmaßnahmen sie angehen –, und können so auf den individuellen Förderbedarf ihrer Schüler zielgerichteter eingehen.

Die Ziele der Schule orientieren sich an den Bildungsstandards und Qualitätsrahmen der Länder sowie am eigenen Profil. Bei der regelmäßigen Evaluation wird Rechenschaft über die Verwendung des Finanzbudgets gegeben. Schulleitungen brauchen für diese neuen Aufgaben entsprechende Qualifizierung und Unterstützung.

Schulen stehen vor höchst unterschiedlichen Herausforderungen, je nachdem, was ihre Schüler an Lernvoraussetzungen mitbringen. In Deutschland prägt vor allem die soziale Lage die Bildungschancen der Kinder. Schulen mit hohen Anteilen sozial schwacher Schüler können weniger voraussetzen und müssen die Startnachteile ausgleichen. Mit dem Sozialindex wird die soziale Lage der Schüler erfasst und daraus ein Sozialbudget errechnet, das besonders belastete Schulen zusätzlich erhalten.

Der Sozialindex ist notwendige Voraussetzung, um die Vergleichbarkeit von Schulen herzustellen: Erst beim Vergleich von Schulen mit ähnlicher Ausgangslage wird die jeweilige pädagogische Leistung der einzelnen Schule deutlich. Unterschiedliche Erfolge bei gleicher Startposition zeigen, dass und wo Verbesserungen in der jeweiligen Schule ansetzen müssen.

Zur Qualitätsverbesserung in der Schule gehört eine leistungsorientierte Lehrerbesoldung. Sie ermöglicht besonders leistungsfähigen und engagierten Lehrkräften den Erhalt von Zulagen und Prämien. Zuteilung und Höhe der Prämien ergeben sich aus Zielvereinbarungen von Lehrkräften und Schulleitung.

Eine Schule mit Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten wird auch für den Lehrernachwuchs attraktiv sein und neue, engagierte Lehrkräfte anziehen.

Mit Angeboten von Unternehmen, Verbänden und Bildungswerken und Aktivitäten im Bereich S ­­ CHULEWIRTSCHAFT unterstützt die Wirtschaft Schulen konkret durch die Vermittlung von Knowhow im Management, in Qualitätssicherung und Personalführung.

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Wettbewerb und Netzwerk „Starke Schule“ Der Wettbewerb „Starke Schule 2011 – Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ von BDA, Bundesagentur für Arbeit (BA), Gemeinnütziger Hertie-Stiftung und Deutsche Bank Stiftung wurde in diesem Jahr ausgeschrieben und durchgeführt. Gegenüber 2009 konnte die Zahl der Bewerbungen von 594 auf 609 gesteigert werden. In der Jury sind die Arbeitgeber sehr gut

vertreten: Von insgesamt 42 Jurymitgliedern sind 20 von der BDA nominiert worden, dabei 13 Mitglieder allein aus den Arbeitskreisen SCHULEWIRTSCHAFT. Der Wettbewerb ist nicht Selbstzweck, sondern dient auch der Gewinnung von Schulen für ein Netzwerk. Die Schulen erhalten zahlreiche Möglichkeiten der Fortbildung und Vernetzung. Die BDA führt die jährliche große Netzkonferenz im Haus der Deutschen Wirtschaft durch. Dabei präsentierten im Mai Siegerschulen ihre

Ständig steigende Bewerberzahlen beim Schulwettbewerb „Starke Schule“ Wettbewerbsbeteiligung 1999 bis 2011

Anzahl der Bewerbungen 700 594

600

609

502

500

400 317

300

200

174

100

88

86

Hauptschulpreis 2001

Hauptschulpreis 2003

0 Hauptschulpreis 1999

Quelle: Gemeinnützige Hertie-Stiftung

100

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Hauptschulpreis 2005

Hauptschulpreis 2007

Starke Schule 2009

Starke Schule 2011


ausgezeichneten Konzepte und stellte die BDA gemeinsam mit ­ SCHULEWIRTSCHAFT das Instrument „PROFILehrer“ sowie den Leitfaden „Berufs­orientierung“ vor, der gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung erarbeitet worden war. Im Rahmen der Netzkonferenz erhielt „Starke Schule“ 2010 die Auszeichnung „365 Orte – Deutschland Land der Ideen“. Der Wettbewerb und das Netzwerk werden wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Standards zur ökonomischen Bildung jetzt umsetzen Die deutsche Wirtschaft fordert schon seit vielen Jahren eine bessere ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen. Rückendeckung erhält sie dabei von den Gewerkschaften und ganz besonders von den Schülern selbst. Deren Interesse an wirtschaftlichen Themen ist ungebrochen. Über 70 % der Schüler wünschen sich ein eigenes Schulfach „Wirtschaft“. Leider ist ökonomische Bildung in den allgemeinbildenden Schulen nach wie vor meist nur ein Randthema – von fachfremden Lehrkräften und bestenfalls in Fächerverbünden unterrichtet. Zwei wissenschaftliche Gutachten sollen zu diesen gesellschaftlich bedeutsamen Zielen beitragen. Die 17 Mitgliedsverbände des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, zu denen auch die BDA und der BDI gehören, gaben sie in Auftrag. Sie definieren, was Schüler am Ende ihrer Schulzeit über wirtschaftliche Zusammenhänge wissen müssen und was das für die Lehrerbildung bedeutet. Am 6. Oktober 2010 wurden diese in einer gemeinsamen Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Als Leitidee gilt, dass der ökonomisch gebildete Mensch seine Interessen in der heutigen Wirtschaft und Gesellschaft mündig vertreten, sachkundig urteilen und verantwortlich handeln kann:

Als Verbraucher betrifft das erforderliche ökonomische Wissen etwa Konsumentscheidungen, Geldanlage oder den Abschluss von Kredit- und Versicherungsverträgen.

In seiner Rolle als Erwerbstätiger trifft er Entscheidungen bezüglich seiner Ausbildung und der Berufswahl. Unternehmerisches Denken hilft Selbstständigen ebenso wie Arbeitgebern oder Arbeitnehmern, die sich im Interesse ihres Unternehmens einsetzen.

Schließlich umfasst die Rolle des Wirtschaftsbürgers seine Eigenschaften als Transferempfänger, Beitrags- und Steuerzahler, Wähler und engagierter Bürger.

Nähere Informationen unter www.arbeit­geber.de > kompakt > „Ökonomische Bildung“ sowie unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Ökonomische Bildung

Bundesweite Schulbuchanalyse setzt Schlusspunkt zum Jahres­ thema 2009/2010

Wirtschaftliche Zusammenhänge spielen heute in fast allen Lebensbereichen eine Rolle. Doch die ökonomischen Kenntnisse vieler junger Menschen lassen stark zu wünschen übrig. Dem Nachwuchs sind seine Wissenslücken durchaus bewusst: Fast drei Viertel der 14- bis 24-Jährigen interessieren sich für das Thema „Wirtschaft“. Sie möchten im Unterricht mehr über Wirtschaft erfahren, als ihnen zurzeit geboten wird. Mit seinen Aktivitäten und Projekten zum Jahresthema 2009/2010 „Ökonomische Bildung stärken – Schule und Wirtschaft in der Sozialen Marktwirtschaft“ gab das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT bundesweit vielfältige Impulse. Die praxisnahen Angebote reichten von Schülerfirmen, Wirtschaftsplanspielen über Lehrerfortbildungen und Schülerwettbewerbe bis zur Veröffentlichung von Unterrichtsmaterialien. Die Bundesarbeitsgemeinschaft S ­ CHULEWIRTSCHAFT plant die Einführung eines bundesweiten Wirtschaftsplanspiels für diese Zielgruppe.

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Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse einer bundesweiten Studie zum Bild von Unternehmern und Wirtschaft in Schulbüchern im Dezember 2010 setzt ­SCHULEWIRTSCHAFT einen Schlusspunkt zum Jahresthema. Die vom IW erarbeitete Studie zeigt, dass Unternehmer in Schulbüchern noch immer eine „Blackbox“ sind, die nur selten beleuchtet wird. Dabei sind Schulbücher nach wie vor Leitmedien der Erziehung und Bildung von Jugendlichen im öffentlichen Schulsystem. Sie geben offizielles Wissen weiter und strukturieren – in Anlehnung an Lehrpläne – den Unterricht. Mit seiner Analyse ging das IW daher der Frage nach, welche Vorstellungen von Sozialer Marktwirtschaft in den Schulbüchern begründet und auf welche Weise darin Unternehmer als Akteure im Wertschöpfungsprozess dargestellt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Soziale Marktwirtschaft, ihre Merkmale und Funktionsweisen in einem Großteil der untersuchten Schulbücher nicht angemessen dargestellt werden. Unternehmerische Verantwortung oder die Bedeutung von Gewinn und Investitionen werden in Geschichts- und Erdkundebüchern fast gar nicht angesprochen. Auch kommen z. B. Unternehmensformen und Arbeitsabläufe in Unternehmen nur selten vor. Stattdessen werden Unternehmen meist eingebettet in einen formalen „Wirtschaftskreislauf“, der Automatismus und staatliche Lenkung suggeriert: Wirtschaftswachstum im Allgemeinen, Industrieansiedlung und Existenzgründung im Besonderen werden so in der Verantwortung kommunaler oder staatlicher Stellen gesehen.

Berufsorientierungskonzept an der Schule, inhaltliche, organisatorische und Verfahrenskriterien sowie Prozesscontrolling, Dokumentation und Evaluation der Berufsorientierung.

Nähere Informationen schaft.de

Vor zwei Jahren wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer zusammen mit der BDA und ­SCHULEWIRTSCHAFT das Projekt „Netzwerk ­SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“ gestartet. Unterstützt wurde die Initiative durch die strategische Partnerschaft mit der BA und der Deutschen Kreditbank.

unter

www.schulewirt-

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT und BA haben im Rahmen ihrer intensivierten Zusammenarbeit ein Arbeitsmittel für Lehrkräfte der Sekundarstufe I entwickelt, das ihnen eine Bewertungs- und Entscheidungshilfe bei der Einschätzung von Berufsorientierungsangeboten an die Hand gibt. Zugleich werden die wichtigsten Erfolgsfaktoren einer gelingenden Berufsorientierung anschaulich dargestellt. Dazu gehören ein

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Die Checkliste „Gelungene Berufsorientierung an Schulen der Sekundarstufe I“ wurde von Pädagogen, Ausbildungsleitern, Berufsberatern und Vertretern aus einigen Kultusministerien der Länder entwickelt und von Lehrkräften an Schulen der Sekundarstufe I bundesweit erprobt. Pädagogen können die Checkliste auch herunterladen und nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen anpassen. Die Checkliste wurde im November 2010 veröffentlicht und über die Kultusministerien allen Schulen der Sekundarstufe I zur Verfügung gestellt. Zwischen BA-Vorstand Raimund Becker und den Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft Ulrich Wiethaup und Ernst Baumann fand ein Gespräch in Nürnberg statt. Darin wurde eine erste Bilanz der Zusammenarbeit zwischen BA und Bundesarbeitsgemeinschaft gezogen sowie die künftigen Themenfelder und Aktivitäten im Rahmen der Kooperation abgesteckt. Nähere Informationen schaft.de.

unter

www.schulewirt-

Positive Bilanz des Projekts „Netzwerk ­SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“

Gefördert wurden die regionalen Arbeitskreise ­SCHULEWIRTSCHAFT in Ostdeutschland bei der Entwicklung und Durchführung von Kooperationsprojekten zwischen Schulen und Unternehmen mit dem Ziel, Fachkräfte in der Region auszubilden und zu halten. Das Projekt leistete einen Beitrag, die praxisbezogene Berufsorientierung zu verbessern, leistungsstarke Schülerinnen und


Schüler für die Region zu begeistern, leistungsschwächere Jugendliche aufzufangen sowie die Praxisnähe der MINT-Fächer zu fördern. Am 5. November 2010 wurden die Ergebnisse des Projekts im Haus der Deutschen Wirtschaft vorgestellt. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt dankte dem Ehrenamt in den Arbeitskreisen und den Projektmitarbeitern. Der Erfolg des Engagements schlug sich u. a. in der Gründung von mehr als 20 neuen SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeitskreisen in den zurückliegenden zwei Jahren nieder. Der Bundesinnenminister und Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Dr. Thomas de Maizière, betonte die Bedeutung der Initiative nach 20 Jahren Wiedervereinigung vor dem Hintergrund der rückläufigen demografischen Entwicklung in den neuen Bundesländern und der Probleme bei der Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Mit dem Projekt wurde die Arbeit in den regionalen Arbeitskreisen ­SCHULEWIRTSCHAFT gestärkt. Die ehrenamtlichen Akteure wurden ermutigt, Projekte über eine längere Laufzeit anzugehen bzw. gute Ansätze zu verstetigen. Ziel ist es, die Produkte in die Fläche zu tragen und die Netzwerkarbeit zu vertiefen. Die entstandenen Produkte, z. B. ein Imagefilm über die Projektarbeit und eine Netzwerkbroschüre, sind auf der Projekt-Website verfügbar. Nähere Informationen unter www.schulewirtschaftostdeutschland.de

Ausbildungsmarkt – Unternehmen sichern ihren Fachkräftenachwuchs Bereits zum Ende des Vermittlungsjahres am 30. September konnte eine positive Zwischenbilanz auf dem Ausbildungsmarkt gezogen werden. Das ist nicht selbstverständlich. Denn in vielen Betrieben ist die Entscheidung über Ausbildung noch im Schatten der Wirtschaftskrise getroffen worden. Die Unternehmen haben aber gezeigt, dass sie vorausschauend agieren und selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen an Ausbildung festhalten, um sich auch mittelfristig Fachkräftenachwuchs zu sichern.

So haben die Betriebe 2010 17.200 Ausbildungsplätze mehr (4,2 %) angeboten als vor einem Jahr. Die Zahl der Bewerber ist in etwa konstant geblieben, so dass sich die Chancen junger Menschen auf Ausbildung weiter verbessert haben. Zu beachten ist, dass sich die Zahl der Bewerber regional unterschiedlich entwickelt. In den neuen Bundesländern ist sie mit 13 % erneut stark zurückgegangen, in den letzten drei Jahren hat sie sich sogar halbiert. Zum 30. September gab es auch wieder – wie bereits in den beiden Vorjahren – mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als noch unvermittelt gemeldete Ausbildungsbewerber. Das Angebot überstieg die Nachfrage um 7.300: Zum 30. September 2010 waren noch 12.300 Bewerber bei den Arbeitsagenturen als unvermittelt registriert. Ihnen standen 19.600 unbesetzt gemeldete Ausbildungsplätze gegenüber. Die Aussichten für die Nachvermittlung waren ausgezeichnet: Dementsprechend konnte die Zahl der noch unvermittelt gemeldeten Bewerber bis November weiter auf 8.100 reduziert werden. Ihnen stehen noch ausreichend Angebote (über 14.000 unbesetzte Ausbildungsplätze und offene EQ-Plätze) gegenüber. Eine endgültige Bilanz der Nachvermittlung wird im Januar 2011 gezogen. Stabil haben sich auch die Ausbildungsverträge entwickelt. Insgesamt wurden bis Ende September 560.070 Ausbildungsverträge abgeschlossen, ein nur leichtes Minus gegenüber dem Vorjahr von 0,8 %. Erfreulich ist, dass bei den betrieblichen Verträgen ein leichtes Plus (0,1 %) zu verzeichnen ist, das Minus insgesamt also auf die außerbetrieblichen Plätze zurückzuführen ist. Ihre Zusagen aus dem bestehenden Ausbildungspakt hat die Wirtschaft Ende September z. T. bereits erfüllt – die Anstrengungen gehen weiter. So wurden bis zu diesem Zeitpunkt 58.400 neue Ausbildungsplätze (Zusage: 60.000) sowie 36.200 neue Ausbildungsbetriebe (Zusage: 30.000) eingeworben. Eine Gesamtbilanz der Paktzusagen wird im Januar 2011 vorgelegt. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Ausbildungsmarkt“

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Ausbildungspakt – mit neuen Partnern weiterentwickelt

Ausbildungspakt wird angesichts rückläufiger Bewerberzahlen stärker auf die Fachkräftesicherung und Ausbildungsreife ausgerichtet.

Der „Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräfte­ sicherung“ hat in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen, die Situation auf dem Ausbildungsmarkt trotz teilweise schwieriger Rahmenbedingungen zu verbessern. Der Lenkungsausschuss Ausbildungspakt hat daher in seiner Sitzung am 26. Oktober 2010 beschlossen, den Pakt bis 2014 fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Neue Paktpartner sind die Kultusministerkonferenz (KMK) sowie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.

Die Wirtschaft strebt an, pro Jahr 60.000 neue Ausbildungsplätze, 30.000 neue Ausbildungsbetriebe und 40.000 Plätze für Einstiegsqualifizierung einzuwerben. Dies ist aber kein Selbstzweck, da es angesichts des Bewerberrückgangs schwierig sein kann, weitere Angebote einzuwerben. Es wird zudem deutlich gemacht, dass alle Paktpartner zur Erfüllung dieser Ziele ihren Beitrag leisten müssen, vor allem im Hinblick auf die Ausbildungsreife. Denn nur so stehen überhaupt genügend geeignete Bewerber für die Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Die Wirtschaft hat sich im Zuge der Gespräche zur Verlängerung intensiv dafür eingesetzt, dass sich die veränderte Lage auf dem Ausbildungsmarkt (Bewerberrückgang) im Pakt widerspiegelt und insgesamt realistische Ziele vereinbart werden, die mit eigenen Beiträgen der Paktpartner auch tatsächlich erreichbar sind. Der

Die Bilanzierung des Ausbildungspakts erfolgt weiterhin insbesondere anhand der Gegenüberstellung von unbesetzten Ausbildungsplätzen und unvermittelten Bewerbern. Anschließend werden weitere Daten – etwa zu den Bewerbern, die in Alternativen gemündet sind, aber ihren

Die sieben zentralen Handlungsfelder des Ausbildungspakts 2010 –2014:

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Ausbildungsreife sicherstellen

Berufsorientierung ausbauen und weiterentwickeln

Jugendliche und Betriebe besser zusammenbringen

alle Potenziale erschließen

neue Ausbildungsplätze und neue Ausbildungsbetriebe gewinnen

Übergangssystem neu strukturieren und effizienter gestalten

Datenlage verbessern

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Zukunft bewegen.

„Wir bewegen Zukunft. Weil Vielfalt erfolgreich ist.“ Bei der Deutschen Bahn tragen weltweit 290.000 Frauen und Männer aus 130 Ländern dazu bei, dass Menschen und Güter sicher ihr Ziel erreichen. Es ist diese Vielfalt, die den DB-Konzern erfolgreich macht und seine Zukunftsfähigkeit sichert. Bei der Deutschen Bahn ist Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können auf die DB als Arbeitgeber vertrauen – auf sichere Arbeitsplätze, gute Entwicklungsmöglichkeiten und Unterstützung bei der Vereinbarung von Familie und Beruf. Genauso wie auf eine gerechte Entlohnung, eine verlässliche Altersvorsorge und individuelle Gesundheitsprogramme. Mehr Informationen zur DB als Arbeitgeber finden Sie unter www.deutschebahn.com/karriere.


Vermittlungswunsch aufrechterhalten haben – analysiert, um ggf. erforderliche Handlungsansätze ausfindig machen zu können. Die Arbeitgeberverbände tragen mit vielen Initiativen zur Umsetzung des Pakts bei, etwa durch Unterstützung ausbildender Betriebe, Berufsvorbereitung schwächerer Jugendlicher und Berufsorientierung von Schülern. Eine besondere Rolle spielt gerade bei der stärkeren Fokussierung des Pakts auf Ausbildungsreife und Berufsorientierung das bundesweite Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT. Es steht z. B. für die Zusage, jeder interessierten Schule einen Partner aus der Wirtschaft zu vermitteln. Zudem wird es sein Augenmerk künftig stärker auf die Berufsorientierung junger Migranten richten. Nähere Informationen unter www.arbeit­geber.de > kompakt > „Ausbildungspakt“ und unter www.arbeit­geber.de > argumente > „Wir bilden aus!“ sowie unter www.arbeitgeber.de > Themen A–Z > Ausbildungspakt

Zukunft der Jugendwohnheime sichern Für Arbeitgeber stellt Mobilität auf dem Ausbildungsmarkt ein wichtiges Anliegen dar. Es nützt allen Beteiligten, wenn Bewerber und Ausbildungsbetrieb möglichst gut zueinander passen. In einigen Regionen Deutschlands schlägt obendrein schon heute die demografische Entwicklung drastisch auf das Matching durch. Für viele Ausbildungsbetriebe bleibt dann aus Mangel an Bewerbern nur noch die Alternative, junge Menschen aus weiter entfernten Regionen zu rekrutieren. Andererseits können viele Bewerber eine spezielle Ausbildung, die ihren Interessen und Neigungen entspricht, oft nur fernab des Heimatorts finden. Jugendwohnheime senken in diesen Fällen eine entscheidende Hürde, die einer Realisierung der vorhandenen Mobilitätsbereitschaft oft im Wege steht. Die BDA setzt sich daher zusammen mit dem DGB für den Erhalt von Jugendwohnheimen ein. In einer gemeinsamen Initiative fordern die Sozialpartner die Politik auf, die fachliche und finanzielle Verantwortung zu klären. Insbesondere für den Erhalt der Bausubstanz werden in den kommenden Jahren Investitionen fällig. Ohne angemessene finanzielle Unterstützung

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werden in Zukunft Wohnheime schließen müssen. Auf Drängen der BDA wurde eine Zusage der Bundesregierung in den Text des Ausbildungspakts 2010–2014 aufgenommen, den Bedarf und ggf. die Möglichkeiten der Finanzierung zu prüfen.

Flexible Strukturen in der Ausbildung nutzen Den Empfehlungen des Innovationskreises Berufliche Bildung aus dem Jahr 2007 folgend wird in jedem Neuordnungs- oder Modernisierungsverfahren von Ausbildungsordnungen die Chance zur Bildung von Berufsgruppen geprüft. Ziel ist es, Schnittmengen verschiedener Berufe im Rahmen flexibler Strukturmodelle zu nutzen und damit mehr berufliche Mobilität zu ermöglichen und auch die Beschulung zu vereinfachen. Dabei bieten sich zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, um einerseits dem betrieblichen Bedarf an praxisorientierten Ausbildungsordnungen und andererseits dem politischen Ziel, eine zu starke Spezialisierung von Berufen zu vermeiden, Rechnung zu tragen. Wichtig ist aber der Grundsatz: Ausbildung folgt keinem Einheitsmodell. BDA und BDI sind an allen Neuordnungsverfahren durch Sachverständige aus den betroffenen Branchen beteiligt. Neuordnungsverfahren gehören damit zu den Kernaktivitäten von BDA und BDI in der Berufsbildung. In den jeweiligen Verfahren liegt der Fokus darauf, möglichst flexible Ausbildungsstrukturen zu verankern – entsprechend dem BDA-Strukturmodell „2 + x“. Ziel muss es immer sein, möglichst vielen Betrieben die Ausbildung zu ermöglichen, aber gleichzeitig durch die Formulierung der Mindeststandards die Qualität der Ausbildung zu sichern. Die Vielfalt der ausbildenden Betriebe stellt gerade bei branchenübergreifenden Berufen häufig eine große Herausforderung dar. Zunehmend wird wichtig, die unterschiedlichen Voraussetzungen der Jugendlichen bei der Gestaltung von Berufen zu beachten und auch dies im Rahmen flexibler Modelle zu berücksichtigen, die den Einstieg in Ausbildung erleichtern, aber gleichzeitig leistungsstarken Jugendlichen eine hochwertige Qualifizierung ermöglichen. Zum 1. August 2010 konnte die Ausbildung in elf modernisierten Berufen starten. In allen Verfahren wurden bedarfsgerechte flexible Modelle


Jugendwohnen hilft, Mobilität zu realisieren Potenziale liegen brach

Schulabgänger, die grundsätzlich bereit sind, einen Ausbildungsplatz über 100 km entfernt anzunehmen, wenn ein Platz im „Lehrlingswohnheim“ vorhanden ist

246.000

Bewerber aus über 100 km Entfernung

126.000

Auszubildende, die ihre Mobilität realisieren

20.000

Auszubildende im Jugendwohnen

15.000

0

100.000

200.000

300.000

400.000

Personen

Quelle: Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism e. V.), 2010

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genutzt. So wurden z. B. bei der Modernisierung des Papiertechnologen umfangreiche neue Qualifikationserfordernisse im Rahmen von Pflicht- und Wahlqualifikationen berücksichtigt. Damit bleibt den Betrieben in Zukunft die Freiheit, je nach ihren Anforderungen Qualifikationsbausteine zu wählen. Dennoch bleibt ein einheitlicher Ausbildungsstandard gewährleistet. Eine Besonderheit bietet die Ausbildung zum/zur Böttcher/-in. Hier besteht auf der Grundlage eines gemeinsamen Rahmenlehrplans die Möglichkeit, in Österreich die Schule zu besuchen. Die niedrige Zahl an Auszubildenden und die vergleichbaren Kompetenzanforderungen in beiden Ländern machen dies möglich. Damit stellt dieser traditionelle Handwerksberuf ein besonderes Beispiel für die europäische Zusammenarbeit in der Berufsbildung dar. Die

Ausbildung zum/zur Feinwerkmechaniker/-in wurde um einen Schwerpunkt Zerspanungstechnik ergänzt. Auch hier wurden flexible Strukturen genutzt und kein eigener Beruf entwickelt, sondern ein zusätzlicher Schwerpunkt in einem bestehenden Beruf gewählt. Die zwei neu geordneten Berufe Geomatiker/-in und Vermessungstechniker/-in sind über gemeinsame Ausbildungsinhalte von einem Jahr zu Beginn der Ausbildung miteinander verbunden. Die beiden Berufe Kartograf/-in und Bergvermessungstechniker/-in wurden in die neuen Profile integriert und bestehen als eigenständige Berufe nicht mehr fort. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Moderne Strukturen in der dualen Ausbildung“

Modernisierung der Ausbildungsordnungen konkret

Neu geordnet wurden die Berufe: Böttcher/-in, Büchsenmacher/-in, Feinwerkmechaniker/-in, Geomatiker/-in (ehemals ­Kartograf/-in), Milchtechnologe/-technologin, Papiertechnologe/-technologin, Pferdewirt/-in, Revierjäger/-in, ­Segelmacher/-in, Technische(r) Konfektionär/-in, Vermessungstechniker/-in Im weiteren Erarbeitungsverfahren für die Neuordnung zum 1. August 2011 befinden sich die Berufe: Augenoptiker/-in, Bootsbauer/-in, Buchbinder/-in, Buchhändler/-in, Drucktechnologe/-technologin, Fachkraft für Lederverarbeitung (zweijähriger Beruf), Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice, Mediengestalter/-in Flexografie, Packmitteltechnologe/-technologin, Printmedienverarbeiter/-in, Technische(r) Produktdesigner/-in, Technische(r) Systemplaner/-in, Tourismuskaufmann/-frau (ehemals Reiseverkehrskaufmann/-frau), Siebdrucktechnologe/-technologin, Verfahrensmechaniker/-in für Kunststoff- und Kautschuktechnik In der beruflichen Fortbildung wurden im Berichtsjahr folgende Verordnungen erlassen (nach § 53 BBiG): Industriefachwirt/-in, Personaldienstleistungsfachwirt/-in Im Neuordnungs- bzw. Erlassverfahren befinden sich die Fortbildungsverordnungen: Betriebswirt/-in (HwO), Fachkaufmann/-frau für Büromanagement, Fachwirt/-in für Logistik/Güterverkehr, Fachwirt/-in für Personenverkehr/Mobilitätsdienstleistungen, Kraftverkehrsmeister/-in, Meister/-in für Lagerwirtschaft, Polier/-in, Sportfachwirt/-in, Tourismusfachwirt/-in

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Mehrwert des DQR als Transparenzinstrument nicht gefährden Die Erprobung des Entwurfs eines Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), die im Mai 2009 in den vier Berufs- bzw. Tätigkeitsfeldern ­Metall/­Elektro, IT, Handel und Gesundheit begonnen hat, ist abgeschlossen. Ziel dieser Phase war es, die Praxistauglichkeit der DQR-Beschreibungen zu testen und erste exemplarische Zuordnungen von Qualifikationen vorzunehmen. Auf der Grundlage der Empfehlungen der Arbeitsgruppen, in denen jeweils Vertreter der betroffenen Branchen mitgewirkt haben, wurde der Entwurf des DQR teilweise überarbeitet. Die finale Abstimmung findet Ende des Jahres statt. Aus der Sicht der Wirtschaft war es dabei wichtig, die konsequente Orientierung an Handlungskompetenz als Leitkriterium für die Einstufung von Qualifikationen beizubehalten. Dies scheint gelungen, so dass der DQR grundsätzlich geeignet ist, Qualifikationen anhand des Niveaus der vermittelten Handlungskompetenz vergleichbar zu machen. Auf der Grundlage des finalen Entwurfs wird über die zukünftige Zuordnung von Qualifikationen entschieden. Dabei dienen die Empfehlungen der Experten der Arbeitsgruppen als Beratungsgrundlage. Diese sind bezüglich der beruflichen Bildung zu divergierenden Ergebnissen gekommen, die grundsätzlich eine Zuordnung der dualen Ausbildung auf den DQR-Niveaus 3–5 zulassen. Die berufliche Aufstiegsfortbildung findet sich in den Vorschlägen der Arbeitsgruppen in den Niveaus 5–7 wieder. Dies bestätigt Forderungen von BDA und BDI, in der beruflichen Bildung differenzierte Zuordnungen vorzunehmen, um die Vielfalt und damit Attraktivität beruflicher Qualifikationen sichtbar zu machen. Wirtschaftsseitig erfolgte mit den Kammerorganisationen eine Einigung, in der Startphase des DQR aus Gründen der Umsetzbarkeit und Praktikabilität zunächst pauschale Zuordnungen vorzunehmen (zweijährige Berufe DQR-Niveau 3, dreijährige Berufe DQR-Niveau 4). Diese können anschließend in Neuordnungsverfahren oder auch außerhalb eines entsprechenden Verfahrens aufgrund eines speziellen Antrags korrigiert werden. Mittelfristig würde es dadurch zu differenzierten Zuordnungen (Niveaus 3–5) der dualen Ausbildung

kommen und damit der Mehrwert des DQR als Transparenz­instrument sichergestellt werden. Die Wirtschaft wird diesen Verfahrensvorschlag in die weitere Abstimmung einbringen. Umstritten ist derzeit der Vorschlag der KMK, die allgemeine und fachgebundene Hochschulreife auf DQR-Niveau 5 zu verorten. Dies hätte zur Folge, dass dem Abitur in der Regel die Vermittlung einer höheren Handlungskompetenz zugeordnet wird als einer dualen Ausbildung – was sowohl von Wirtschaft als auch Gewerkschaften vehement abgelehnt wird. Eine derartige Einstufung stellt den Mehrwert des DQR als Transparenzinstrument grundsätzlich in Frage und wird daher von BDA und BDI nicht mitgetragen. Der Arbeitskreis DQR wird im November den Entwurf eines DQR abschließend beraten. Die konkrete Zuordnung von Qualifikationen sowie das diesbezügliche Verfahren werden im Frühjahr 2011 im Mittelpunkt stehen.

Europäische Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung fortsetzen Die EU-Bildungsminister beschlossen im Dezember in Brügge den strategischen Rahmen für die zukünftige Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung in Europa (Fortsetzung des 2002 gestarteten Kopenhagen-Prozesses). Bereits im Juni hatte die EU-Kommission mit der Mitteilung „Ein neuer Impuls für die europäische Zusammenarbeit in der beruflichen Aus- und Weiterbildung zur Unterstützung der Strategie Europa 2020“ wesentliche Punkte hervorgehoben. Im Fokus steht die Attraktivitätssteigerung der beruflichen Bildungssysteme durch eine stärkere Ausrichtung am Bedarf des Arbeitsmarkts und einen verbesserten Übergang in die Hochschulen. Die größere Flexibilität in der Berufsbildung, eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts, die Lern­ ergebnisorientierung sowie die engere Zusammenarbeit mit den Hochschulen entsprechen den bildungspolitischen Forderungen von BDA und BDI und werden daher begrüßt. Neue Fragen wirft insbesondere die Initiative „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen“ auf. Die EU-Kommission plant u. a. die Entwicklung eines europäischen Rahmens für

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Qualifikationen, Kompetenzen und Berufe (European Skills Competences and Occupations Taxonomy, ESCO), der als gemeinsame sprachliche und operative Grundlage für Bildung und Beschäftigung dienen soll und den Abgleich von Qualifikationen und der Arbeitsmarktnachfrage erleichtern soll. Auf europäischer Ebene sollen für jeden Beruf die relevanten Kompetenzen definiert werden. Die entsprechenden Beschreibungen sollen zukünftig Grundlage für die Formulierung von Stellenprofilen, Lebensläufen, Lehrplänen u. Ä. sein. Die BDA sieht die Initiative skeptisch. Die EU-Kommission hat bislang nicht ausreichend deutlich gemacht, welcher Mehrwert mit einer entsprechenden Klassifikation verbunden ist – insbesondere auch im Verhältnis zu dem enormen Aufwand, den die Erstellung eines alle Berufe umfassenden Instruments erfordert. Grundsätzlich bestehen Zweifel an der Umsetzbarkeit eines derart ambitionierten Vorhabens. Befürchtet werden auch Auswirkungen auf das nationale Bildungssystem, z. B. die zukünftige Formulierung von Ausbildungsordnungen, aber auch auf die Klassifikation der Berufe 2010, die wiederum Grundlage für den Tätigkeitsschlüssel und damit für das Arbeitgebermeldeverfahren zur Sozialversicherung ist. Die BDA wird diese Position in die weiteren Abstimmungsprozesse einbringen.

Im Ausland erworbene Qualifikationen transparent machen Die Bundesregierung hat im Dezember 2009 Eckpunkte zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen beschlossen. Diese sehen einen Anspruch auf ein Verfahren vor, in dem geprüft wird, ob und in welchem Maße im Ausland erworbene Qualifikationen deutschen Ausbildungen entsprechen. Ausdrückliches Ziel ist es, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für alle Personen mit im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen zu verbessern, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Die BDA begrüßt das Anliegen der Bundesregierung, durch eine verbesserte Anerkennung die Integration von Migranten zu fördern. Es müssen Wege gefunden werden, Qualifikationen für den Arbeitsmarkt besser verwertbar zu machen. Voraussetzung

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BDA | Geschäftsbericht 2010 | Bildung

hierfür ist insbesondere, verständlich zu machen, welche Kompetenzen im Rahmen einer Qualifikation erworben wurden. Die BDA fordert daher Verfahren, die möglichst effizient und unbürokratisch die vorhandenen Kompetenzen dokumentieren. Neben den üblichen Äquivalenzverfahren, in denen ausländische Qualifikationen inhaltlich mit den entsprechenden inländischen Qualifikationen verglichen und die vorhandenen Defizite festgestellt werden, müssen ergänzend Möglichkeiten geschaffen werden, Kompetenzen auch unabhängig von formalen Qualifikationen zu dokumentieren – ggf. auch als Grundlage für spätere Nachqualifizierungsmaßnahmen. Die BDA hat hierzu die Position „Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern. Im Ausland erworbene Qualifikationen transparenter machen“ veröffentlicht.

Die Hochschule der Zukunft: das Leitbild der Wirtschaft Autonomie, Ergebnisorientierung und gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen wie auch eine wettbewerblich organisierte Spitzenförderung in Forschung und Lehre prägen die aktuelle hochschulpolitische Reformagenda. Zwar sind diese Anstrengungen zur Modernisierung der Hochschulen zu begrüßen und weisen in die richtige Richtung. Doch um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein, sind weitere Verbesserungen notwendig. So müssen die Hochschulen der Zukunft viel stärker als bisher ihre zentrale gesellschaftliche Rolle als Bildungsund Weiterbildungsort für hoch qualifizierte Fachkräfte, als soziales Sprungbrett, Innovationsquelle und Zukunftslaboratorium wahrnehmen. Für ihre Leistungen in Lehre, Studium und Weiterbildung, Forschung und Technologietransfer müssen sie zudem angemessen und leistungsorientiert ausgestattet werden und die Möglichkeit erhalten, mit Partnern in Wirtschaft und Gesellschaft ungehindert zusammenzuarbeiten. Auch die Politik ist gefragt: Um der in den nächsten Jahren stark steigenden Nachfrage nach Studienplätzen gerecht werden zu können, benötigen die Hochschulen zusätzliche Mittel – in Anbetracht des aufkommenden Fachkräftemangels ist dies eine wichtige Investition in die Zukunft.


Die Hochschule der Zukunft: das Leitbild der Wirtschaft Die Hochschule in der Gesellschaft: Die Hochschule der Zukunft identifiziert und deckt den Bedarf an wissenschaftlicher Bildung und Forschung und erschließt ständig neue Wissensgebiete. Dadurch kommt ihr in der Wissensgesellschaft eine Schlüsselrolle für gesellschaftliche Entwicklung, Innovation und die Ausbildung hoch qualifizierter Fachkräfte zu. Die Hochschullandschaft weist eine große Vielfalt an Einrichtungen auf, die zusammenarbeiten, aber auch im Wettbewerb miteinander stehen. Neben staatlichen nehmen gleichberechtigt auch Hochschulen in privater Trägerschaft eine wichtige Rolle ein. Die Hochschule als Organisation: Die Hochschule der Zukunft verfügt über ein hohes Maß an Autonomie und entwickelt eigenständig ihr Profil. Sie handelt unternehmerisch und agiert unabhängig von direkten staatlichen Eingriffen im nationalen und internationalen Wettbewerb. Mit ihren Partnern, insbesondere in der Wirtschaft, arbeitet die Hochschule eng zusammen und sorgt dafür, dass ihr Profil zu den Anforderungen ihrer Stakeholder passt. Studium und Lehre: Die Hochschule der Zukunft gestaltet ein hochwertiges wissenschaftliches Studien­ angebot in Bachelor- und Masterstudiengängen sowie Promotionsprogrammen. Bei der Gestaltung ihrer Studienangebote berücksichtigt sie die stärkere Verflechtung von Bildungs- und Erwerbsphasen und orientiert sich inhaltlich und organisatorisch an der Nachfrage der Studieninteressierten und an den Anforderungen des Arbeitsmarkts. Sie ermöglicht Abiturienten ebenso wie beruflich Qualifizierten den Hochschulzugang und gestaltet ein transparentes und effizientes Auswahl- und Zulassungsverfahren. Internationalisierung: Um Studierende auf Tätigkeiten im Ausland vorzubereiten, ihnen interkulturelle Kompetenzen und vielfältige Sprachkenntnisse zu vermitteln und die weltbesten Forscherteams zusammenzubringen, verfolgt die Hochschule eine Strategie der Internationalisierung. Ihre Studierenden erhalten die Möglichkeit, Studienabschnitte, Forschungsphasen oder Praktika im Ausland zu absolvieren. Die Hochschule gewährleistet eine umfassende Anrechnung im Ausland erworbener Studienleistungen. Hochschulfinanzierung: In der Forschung wird der größte Teil der staatlichen Mittel in von der Wissenschaft selbst organisierten Wettbewerbsverfahren sowie über anwendungsorientierte staatliche Programme vergeben. In der Lehre wird ein Drittel der staatlichen Ausgaben über die von den Studierenden nachgefragten Lehrleistungen an die Hochschulen verteilt. Die Hochschule kann Studienbeiträge erheben, um zusätzliche Lehrleistungen zu finanzieren. Darüber hinaus wirbt die Hochschule private Drittmittel ein und bietet ihre Leistungen am Markt an.

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Europäischer Hochschulraum eröffnet – Bologna-Prozess geht weiter

BDA und BDI haben im Februar 2010 das gemeinsame Leitbild „Die Hochschule der Zukunft“ veröffentlicht und hierin eine umfassende Vision einer Hochschule im Jahr 2020 formuliert – mit praktischen Implikationen für Hochschulen, Politik und Gesellschaft. Die Wirtschaft wirbt bei den Verantwortlichen nachdrücklich für eine Umsetzung dieses Leitbilds.

1999 setzten sich die Bildungsminister von 30 europäischen Staaten in der Bologna-Erklärung das Ziel, bis 2010 einen gemeinsamen Europäischen Hochschulraum zu schaffen und dafür vergleichbare Studienstrukturen und akademische Abschlüsse zu vereinbaren. Der anschließende Bologna-Prozess hat in den letzten elf Jahren die Hochschullandschaft in Europa grundlegend verändert und auch in Deutschland zur flächendeckenden Einführung der neuen Studien­ abschlüsse Bachelor und Master geführt, in denen inzwischen bereits 43 % aller Studierenden

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Hochschulpolitik“, „Hochschulfinanzierung“ und „Quartäre Bildung“

Immer mehr Studierende an deutschen Hochschulen Studienanfängerquote 1995 bis 2009 nach OECD-Verfahren, einschließlich Verwaltungsfachhochschulen

in % 50 46,0 43,3

45 40,3 38,9

40 36,1

35

37,1

37,1

37,0

37,1 35,7

33,5 31,3 29,2

30 26,8

25 1995

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

* vorläufige Berechnung Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Hochschulstatistik

112

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2006

2007

2008

2009 2010*


eingeschrieben sind. Auch Qualitätsverbesserungen an Hochschulen, die grenzüberschreitende Mobilität der Studierenden, eine stärkere Orientierung der Studienangebote an den Erfordernissen der Arbeitswelt, der Ausbau der Weiterbildung sowie die Öffnung der Hochschulen für Berufstätige wurden als Ziele des Bologna-Prozesses definiert und in nationale Strategien übersetzt. Mittlerweile nehmen bereits 47 Staaten am Bologna-Prozess teil. Am 11. und 12. März 2010 tagten deren Bildungsminister in Budapest und Wien, um anlässlich des Zieljahres 2010 eine Bilanz zu ziehen und – wie in der Bologna-Erklärung vorgesehen – den Europäischen Hochschulraum zu eröffnen. Die BDA nimmt regelmäßig an den Beratungen zum Bologna-Prozess auf

europäischer Ebene teil und war daher auch auf dieser Konferenz in der Delegation von ­BUSINESSEUROPE vertreten. Die Bilanz der bisherigen Erfolge des Bologna-Prozesses fällt gemischt aus. Zwar ist die formale Umsetzung der Studienreform überall weit vorangeschritten. Problematisch ist allerdings, dass die inhaltliche Umsetzung der Reform­ideen vielerorts noch aussteht. So kann von einer Ausrichtung des Studiums an klar formulierten Kompetenzzielen sowie einer umfassenden Internationalisierung der Hochschulen in den meisten Ländern noch keine Rede sein. Immerhin hat der Bologna-Prozess aber einen europaweiten Diskurs über den Reformbedarf an den Hochschulen initiiert.

Bologna-Prozess: Erfolge erkennbar Beschäftigungsfähigkeit und Mobilität von Universitätsabsolventen mit Bachelor und Diplom im Vergleich Bachelor

Diplom

Durchschnittliches Alter bei Studienabschluss in Jahren

24,8

28,0

Internationale Mobilität in %

42,0

43,0

Durchschnittliche Dauer der Arbeitsplatzsuche in Monaten

3,0

2,9

Anteil der Vollzeitbeschäftigten Absolventen in %

85,0

85,0

Anteil mit hoher beruflicher Zufriedenheit in %

63,0

66,0

Quelle: INCHER-Kassel KOAB graduate surveys 2009 und 2010

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In Deutschland finden die neuen akademischen Abschlüsse große Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt. Bachelorabsolventen finden attraktive und ihrem Ausbildungsniveau entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten. Die stärker ausgeprägte Strukturierung der Bachelorstudiengänge hat zudem dazu geführt, dass deutlich mehr Studierende ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließen können. Auch die internationale Mobilität der Studierenden hat sich positiv entwickelt: Seit Jahren steigt die Zahl deutscher Studierender im Ausland stetig an. 15 % der Bachelorabsolventen haben einen Teil ihres Studiums im Ausland absolviert; unter Einbeziehung anderer studienbezogener Auslandsaufenthalte, wie etwa Praktika und Sprachkurse, sind dies sogar etwa 40 %. Allerdings hat es auch in Deutschland bei der Umsetzung der Bologna-Reform Fehlentwicklungen gegeben, die nun dringend korrigiert werden müssen. So sind die Studienabbruchquoten in den vergangenen Jahren gerade in den wichtigen MINT-Fächern deutlich angestiegen. Die stärkere Strukturierung des Studiums hat vielfach zu einer Überregulierung und hoher Prüfungsdichte geführt. Zahlreiche Studiengänge wurden zudem auch hierzulande kaum inhaltlich reformiert und bleiben damit „alter Wein in neuen Schläuchen“.

„Bachelor Welcome!“ 2010 Die deutsche Wirtschaft hat die Bologna-Reform stets unterstützt. Bereits in den Jahren 2004, 2006 und 2008 haben sich Personalvorstände führender Unternehmen in Deutschland im Rahmen der Initiative „Bachelor Welcome!“ mit einer gemeinsamen Erklärung zur Umstellung auf die gestufte Studienstruktur bekannt und ihre Zusagen und Forderungen in diesem Prozess formuliert. Die deutsche Wirtschaft engagiert sich auch in Zukunft entschieden für die konsequente Umsetzung der Hochschulreform im Geiste der Bologna-Idee. Am 21. Oktober 2010 wurde im Haus der Deutschen Wirtschaft die vierte „Bachelor Welcome!“Erklärung zwischen 43 Personalvorständen abgestimmt und unterzeichnet. Nach mehr als zehn Jahren Studienreform wurde eine Zwischenbilanz gezogen und neue Ziele für eine Weiterentwicklung der Reform wurden definiert. Einig waren sich die Personalvorstände darin, dass bei der bisherigen Studienreform bereits

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große Fortschritte erzielt wurden. So ist in den letzten zehn Jahren die Bildungsbeteiligung deutlich gestiegen, zugleich sind die Studierenden zufriedener denn je mit den Studienbedingungen an den Hochschulen. Der Erfolg der Bachelorabsolventen auf dem Arbeitsmarkt korrespondiert mit den insgesamt sehr guten Erfahrungen der Unternehmen mit den neuen Studienabschlüssen. Um die Reform zum Erfolg zu führen, sind allerdings weitere Schritte notwendig. So müssen Bachelor- und Masterphase konsequenter als bisher als getrennte Studienphasen gestaltet werden, um noch bessere Übergänge zwischen Hochschule und Berufswelt zu ermöglichen. Die im Vergleich zu den Diplomstudiengängen kürzeren Bachelorprogramme müssen dabei eine breite wissenschaftliche Ausbildung ohne detaillierte inhaltliche Spezialisierung zum Ziel haben, Forschungs- und Praxisbezüge enthalten und Kompetenzvermittlung mit Persönlichkeitsbildung kombinieren. Auf Internationalität darf hierbei keinesfalls verzichtet werden, sie stellt in einer globalen Wirtschaft vielmehr eine zentrale Kompetenz dar. Die Bologna-Reform wird erst dann zur Erfolgsgeschichte, wenn sie nicht an der Hörsaaltür endet. Hochschulen und Arbeitgeber sind deshalb künftig noch stärker gefordert, Hand in Hand zu arbeiten. Die Unterzeichner der Erklärung verstehen sich dabei als integraler Bestandteil der Studienreform und sichern zu, die Vielfalt der Abschlüsse und Bildungswege stärker in ihrer Personalentwicklung zu verankern. Unterschiedliche Karrierewege und lebenslanges Lernen sind bereits heute selbstverständlicher Teil der betrieblichen Personalpolitik, werden aber in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Die Personalvorstände waren sich nicht nur darin einig, die unterschiedlichen Bologna-Abschlüsse konsequent beim Recruiting berücksichtigen und Stellenprofile entsprechend zuschneiden zu wollen. Sie erklärten auch, duale Studiengänge auszubauen und passende Rahmenbedingungen für das berufsbegleitende Studium der Mitarbeiter zu schaffen. Für Personalvorstände und -verantwortliche in den Unternehmen besteht jederzeit die Möglichkeit, durch eine Online-Unterzeichnung die „Bachelor Welcome!“-Erklärung 2010 zu unterstützen. Näheres finden Sie auf der Internetseite des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft


unter www.stifterverband.info. Nach der Verabschiedung und Unterzeichnung der „Bachelor Welcome!“-Erklärung 2010 stellte der Vorsitzende der Initiative, Thomas Sattelberger, die zentralen Forderungen und Zusagen der Personalvorstände der Öffentlichkeit vor. Zu der Veranstaltung „Bologna zum Erfolg führen“ trafen sich am 21. Oktober 2010 rd. 200 Vertreter aus Wirtschaft, Hochschule, Studentenschaft und Politik.

Im Dialog mit den Studierenden Die Proteste an den Hochschulen, die im Herbst 2009 einen Höhepunkt erreichten, haben deutlich gemacht, dass viele Studierende mit den derzeitigen Studienbedingungen unzufrieden sind und sich vor allem eine deutlich verbesserte Ausstattung der Hochschulen, mehr Möglichkeiten der individuellen Schwerpunktsetzung im Studium und ein stärkeres Augenmerk auf die soziale Situation der Studierenden wünschen. Auf Einladung von BDA und BDI fand im Februar erstmals ein hochschulpolitischer Gedankenaustausch mit verschiedenen Studierendenvertretern statt. Das Gespräch diente vor allem dazu, mehr über Standpunkte, Interessen und Prioritäten der Studierenden zu erfahren und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. So betonten die Studierenden ihre Unterstützung für die Ziele der Bologna-Reform, bemängelten aber zugleich eine fehlende Einbindung der studentischen Perspektive in den bisherigen Umsetzungsprozess. Da die Gestaltung von Studium und Lehre unmittelbare Auswirkungen auf ihre berufliche Zukunft habe, seien Studierende stark daran interessiert, hieran stärker als bisher beteiligt zu werden. Da sie zudem über die notwendige Expertise verfügten, sei studentische Mitwirkung für alle Akteure ein Gewinn. Die Studierenden wünschten sich daher eine stärkere Einbeziehung in hochschulpolitische Dialoge und begrüßten das Interesse der Wirtschaft an der studentischen Perspektive. Ein verstärkter direkter Dialog zwischen Studierenden und Arbeitgebern kann gerade für die Weiterentwicklung von Studium und Lehre neue Impulse setzen und stellt daher für die Wirtschaft eine große Bereicherung dar. BDA und BDI werden den Dialog mit den Studierenden in Zukunft in vielfältigen Formaten fortsetzen und intensivieren.

Stipendien fördern, Kooperation stärken Am 9. Juli 2010 hat der Bundesrat das Gesetz zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms verabschiedet und damit das sog. Deutschland-Stipendium ins Leben gerufen. Ziel ist zunächst für 2011, dass 10.000 zusätzliche Stipendien eingerichtet werden. Langfristig sollen aus dem Programm 8 % der Studierenden ein Stipendium erhalten. Durch das Deutschland-Stipendium sollen verstärkt private Mittelgeber für eine finanzielle Unterstützung leistungsstarker Studierender gewonnen werden. Eingeworbene private Mittel werden vom Bund in gleicher Höhe mit öffentlichen Geldern ergänzt. Die Verantwortung für die Einwerbung der privaten Stipendienmittel liegt bei den einzelnen Hochschulen. Dadurch sollen diese auch Anreize erhalten, sich stärker mit ihrem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld zu vernetzen. Zentrale Voraussetzungen für den Erfolg des Programms sind eine angemessene Einbindung und Beteiligung der privaten Geldgeber sowie die Entwicklung nachhaltiger Kooperationsstrategien seitens der Hochschulen. Denn erst hierdurch wird für viele Unternehmen eine Zusammenarbeit mit Hochschulen bei der Einrichtung von Stipendien interessant. Das belegen auch Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen, wo ein ähnliches Programm bereits im vergangenen Jahr initiiert worden ist. BDA und BDI haben sich daher im Gesetz­gebungsverfahren mit Erfolg dafür eingesetzt, dass nun eine Mitwirkung der privaten Mittelgeber an der Formulierung der Auswahlkriterien wie auch am Auswahlverfahren vorgesehen ist. Noch in diesem Jahr werden BDA und BDI zusammen mit dem Stifterverband eine Handreichung für interessierte Unternehmen und Verbände herausgeben.

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Europäische Union: mehr Konzentration auf die großen Fragen erforderlich Das Jahr 2010 war das erste Amtsjahr einer neuen Kommission und das erste Jahr der Europäischen Union unter dem Vertrag von Lissabon. Der Vertrag von Lissabon verschafft mehr Klarheit: Die Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten sind besser abgegrenzt, unterstützt durch ein neu eingeführtes Klagerecht der nationalen Parlamente. Der Vertrag erleichtert die Entscheidungsfindung, indem die Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat ausgeweitet, die Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit einer Gruppe von Mitgliedstaaten vereinfacht sowie die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments als Regelgesetzgebungsverfahren eingeführt wurden. In der Vergangenheit wurden wichtige Entscheidungen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Vollendung des Binnenmarkts maßgeblich waren, oft über lange Zeit im Rat blockiert. Dieser Stillstand wird durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen als Regel in vielen Bereichen aufgehoben. Kernthemen der Sozialpolitik wie soziale Sicherheit und Arbeitnehmerschutz, Mitbestimmung und Kündigungsschutz oder auch Beschäftigungsbedingungen von Arbeitnehmern aus Drittstaaten verbleiben in der Einstimmigkeit. Einer schleichenden Kompetenzverschiebung in der Sozialpolitik wird so ein verlässlicher Riegel vorgeschoben. Diese institutionellen Reformen schaffen vor allem durch die Aufwertung des Europäischen Parlaments eine neue Balance zwischen den europäischen Institutionen. Für die BDA hat sich deutlich gezeigt, dass es immer wichtiger ist, ihre Argumente verstärkt im Europäischen Parlament vorzubringen und dafür zu sorgen, dass die Anliegen der Wirtschaft dort verstanden werden und in die politische Arbeit einfließen. Nach einer Phase mit weitgehendem politischem Stillstand im Jahr 2010 und einigen Anlaufschwierigkeiten der neuen Kommission herrscht nun geradezu ein Aktionismus, der zu einem Wirrwarr von politischen Einzelinitiativen führt.

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Das Große und Ganze scheint aus dem Blick zu geraten. Wichtig wäre es, sich konzentriert mit der nachhaltigen Bewältigung der Folgen der Finanzund Wirtschaftskrise, mit der Schaffung einer neuen europäischen Stabilitätskultur und mit der Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der EU zu beschäftigen. Das gilt für Kommission und Parlament gleichermaßen. Letzteres verzettelte sich monatelang in einen geradezu absurden Streit über die Frage, ob die Mitgliedstaaten der EU vier oder sechs Wochen mehr Mutterschutz benötigen. Der Notfall Griechenland war in diesem Jahr eine Zerreißprobe für die Europäische Union. Und diese „hausgemachte“ Krise ist noch nicht überstanden. Weitere ähnliche Fälle können derzeit nicht ausgeschlossen werden. Die klare Position der Bundesregierung, Finanzhilfen für Griechenland nur unter der Bedingung nachhaltiger, glaubwürdiger Reformen und angemessener wirksamer Sparmaßnahmen in Griechenland zu ermöglichen, war im politischen und ökonomischen Interesse der gesamten EU und damit auch Griechenlands und Deutschlands. Denn die Summe der Stabilisierungsmaßnahmen von und für Griechenland diente in der Zusammenschau der Stabilität des Euro und damit der Währungsunion. Die von Griechenland ausgelöste Krise des Euro hat deutlich vor Augen geführt, dass der Stabilitätspakt dringend gestärkt werden muss, damit die Währungsunion künftig solchen Krisen vorbeugt und im Falle ihres Eintretens für ihre Bewältigung gerüstet ist. BDA und BDI haben sich in einer Erklärung „Für eine neue europäische Stabilitätspolitik“ im Juni des Jahres gemeinsam positioniert: Die Eurozone muss eine Stabilitätsgemeinschaft bleiben. Erst die zwingend notwendige Schaffung einer Insolvenzoption für überschuldete Mitgliedstaaten wird auch Gläubiger überschuldeter Staaten angemessen an den Konsolidierungsmaßnahmen beteiligen. Die Verhängung von Sanktionen bei Überschreitung der Schuldengrenzen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts muss einem Automatismus unterworfen sein; erst dies schließt den schädlichen politischen „Kuhhandel“ aus. Neben den ohnehin vorgesehenen Strafzahlungen sollte der Fokus zukünftig stärker auf das abgestufte Einfrieren von EU-Mitteln bis hin zur


Sperrung aller EU-Mittel inklusive der Agrarmittel gerichtet werden. Mitgliedstaaten, die wiederholt gegen Defizitkriterien und Korrekturauflagen verstoßen, sollten vorübergehend ihr Stimmrecht im Rat verlieren. Es ist ein wichtiger Teilerfolg auf dem Weg zu einer neuen Stabilitätskultur, dass es nach der deutsch-französischen Initiative beim EU-Gipfel am 28. und 29. Oktober gelungen ist, alle Staats- und Regierungschefs der EU davon zu überzeugen, dass ein permanenter Krisenmechanismus – mit der damit verbundenen Änderung des EU-Vertrags – eingerichtet werden muss. Auf dem Gipfel am 16. und 17. Dezember haben die EU-Staats- und Regierungschefs die Ergänzung des Lissabon-Vertrags zur Stabilisierung der Europäischen Währungsunion auf den Weg gebracht und zugleich betont, dass damit keine Übertragung weiterer Souveränitätsrechte verbunden ist. Diese angestrebte Vertragsergänzung unterstreicht das gemeinsame europäische Interesse an einem dauerhaften Stabilitätsmechanismus unter strengen Bedingungen. Weitere Schritte bleiben jedoch erforderlich und dringlich. So muss zügig eine Schärfung des EU-Stabilitätspakts gelingen, um das Risiko eines Abgleitens in eine Transferunion zu verhindern. Alle EUStaaten müssen zudem die Konsolidierung ihrer Staatshaushalte vorantreiben. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Standort Europa

EU 2020 – Strategie für ein zukunftsfähiges Europa Die neue Kommission hat als übergreifendes Arbeitsprogramm für ihre Amtszeit die Reformstrategie EU 2020 erarbeitet, die die Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfeltreffen am 17. Juni 2010 angenommen haben. Sie ist die Nachfolgerin der Lissabon-Strategie, die dieses Jahr ausläuft. Die EU-2020-Strategie enthält ein klares Bekenntnis, den Reformprozess in Europa zu beschleunigen: „Entweder stellen wir uns gemeinsam der unmittelbaren Herausforderung des wirtschaftlichen Aufschwungs und auch den längerfristigen Problemen (Globalisierung, Ressourcenknappheit, Alterung), damit wir die jüngsten Verluste ausgleichen, unsere

Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, unsere Produktivität steigern und längerfristig dem Wohlstand in der Union den Weg bereiten. Oder wir machen mit langsamen und weitgehend unkoordinierten Reformen weiter und riskieren dauerhafte Wohlstandseinbußen, ein schleppendes Wirtschaftswachstum mit der möglichen Folge hoher Arbeitslosenzahlen, sozialer Spannungen und relativer Bedeutungslosigkeit Europas auf der Weltbühne.“ Dieser richtigen Grundorientierung für ein zukunftsfähiges Europa müssen auch die konkreten politischen Handlungen in der EU und allen Mitgliedstaaten entsprechen. Die ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgekosten werden erheblich sein, wenn die Wettbewerbsfähigkeit jetzt nicht nachhaltig verbessert wird. Der Europäische Rat hat sich darauf verständigt, bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erreichen. Die Zielsetzung wird von der BDA voll unterstützt. Aufgrund der alternden Gesellschaft muss das Arbeitskräftepotenzial in Zukunft sehr viel besser ausgeschöpft werden als bisher. Das Flexicurity-Konzept, das durch eine Optimierung des Zusammenwirkens von aktiver Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, sozialer Sicherung und lebenslangem Lernen die Beschäftigungschancen maximiert, spielt für die Erreichung des Beschäftigungsziels eine Schlüsselrolle. Es ist daher erfreulich, dass dem Flexicurity-Konzept in der EU-2020-Strategie entsprechende Priorität für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zugesprochen wird. Jetzt geht es darum, dass die bereits 2007 vom Europäischen Rat beschlossenen Flexicurity-Grundsätze für einen flexiblen und sicheren Arbeitsmarkt tatsächlich umgesetzt werden. Die europäischen Sozialpartner leisten ihren Beitrag dazu und sind mit dem Sozialdialogprojekt „Inclusive Labour Markets“ gerade dabei, die Umsetzung der Flexicurity-Grundsätze auf Ebene der Mitgliedstaaten gemeinsam zu prüfen. Die EU-Kommission hat angekündigt, im ersten Halbjahr 2012 eine neue Flexicurity-Mitteilung vorzulegen. Die BDA wird gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden der drei dann rotierenden EU-Präsidentschaftsländer Polen, Ungarn und Dänemark frühzeitig Vorschläge erarbeiten, um die Debatte wie auch die Mitteilung selbst in die richtige Richtung zu lenken.

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Die BDA hat sich seit langem dafür eingesetzt, dass die EU-Kommission im Rahmen des Steuerungsmechanismus der Lissabon-Strategie die Reformdefizite der Mitgliedstaaten sehr viel ungeschminkter aufzeigen muss, als sie das bisher getan hat. Durch die Staatsschuldenkrise Griechenlands und die damit verbundene Frage nach besserer makroökonomischer Überwachung hat das Thema neue Priorität bekommen. Entscheidend ist, den Druck zur Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Leitlinien der EU-­ ­ 2020-Strategie zu erhöhen. Die EU-Kommission muss ihre Rolle dabei entschlossener wahrnehmen, wenn die EU-2020-Strategie nicht ein zahnloser Papiertiger bleiben und genauso scheitern soll wie die Lissabon-Strategie. Die EU-Kommission hat es selbst sehr weitgehend in der Hand, durch ihre Aktivitäten und Initiativen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Weniger ist dabei oft mehr! Die BDA fordert ein konsequentes Belastungsmoratorium für die gesamte europäische Wirtschaft. Dieses Belastungsmoratorium muss neben der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auch die Steuer-, Industrie- und Energiepolitik umfassen. Zusätzliche Belastungen sind Gift für Konjunktur und Beschäftigung. Sie stärken die Wettbewerber und schwächen die europäische Wirtschaft. Statt unnötiger Regulierungen sollte die EU-Kommission die Vorgaben für den gemeinsamen Binnenmarkt entschlossen durchsetzen: für offene Märkte, gegen Protektionismus, für Wettbewerb und gegen Subventionen. Das erste Amtsjahr der neuen Kommission war zwar von der einen großen Leitidee „EU 2020“ geprägt, diese scheint jedoch noch nicht Eingang in die konkreten Initiativen der einzelnen Kommissare und Generaldirektionen gefunden zu haben. Vielmehr ist der Wirrwarr an Einzelinitiativen überraschend. Da kommen generelle Rundumschläge, oder es werden Themen gebündelt, die inhaltlich nicht zusammengehören. In der europäischen Sozialpolitik kommen Initiativen nicht mehr „nur“ aus der Generaldirektion Beschäftigung und Soziales, sondern zunehmend von anderen Kommissaren und Generaldirektionen – z. T. völlig unkoordiniert – in Zusammenhang mit Themen wie Binnenmarkt, Industriepolitik, Handel, Bildung, Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft sowie Inneres. Aktuelle Beispiele sind die industriepolitische

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Mitteilung von Industriekommissar Antonio Tajani, in der nun überraschend Umstrukturierung eine wesentliche Rolle spielt, oder die Mitteilung zum Binnenmarkt („Single Market Act“) von Binnenmarktkommissar Michel Barnier, in der eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie angekündigt wird und Ansatzpunkte für eine europäische Regelung des Streikrechts enthalten sind.

Binnenmarktakte – Stärkung des Binnenmarkts nicht durch unnö­ tige sozialpolitische Initiativen konterkarieren Aufbauend auf dem Bericht „Eine neue Strategie für den Binnenmarkt“, den der ehemalige Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissar Mario Monti im Mai 2010 vorgelegt hatte, hat die Kommission die Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte – für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ vorgelegt. Die Binnenmarktakte beinhaltet 50 sehr unterschiedliche Vorschläge – angefangen bei den Verfahren der europäischen Produktnormung über die Energieinfrastruktur, die sozialen Rechte von Arbeitnehmern bis hin zu Produktsicherheit und Passagierrechten. Sie ist ein Sammelsurium, das eine innere Kohärenz vermissen lässt. Manche Vorschläge sind geeignet, notwendige Impulse für die Vollendung des Binnenmarkts und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu geben, wenn sie tatsächlich verabschiedet und dann konsequent umgesetzt werden, so z. B. das EU-Patent und die Vorschläge zur weiteren Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte. Andere Vorschläge hingegen dürften für den Binnenmarkt eher schädlich sein, so z. B. mehrere sozialpolitische Vorschläge, etwa die Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie, ein europäischer Rahmen zur Antizipation von Umstrukturierungen und Vorschläge zu Corporate Social Responsibility (CSR). Zu einem wichtigen sozialpolitischen Thema, nämlich der grenzüberschreitenden Entsendung, ist es nicht zuletzt dank der intensiven Bemühungen von BUSINESSEUROPE und BDA gelungen, die endgültige Fassung der Binnenmarktakte zu verbessern. In internen Vorentwürfen der Kommission befand sich ein – wohl auf Druck der Gewerkschaften als Reaktion auf die Urteile des


Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission gegen Luxemburg“ eingebrachter – Vorschlag, eine europäische Regelung des Streikrechts aufzunehmen. In der verabschiedeten Binnenmarktakte wird nunmehr nur noch klargestellt, dass die Kommission den Grundrechten, einschließlich des Rechts auf Kollektivmaßnahmen, Rechnung trägt – dies ist eine Selbstverständlichkeit. Außerdem wird die Kommission einen Vorschlag vorlegen, um die Umsetzung der Entsende­richtlinie zu verbessern, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Verbesserungsbedarf besteht insbesondere dabei, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Verwaltungen zu verbessern, um eine effektive und gezielte Bekämpfung von Missbräuchen zu gewährleisten. Dabei muss auch die in einigen Mitgliedstaaten offensichtlich fehlende Bereitschaft adressiert werden, bei der Missbrauchsbekämpfung mit den nationalen Verwaltungen der anderen Mitgliedstaaten konsequent zu kooperieren. Die Kommission muss auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, eine verbesserte Koordination von Kontrollinstrumenten sowie den Austausch von „good practices“ drängen. Dagegen ist die von der Kommission in diesem Zusammenhang ebenfalls vorgeschlagene klärende Bestimmung zum Verhältnis der sozialen Grundrechte zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts nicht dazu geeignet, die praktische Umsetzung der Entsenderichtlinie zu verbessern. Die Entsenderichtlinie berührt selbstverständlich nicht das Recht, Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen und durchzusetzen sowie Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Der EuGH hat in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission gegen Luxemburg“ die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Rechtsetzung im Bereich der kollektiven Rechte, z. B. des Streikrechts, anerkannt und einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht der Gewerkschaften auf Ausübung kollektiver Rechte und den Grundfreiheiten vorgenommen. Es besteht daher in diesem Bereich kein Klärungs- oder gar Handlungsbedarf. Die Binnenmarktakte enthält weitere sozialpolitisch relevante Vorschläge, die sehr kritisch zu werten sind. Dazu gehören die Überprüfung

der Pensionsfondsrichtlinie, der vorgesehene Rahmen für die Antizipation von Umstrukturierungen und last but not least eine Konsultation zur Transparenz bezüglich der Verantwortung der Unternehmen in den Bereichen Soziales, Ökologie und Achtung der Menschenrechte (CSR). Die Kommission schließt in dem Konsultationspapier, das sie am 22. November 2010 vorgelegt hat, legislative Initiativen ausdrücklich nicht aus. Dies ist umso unverständlicher, als die Kommission parallel dazu bereits für 2011 eine Mitteilung zu CSR angekündigt hat, die freilich von einem anderen Kommissar, Antonio Tajani, vorbereitet wird. Beide Initiativen scheinen nicht koordiniert zu sein – es entsteht die Gefahr eines Wildwuchses sich widersprechender Initiativen verschiedener Kommissare. Die in diesem Zusammenhang mit „Transparenz“ gemeinte Mitteilungspflicht über CSR-Aktivitäten ist abzulehnen. Gerade die freiwillige CSR-Berichterstattung entwickelt sich zurzeit sehr dynamisch. Jedwede Regulierung in diesem Bereich hätte zur Folge, dass Unternehmen sich darauf konzentrieren würden, nur noch die bürokratischen Vorgaben zu erfüllen, anstatt gemeinsam mit den Stakeholdern nach den für sie angemessenen kreativen Lösungen zu suchen. Die Kommission sollte ihren auf Freiwilligkeit beruhenden Ansatz – wie er z. B. in der Europäischen CSR-Allianz zum Ausdruck kommt – fortsetzen. Die BDA wird sich in diesem Sinne in die Konsultation, die noch bis zum 24. Januar 2011 läuft, einbringen. Die Kommission hat auch angekündigt, die Entwicklung innovativer Unternehmensprojekte im sozialen Bereich zu unterstützen. Die BDA hat dazu u. a. einen europäischen Preis zu CSR vorgeschlagen. Die jetzt in der Binnenmarktakte vorgeschlagene Einführung von „Ethiklabels“ ist jedoch kontraproduktiv: Sie hätte zur Folge, dass Unternehmen ohne ein entsprechendes Label unter den Generalverdacht gestellt würden, unethisch zu handeln. Dabei sind alle Unternehmen, die sich an die geltende Rechtsordnung halten und durch ihre Geschäftstätigkeit zu Wachstum und Beschäftigung beitragen, gute Unternehmen. Mit einem weiteren Vorschlag der Binnenmarktakte will die Kommission den Rechtsrahmen für die europäische Normung ändern. Auch

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dieser Vorschlag ist nicht nachvollziehbar, denn die derzeitigen Strukturen zur europäischen Produktnormung haben sich in der Praxis bewährt. Gegenwärtig findet die Meinungsbildung über die wesentlichen Inhalte der Normung in sog. Spiegelgremien bei den nationalen Normungsorganisationen statt. In Deutschland ist dies das Deutsche Institut für Normung (DIN). Aus diesen Gremien werden Experten in die europäischen Normungsgremien, z. B. das Europäische Komitee für Normung (CEN), entsandt. Damit wird die Akzeptanz der europäischen Normung in den Mitgliedstaaten gewährleistet und gleichzeitig dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen. Die angekündigte rechtliche Änderung der europäischen Normung lässt befürchten, dass die Verfahren zentralisiert und die Finanzierung über Steuergelder – anstatt wie in Deutschland über private Beiträge – festgeschrieben werden soll. Diese Ansätze wären kontraproduktiv für die Akzeptanz der Normen und würden außerdem politischer Einflussnahme Tür und Tor öffnen.

konfrontiert, die Entsenderichtlinie zu verschärfen. Angesichts der drohenden Polarisierung bei der Revision der Entsenderichtlinie zwischen den EU-Mitgliedstaaten bat Špidla die europäischen Sozialpartner, das Thema im Sozialen Dialog zu analysieren, um zu einem gemeinsamen Ansatz zu kommen. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert – und als Erfolg für ­BUSINESSEUROPE und BDA zu werten –, dass es gelungen ist, im Abschlussbericht von 2010 das klare Bekenntnis beider Sozialpartner zum Binnenmarkt zu verankern und die erhebliche Bedeutung des Binnenmarkts für die soziale Konvergenz in Europa zu unterstreichen. Zu den Fragen der Vereinigungsfreiheit und des Streikrechts ist eine gemeinsame Positionierung dagegen nicht möglich gewesen. Daher wurden zu diesem Themenkomplex zwei getrennte Abschnitte mit den jeweiligen Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaften formuliert. Dadurch ist sichergestellt, dass die Arbeitgeberposition zu der Rechtsprechung des EuGH deutlich und unverfälscht artikuliert wird.

Die BDA wird sich in der nun anstehenden Konsultation zur Binnenmarktakte dafür einsetzen, dass die positiven Vorschläge vorangetrieben und die kontraproduktiven Vorschläge verbessert oder aufgegeben werden.

Bewältigung von Unternehmens­ umstrukturierungen: kein Bedarf für zusätzliche Regulierung

Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Themen > Europa/Internationales > Standort Europa

Klares Bekenntnis der euro­päi­ schen Sozialpartner zum Binnen­ markt Die europäischen Sozialpartner beschäftigen sich ebenfalls mit dem Funktionieren des Binnenmarkts, und zwar aus dem Blickwinkel seines Beitrags zur sozialen Konvergenz. Seit Anfang 2009 haben sie die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen „Viking“, „Laval“, „Rüffert“ und „Kommission gegen Luxemburg“ im Sozialen Dialog gemeinsam analysiert. Ausgegangen war die Initiative zu der gemeinsamen Analyse vom früheren EU-Kommissar Vladimír Špidla. Als Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH sah sich Špidla mit massiven Forderungen von Gewerkschaften und Teilen des Europäischen Parlaments

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Nachdem das Thema „Antizipation und Bewältigung von Umstrukturierungen“ lange nicht auf der Regulierungsagenda der Kommission gestanden hatte, waren im Sommer in der Brüsseler Lobbyistenszene informelle Entwürfe für einen Richtlinienvorschlag mit drastischen Vorschlägen für Unternehmen aufgetaucht. Dazu gehörten z. B. die Verpflichtung für Unternehmen, gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern Mehrjahrespläne zur Entwicklung des Beschäftigungs- und Kompetenzbedarfs aufzustellen, die die öffentlichen Stellen überprüfen sollten, sowie ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Weiterbildung, der mindestens 45 Stunden pro Jahr umfassen sollte. Letztlich stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen Text handelte, der ausschließlich von einer Beratungsfirma erstellt worden und der Kommission nicht bekannt war. Die Kommission hat ihrerseits das Thema sowohl in der Binnenmarktakte als auch in der industriepolitischen Mitteilung vom Oktober 2010 aufgegriffen und eine Konsultation der


Sozialpartner zu einem europäischen Rahmen für die Antizipation industrieller Umstrukturierungen angekündigt. Auf europäischer Ebene besteht bereits ein umfassender Regulierungsrahmen, um Umstrukturierungen von Unternehmen konstruktiv zu gestalten. Dazu gehören u. a. Richtlinien zum Betriebsübergang, zur Information und Konsultation der Arbeitnehmer, zur Einrichtung von Europäischen Betriebsräten oder zu Massenentlassungen. Zusätzliche Regulierung ist daher nicht erforderlich. Ergänzend zu diesem legislativen Rahmen haben die europäischen Sozialpartner im Jahre 2003 mit den „Orientations for reference in managing change and its social consequences“ Leitlinien für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Thema „Umstrukturierungen“ erarbeitet. Vor diesem Hintergrund gibt der von der Kommission angekündigte europäische Rahmen für die Antizipation industrieller Umstrukturierungen Anlass zur Sorge. Ein rechtsverbindlicher europäischer Rahmen würde der Vielfältigkeit und Komplexität von Umstrukturierungsprozessen nicht gerecht werden und die Gefahr bergen, diese unnötig zu erschweren. Da die Sozialpartner beim Umgang mit Umstrukturierungsprozessen eine wesentliche Rolle spielen, werden die Arbeitgeber die Konsultation jedoch konstruktiv begleiten. Ausgangspunkt dazu müssen die Leitlinien der Sozialpartner aus dem Jahre 2003 sein. Immerhin ist die nun angekündigte offene Konsultation der Kommission eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren Überlegungen, die ausschließlich auf eine Richtlinie abzielten. Insoweit hat die intensive Überzeugungsarbeit der Wirtschaft in den vergangenen Jahren Wirkung gezeigt.

Revision der Mutterschutzricht­ linie – Beschluss des Europäi­ schen Parlaments kontraproduktiv und korrekturbedürftig Das Europäische Parlament hat in der Plenarab­ stimmung im Oktober 2010 beschlossen, die Mutterschutzfrist von 14 auf 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung zu verlängern und zusätzlich einen zweiwöchigen voll bezahlten Vaterschaftsurlaub einzuführen. Es begründet dieses Vorhaben doppelt, nämlich mit dem Gesundheitsschutz und mit dem

Erfordernis besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Arbeitgeber bekennen sich selbstverständlich zum Gesundheitsschutz für jede schwangere Frau und junge Mutter. Dieser ist mit dem gegenwärtigen EU-Standard von 14 Wochen Mutterschutzfrist vollumfänglich gewährleistet. Im Hinblick auf das Ziel besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben ist nur die Gesamtschau von Mutterschutz und Elternzeit angemessen. Hier liegt Deutschland an der Spitze und gehört zu den Ländern mit den familienfreundlichsten Regelungen in der EU. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Dauer (162 Wochen, im Vergleich zu 27 Wochen wie z. B. in Belgien) als auch in Bezug auf die finanzielle Ausstattung der Familien. Der Beschluss des Europäischen Parlaments zeigt einen erschreckenden Realitätsverlust und setzt dem schon überflüssigen Kommissionsvorschlag noch eins drauf. Die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs von 14 auf 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung sowie ein zweiwöchiger voll bezahlter Vaterschaftsurlaub würden alleine die deutschen Arbeitgeber und öffentlichen Haushalte nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts mit ca. 1,7 Mrd. € pro Jahr zusätzlich belasten. Die darüber hinaus vom Parlament beschlossene Ausweitung des Kündigungsschutzes auf mindestens sechs Monate nach Beendigung des Mutterschutzes sowie überzogene arbeitsschutzrechtliche Neuregelungen und Dokumentationspflichten in Bezug auf „reproduktive Risiken bei der Bewertung des Arbeitsplatzes“ würden sich am Ende gegen die Frauen selbst richten, weil sie deren Beschäftigung weiter unnötig erschwerten. Nur 1,4 % aller deutschen Unternehmen haben mehr als 500 Beschäftigte – die vielen kleinen und mittleren Betriebe haben keinerlei Kapazität für solche überflüssige zusätzliche Bürokratie. Auch die vom Europäischen Parlament beschlossene Anrechnungsoption von Elternzeit auf die verlängerte Mutterschutzfrist ist zwar von den Initiatoren gut gemeint, aber bleibt mit erheblichen Mehrkosten für die deutsche Wirtschaft verbunden und ist daher abzulehnen. Der Beschluss des Europäischen Parlaments geht zur Weiterbehandlung an den Ministerrat. Dort gibt es zunehmend Einsicht, dass

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Mutterschutz und Elternzeit – Deutschland in der Spitzengruppe

Slowakei

156

28

Tschechien

28

Litauen

156

14

Ungarn

104

24

Österreich

104

16 48 45

Bulgarien Estland 14

Großbritannien Irland Luxemburg Italien

48

Dänemark

15

Lettland

16

Griechenland

60

40

18

Slowenien

58

37

52

32

48

28

17

45

23 21

Finnland Niederlande

16

Rumänien

18

Malta

14 13

Zypern

12

Portugal

0

44

26

42

24

42

24

38 31

18

29

17

12 15

Belgien

68

40

20

86

70

42

20

120

78

52

28

162*

128

92

72 26

172

93 72

20

Schweden

172

156

16

Deutschland

174

156

16

Spanien

174

156

18

Frankreich

184

156

18

Polen

184

156

27

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200 in Wochen

Elternzeit Mutterschutz insgesamt * Anrechnung der Mutterschutzfrist auf Gesamtdauer Elternzeit gem. § 15 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Quellen: COMMISSION OF THE EUROPEAN COMMUNITIES, Brussels, SEC(2008) 2526/2, COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT accompanying the Proposal for a DIRECTIVE OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL amending Council Directive 92/85/EEC, Impact Assessment Report {COM(2008) 600} {SEC(2008) 2527}

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jedwede Lösung Mutterschutz und Elternzeit in einer Gesamtbetrachtung würdigen muss und Länder mit so weit reichenden Bestimmungen zur Elternzeit wie z. B. Deutschland nicht benachteiligen darf. Insbesondere dürfen für Unternehmen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Bundesregierung hat im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Ministerrat die volle Unterstützung der Arbeitgeber, diesen sozialpolitischen Irrweg des Europäischen Parlaments nicht mitzugehen.

Kommission startet zweiten Anlauf zur Revision der Arbeits­ zeitrichtlinie Nachdem die Revision der Arbeitszeitrichtlinie Anfang 2009 scheiterte, weil das Parlament einen in letzter Minute in den Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat (Trilog) erreichten Kompromiss dennoch ablehnte, versucht die Kommission die Rahmenbedingungen für einen zweiten Anlauf zur Revision der bestehenden Arbeitszeitrichtlinie abzustecken. Derzeit wird auf der Grundlage von Art. 154 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine Sozialpartnerkonsultation durchgeführt. Die BDA war an der ersten Stufe der Sozialpartnerkonsultation beteiligt und hat sich für eine Weiterentwicklung hin zu mehr Individualisierung, Differenzierung und Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung ausgesprochen. Die Umsetzung der Arbeitszeitflexibilisierung steht in engem Zusammenhang mit der Korrektur der EuGHUrteile zu Bereitschaftszeit und Urlaub. So hat der EuGH in den Fällen „Jaeger“ und „SIMAP“ geurteilt, dass Bereitschaftsdienst vollständig als Arbeitszeit anzusehen ist. Damit gilt Bereitschaftszeit uneingeschränkt, also auch die inaktiven Phasen, als Arbeitszeit. Deutschland hat dieses Urteil durch Rechtsänderungen umgesetzt. Folge dieser Anpassung sind höhere Kosten, vor allem dort, wo Bereitschaftsdienst eine wichtige Rolle spielt. Mit einer Korrektur dieser EuGH-Rechtsprechung durch eine entsprechende Klarstellung in der Arbeitszeitrichtlinie könnte das deutsche Arbeitszeitgesetz wieder zu Gunsten der Arbeitszeitflexibilität geändert und die hohen Kosten für die Unternehmen zurückgenommen werden. Dabei muss die Möglichkeit

zur Abweichung von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit („opt out“) unangetastet bleiben. Ferner hat der EuGH in der Entscheidung Schultz-Hoff/Stringer geurteilt, dass Urlaub nicht verfällt, wenn Arbeitnehmer so lange krank sind, dass sie ihren Jahresurlaub nicht antreten können. So können im Extremfall über mehrere Jahre Urlaubsansprüche auflaufen, ohne dass der Zweck des Urlaubsrechts, nämlich die notwendige Erholung des Arbeitnehmers von seiner Erwerbsarbeit, erfüllt würde. Damit wird das deutsche Urlaubsrecht (§ 7 Abs. 3 BUrlG) ausgehebelt; nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfallen entsprechende Jahresurlaubsansprüche spätestens zum 31. März des Folgejahres. Die BDA wird auf die Kommission einwirken, um auf der Grundlage der Sozialpartnerkonsultation einen Richtlinienvorschlag vorzulegen, der die beschriebene Rechtsprechung des EuGH korrigiert. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „EU-Arbeitszeitrichtlinie“

Grünbuch Alterssicherung – offene Konsultation wirklich offen halten Die Kommission hat im Juli 2010 eine europaweite öffentliche Diskussion zur Frage gestartet, wie angemessene, nachhaltige und sichere Pensionen und Renten gewährleistet werden können und wie die EU die entsprechenden nationalen Bemühungen am besten unterstützen kann. Sie bringt zum Ausdruck, dass es in allen Mitgliedstaaten immer mehr ältere Menschen gibt, weshalb die aktuellen Systeme für die Alterssicherung unter massivem Druck stehen, den die Wirtschafts- und Finanzkrise noch verstärkt hat. Das Konsultationsdokument, ein Grünbuch mit einer Reihe von Fragen, lädt alle Interessierten ein, ihre Meinungen und Ideen zur Lösung der Pensions- und Rentenproblematik einzubringen und zu skizzieren, welchen Beitrag die EU dazu leisten kann. Das Grünbuch will den EU-Rahmen für die Alterssicherung einer ganzheitlichen und umfassenden Überprüfung unterziehen. Daher handelt es sich bei der Konsultation um eine gemeinsame Initiative der EUKommissare László Andor (Beschäftigung, soziale

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Angelegenheiten und Chancengleichheit), Michel Barnier (Binnenmarkt und Dienstleistungen) und Olli Rehn (Wirtschaft und Währung). Im Grünbuch sollen die Synergien zwischen Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Regulierung der Finanzmärkte genutzt werden, weshalb so verschiedene Themen angerissen werden wie z. B.:

Verlängerung des Arbeitslebens

Binnenmarkt für Pensionen und Renten

Mobilität von Pensionen und Renten innerhalb der EU

die zukünftige Solvenzregelung für Pensionsfonds

das Risiko der Arbeitgeberinsolvenz

Grundlagen für fundierte Entscheidungen und Governance auf EU-Ebene

Nachdem die Konsultationsfrist Mitte November 2010 abgelaufen ist, wird die Kommission alle Beiträge zusammenstellen und in einem Sammeldokument veröffentlichen. Da das Europäische Parlament mit seinen Beratungen zum Grünbuch diese Frist nicht einhalten konnte, wird es seine Stellungnahme erst Anfang 2011 vorlegen. Erst dann soll nach Angaben der Kommission über nächste Schritte beraten werden; denkbare Ansätze wären ein Weißbuch oder einzelne Initiativen zu Fragen, an denen bereits vor dem Grünbuch gearbeitet wurde. Angesichts dieser Aussagen ist es umso unverständlicher, dass in der Binnenmarktakte vom Oktober 2010 bereits eine isolierte Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie angekündigt wird. Wenn es dabei bliebe, würde die von der Kommission zu Recht angestoßene Debatte über die demografischen Herausforderungen in den Alterssicherungssystemen der Mitgliedstaaten vorschnell entwertet. Insgesamt ist zu sehen, dass Aktionismus kein guter Ratgeber ist. Gerade im Bereich der Altersvorsorge kommt es auf Stabilität und Verlässlichkeit an. Verunsicherung durch immer neue Initiativen schadet dort, wo Vertrauen wachsen sollte.

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Richtlinienvorschlag zur konzern­ internen Entsendung von Dritt­ staatsangehörigen weist den Weg Die EU-Kommission hat im Juli 2010 einen Sektorrichtlinienvorschlag zur konzerninternen Entsendung von Drittstaatsangehörigen (Intra-Corporate Transferees, ICTs) vorgelegt mit dem Ziel, den unternehmensinternen Transfer von „Schlüsselpersonal“ aus Drittstaaten in die EU und innerhalb der EU zu vereinfachen und zu standardisieren. Dadurch soll die innereuropäische Mobilität erleichtert und die EU als Arbeitsstandort wettbewerbsfähiger und attraktiver für multinationale Unternehmen gemacht werden. Dieser Richtlinienvorschlag war lange überfällig und steht vom Ansatz her als Beispiel für sinnvolle Regulierung im Interesse der Unternehmen und um den Standort Europa attraktiver zu machen. Die Vorschläge adressieren einen Bedarf, den die Unternehmen bereits lange artikuliert haben. Damit gibt die Kommission ein richtiges Signal an global agierende Unternehmen, die ihr Personal effektiv und schnell in all ihren Unternehmensteilen einsetzen müssen. Der Richtlinienvorschlag beinhaltet neben der Errichtung eines transparenten und einheitlichen Verfahrens zur Zulassung von ICTs einheitliche Mindeststandards im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen, die Mobilität zwischen Mitgliedstaaten und die Bedingungen der Familienzusammenführung. Darüber hinaus gewährt der Vorschlag den ICTs bestimmte Rechte insbesondere bezüglich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sowie sozialer Absicherung. Der Richtlinienvorschlag findet auf folgende drei Personengruppen Anwendung: Führungskräfte, Fachkräfte mit Branchenkenntnissen und besonderem Fachwissen sowie auf Trainees mit Hochschulausbildung. Für die ersten beiden Gruppen ist eine maximale Aufenthaltsdauer von drei Jahren, für die Trainees von einem Jahr vorgesehen. Um die richtige Zielsetzung zu erreichen, muss sich der Anwendungsbereich der Richtlinie an der betrieblichen Praxis ausrichten. Insbesondere muss noch klargestellt werden, dass der


Richtlinienvorschlag nicht nur die Konstellation einer Entsendung, sondern auch den Fall einer Versetzung erfasst.

Sektoraler Richtlinienvorschlag zu Saisonarbeitnehmern: Subsidiari­ tätsprinzip berücksichtigen Die EU-Kommission verfolgt mit dem Vorschlag das Ziel, einheitliche Mindeststandards für die Einreise und den Aufenthalt von Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten festzulegen, Rechte für diese Personengruppe festzuschreiben sowie Ausbeutung von Saisonarbeitskräften vorzubeugen. Voraussetzung für die Beschäftigung soll sein, dass zwischen dem Saisonarbeitnehmer aus dem Drittstaat und dem in der EU niedergelassenen Arbeitgeber direkt ein oder mehrere befristete Arbeitsverträge geschlossen werden. Nicht geregelt wird in dem Richtlinienvorschlag die Möglichkeit von Saisonarbeitnehmern, sich im Rahmen ihrer Tätigkeit innerhalb der EU in mehreren Mitgliedstaaten aufzuhalten. Saisonarbeitnehmer aus Drittstaaten sollen schneller und unbürokratischer in der EU beschäftigt werden können. Nur wird aus deutscher Sicht darauf zu achten sein, dass die deutschen Saisonbranchen im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten die gleichen Wettbewerbsbedingungen erhalten und nicht durch zu restriktive nationale Kontingente eingeschränkt werden. Dennoch gibt es zwei grundsätzliche Bedenken: Es zeichnet sich erstens ab, dass Saisonarbeitnehmer zunehmend – vor allem in grenznahen Regionen – grenzüberschreitend eingesetzt werden, etwa in der Hotellerie oder Landwirtschaft. Eine EU-Regelung zur Beschäftigung von Saisonarbeitnehmern aus Drittstaaten muss daher genau dieses Thema aufgreifen, um einen echten Mehrwert zu bieten. Leider klammert der Richtlinienvorschlag genau diesen Aspekt aus. Deshalb ist der Richtlinienentwurf in der aktuellen Fassung im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip höchst fraglich, da er lediglich den Einsatz von Saisonarbeitnehmern im jeweiligen Mitgliedstaat regelt. Die Branchendefinition im Richtlinienvorschlag ist zu weit gefasst. Es muss zweitens sicher­gestellt werden,

dass die Mitgliedstaaten die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Branchen selbst definieren können, um möglichem Missbrauch begegnen zu können.

Gender Equality Strategy: weiter auf freiwillige Konzepte setzen Am 21. September 2010 hat die EU-Kommission ihre neue EU-Gleichstellungsstrategie 2010– 2015 vorgelegt. Die neue Strategie löst den EUFahrplan für Gleichstellung 2006–2010 ab. Zwei Themen aus diesem Strategieplan sind für die Arbeitgeber zentral, „Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit“ und „Gleichstellung in Entscheidungsprozessen“. Die EU-Kommission geht in ihrer Mitteilung von einer durchschnittlichen geschlechtsspezifischen Lohndifferenz in der EU von derzeit 17,8 % aus. Dabei geht sie allerdings kaum auf die Ursachen dieser strukturellen Lohnunterschiede ein, die sich aus unterbrochenen Berufsbiografien und einem hohen Anteil von Teilzeitarbeit ergeben. Zudem spielt die geschlechtsspezifische Berufswahl bei der Lohndifferenz eine große Rolle, Frauen sind überdurchschnittlich oft in Bereichen mit geringeren Qualifikationserfordernissen und entsprechend niedrigeren Löhnen tätig. Hierzu zählen vor allem Tätigkeiten in einfachen und sozialen Dienstleistungen. Die EU-Kommission will nun den Ursachen für die geschlechtsspezifische Lohndifferenz auf den Grund gehen und erklärt in ihrer Mitteilung, dass sie die Lohntransparenz verbessern möchte. Es soll untersucht werden, welche Auswirkungen Vertragsformen wie Teilzeitarbeit oder befristete Arbeitsverträge auf die Lohngleichheit haben. Dazu will sie auch die Sozialpartner konsultieren. Die Kommission will zudem Initiativen für gleiches Entgelt am Arbeitsplatz – wie etwa Garantiesiegel, Selbstverpflichtungen und Auszeichnungen für vorbildliche Arbeitgeber – unterstützen. Ferner denkt sie an die Einführung eines „Europäischen Tags für gleiches Entgelt“ analog zum deutschen „Equal Pay Day“.

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Die BDA setzt sich dafür ein, dass in der öffentlichen Debatte viel stärker die strukturellen Aspekte unterschiedlicher beruflicher Biografien berücksichtigt werden. Es gibt ausreichend Zahlen und Fakten, die dies belegen und die eine fundierte Grundlage für den Dialog mit der Kommission zu diesem Thema bieten. Die Kommission stellt fest, dass Frauen in Führungspositionen immer noch stark unterrepräsentiert sind. Sie nennt explizit die Beteiligung in politischen Ämtern und in Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen in der EU. Die EU-Kommission will Möglichkeiten gezielter Initiativen zur Verbesserung des Geschlechtergleichgewichts in Entscheidungsprozessen prüfen. Die zuständige Kommissarin für Justiz und Chancengleichheit, Viviane Reding, hat sich insbesondere zur Thematik „Frauen in Führungspositionen“ mehrfach in der Presse und auf Veranstaltungen geäußert. Dabei hat sie angekündigt, sich im Frühjahr 2011 mit Vertretern börsennotierter Unternehmen treffen zu wollen, um mit ihnen freiwillige Maßnahmen zu erörtern, um echte Fortschritte zu erzielen. Reding machte sehr deutlich, dass sie – falls keine spürbaren Fortschritte im Jahr 2011 erreicht würden – spätestens 2012 regulative Maßnahmen einleiten werde, um den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen zu erhöhen. Die BDA unterstützt das Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, lehnt aber eine gesetzliche Quote zur Erreichung dieses Ziels ab. Sie ist derzeit mit zahlreichen Unternehmen im Dialog, um zielführende Wege für freiwillige Maßnahmen zu erarbeiten und die zahlreichen Good-Practice-Beispiele als Gesprächsgrundlage für den Dialog mit der EU-Kommission aufzuarbeiten.

Sozialer Dialog: Vorhaben des geltenden Arbeitsprogramms erfolgreich umsetzen Im Rahmen des europäischen Sozialen Dialogs wurde Anfang 2010 nach schwierigen Verhandlungen eine „Autonome Rahmenvereinbarung“ zum Thema „Inclusive Labour Markets“ unterzeichnet.

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Damit wird ein Thema aus dem gemeinsamen Arbeitsprogramm des europäischen Sozialen Dialogs abgearbeitet. Das Ziel dieser autonomen Rahmenvereinbarung ist es:

Themen der Integration in den Arbeitsmarkt gemeinsam anzusprechen

Unternehmen und Sozialpartnerorganisationen zu sensibilisieren und zu informieren

Unternehmen und Sozialpartnerorganisationen Handlungsansätze zur Überwindung von Hindernissen bei der Integration in den Arbeitsmarkt anzuzeigen

Die Vereinbarung wird nun von den nationalen Sozialpartnern entsprechend ihren jeweils eigenen Gepflogenheiten praxisnah umgesetzt. Für Deutschland kommen – wie bereits mit bestehenden autonomen Vereinbarungen wie z. B. zu Telearbeit, Chancengleichheit, Stress praktiziert – gemeinsame BDA/DGB-Empfehlungen, Praxis­ seminare, Leitfäden für die betriebliche Praxis etc. in Frage. Zudem wird derzeit mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund an einer Analyse zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Beschäftigung und der Identifizierung möglicher gemeinsamer Maßnahmen gearbeitet. Damit entwickeln die Sozialpartner einen wichtigen Input für die europäische Debatte zu „Green Jobs“. Die Arbeitgeber haben die EU-Kommission von ihrem Vorhaben einer Mitteilung zum sektoralen Sozialen Dialog ganz abbringen können. Sie wollte ursprünglich mehr Druck auf die Sozialpartner ausüben, Ergebnisse im Sinne der Kommission zu liefern. Genau dies hätte deshalb massiv dem Autonomieprinzip widersprochen. Sozialpartner sind niemals Erfüllungsgehilfen Dritter, sondern handeln in eigener Verantwortung. Auch ist es den europäischen Sozialpartnern gelungen, sich gemeinsam zur EU-2020-Strategie zu äußern. Sie rufen dazu auf, Wachstum zum Maßstab des Erfolgs der EU-2020-Strategie zu machen. Mindestens 2 % durchschnittliches


Wachstum sollten in der EU in den kommenden Jahren erreicht werden, um dadurch rd. 6,5 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses gemeinsame Bekenntnis ist nun Grundlage für Überlegungen weiterer Folgeaktivitäten im europäischen Sozialen Dialog. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Europäischer Sozialer Dialog“

Corporate Social Responsibility: Bundesregierung setzt richtige Schwerpunkte Das Bundeskabinett hat am 6. Oktober 2010 einen CSR-Aktionsplan verabschiedet, der auf Empfehlungen des von der Bundesregierung initiierten und moderierten deutschen CSRForums aufbaut. Der Kabinettsbeschluss stellt für die Wirtschaft einen großen Erfolg dar: Der freiwillige Charakter von CSR wird bestätigt, das große Engagement der Unternehmen gewürdigt und die Rollenverteilung zwischen Regierungen und Unternehmen klar voneinander abgegrenzt. Bereits in früheren CSR-Foren haben sich Befürworter von CSR-Berichterstattungspflichten, CSR-Labels und einer Verknüpfung von CSR mit Instrumenten der Exportförderung nicht durchsetzen können. Die BDA hat gemeinsam mit BDI, DIHK und ZDH und den Vertretern der Unternehmen aufgrund intensiver Überzeugungsarbeit erreicht, dass die vom CSR-Forum im Konsens verabschiedeten Empfehlungen vor allem auf mehr und bessere Informationen zu CSR, besseren Erfahrungsaustausch und mehr Bewusstseinsbildung abzielen. In der nun verabschiedeten CSR-Strategie ist die Bundesregierung diesem pragmatischen Ansatz gefolgt. Konkrete Maßnahmen, die sich die Bundesregierung vornimmt, sind z. B. passgenaue praktische Hilfestellungen durch Beratungs- und Coachingprogramme, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, und die Auslobung eines neuen CSR-Preises der Bundesregierung. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Corporate Social Responsibility“

EU-Kommission muss den praxis­ orientierten Ansatz der Europäi­ schen CSR-Allianz weiterführen Jetzt kommt es darauf an, dass sich ein praxisorientierter Ansatz auch auf europäischer Ebene durchsetzt. Der EU-Unternehmenskommissar Antonio Tajani hat angekündigt, im ersten Halbjahr 2011 eine Mitteilung zu CSR vorzulegen, mit der die seit 2006 praktizierte Europäische CSR-Allianz fortgeschrieben werden soll. Themenschwerpunkte der Mitteilung werden voraussichtlich CSR-Berichterstattung, Menschenrechte sowie die stärkere Aufnahme von CSR in die Außenbeziehungen der EU sein. Es ist darauf zu achten, dass die EU-Komorientierten, auf Freiwilligkeit mission ihren praxis­ basierenden Ansatz nicht verlässt, keine verbindlichen Regulierungen für Unternehmen im Bereich CSR ins Auge fasst. Aus dem Europäischen Parlament, von Nichtregierungsorganisationen und sogar von einigen Regierungen wird z. B. Druck in Richtung einer verpflichtenden CSR-Berichterstattung sowie der Aufnahme von CSR-Verpflichtungen in bilaterale Handelsabkommen der EU gemacht. Auch andere Kommissare nehmen das Thema „CSR“ auf. So hat Binnenmarktkommissar Michel Barnier im Rahmen des „Single Market Act“ angekündigt, die öffentliche Beschaffung sowie den Zugang zu Finanzierung mit CSR-Aktivitäten der Unternehmen verknüpfen zu wollen. Die BDA hat gemeinsam mit dem italienischen Schwesterverband Confindustria im Juli 2010 mit Kommissar Antonio Tajani gesprochen, um für die Beibehaltung des auf Freiwilligkeit basierenden Ansatzes zu CSR zu werben. Tajani zeigte sich dabei offen für konstruktive Vorschläge von Seiten der Wirtschaft. BDA und Confindustria haben in einem gemeinsamen Schreiben von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt und Confindustria-Präsidentin Emma Marcegaglia an Kommissar Tajani insbesondere die Einrichtung eines „CSR-Helpdesks“, also einer zentralen Anlaufstelle innerhalb der Kommission, bei der Unternehmen Auskunft zu konkreten Fragestellungen und Informationen erhalten, sowie die Vergabe eines europäischen CSR-Preises vorgeschlagen. Für die Wirtschaft kommt es nun darauf an, der Gefahr verbindlicher CSR-Regulierungen für Unternehmen durch einen konstruktiven Ansatz

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entgegenzutreten, indem sie der EU-Kommission Initiativen vorschlägt, die den freiwilligen Charakter von CSR nicht konterkarieren.

OECD-Leitsätze für multinationa­ le Unternehmen: Beitritt weiterer Staaten fördern Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen enthalten anerkannte Grundsätze für verantwortliches unternehmerisches Verhalten bei Auslandsinvestitionen in den Bereichen Soziales, Umwelt, Antikorruption, Steuern, Verbraucher, Berichterstattung, Forschung und Wettbewerb. Ihren besonderen Status erhalten die auf Freiwilligkeit basierenden OECD-Leitsätze dadurch, dass sich alle Regierungen der OECD-Mitglieder zu ihrer Förderung verpflichtet und nationale Kontaktstellen zur Kontrolle der eingegangenen Verpflichtungen eingerichtet haben und dass sie auch den Beitritt von Nicht-OECD-Staaten zu den Leitlinien ermöglichen. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können vor den nationalen Kontaktstellen Beschwerden gegen Unternehmen einbringen, die nach ihrer Auffassung im Rahmen ihrer Auslandsinvestitionen gegen die Leitsätze verstoßen. Neben den 33 OECD-Ländern haben Ägypten, Argentinien, Brasilien, Estland, Lettland, Litauen, Marokko, Rumänien und Peru die Leitsätze unterzeichnet. Seit Juni 2010 werden diese OECD-Leitsätze überarbeitet. Die OECD steht vor einer wichtigen politischen Weichenstellung: Soll für die Leitsätze eine möglichst große weltweite Verbreitung angestrebt werden – was nur gelingt, wenn sie nicht zusätzliche Hürden aufbauen – oder sollen die Leitsätze inhaltlich um genau solche Hürden erweitert werden? Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen drängen darauf, zusätzliche Hürden zu errichten, indem die Anwendungsbestimmungen über Auslandsinvestitionen hinaus auf die Zuliefererketten ausgedehnt und neue Sanktionen für die Unternehmen eingeführt werden. Nach Auffassung der BDA muss die Verbreitung der OECD-Leitsätze auf weitere NichtOECD-Staaten, wie z. B. die restlichen BRICStaaten, oberste Priorität haben, um ein möglichst weites „level playing field“ für die deutschen

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Unternehmen sicherzustellen. Dies würde die Wirkung der Leitsätze klar verbessern. Das deutsche BIAC-Netzwerk von BDA und BDI hat diese Position im Rahmen seiner letzten Sitzung mit OECD-Generalsekretär Angel Gurría intensiv diskutiert. Diese BDA-Position ist auch von BIAC (The Business and Industry Advisory Committee to the OECD), dem Arbeitgeber-Dachverband bei der OECD, übernommen worden.

ISO 26000 zur gesellschaftlichen Verantwortung – ausdrücklich nicht zertifizierbar Die Norm ISO 26000 „Guidance on social responsibility“ wurde am 1. November 2010 von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) veröffentlicht. Die entsprechende deutsche Norm wird als DIN ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung“ im Januar 2011 erscheinen. Die deutsche Wirtschaft hatte von Beginn der Initiative an große Bedenken gegen die ISO 26000 geltend gemacht. Eine auf technische Sachverhalte ausgerichtete Normung kann den besonderen Charakter, die Komplexität und Vielfalt des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen und Organisationen nicht sinnvoll und zielführend erfassen. Trotz dieser nicht nur von der Wirtschaft geäußerten Vorbehalte beschloss das technische Lenkungsgremium der ISO im Juni 2004 ein Projekt zur Erarbeitung einer ISO-Norm „Guidance on social responsibility“. Die deutsche Wirtschaft hat sich an diesem Projekt nur unter der Prämisse beteiligt, Unternehmen und Organisationen einen Leitfaden zu gesellschaftlicher Verantwortung zu bieten, der weder ein neues Managementsystem beschreibt noch zur Drittzertifizierung geeignet ist. Diese grundlegende Zielsetzung ist mit der verabschiedeten Norm ISO 26000 „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung“ voll erreicht worden. Sie ist als Leitfaden konzipiert, der strategische Planung und Umsetzung von gesellschaftlicher Verantwortung in Unternehmen und sonstigen Organisationen im weitesten Sinne erleichtern soll. Die ISO 26000 weist explizit darauf hin, dass es sich um keine Managementsystemnorm handelt.


Sie ist weder für Zertifizierungszwecke noch für gesetzliche oder vertragliche Anwendungen vorgesehen und auch nicht geeignet: „This International Standard provides guidance to users and is neither intended nor appropriate for certification purposes. Any offer to certify to ISO 26000 or any claim to be certified to ISO 26000 would be a misrepresentation of the intent and purpose of this International Standard“ (Quelle: FDIS ISO 26000, Seite VIII). Die BDA hat gemeinsam mit dem BDI und dem ZDH am 26. Oktober 2010 eine Informationsveranstaltung zur ISO 26000 durchgeführt. Zudem hat sich die BDA mit dem federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den beteiligten Bundesressorts über eine Stellungnahme zur Nichtzertifizierbarkeit der ISO 26000 verständigt, die mit Veröffentlichung der ISO 26000 am 1. November auf den Webseiten aller Herausgeber publik gemacht wurde. Damit wird einer breiten Öffentlichkeit der eingeschränkte Anwendungsbereich der Norm verdeutlicht.

Unternehmen und Menschen­ rechte: UN-Sonderbeauftragter entwirft Empfehlungen In den Vereinten Nationen gibt es gefährliche Bestrebungen, transnational tätige Unternehmen völlig unabhängig von – und im Zweifel im Gegensatz zu – den nationalen Rechtsordnungen, in denen sie tätig sind, zur Einhaltung konkreter dem Bereich der Menschenrechte zugeordneter Normen zu verpflichten. Eine als „Draft Norms“ bekannt gewordene Initiative ist auch dank extrem intensiver Lobbyarbeit der BDA und ihres internationalen Dachverbands IOE (International Organisation of Employers) im UN-Menschenrechtsrat verhindert worden. Der UN-Generalsekretär hat nun den Harvard-Völkerrechtler Prof. John Ruggie beauftragt, ein praxistaugliches Konzept zu dieser Problematik zu erarbeiten. Prof. John Ruggie hat in engem Kontakt mit der Wirtschaft den Entwurf von Empfehlungen zur Stärkung der unternehmerischen Verantwortung für Menschenrechte erarbeitet, die im Juni 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet werden sollen. Sein Konzept basiert auf den drei Säulen „Protect – Respect – Remedy“ (Schützen – Respektieren – Abhelfen):

Protect: Es ist Aufgabe des Staates, die Menschen auf seinem Territorium vor Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure zu schützen.

Respect: Es ist die Pflicht der Unternehmen, die Menschenrechte, so wie sie durch die jeweilige nationale Gesetzgebung konkretisiert werden, zu respektieren und die dazu nötigen Managementstrukturen aufzubauen.

Remedy: Es müssen juristische wie nichtjuristische Beschwerdemechanismen entwickelt und gestärkt werden, um die Abhilfe bei ­Menschenrechtsverletzungen, die von Unternehmen begangen werden, zu verbessern.

Von der BDA wird dieses Konzept positiv bewertet, da es klar die Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure unterscheidet und zu einer Klärung des komplexen Themas „Menschenrechte und Unternehmen“ beiträgt. Allerdings gibt es Druck von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, die völlig losgelöst von den zentralen menschenrechtlichen Fragen von Prof. John Ruggie u. a. fordern, eine verpflichtende CSR-Berichterstattung sowie die Aufnahme von CSR als Kriterium in die öffentliche Auftragsvergabe als Empfehlungen aufzunehmen. Der BDA-Arbeitskreis zu CSR hat im vergangenen August den Empfehlungsentwurf mit Prof. John Ruggie persönlich diskutiert und eindringlich davor gewarnt, solche nicht menschenrechtsbezogene politische Forderungen der Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften in die Empfehlungen aufzunehmen. In dem am 22. November 2010 vorgelegten Entwurf der Empfehlungen wird die Rollenverteilung zwischen Regierungen und Wirtschaft klar vorgenommen und werden die Regierungen in deutlichen Worten aufgefordert, die Menschenrechte um- und durchzusetzen. Dies wird von der BDA begrüßt. Allerdings bleibt Ruggie an wichtigen Punkten, wie z. B. der extraterritorialen Rechtsprechung und der Frage der Berichterstattung sowie zur Behandlung der Zulieferkette, zu unklar. Damit öffnet er gegensätzlichen Interpretationen Tür und Tor. Abzulehnen ist darüber hinaus die Empfehlung Ruggies, die Vergabe von Exportkrediten mit

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Menschenrechtsanforderungen zu verknüpfen. Dadurch droht das Instrument der Exportkredite mit unnötigen bürokratischen Hürden belastet zu werden. Die BDA wird sich in diesem Sinne in enger Zusammenarbeit mit der IOE in den Prozess weiter einbringen, um sicherzustellen, dass die Empfehlungen Ruggies tatsächlich praxis­ tauglich sind.

ILO muss sich inhaltlich modernisieren Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat in diesem Jahr durch ihre Beteiligung am G20-Prozess an politischem Gewicht gewonnen. Sie berät die G20 in Arbeitsmarktfragen und sozialpolitischen Angelegenheiten. Darüber hinaus hat sie auf dem G20-Gipfel in Toronto eine „globale Trainingsstrategie“ vorgelegt. Die BDA konnte gemeinsam mit der IOE erreichen, dass die Beschäftigungsfähigkeit eine zentrale Säule in dieser Trainingsstrategie ist. Die BDA begrüßt, dass die ILO verstärkt mit anderen internationalen Organisationen und Initiativen wie der G20 und dem Internationalen Währungsfonds zusammenarbeitet. Dies ist allein aus Gründen der „Policy Coherence“ wichtig. Gerade vor dem Hintergrund der Krise müssen klare Botschaften von den internationalen Organisationen kommen. Allerdings muss die ILO dieser neuen Bedeutung Rechnung tragen, indem sie sich auch inhaltlich modernisiert und sich sehr viel stärker den sozialen und wirtschaftlichen Realitäten und Entwicklungen gegenüber öffnet. Dazu gehört z. B., dass sie sich nicht länger weigert, das Thema „Flexicurity“ zu behandeln. Gemeinsam mit der IOE setzt sich die BDA darüber hinaus dafür ein, dass die ILO das Thema „Demografische Entwicklung“ stärker behandelt. Die Alterung der Gesellschaften wird die zentrale arbeitsmarkt- und sozialpolitische Herausforderung für viele Staaten und Regierungen, vor allem in Europa und China. Gemeinsam mit der neuen für Europa zuständigen Regionalkoordinatorin der ILO diskutierten die europäischen und zentralasiatischen Mitglieder der IOE auf dem Regionaltreffen in Malta am 9. und 10. September 2010 diese Thematik. Deutlich wurde, dass keine

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Einzelmaßnahmen, sondern nur Maßnahmenbündel in Bezug auf Zuwanderung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und unternehmerische Rahmenbedingungen helfen werden. Ein Beispiel für unternehmensrelevantes Handeln der ILO ist der auf Initiative der BDA 2009 eingerichtete Help Desk. Der ILO Help Desk ist eine kostenlose Beratungsstelle für Management und Belegschaften sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. Er bietet praxisrelevante Informationen zu den ILO-Arbeitsnormen. Seit seiner Einrichtung im März 2009 bis September 2010 hat der Help Desk mehr als 300 Anfragen beantwortet, mit steigender Tendenz.

OECD: Reformmotor auf nationaler und internationaler Ebene Die OECD gewinnt an Bedeutung sowohl für die Politikgestaltung auf nationaler Ebene wie auch in den internationalen Prozessen, vor allem im Rahmen der G20. Gerade in Deutschland hat die OECD immer wieder als Reformmotor gewirkt: Im Bereich Bildung und im Arbeitsmarktbereich hat die OECD großen Einfluss auf die deutsche Politik gehabt. Auch die im März 2010 im OECDDeutschlandbericht aufgestellten Analysen und Forderungen werden von der BDA weitgehend geteilt: Der Bericht unterstreicht, dass die deutschen Exporterfolge das Ergebnis von hoher Wettbewerbsfähigkeit und Spitzenprodukten für die Weltmärkte sind. Damit hat der Bericht einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung der sehr einseitig geführten Debatte über das „Exportmodell Deutschland“ geleistet. Die OECD empfiehlt in diesem Zusammenhang, neben dem Exportsektor die Binnenwirtschaft durch Deregulierung des Dienstleistungssektors als zweite Wachstumssäule zu stärken. Insbesondere die Ausführungen der OECD zum Kündigungsschutz werden von der deutschen Wirtschaft unterstützt. Sie bekräftigten die Auffassung der BDA, den Kündigungsschutz durch ein Abfindungsoptionsmodell zu ergänzen. Dies würde die Anzahl der Arbeitsgerichtsprozesse vermindern und frühzeitig Rechtssicherheit für die Parteien schaffen. Die deutsche Politik ist aufgerufen, die Empfehlungen der OECD ernst zu nehmen.


Wichtige horizontale Themen der OECD sind darüber hinaus die bereits beschriebene Überarbeitung der OECD-Leitsätze, die Arbeiten der OECD in Finanzmarktfragen sowie die Studien der OECD in den Bereichen demografische Entwicklung und Migration. Zudem beschäftigt sich die OECD intensiv mit den Zusammenhängen von Wachstum, Beschäftigung und Klimawandel. Durch das große gemeinsame Engagement von BDA und BIAC konnte erreicht werden, dass die OECD nicht mehr ein „Green-Jobs“-Konzept, das auf die Beschäftigung im Umweltschutz abzielt und sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in dieser Nischenbranche reduziert, sondern stattdessen eine „Green-Growth“-Strategie verfolgt, die auf nachhaltiges Beschäftigungswachstum generell abzielt und nicht Anlass für einen Subventionswettlauf sein wird. Die BDA hat gemeinsam mit dem BDI auch im Jahr 2010 den Dialog zwischen der deutschen Wirtschaft und der OECD weiter gefördert. Im Rahmen des deutschen BIAC-Netzwerktreffens diskutierten im April 2010 unter Vorsitz von Randolf Rodenstock deutsche Wirtschaftsvertreter mit OECD-Generalsekretär Angel Gurría zu aktuellen Themen. Sie unterstrichen dabei die Notwendigkeit, gemeinsam mit der OECD auf weitere Strukturreformen in Deutschland hinzuarbeiten, protektionistische Tendenzen in der Weltwirtschaft zu bekämpfen und die Reform der Finanzmärkte zu unterstützen.

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Konjunkturelle Entwicklung: Vorkrisenniveau noch nicht erreicht Die Konjunktur in Deutschland hat sich im Jahr 2010 deutlich schneller erholt als in den meisten anderen Ländern. Mit geschätzten 3,7 % Wirtschaftswachstum für das Gesamtjahr liegt Deutschland an der Spitze der G7-Staaten. Innerhalb Europas ist Deutschland zur Konjunkturlokomotive geworden. Der Euroraum wird voraussichtlich um 1,6 % wachsen. Die Industrieländer

kommen insgesamt auf ein Plus von 2,3 %, die Schwellenländer auf 7,6 %. Insbesondere deren wirtschaftliche Dynamik ist für die exportorientierte deutsche Wirtschaft von hoher Bedeutung – sowohl im Abschwung wie auch im Aufschwung. Nachdem die deutsche Wirtschaft vom Einbruch der Weltwirtschaft zur Jahreswende 2008/2009 besonders stark getroffen worden war und in der Folge das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2009 um 4,7 % eingebrochen war, profitierte sie im Aufschwung von der starken

Konjunkturerholung mit verminderter Dynamik Bruttoinlandsprodukt 2006 bis 2011 (preisbereinigt, verkettet)

Veränderung gegenüber Vorjahr in % 4,5

3,7

3,4 2,7

3

2,2

1,5

1,0

0

–1,5

–3

–4,5 –4,7

–6 2006

2007

2008

2009

2010

2011

Quellen: Statistisches Bundesamt, 2010; Angaben für 2010 und 2011 Prognose des Jahresgutachtens 2010/2011

136

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Exportorientierung. Dabei wirkte sich das auf Investitionsgüter ausgerichtete Exportsortiment der deutschen Unternehmen sehr günstig aus. Denn gerade in den schnell wachsenden Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas zog die Investitionsdynamik wieder stark an. Die konjunkturelle Expansion Deutschlands hat sich bis zur Jahresmitte 2010 erheblich beschleunigt. Im zweiten Quartal nahm das reale BIP mit 2,3 % gegenüber dem ersten Quartal zu, so stark wie nie zuvor im vereinigten Deutschland.

Nachdem zunächst der Exportsektor die Konjunktur angeschoben hatte, sorgte zuletzt die Binnennachfrage für deutlich mehr Fahrt. Sie wird zunehmend zum zweiten Standbein des Aufschwungs. Auch im zweiten Halbjahr dürfte das reale BIP spürbar steigen, wenn auch jeweils schwächer als im zweiten Quartal. Dafür sprechen weiter hohe Auftragseingänge und ein ungebrochen positives Konsumklima der Verbraucher. Neben einem Exportplus von 15,5 % rechnet der Sachverständigenrat für das Gesamtjahr mit 9,2 % höheren Ausrüstungsinvestitionen und mit einem um 0,1 %

Produktion noch nicht auf Vorkrisenniveau Gesamtwirtschaft: Produktion, Effektivverdienste und Beschäftigung

Index 1. Q. 2008 = 100 104

102

100

98

96

94

92 1. Q. 2008

2. Q. 2008

3. Q. 2008

4. Q. 2008

1. Q. 2009

2. Q. 2009

3. Q. 2009

4. Q. 2009

1. Q. 2010

2. Q. 2010

BIP, nominal, saisonbereinigt Bruttolöhne und -gehälter monatlich je Arbeitnehmer, saisonbereinigt Erwerbstätige, saisonbereinigt Quelle: Statistisches Bundesamt, 2010; eigene Berechnungen der BDA

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137


höheren privaten Konsum gegenüber dem Vorjahr. Trotz der kräftigen Beschleunigung zur Jahresmitte bewegt sich die Produktion auf einem Niveau, das dem der Jahreswende 2006/2007 entspricht und damit noch weit unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2008 liegt. Weder die zuletzt gestiegene Arbeitsproduktivität noch die Arbeitszeit in den von der Rezession besonders betroffenen Wirtschaftszweigen konnten bislang zu den Werten vor Ausbruch der Krise zurückkehren. Die in jüngster Zeit von Teilen der Politik und Wissenschaft geforderten kräftigen Lohnerhöhungen sind daher unbegründet. Die Produktion hat sich noch nicht vollständig erholt. Zudem belasten die Unternehmen die hohen Kosten der Beschäftigungssicherung, die während der Krise angefallen sind und die erst wieder erarbeitet werden müssen. Außerdem belegt die Entwicklung der seit dem Jahr 2009 sogar noch gestiegenen Effektivverdienste, dass ein angeblicher Nachholbedarf bei den Löhnen auf breiter Front nicht existiert. Daher sollte die in den letzten Jahren erfolgreiche Lohnpolitik mit Augenmaß fortgesetzt und der Gesamtsituation der deutschen Wirtschaft angemessen Rechnung getragen werden.

Ausblick 2011: Auslandsimpulse schwächer – Binnennachfrage trägt die Expansion Auch die Aussichten für das kommende Jahr sind gut. Zwar wird sich die Dynamik abschwächen, das BIP dürfte aber immer noch um gut 2 % zulegen. Deutschlands Wirtschaftsleistung könnte im Verlauf des Jahres 2011 wieder das Niveau vor Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erreichen. Der Aufschwung wird im kommenden Jahr maßgeblich von der Binnenwirtschaft getragen. Dafür sprechen die starke Arbeitsmarktentwicklung und die etwas schwächere Weltkonjunktur. Dennoch ist ein Anhalten der wirtschaftlichen Erholung kein Selbstläufer. Es bestehen erhebliche konjunkturelle Risiken: Neben der weiter schwelenden Finanzkrise, dem Anhalten der Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum, der Gefahr einer neuen Rezession in den USA und einer Abschwächung des chinesischen Wachstums droht Protektionismus die Weltwirtschaft zu behindern.

138

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Exportorientierung Deutschlands: Kritik ist unberechtigt Die im Zuge der abklingenden Weltwirtschaftskrise vergleichsweise schnelle Erholung Deutschlands lässt hierzulande alle profitieren, Unternehmen ebenso wie öffentliche und private Haushalte. Doch der Erfolg der exportorientierten deutschen Wirtschaft ruft auch Kritiker auf den Plan. So werden im In- und Ausland Warnungen laut, Deutschland sei zu einseitig auf den Außenhandel fixiert. Forderungen nach Ankurbelung der Binnennachfrage haben inzwischen auch in der deutschen Politik Konjunktur. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Exportorientierung Deutschlands richtig ist und der private Konsum stärker als vermutet. Der Aufholprozess der Weltwirtschaft setzt sich gegenwärtig fort. Aufgrund des Nachholbedarfs vieler Länder, insbesondere der Schwellenländer Asiens und Lateinamerikas, dürfte die Vertiefung der weltweiten Arbeitsteilung weiter große Chancen für die auf Investitionsgüter spezialisierten deutschen Unternehmen bieten. Nach Angaben des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) wird sich der Weltmarktanteil Deutschlands im Jahr 2011 von 9 % auf 9,5 % erhöhen. Die Aussichten der größten Volkswirtschaft Europas, weiterhin zu den Globalisierungsgewinnern zu zählen, sind offenbar gut, nicht zuletzt auch deshalb, weil Exporte vorhandene Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Inzwischen ist fast jeder vierte Arbeitsplatz direkt vom Export abhängig. Mit steigenden Güter- und Dienstleistungsexporten nimmt nicht nur das Wirtschaftswachstum zu, sondern auch der private Konsum. Sein Anteil am deutschen BIP lag im Jahr 2009 bei 58,9 %. Frankreich, wo die ausländische Kritik an einer angeblich zu geringen privaten Nachfrage in Deutschland am lautesten wurde, kommt selbst auf 58,3 %. Auch die Quote privater Konsumausgaben in der gesamten Eurozone lag im Jahr 2009 mit 57,6 % des BIP unter der Konsumquote Deutschlands. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zieht der Konsum bei 1 % Lohnanstieg nur um 0,2 % an, infolge einer um 1 % höheren Beschäftigung dagegen


um 0,8 %. Das bedeutet: Vor allem eine beschäftigungsorientierte Lohnpolitik stärkt den privaten Konsum. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > argumente > „Deutsche Exportstärke – schlecht für Europa?“

Haushaltskonsolidierung 2011–2014: erforderlich und ohne soziale Schieflage Mit dem am 26. November 2010 vom Bundesrat verabschiedeten Haushaltsbegleitgesetz 2011 gelingt der Einstieg in die notwendige Konsolidierung

des Bundeshaushalts. Dieses Konsolidierungspaket ist ein wichtiger Schritt, um die Anforderungen der Schuldenbremse erfüllen zu können und insbesondere bis 2016 einen strukturell nahezu ausgeglichenen Bundeshaushalt zu erreichen. Zu begrüßen ist insbesondere die richtige Schwerpunktsetzung: Zum einen wird stärker auf der Ausgaben- als auf der Einnahmeseite angesetzt, zum anderen wird vorrangig im konsumtiven Bereich gespart und nicht – wie häufig in der Vergangenheit – bei den Investitionen. Durch diese Gewichtung wird der Gefahr entgegengewirkt, dass die Haushaltskonsolidierung zu einer Wachstumsabschwächung führt. Die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 geplanten

Weltwirtschaftlicher Aufholprozess setzt sich fort Entwicklung des Welthandels

Index 2005 = 100 140

132

124

116

108

100

92 2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Quellen: CPB, Den Haag; Prognose des DIW Berlin

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139


Einnahmeverbesserungen führen allerdings teilweise zu erheblichen Mehrbelastungen einzelner Branchen, die sich letztlich auch negativ auf die Beschäftigung auswirken können. Die im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens erreichten Korrekturen für die energieintensiven Unternehmen sind daher zu begrüßen, da dies Arbeitsplätze sichert, die andernfalls gefährdet wären. Insgesamt ist durch die Korrekturen das vorgesehene Konsolidierungsvolumen nicht gefährdet.

Die ursprünglich noch im Regierungsentwurf vorgesehene Nichtberücksichtigung von pauschal besteuerten Einnahmen bei der Berechnung des Elterngeldanspruchs war fragwürdig, weil eine derart unterschiedliche Behandlung von Erwerbseinkommen nicht mit der abgabenrechtlichen Sonderbehandlung der Minijobs gerechtfertigt werden kann. Die Bedenken der BDA wurden vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes­tags aufgenommen.

Die BDA hat sich bei der öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags am 4. Oktober 2010 ausführlich zu den sozialpolitischen Komponenten des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 positioniert und dabei die von der Bundesregierung vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen im Wesentlichen begrüßt:

Die Beschränkung der Berechnungsgrundlage des Elterngelds auf Einnahmen, die im Inland versteuert werden, ist zu begrüßen. Das Elterngeld ist eine von den Steuerzahlern finanzierte Leistung. Diese deshalb auch nur Eltern zu gewähren, die in Deutschland Steuern zahlen oder deren Einkommen dem im Inland versteuerten Einkommen gleichgestellt ist, ist daher sinnvoll.

Der Wegfall des befristeten Zuschlags für Empfänger der Grundsicherung ist richtig. Die befristeten Zuschläge – die beim Übergang vom ALG I zum ALG II in Höhe von fast bis zur Hälfte des Regelsatzes gezahlt werden – verleiten dazu, in Arbeitslosigkeit zu verharren. Die gut gemeinte teilweise Abfederung von Einkommenseinbußen wendet sich so letztlich gegen den Hilfeempfänger selbst, weil dieser nicht den erforderlichen finanziellen Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme erhält.

Die Streichung der vom Bund finanzierten Rentenversicherungsbeiträge für ALG-IIEmpfänger ist sachgerecht. Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es, Bürgern, die in einer akuten Notlage nicht für sich selbst sorgen können und über kein ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügen, zu unterstützen. Ziel kann dagegen nicht sein, darüber hinaus schon vorab aus Steuermitteln mit Blick auf eine unter Umständen erst Jahrzehnte später oder auch gar nicht eintretende Bedürftigkeit im Alter staatliche Vorsorge zu leisten. Schließlich bedeutet Bedürftigkeit in jungen Jahren keineswegs zwangsläufig, dass auch im Alter Bedürftigkeit besteht. Im Übrigen ist

140

Die Absenkung der Ersatzquote beim Elterngeld ab einem zu berücksichtigenden Einkommen von 1.200 € von 67 % auf 65 % ist angemessen. Diese Maßnahme trägt dazu bei, dass sich eine frühzeitige, vor Ablauf der Höchstdauer des Elterngeldbezugs erfolgende vollständige oder teilweise Rückkehr an den Arbeitsplatz stärker lohnt. Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngelds bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II und nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ist richtig. Es entspricht dem Subsidiaritätsgebot, staatliche Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II (ALG II) nur zu gewährleisten, soweit der Einzelne nicht selbst über ein ausreichendes Einkommen verfügt. Deshalb ist es konsequent, auf das ALG II das gesamte Einkommen, also auch das Elterngeld, anzurechnen. Zugleich wird mit der geplanten Änderung ein ­Konstruktionsfehler der bisherigen Regelung beseitigt: Das Elterngeld ist ein Ausgleich für entfallendes Erwerbseinkommen. Es ist daher für Empfänger von ALG II nicht gerechtfertigt, weil bei ihnen kein Erwerbseinkommen entfällt, und auch nicht notwendig, weil bei ihnen der Lebensunterhalt bereits durch das ALG II gesichert wird.

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Haushaltskonsolidierung 2011 bis 2014 – ohne soziale Schieflage in Mio. €, nur Bund

2011

2012

2013

2014

Haushaltsbegleitgesetz 2011

2.778

4.619

5.469

4.594

 Einführung einer Luftverkehrsteuer für Abflüge in Deutschland

1.000

1.000

1.000

1.000

 Einschränkung der durch die ökologische Steuerreform eingeführten Steuerbegünstigung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes

830

620

1.500

1.500

 Änderung der Insolvenzordnung zur Stärkung der öffentlichen Hand

148

169

169

169

 Begrenzung des Elterngelds

430

430

430

405

 Wegfall befristeter Zuschläge für ALG-II-Empfänger

210

210

210

200

1.850

1.840

1.830

1.750

 Wegfall der Erstattung einigungsbedingter Leistungen an die Rentenversicherung

300

270

240

210

 Höherer GRV-Bundeszuschuss als Folge des Wegfalls der Erstattung einigungsbedingter Lasten und des Konstanthaltens des RV-Beitragssatzes im Jahr 2014 bei 19,9 %

–60

–50

–40

–770

70

130

130

130

5.400

8.900

13.600

17.400

500

500

500

500

2.000

4.000

5.000

5.000

 Effizienzverbesserungen bei der Arbeitsvermittlung

1.500

3.000

 Reform der Streitkräfte

1.000

3.000

 Weiterer Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung  Wegfall der Rentenversicherungspflicht für ALG-II-Empfänger

 Streichung der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Heizkostenkomponente beim Wohngeld Normales Haushaltsverfahren  Dividende der Bahn  Ersatz von Pflicht- durch Ermessensleistungen zur zielgenaueren Förderung im Bereich SGB II und SGB III

 Einsparungen bei disponiblen Ausgaben der Ministerialverwaltung

–2.000

1.500

2.500

3.100

3.100

 Kürzung von Verwaltungsausgaben

800

800

800

800

 Verschiebung des Baubeginns des Berliner Stadtschlosses auf 2014

100

100

200

 Einsparungen bei den Zinsausgaben

500

1.000

1.500

2.000

Erhöhung der Tabaksteuer

200

480

660

830

2.300

2.300

2.300

2.300

2.000

2.000

2.000

18.299

24.029

27.124

Einführung einer Kernbrennstoffsteuer Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer Gesamtkonsolidierungsvolumen

10.678

Quellen: Haushaltsbegleitgesetz, 2011; Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen; Entwurf eines Kernbrennstoffsteuergesetzes

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141


zu berücksichtigen, dass im Gegenzug zur Streichung der Pflichtbeiträge für ALG-IIEmpfänger im Haushaltsbegleitgesetz vorgesehen ist, dass ALG-II-Zeiten künftig als Anrechnungszeit gelten. Hierdurch verbessert sich sogar in den meisten Fällen der Schutz von ALG-II-Empfängern bei Erwerbsminderung. Das hängt mit dem im Rentenrecht verankerten Prinzip der Gesamtleistungsbewertung zusammen. Danach bemisst sich der Wert der bis zum 60. Lebensjahr anzurechnenden Zurechnungszeit nach der durchschnittlichen Höhe der zuvor entrichteten Beiträge. Zeiten des Bezugs von ALG II führen bislang – aufgrund der monatlichen Bemessungsgrundlage von 205 € – regelmäßig zu einer Senkung der durchschnittlichen Beitragsleistung und damit zu einer Senkung des Erwerbsminderungsrentenanspruchs. Die Streichung der Rentenversicherungsbeiträge für ­ALG-II-Empfänger und der Wegfall der Erstattung einigungsbedingter Leistungen durch den Bund haben unmittelbar zur Folge, dass auf die gesetzliche Rentenversicherung im Jahr 2011 Mindereinnahmen von fast 2,1 Mrd. € zukommen. Der Umfang der Mindereinnahmen soll in den Folgejahren stetig abnehmen und im Jahr 2014 noch knapp 1,2 Mrd. € betragen. Diese finanziellen Folgewirkungen sind akzeptabel, weil sie ohne kurzfristigen Beitragssatzanstieg in der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert werden können und die Einhaltung der langfristigen Beitragssatzziele von 20 % bis 2020 bzw. 22 % bis 2030 möglich bleibt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Rentenversicherung weniger als andere Ausgabenbereiche von den Konsolidierungsanstrengungen betroffen wird. Obwohl rd. ein Viertel aller Ausgaben des Bundeshaushalts auf die Rentenversicherung entfällt, beträgt ihr Anteil an den gesamten Ausgabenkürzungen des Konsolidierungspakets für den 4-Jahres-Zeitraum 2011 bis 2014 lediglich ein Siebtel.

142

Die auf das kommende Jahr beschränkte Anhebung des Bundeszuschusses an die gesetzliche Krankenversicherung um 2 Mrd. € ist zumindest insoweit zu begrüßen,

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als sie die Entscheidung erleichtert haben wird, den Arbeitgeberbeitrag im kommenden Jahr nicht noch stärker als von 7,0 % auf 7,3 % anzuheben. Die verbesserte konjunkturelle Lage stärkt die Chancen für eine baldige Haushaltskonsolidierung. Die staatlichen Defizite werden geringer als noch vor einem Jahr erwartet ausfallen. Für 2010 erwarten die Forschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von voraussichtlich 3,8 % und für 2011 ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 2,7 % des BIP. Keinesfalls darf die verbesserte konjunkturelle Entwicklung, die auch zu einer verbesserten Entwicklung bei den Steuereinnahmen geführt hat, zu einem Abrücken von den vereinbarten Sparbeschlüssen führen. Denn die verbesserte konjunkturelle Lage bedeutet im Ergebnis nicht, dass sich das strukturelle Haushaltsdefizit verringert hat. Zudem hat sich die Staatsschuldenquote auch 2010 noch weiter von der Maastrichter Obergrenze in Höhe von 60 % des BIP entfernt – sie liegt inzwischen über 70 %. Das für die Einhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse maßgebliche strukturelle Defizit wird für den Bund mit rd. 53 Mrd. € veranschlagt. Mit den bislang vorgesehenen Maßnahmen wird bis 2014 eine Verringerung auf rd. 25 Mrd. € angestrebt. Da mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 allein nur gut ein Fünftel des von der Regierungskoalition in der Kabinettsklausur am 6. und 7. Juni 2010 vereinbarten Konsolidierungspakets in Höhe von ca. 80 Mrd. € für den Zeitraum 2011 bis 2014 umgesetzt wird, kommt es daher darauf an, dass die Regierung konsequent an den beschlossenen Konsolidierungsanstrengungen festhält. Über das Jahr 2014 hinaus muss zudem sichergestellt werden, dass bis 2016 das strukturelle Defizit weiter gesenkt und die verfassungsrechtliche Obergrenze des Bundes für sein strukturelles Haushaltsdefizit in Höhe von 0,35 % des BIP nicht überschritten wird. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > Volkswirtschaft > Öffentliche Finanzen


Großbaustelle Europäische Währungsunion – Stabilitäts- und Wachstumspakt schärfen Ausgelöst durch eine erhebliche Korrektur des griechischen Staatsdefizits nach oben sind die Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen im Frühjahr 2010 stark gestiegen. Der Abstand zum Zinssatz für deutsche Staatsanleihen wuchs in relativ kurzer Zeit dramatisch an, von 136 Basispunkten im Oktober 2009 auf 524 Basispunkte im Mai 2010, so dass sich für Griechenland Schwierigkeiten bei der Refinanzierung fälliger Anleihen abzeichneten. Es entstanden erhebliche Zweifel, ob das Land seine Schuldenlast würde tragen können. Dies hat auch den Euro erheblich belastet. Der Außenwert des Euro schmolz in der Zeit von Dezember 2009 bis Juni 2010 von dem Rekordniveau von 1,51 $ auf 1,19 $ zusammen. Angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines seiner Mitglieder drohte die Währungsunion zu zerbrechen, mit schwer zu kalkulierenden Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft. In dieser Notlage stellten die Euroländer im April zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Griechenland ein Hilfspaket von insgesamt 110 Mrd. € über drei Jahre zur Verfügung. Denn im Falle einer Insolvenz war eine Kettenreaktion zu befürchten, in deren Folge nicht nur systemrelevanten Gläubigerbanken in anderen Ländern eine Insolvenz gedroht hätte. Vielmehr hätte die notwendige Stützung dieser Banken einige Staaten überfordert, deren Schulden durch Bankenkrise und Rezession ohnehin schon rasch zugenommen hatten oder schon vorher auf einem hohen Niveau waren. Auch die Zahlungsfähigkeit anderer Euroländer wurde in wachsendem Maße angezweifelt. Neben Griechenland wurden die Länder Portugal, Irland, Spanien (PIGS) und gelegentlich auch Italien (PIIGS) genannt. Ein ernstes Krisensignal kam von dem Interbankenmarkt, auf dem sich gegenseitiges Misstrauen breitmachte. Deshalb beschloss der ECOFIN-Rat am 9. Mai 2010 auf einer Sondersitzung einen Schutzschirm zur Sicherung der Stabilität des Euro; hierfür wurden insgesamt 750 Mrd. € – wiederum gemeinsam mit dem IWF – bereitgestellt. Für diesen

Rettungsschirm gründeten die Euroländer in Luxemburg die Zweckgesellschaft „Europäische Finanzmarkt­stabilisierungsfazilität“ (EFSF), in der sie ihren Anteil von 440 Mrd. € eingebracht haben. Das Hilfspaket für Griechenland und der Schutzschirm für den Euro haben vorübergehend ihre stabilisierende Wirkung entfaltet. Dies zeigte sich auch an der Entwicklung des Euro, der im Oktober 2010 erstmals wieder oberhalb von 1,40 $ notierte. Nach dem Antrag Irlands, den Schutzschirm mit 85 Mrd. € in Anspruch zu nehmen, ging die Notierung allerdings bis Ende November 2010 wieder auf 1,30 $ zurück. Die wiederholten Aufwärtskorrekturen des griechischen Staatsdefizits haben die Schwächen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur Einhaltung der Maastrichtkriterien offengelegt und gezeigt, wie gefährlich eine ungehemmte Verschuldung selbst einzelner Mitgliedsländer für die Stabilität der gesamten Währungsunion werden kann. Regeln zur Vorsorge liegen im prinzipiellen Interesse aller Mitgliedstaaten. Die BDA hat daher in einer gemeinsamen Erklärung mit dem BDI im Juni 2010 eine Insolvenzordnung für zahlungsunfähige Staaten gefordert, um negative Auswirkungen einer Zahlungsunfähigkeit eines Mitglieds der Eurozone begrenzen zu helfen. Insofern war es ein Erfolg, dass im Rahmen des EU-Gipfels im Oktober 2010 vereinbart wurde, den Stabilitätspakt zu verschärfen und mit einer begrenzten Vertragsänderung einen Krisenbewältigungsrahmen für den Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit eines Mitglieds der Eurozone zu schaffen. Ende November 2010 haben sich auf dem Finanzministerrat die Länder der Eurogruppe und die EU-Kommission auf Grundzüge eines künftigen dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verständigt. Dieser Mechanismus soll den bis Mitte 2013 befristeten Euro-Rettungsschirm ablösen. Kernelemente sollen sein: Konditionalität, Finanzhilfen und Gläubigerbeteiligung. Hilfen sollen nur unter strengen Konsolidierungsauflagen und nach genauer Schuldentragfähigkeitsanalyse gewährt werden. Mit der auf dem Gipfel am 16. und 17.  Dezember beschlossenen Ergänzung des Lissabon-Vertrags haben die EU-Staats- und Regierungschefs eine entsprechende Änderung auf den Weg gebracht und einen wichtigen Schritt zur Stabilisierung des Euro getan. Aus Sicht der

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BDA unterstreicht die angestrebte Vertragsergänzung das gemeinsame europäische Interesse an einem dauerhaften Stabilitätsmechanismus unter strengen Bedingungen. Zur Beruhigung der Märkte ist als zweiter Schritt erforderlich, dass zügig eine Schärfung des EU-Stabilitätspakts gelingt, um das Risiko eines Abgleitens in eine Transferunion zu verhindern. Alle EU-Staaten müssen zudem die Konsolidierung ihrer Staatshaushalte vorantreiben.

Reform der Gemeindefinanzen: mindestens gewerbesteuerliche Hinzurechnungen beseitigen Der im Koalitionsvertrag enthaltene Prüfauftrag zur Reform der Kommunalfinanzen sollte genutzt werden, um einerseits die Unternehmensbesteuerung in Deutschland grundlegend zu reformieren und andererseits den Gemeinden eine stetige und verlässliche Finanzierungsbasis zur Verfügung zu stellen. Die mit Beschluss des Bundeskabinetts vom 24. Februar 2010 eingesetzte Kommission soll dabei insbesondere den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatz prüfen. In die falsche Richtung geht dagegen der von den Gemeinden in die Reformkommission eingebrachte Vorschlag, die Gewerbesteuer stärker als bisher schon um ertragsunabhängige Kostenkomponenten auszuweiten. Allerdings belasten die jetzt schon vorhandenen ertragsunabhängigen Komponenten die unternehmerische Substanz, da die Unternehmen selbst in Verlustjahren Steuern zahlen. Dies ist auf die Einführung gewerbe­ steuerlicher Hinzurechnungen im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 zurückzuführen: Seitdem werden zur Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn 25 % aller Zinsen und 25 % der Finanzierungsanteile von gezahlten Mieten, Pachten und Leasingraten hinzugerechnet. Allerdings hat nicht zuletzt die Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, dass insbesondere die Gewerbesteuer extrem konjunkturanfällig ist – trotz ihrer ertragsunabhängigen Elemente. Die Einnahmen der Gewerbesteuer sind darüber hinaus zwischen den Gemeinden ungleichmäßig verteilt.

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Steuern auf Kosten, wie sie die Gewerbesteuer derzeit enthält, sind investitionsfeindlich. Sie schmälern das Eigenkapital der Unternehmen und müssen daher beseitigt werden. Ebenso schädlich wäre eine etwaige Sondergrundsteuer für Gewerbebetriebe. Deshalb darf die Kommission zur Reform der Kommunalfinanzen nicht scheitern. Zum Mindestumfang des noch für 2010 erwarteten Abschlussberichts der Reformkommission muss die vollständige Beseitigung der – durch die Unternehmensteuerreform 2008 eingeführten – sog. gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Kostenbestandteilen wie Mieten, Pachten und Leasingraten gehören. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Unternehmensteuern“

Lohnsteuerabzugsmerkmale – kostenintensive Arbeitgeberinformationspflicht verhindert Bis Januar 2012 sollen die bisherige Lohnsteuerkarte und das damit verbundene Verfahren vollständig durch ein neues, papierloses Verfahren mit elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM) ersetzt werden. Die BDA begrüßt diesen Übergang ausdrücklich, weil damit grundsätzlich sowohl für die Unternehmen als auch für die Finanzverwaltung deutliche Vereinfachungen verbunden sind. Bereits 2010 entfällt die Zusendung einer neuen Lohnsteuerkarte für den Veranlagungszeitraum 2011 an die Einkommensteuerpflichtigen. Daher wird die Gültigkeit der Lohnsteuerkarten 2010 bis zur erstmaligen Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale verlängert. Arbeitgeber müssen deshalb die Lohnsteuerkarte 2010 im Übergangszeitraum weiter aufbewahren. Das Bundesfinanzministerium (BMF) wird den genauen Beginn und die damit verbundene Beendigung des Übergangszeitraums noch in einem gesonderten BMF-Schreiben bekannt geben. Nach dem Starttermin ist der Arbeitgeber verpflichtet, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer für den ELStAM-Abruf anzumelden und die von der Finanzverwaltung bereitgestellten ELStAM für die nächste Lohnabrechnung elektro­ nisch abzurufen, ins Lohnkonto zu übernehmen


und dann bei der Abführung der Lohnsteuer anzuwenden. Zudem besteht bei dem neuen Verfahren die fortwährende Pflicht des Arbeitgebers, elektro­ nisch von der Finanzverwaltung bereitgestellte Änderungen der ELStAM abzurufen. Im Rahmen einer Härtefallregelung wird es für diejenigen Arbeitgeber, die nicht in der Lage sind und für die es nicht zumutbar ist, die ELStAM der Arbeitnehmer elektronisch abzurufen, ein papiergebundenes Ersatzverfahren geben. Gegen die im Rahmen des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 2010 vorgesehene neue Arbeitgeberinformationspflicht, wonach der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale nach § 39e EStG in der Lohn- und Gehaltsabrechnung der Arbeitnehmer deutlich erkennbar auszuweisen, hat sich die BDA erfolgreich im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags am 29.  September 2010 zum Jahressteuergesetz 2010 ausgesprochen. Sachlich nicht gerechtfertigt und unter dem Gesichtspunkt der Bürokratiekosten unverhältnismäßig war die in § 52b Abs. 5 ­ EStG-E geplante Regelung, wonach der Arbeitgeber und nicht die Finanzverwaltung die Arbeitnehmer über die ELStAM informieren soll. Damit wäre eine neue bürokratische Belastung der Arbeitgeber geschaffen worden, die – ausweislich des Gesetzentwurfs zum Jahressteuergesetz 2010 – 95 Mio. € Kosten bei den Arbeitgebern verursacht hätte. Ein entsprechendes ELStAM-Informationsschreiben der Verwaltung kostet dagegen mit ca. 15 Mio. € weniger als ein Sechstel des für die Arbeitgeber berechneten Aufwands und stellt damit die deutlich kostengünstigere Lösung dar. Der BDA ist es gelungen, die Finanzpolitiker im Deutschen Bundestag zu überzeugen, dass eine neue Arbeitgeberinformationspflicht unter diesen Umständen unverhältnismäßig wäre. Der Deutsche Bundestag hat deshalb den Regierungsentwurf geändert und die Finanzverwaltung mit der Bekanntgabe der ELStAM beauftragt. Den Arbeitgebern bleibt dadurch der drohende Bürokratieaufwand in Höhe von 95 Mio. € erspart. Auch der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. November 2010 schließlich dieser Regelung zugestimmt, nachdem noch der BundesratsFinanzausschuss ihm die Einberufung des Vermittlungsausschusses empfohlen hatte, um die

Erstinformationspflicht über die Arbeitgeber wieder in das Gesetz aufzunehmen. Hiergegen hatte sich die BDA in einem Schreiben an die Chefs der 16 Regierungskanzleien gewandt und so erreichen können, dass endgültig auf die Einführung der Arbeitgeberinformationspflicht verzichtet wurde. Darüber hinaus hat sich die BDA gegenüber der Finanzverwaltung erfolgreich für die Zurverfügungstellung des maschinellen Anfrageverfahrens (MAV) für Arbeitgeber zur erleichterten Übernahme der steuerlichen Identifikationsnummer der Arbeitnehmer eingesetzt, nachdem der für April 2010 vorgesehene Start von der Finanzverwaltung verpasst worden war. In einem BMF-Schreiben vom November 2009 war erklärt worden, dass der nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung authentifizierte Arbeitgeber zur erleichterten Übernahme der steuerlichen Identifikationsnummer in das Lohnkonto die Identifikationsnummer des Arbeitnehmers für die Übermittlung der Lohnsteuer­bescheinigung 2010 beim Bundeszentralamt für Steuern erheben kann (§ 41b Abs. 2 EStG). Ziel dieses maschinellen Verfahrens ist es, beim Arbeitgeber eine aufwendige, kostenintensive wie fehleranfällige „händische“ Eingabe zu vermeiden. Nähere Informationen unter ­www.arbeitgeber.de > Service > Elektronische Lohnsteuerabzugsmerk­male

Mitarbeiterkapitalbeteiligung – Gesetzesänderung verschärft Zielkonflikt Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften am 15. April 2010 wurde die Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung erneut vom Gesetzgeber ausgeweitet. Mit dem Gesetz wurde § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG neu formuliert, so dass Arbeitnehmer nun Anteile an ihren Unternehmen auch dann steuerbegünstigt erhalten, wenn diese durch Entgeltumwandlung finanziert werden. Vor der Änderung beschränkte sich die steuerliche Förderung auf zusätzliche,

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neben dem Arbeitslohn gewährte Leistungen des Arbeitgebers. Am 1. April 2009 war ein neues Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz in Kraft getreten, mit dem die Grenze für die steuerliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung von 135 € auf 360 € jährlich angehoben wurde. Ebenfalls erhöht wurden auch der Fördersatz zur Arbeitnehmersparzulage und die Einkommensgrenzen, bis zu denen die Arbeitnehmersparzulage gewährt wird. Die BDA hat bereits im Vorfeld der öffentlichen Anhörung vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags am 9. Februar 2010 zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft schriftlich Stellung zum Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften bezogen. Zur Ausweitung der steuerlichen Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung auf Entgeltumwandlungen hat sich die BDA kritisch geäußert und vom Gesetzgeber gefordert, die Konkurrenzsituation zwischen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung und der betrieblichen Altersvorsorge zu berücksichtigen und eine Benachteiligung der betrieblichen Altersvorsorge zu vermeiden. Zwar ist Mitarbeiterkapitalbeteiligung aufgrund der damit verbundenen positiven Effekte (u. a. Stärkung der Motivation und Identifikation der Mitarbeiter, Förderung unternehmerischen Denkens und Handelns) grundsätzlich zu befürworten. Die nun realisierte staatliche Förderung ist allerdings fragwürdig: Denn anders als die betriebliche Altersvorsorge bleibt die Mitarbeiterkapitalbeteiligung sowohl im Zeitpunkt der Einzahlung bei einer Höhe von bis zu 360 € als auch bei der späteren Entnahme steuerfrei. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Mitarbeiterkapitalbeteiligungen steuerlich stärker gefördert werden als betriebliche Altersvorsorge, für die sehr viel strengere Anforderungen gelten (z. B. grundsätzlich keine Auszahlung vor Vollendung des 60. Lebensjahres, lebenslange Rentenzahlungen in der Leistungsphase, Schutz bei Insolvenz des Arbeitgebers). Wegen der steuerlichen Bevorzugung könnten sich Arbeitnehmer veranlasst sehen, vorrangig in die Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu investieren und den Aufbau einer betrieblichen Altersvorsorge erst an zweiter Stelle

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zu betreiben. Damit jedoch würde der notwendige Ausbau der ergänzenden Altersvorsorge unnötig gebremst. Ob solche Effekte tatsächlich verstärkt eintreten, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber hat die Hinweise der BDA aufgenommen und die Förderanreize bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung begrenzt, indem er die Entgeltumwandlung bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in der Bemessungsgrundlage aller Sozialversicherungsbeiträge belassen hat. Insofern besteht zumindest im Bereich des Sozialversicherungsbeitragsrechts keine Begünstigung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen gegenüber der betrieblichen Altersvorsorge. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Mitarbeiterkapitalbeteiligung“


Eliten in Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft 48. Kolloquium der Walter-Raymond-Stiftung Die Walter-Raymond-Stiftung wurde 1959 von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als rechtlich unselbstständige Institution gegründet. Die Verantwortung für die Tätigkeit der Stiftung trägt der Vorstand. Im Rahmen des Kolloquiums 2010 übernahm Frau Heide Franken, Vorstandsvorsitzende der Randstad Stiftung und Geschäftsführerin Corporate Affairs von Randstad Deutschland, von Dr. Eckart John von Freyend, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln und Mitglied des Aufsichtsrats der IVG Immobilien AG, das Amt der Sprecherin des Stiftungsvorstands. Im Rahmen des Kolloquiums 2010 wurde das Thema „Soziale Marktwirtschaft – Eliten in Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft“ intensiv diskutiert. Den Auftakt gaben Vorträge von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert MdB, vom Unternehmer Arndt G. Kirchhoff, vom stellvertretenden Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament, Othmar Karas MdEP, vom Chefvolkswirt der Allianz SE Prof. Dr. Michael Heise sowie den Wissenschaftlern Prof. Dr. Theresia Theurl, Prof. Dr. Kai Arzheimer, Prof. Dr. Heinz Bude und Prof. Dr. Günther Schulz. Geprägt war der Diskurs von der Eingangsfrage, welcher Ordnungsrahmen die geeigneten Voraussetzungen für verantwortliches Handeln der Eliten in Wirtschaft und Politik schafft. Angesichts der jüngsten Finanzmarktkrise stand im Mittelpunkt der Diskussion u. a. das Prinzip der Haftung – nicht allein für den unternehmerischen, sondern auch für die politischen Entscheidungsbereich. Ausgiebig wurde darüber beraten, in welcher Beziehung die Verantwortungsbereiche von Staat und Markt zueinander stehen, inwieweit sich Leistungsprinzip und soziale Verantwortung in einem Spannungsverhältnis befinden und wie die Eliten von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Auch die Frage nach der europäischen Dimension stand im Mittelpunkt des Kolloquiums. Die Vorträge und Ergebnisse des Kolloquiums liegen im Band 50 der Großen Reihe der Walter-Raymond-Stiftung vor. Das nächste Kolloquium der Stiftung findet Ende März 2011 unter dem Titel „Die Schuldenkrise und die Governance der Europäischen Union: Legitimität, Funktionalität, Pluralität“ statt. Inhaltlich soll den Fragen nachgegangen werden, warum bestimmte Institutionen nicht funktionieren, wie Konstruktionsfehler vermieden werden könnten, wie stark und konsequent künftig das Subsidiaritätsprinzip umgesetzt werden kann und welchen Weg die Europäische Union im Interesse der Bürger einschlagen sollte.

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Seriös, sachlich und kompetent: Pressearbeit der BDA

BDA nutzt neue und bewährte Wege der Kommunikation

An schlagzeilenträchtigen Themen hat es im zu Ende gehenden Jahr 2010 wahrlich keinen Mangel gegeben. Der unerwartet starke Aufschwung, die überraschend gute Lage am Arbeitsmarkt und die Sorge um den zunehmenden Fachkräftemangel bestimmten im Wesentlichen die mediale Agenda des Jahres. Aber auch unser Anliegen, die Tarifeinheit zu sichern, unsere Position zur Gesundheitsreform, zum Datenschutz und zur Einführung einer Pflegezeit fanden in den Medien breiten Widerhall.

Im Unterschied zu früher spielen in der täglichen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit das Internet und neue Kommunikationstechnologien eine immer wichtigere Rolle. Die BDA beschränkt sich daher im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mittlerweile nicht auf die bewährten Kommunikationswege wie Pressemitteilungen, Pressekonferenzen oder Interviews, sondern nutzt auch die modernen Kanäle wie z. B. Blogs, Twitter, Facebook, Flickr, RSS-Feeds und Bewegtbild-Kommunikation. Sie stellen neue Herausforderungen dar, die die BDA in diesem Jahr weiter angenommen hat.

Die Intensität war hoch: In zahlreichen Statements, Interviews, Presseerklärungen und Pressekonferenzen hat sich Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt gegenüber Presse, Funk, Fernsehen und Online-Redaktionen geäußert. Dabei setzte die BDA auf sachliche und seriöse Argumente, denn sie fördern die Glaubwürdigkeit der Arbeitgeber. Die Pressearbeit der BDA und ihr Verhältnis zu den Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen sind geprägt von Offenheit und gegenseitigem Vertrauen. In einer schnelllebigen Zeit rasch zu agieren und zu reagieren – das gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Presseund Öffentlichkeitsarbeit. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung und Durchsetzung der Positionen der deutschen Arbeitgeber.

In der internen Kommunikation setzt die BDA weiterhin auf eine enge Vernetzung mit den Pressestellen der Mitgliedsverbände. Im Arbeitskreis Presse- und Öffentlichkeitsarbeit kommen die Pressesprecher von BDA und Mitgliedsverbänden mehrmals im Jahr zusammen, um Erfahrungen auszutauschen und medienrelevante Themen zu diskutieren.

Neuer Informationsdienst „Arbeitgeber aktuell“ gestartet Seit Juni stellt der neue Informationsdienst „Arbeitgeber aktuell“ vierteljährlich kurz und prägnant die jeweils wichtigsten Arbeitsschwerpunkte und Aktivitäten der BDA dar. Am Ende der jeweiligen Kurzdarstellungen weisen wir auf weiterführende Texte und Stellungnahmen zu den einzelnen Themen hin. Die Rubrik „Kurz notiert“ enthält zusätzliche Meldungen zu aktuellen Themen und Initiativen. Unter „Veranstaltungen“ wird auf aktuelle Veranstaltungen von und mit der BDA hingewiesen. „BDA intern“ informiert über Interna, Publikationen und Sitzungstermine. Die Internetfassungen von „Arbeitgeber aktuell“ stehen unter www.arbeitgeber.de > Broschüren > „Arbeitgeber aktuell“ zum Download zur Verfügung.

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Internet und eigene Publikationen Als wichtigste und schnellste Informationsquelle hat sich längst die Internetseite ­ www.arbeit­geber.­de etabliert. Seit dem Relaunch im November 2008 ist die Zahl der Nutzer kontinuierlich angestiegen. Der Internetauftritt der BDA hält Medien, Politik, Unternehmen und interessierte Bürger täglich mit den neuesten Informationen auf dem Laufenden. Wenn nötig, wird die Startseite mehrmals am Tag überarbeitet, um der Aktualität gehorchend unterschiedliche Themen in den Fokus zu rücken. In der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren vor allem die übersichtlichen und prägnanten Info-Angebote kompakt und argumente. Als neues Angebot ist in diesem Jahr der Bereich „Service“ hinzugekommen, der in übersichtlicher Form alle Serviceangebote der BDA zusammenstellt. Hier findet sich u. a. auch der Online-Shop, über den die Nutzer viele interessante Broschüren der BDA bestellen können. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Verlinkungen zu weiterführenden Partnerwebseiten und -initiativen. Neben der BDA-Internetseite gibt es mit dem „BDA Newsletter“ und dem „Euro-Info“ weitere Informationsdienste. Die Dienste können kostenfrei über die Internetseite abonniert werden. Darüber hinaus ist die BDA mit der Beilage „Arbeitgeber – Das BDA-Spezial zur unternehmerischen Sozialpolitik“ in der Zeitschrift PERSONAL vertreten.

BDA jetzt auch mit OnlineMediathek In der Online-Kommunikation geht die BDA mit der Zeit. So hat auf der Homepage der BDA am 25. November 2010 die Mediathek ihre Pforten geöffnet. Unter www.­mediathek.arbeitgeber.de können interessierte Nutzer dank intelligentem Streaming Videos und Bewegtbild-Beiträge in bester Qualität und ohne Pufferzeiten online und mobil verfolgen. Die Mediathek bietet aktuell u.  a. ­Filmbeiträge vom Deutschen Arbeitgebertag in Berlin an, darunter die Eröffnungsrede von Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt, die Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Beiträge aus den verschiedenen Diskussionsforen. Darüber hinaus können interessierte Nutzer auf Imagefilme, Lehr- und Wirtschaftsfilme zurückgreifen. Auch die Möglichkeit des Hochladens eigener Beiträge besteht. Zudem ist das Abspielen der Videos auf mobilen Geräten wie iPhone, iPad oder iPod Touch möglich.

kompakt und argumente erfolgreich Weiterhin gehören die Informationsdienste kompakt und argumente zu den beliebtesten Publikationen der BDA. Auch im vergangenen Jahr haben wir die Reihen um weitere Themen erweitert. Auf jeweils einem Blatt geben sie einen schnell Einstieg in ein Thema und greifen aktuelle Themen aus der öffentlichen Debatte auf. Durch ihre inhaltliche Prägnanz statten sie Mitgliedsverbände und Unternehmen mit Hintergrundinformationen, Argumenten und Botschaften der Arbeitgeber für Gespräche, Vorträge und Diskussionen aus und informieren über Dienstleistungen, Veranstaltungen und Publikationen der BDA. Seit August können diese Dienste in der jeweils aktuellen Fassung bei Interesse auch auf den eigenen Webpräsenzen unserer Mitgliedsverbände angezeigt werden. Die jeweils aktuellen Fassungen der kompakt und argumente sind unter www.arbeitgeber.de > kompakt bzw. argumente abrufbar. Sie können jeweils auch über einen Newsletter abonniert werden.

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Deutscher ­Arbeitgebertag wieder ein Medien­ereignis

Zu den medialen Highlights des Jahres gehört traditionell der Deutsche Arbeitgebertag, der am 23. November 2010 in Berlin stattfand. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt warb in seiner Rede vor den mehr als 1.500 Gästen u. a. für eine Fortsetzung der flexiblen und produktivitätsorientierten Tarifpolitik der vergangenen Jahre. Gleichzeitig betonte er, dass die deutsche Wirtschaft noch längst nicht aus der Talsohle der schwersten Wirtschafts- und Finanzmarktkrise heraus sei, sondern sich mitten in einem Aufholprozess befinde. Die Äußerungen des Arbeitgeberpräsidenten wurden von über 170 akkreditierten Medienvertretern aufgegriffen, wodurch eine breite Medienberichterstattung erreicht wurde. Besondere Beachtung fand auch die Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, traditionell Gast auf dem Deutschen Arbeitgebertag. Aber auch die Auftritte von EU-Kommissar Günther Oettinger, dem SPD-Fraktionsvorsitzenden FrankWalter Steinmeier, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sowie von Cem Özdemir, dem Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, und dem Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Dr. Hans-Peter Friedrich, fanden ein breites Echo. Die Präsenz des Deutschen Arbeitgebertags und der BDA reichte von den großen TV-Nachrichten bis zu Titelseiten der regionalen und überregionalen Zeitungen. Insgesamt gab die Veranstaltung den politischen Botschaften der Arbeitgeber über den Tag hinaus Stimme und Gewicht. Wer nicht live vor Ort dabei sein konnte, besaß wie bereits im Vorjahr die Möglichkeit, auf der Internetseite der BDA den kompletten Deutschen Arbeitgebertag live zu verfolgen. Nähere Informationen unter www.mediathek.arbeitgeber.de

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Geschäftsführer­ konferenz in Dresden Auf Einladung der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft fand die Geschäftsführerkonferenz der BDA am 25. und 26. Mai 2010 in Dresden statt. Eine Vielzahl von Themen bestimmte die Tagesordnung – von der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise bis zu Zukunftsfragen der sozialen Sicherung und des Arbeitsmarkts. Entscheidungsträger aus der Politik standen Rede und Antwort. Unter den Schlagworten „demografiefest“ und „zukunftstauglich“ diskutierten der Parlamentarische Staatssekretär Daniel Bahr MdB, Professor Günter Neubauer und Dr. Doris Pfeiffer über den Handlungsbedarf in der Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Debatte über die Zukunft der sozialen Sicherung nahm die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast MdB, Stellung. Im Dialog mit Anton F. Börner erläuterte der Kreditmediator der Bundesregierung, Hans-Joachim Metternich, seine Aufgaben bei der Sicherung der Unternehmensfinanzierung. Dass zur Krisenbewältigung auch eine nachhaltige und stringente Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gehören muss, hob Steffen Kampeter MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, hervor. Die Standpunkte der SPD zur Wirtschafts- und Sozialpolitik nach der Krise vertrat die Generalsekretärin, Andrea Nahles MdB. In der Podiumsdiskussion „Weichenstellungen für eine moderne Arbeitsmarktpolitik“ tauschten Bertram Brossardt, Annelie Buntenbach, Dr. Carsten Linnemann MdB und Landrat Erich Pipa ihre Standpunkte aus. Von Seiten der BDA zeigten Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt und Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Göhner in ihren Reden die Schwerpunkte der Arbeit der BDA auf. Als ausgezeichneter Gastgeber erwies sich die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft bei der Ausrichtung der traditionellen Abendveranstaltung. Im historischen Ambiente des Dresdener Residenzschlosses wurden die Konferenzteilnehmer auf eine beeindruckende Zeitreise in die Epoche August des Starken geführt. Mit einem Besuch in den Schatzkammern Dresdens war der gemeinsame Abend einer der Höhepunkte des diesjährigen „Familientreffens der BDA“.

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PArLAMentA­ rischer ABenD erneut Grosser erfoLG Der Parlamentarische Abend am 14. September 2010 von BDA, BDI und DIHK war wieder ein großer Erfolg. Mit der Mitwirkung von vielen politischen Amtsträgern und rd. 1.000 Gästen bot der Abend eine gute Gelegenheit zum Austausch zwischen Vertretern von Politik, Unternehmen und Verbänden. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hielt das Grußwort.

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Für eine bessere frühkindliche Bildung und Betreuung 2010 lag für die BDA ein bildungspolitischer Schwerpunkt bei der frühkindlichen Bildung. Nachdem Anfang des Jahres auf einer BDA-Tagung mit dem DGB die Frage der zielführenden Aus- und Fortbildung des Personals im Kindergarten als neu verstandener Bildungseinrichtung thematisiert wurde, stand auf einer weiteren großen Veranstaltung die Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes im Fokus. Das Gesetz sieht vor, dass bis 2013 35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsangebot erhalten und ein Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr besteht. Unter dem Titel „Für eine bessere Kinderbetreuung – Chancen für Kinder, Chancen für Eltern“ hatten BDA, BDI, Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und Deutsches Jugendinstitut in das Haus der Deutschen Wirtschaft geladen. Bundesministerin Dr. Kristina Schröder hob auf die Unzufriedenheit der Eltern mit der zu geringen Vereinbarkeit von Familie und Beruf ab und bekannte sich zum geplanten Ausbau mit Rechtsanspruch auf Betreuung für 2013. Die dynamische Entwicklung der Betreuungsangebote zeige, dass das ehrgeizige Ziel erreicht werden könne. Der Bund stellt 4 Mrd. € der benötigten 12 Mrd. € für den Ausbau zur Verfügung – hier werde nicht gespart. Dr. Gerhard F. Braun, BDA-Vizepräsident, unterstrich im Gespräch mit Monika Jones die Relevanz einer guten Kinderbetreuung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dies gelte zum einen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die noch längst nicht erreicht sei, zum anderen für eine möglichst frühe und wirksame Förderung der Kinder, ihre Bildungs- und Lebenschancen. Es besteht erheblicher Nachholbedarf – aber die Kommunen sehen sich kaum in der Lage, die Beschlüsse umzusetzen, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund verdeutlichte. Die quantitative Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Betreuung würden sie gewährleisten, aber keinesfalls mit der angestrebten Qualität. Als Kernproblem geißelte Ilse Wehrmann, Expertin für Frühpädagogik, dass die Qualität der Kinderbetreuung von der Finanzkraft der einzelnen Kommune abhänge und damit die Ungerechtigkeit weiter wachse. Sie forderte bundesweite Qualitätsstandards mit Kontrollen. Prof. Dr. Thomas Rauschenbach verwies darauf, dass Bildung im Kindergarten nicht Schulbildung sei – lebensweltliche Orientierung sei gefragt, nicht Fächerdenken. Der Kindergarten mit seinen Anregungen sei für alle Kinder wichtig, nicht nur für bildungsferne Schichten. Die 160 Teilnehmer aus Frühpädagogik, Kommunen, Verbänden und Politik diskutierten engagiert mit. Im Nachgang zur Tagung formierte sich eine Expertenrunde unter Leitung von KAS und BDA, die die weiteren Umsetzungsschritte prüft. Nähere Informationen unter www.arbeitgeber.de > kompakt > „Frühkindliche Bildung“

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erfoLGreicher Auftritt Der wirtschAft BeiM 2. ÖkuMenischen kirchentAG in München

Der 2. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) vom 12. bis 16. Mai 2010 in München war das kirchliche und gesellschaftspolitische Großereignis in diesem Jahr. Die BDA war hier gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedsverbänden und weiteren Partnern unter dem Motto „Verantwortung übernehmen – Zukunft gestalten“ vertreten, um einer breiten Öffentlichkeit das vielfältige gesellschaftliche und soziale Engagement der Wirtschaftsverbände vorzustellen. Neben rd. 1.500 Kirchentagsbesuchern waren auch viele prominente Gäste aus Kirche, Politik und Wirtschaft am Messestand der Wirtschaft zu Gast, um sich über die vielseitigen bildungs- und gesellschaftspolitischen Initiativen der Verbände zu informieren. Zusätzlich zu den Projektpräsentationen am Stand fanden Foren statt, die sich mit aktuellen sozial- und wirtschaftspolitischen Themen befassten. An den drei Messetagen kamen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kirchen so u. a. über die Themen „Arbeitswelt im Wandel“, „Soziale Marktwirtschaft gestalten“ und „Bildung ist Zukunft“ ins Gespräch. Das junge Publikum wurde mit einem „Chancenflipper“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eingeladen, sich wirtschaftspolitischen Themen spielerisch zu nähern. Einen Höhepunkt bildete der Empfang der Wirtschaft, zu dem die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft eingeladen hatte und den sie gemeinsam mit der BDA, dem Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer und dem Bund Katholischer Unternehmer durchführte. Über 300 Gäste folgten der Einladung und erlebten eine lebendige Diskussion zum Thema „Damit ihr Hoffnung habt. Soziale Marktwirtschaft nachhaltig gestalten“. Die zum ÖKT in München geschaffene Internetpräsenz www.wirtschaft-kirchentag.de wird von den Arbeitgeberverbänden weiterhin genutzt, um unter dem Motto „Verantwortung übernehmen – Zukunft gestalten“ auf ihre zahlreichen Projekte und Initiativen aufmerksam zu machen. In den Rubriken „Bildung + Wissenschaft“, „Arbeit + Leben“ und „Gesellschaft + Umwelt“ wird das Engagement der Verbände dargestellt. Veranstaltungshinweise und die Dokumentation zurückliegender Aktivitäten ergänzen das Online-Angebot. Nähere Informationen unter www.wirtschaft-kirchentag.de

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Bilanz­ veranstaltung SCHULEWIRSCHAFT Ostdeutschland

Die Folgen des demografischen Wandels sind in den neuen Bundesländern deutlich zu spüren: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Schulabgänger nahezu halbiert. Bereits heute haben 70 % der Unternehmen in Ostdeutschland Probleme, offene Stellen zu besetzen. Und noch immer wandern viele junge Menschen in Richtung Westdeutschland ab. Vor zwei Jahren wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer zusammen mit BDA und SCHULEWIRTSCHAFT das Projekt „Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT Ostdeutschland“ gestartet, damit in Ostdeutschland der Fachkräftenachwuchs nicht ausgeht. Unterstützt wurde die Initiative durch die strategische Partnerschaft mit der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Kreditbank AG. Am 5. November 2010 zogen Förderer, Kooperationspartner und Aktive in einer gemeinsamen Veranstaltung im Haus der Deutschen Wirtschaft eine positive Bilanz der zweijährigen Zusammenarbeit im Netzwerk. Akteure aus 18 von insgesamt 30 entwickelten Einzelprojekten stellten sich an einzelnen Stationen nach der Präsentation ihrer Aktivitäten den Fragen der interessierten Teilnehmer. Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt appellierte in seiner Rede an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die aktuellen Herausforderungen in Chancen umzuwandeln und dafür Sorge zu tragen, dass der ostdeutsche Fachkräftenachwuchs nicht in den Westen abwandert. Er dankte allen Akteuren und Förderern für ihr Engagement. In einer von zwei Brandenburger Schülern moderierten Podiumsdiskussion mit Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, und Dr. Patrick Wilden, Vorstandsmitglied der Deutschen Kreditbank AG, wurden die Chancen und Perspektiven junger Menschen in Ostdeutschland diskutiert. Dr. de Maizière betonte, dass ostdeutsche Schulabgänger aufgrund des demografischen Wandels gute Aussichten haben, in ihrer Heimat einen spannenden Job zu finden. Nähere Informationen unter www.schulewirtschaft-ostdeutschland.de

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BoLoGnA zuM erfoLG führen

Nach 2004, 2006 und 2008 bekannten sich am 21. Oktober 2010 Personalvorstände führender Unternehmen in Deutschland im Rahmen der Initiative „Bachelor Welcome!“ mit einer gemeinsamen Erklärung zur Umstellung auf die gestufte Studienstruktur und formulierten ihre Zusagen und Forderungen in diesem Prozess. Im Jahr 2010 – nach mehr als zehn Jahren Studienreform – wurde Zwischenbilanz gezogen und Ziele für eine Weiterentwicklung der Reform definiert. Am Nachmittag des 21. Oktober 2010 wurde die „Bachelor Welcome!“-Erklärung in einer gemeinsamen Veranstaltung von BDA, BDI und Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft präsentiert. Vertreter der Studierenden, der Hochschulen, der Politik und der Wirtschaft diskutierten, wie Bologna gemeinsam zum Erfolg geführt werden kann.

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GirLs’ DAY: JuBiLäuM 2010 iM hAus Der Deutschen wirtschAft

Der Girls’ Day feierte 2010 ein rundes Jubiläum: Er fand am 26. April zum zehnten Mal statt. Der Einladung von BDA und der Initiative „MINT Zukunft schaffen“ zum diesjährigen Event sind 40 Mädchen gefolgt. In zwei Workshops wurden Vorurteile gegenüber „Frauen und Technik“ aufs Korn genommen. Die Teilnehmerinnen entwickelten Ideen dazu, welche Vorurteile zum Thema „Frauen und Technik“ existieren und wie diese bildhaft dargestellt werden können. Darüber hinaus überlegten die Mädchen, wie eine MINT-Zeitung aussehen könnte, die speziell ihren Interessen entspricht. Die klare Botschaft des Tages war: Frauen und naturwissenschaftlich-technische Berufe – das passt hervorragend zusammen!

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Die 70 Mitgliedsverbände der BDA

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Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe) Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie Arbeitgeberverband der Deutschen Immobilienwirtschaft e. V. Arbeitgeberverband der Deutschen Kautschukindustrie (ADK) e. V. Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. – Eisenbahnen, Berg- und Seilbahnen, Kraftverkehrsbetriebe – Arbeitgeberverband Luftverkehr e. V. (AGVL) Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e. V. Arbeitgeberverband Pflege e. V. Arbeitgeberverband Postdienste e. V. Arbeitgeberverband Stahl e. V. Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß e. V. Arbeitsgemeinschaft Keramische Industrie e. V. Arbeitsgemeinschaft Schuhe/Leder BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. Wirtschafts- und Arbeitgeberverband BdKEP Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e. V. Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar e. V. Bundesverband der Systemgastronomie BdS e. V. Bundesverband der Zigarrenindustrie e. V. (BdZ) Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e. V. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Bundesverband Druck und Medien e. V. Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e. V. Deutscher Bühnenverein Bundesverband der Theater und Orchester Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) DSSV e. V. Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände e. V. Gesamtverband der Deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. – Arbeitgeberverbund –Gesamtverband Steinkohle e. V. (GVSt) Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Hauptverband der Deutschen Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) e. V. Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Telekommunikation (ArgeTel) Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr (SAV) Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH) Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e. V. Verband Deutscher Reeder e. V. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (VDZ) Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e. V. (VdDD) Verein der Zuckerindustrie Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e. V. Vereinigung der Arbeitgeberverbände energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmungen (VAEU) Vereinigung Rohstoffe und Bergbau VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e. V. Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. ZGV – Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e. V.

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Landesvereinigungen

UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V.

Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern e. V.

Die Unternehmensverbände im Lande Bremen e. V. Unternehmerverbände Niedersachsen e. V. Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V. Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e. V.

unternehmer nrw Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e. V.

Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V. (VSW) Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V.

Verband der Wirtschaft Thüringens e. V.

Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU)

Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e. V. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Arbeitgeber Baden-Württemberg – Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e. V.

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BDA-Präsidium Präsident Prof. Dr. Dieter Hundt Präsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Aufsichtsratsvorsitzender Allgaier Werke GmbH

Ehrenpräsident Prof. Dr. Klaus Murmann Ehrenpräsident Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vorm. Vorstandsvorsitzender SauerDanfoss Inc.

Vizepräsidenten Dr. h. c. Josef Beutelmann Vorsitzender Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland Vorsitzender der Vorstände Barmenia Versicherungen Dr. Gerhard F. Braun Präsident Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz Geschäftsführender Gesellschafter Karl Otto Braun GmbH & Co. KG Dr. Eckhard Cordes Vorstandsvorsitzender Metro AG Martin Kannegiesser Präsident GESAMTMETALL Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie Geschäftsführender Gesellschafter Herbert Kannegiesser GmbH Otto Kentzler Präsident Zentralverband des Deutschen Handwerks Geschäftsführender Gesellschafter Kentzler GmbH & Co. KG Dr. Walter Koch Gesellschafter Dillinger Fabrik gelochter Bleche GmbH

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Randolf Rodenstock Präsident Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Optische Werke G. Rodenstock GmbH & Co. KG Dr. h. c. Eggert Voscherau Präsident Bundesarbeitgeberverband Chemie Aufsichtsratsvorsitzender BASF SE

Präsidiumsmitglieder Dr. Frank Appel Vorstand Arbeitgeberverband Postdienste Vorstandsvorsitzender Deutsche Post AG Peter Barz Vorsitzender Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuß Aufsichtsratsmitglied Unilever Deutschland Holding GmbH Anton F. Börner Präsident Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen Persönlich haftender Gesellschafter Börner + Co. KG Hans-Dieter Bremer Präsident Vereinigung der Unternehmens­ verbände für Mecklenburg-Vorpommern Geschäftsführer Beton-Service GmbH Wolfgang Brinkmann Vizepräsident Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie Geschäftsführender Gesellschafter F.W. Brinkmann GmbH Dr. Jürgen Deilmann Ehrenmitglied im Präsidium der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Gesellschafter Deilmann Montan GmbH Dr. Rainer V. Dulger Vorstandsmitglied Arbeitgeber Baden-Württemberg – Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände Geschäftsführender Gesellschafter ProMinent Dosiertechnik GmbH


Brigitte Ederer Vorstandsmitglied Siemens AG Goetz von Engelbrechten Vizepräsident Unternehmerverbände Niedersachsen Bodo Finger Präsident Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft Geschäftsführender Gesellschafter Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH & Co. KG Günther Fleig Vorstandsvorsitzender Hanns Martin Schleyer-Stiftung Heide Franken Geschäftsführerin Randstad Deutschland GmbH & Co. KG Vorstandssprecherin Walter-Raymond-Stiftung Hartmut Geldmacher Vorsitzender Vereinigung der Arbeitgeber­ verbände energie- und versorgungs­ wirtschaftlicher Unternehmungen Vorstandsmitglied E.ON Energie AG Wolfgang Goebel Präsident Bundesverband der Systemgastronomie Vorstandsmitglied McDonald´s Deutschland Inc. Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ulrich Grillo Präsident WirtschaftsVereinigung Metalle Vorstandsvorsitzender Grillo-Werke AG Dr. Rüdiger Grube Vorstandsvorsitzender Deutsche Bahn AG Helmut Heinen Präsident Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger Geschäftsführer Heinen-Verlag GmbH

Klaus Hering Vizepräsident Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Gesellschafter NOBA Schlüsselfertigbau GmbH Dr. Fritz-Heinz Himmelreich vorm. Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ingrid Hofmann Vizepräsidentin Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen Geschäftsführende Gesellschafterin I.K. Hofmann GmbH Burkhard Ischler Präsident Vereinigung der Unternehmens­ verbände in Berlin und Brandenburg Leiter Berliner Büro der Leitung Siemens AG Dr. Eckart John von Freyend Präsident Institut der deutschen Wirtschaft Köln Arndt G. Kirchhoff Vorsitzender der Geschäftsführung Kirchhoff Automotive GmbH Helmut F. Koch Vorsitzender Arbeitgeberverband Stahl Aufsichtsratsmitglied MannesmannröhrenWerke GmbH Ingo Kramer Präsident Die Unternehmensverbände im Lande Bremen Geschäftsführender Gesellschafter Firmengruppe J. Heinr. Kramer Harald Krüger Vorstandsmitglied BMW AG Lothar Lampe Präsident Gesamtverband der Deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände Stefan H. Lauer Präsident Arbeitgeberverband Luftverkehr Vorsitzender Sozialpolitische Arbeitsgemeinschaft Verkehr Vorstandsmitglied Deutsche Lufthansa AG

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Horst-Werner Maier-Hunke Präsident unternehmer nrw Landes­vereinigung der Unternehmens­ verbände Nordrhein-Westfalen Geschäftsführer DURABLE Hunke & Jochheim GmbH & Co. KG Dr. Arend Oetker Geschäftsführender Gesellschafter Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. KG Wilfried Porth Vorstandsmitglied Daimler AG Dr. Wolfgang Pütz Vizepräsident Bundesverband Druck und Medien Geschäftsführender Gesellschafter J.F. Ziegler KG Josef Sanktjohanser Präsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Vorstandsmitglied REWE-Zentral-AG Thomas Sattelberger Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG Jürgen Schulte-Laggenbeck Vizepräsident Handelsverband Deutschland – HDE Der Einzelhandel Vorstandsmitglied Otto (GmbH & Co. KG) Ulrich Sieber Vorsitzender Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes Vorstandsmitglied Commerzbank AG Margret Suckale Senior Vice President Global HR Executive Management and Development BASF SE Bernd Tönjes Präsident Gesamtverband Steinkohle Vorstandsvorsitzender RAG Aktiengesellschaft Uli Wachholtz Präsident UVNord – Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein Geschäftsführer Karl Wachholtz Verlag GmbH & Co. KG

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Prof. Dieter Weidemann Präsident Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände Wolfgang Zahn Präsident Verband der Wirtschaft Thüringens Geschäftsführer Robert Bosch Fahrzeug­ elektrik Eisenach GmbH


BDA-Vorstand

Vorsitzende der Ausschüsse

Gemeinsames Präsidium von BDA und BDI*

Neben den gewählten Mitgliedern des Präsidiums gehören folgende Damen und Herren dem Vorstand an:

Dr. Gerhard F. Braun BDA/BDI-Fachausschuss Bildung | Berufliche Bildung

Alternierende Vorsitzende

Prof. Thomas Bauer Michael Behrendt Dr. Rolf Bender Oswald Bubel Ulrich Alfred Büchner Prof. Dr. Hubert Burda Frank Dupré Martin Empl Volker Enkerts Ernst Fischer Florian Gerster Rainer Göhner Thomas Greiner Klemens Gutmann Jörg Hagmaier Siegfried Hanke Theo Hermann Franz Bernd Köster Thomas Kretschmann Peter Kurth Dr. Johannes F. Lambertz Rainer J. Marschaus Reinhard Müller-Gei Dr. Christoph E. Palmer Rudolf Pfeiffer Eberhard Potempa Hanns-Jürgen Redeker Ralph Rieker Prof. Dr. Markus Rückert Manfred Rycken Jürgen Schitthelm Dirk Schlüter Birgit Schwarze Johannes Schwörer Dr. Theo Spettmann Dr. Heinrich Spies Norbert Steiner Dr. Sven Vogt Ulrich Weber Dietmar Welslau Prof. Dr. Franz-Josef Wodopia

Hans-Dieter Bremer Ausschuss Arbeitssicherheit Prof. Dr. Michael Heise Ausschuss für Volkswirtschaft­liche Fragen Klaus Hofer Ausschuss Betriebliche Altersvorsorge Ingrid Hofmann Ausschuss Betriebliche Personalpolitik Michael Klein Ausschuss Arbeitsmarktfragen Dr. Walter Koch Ausschuss Haushalt Stefan H. Lauer Ausschuss Arbeitsrecht

Prof. Dr. Dieter Hundt Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Keitel

Weitere Mitglieder des Präsidiums

Dr. h. c. Josef Beutelmann Dr. Gerhard F. Braun Dr. Eckhard Cordes Dr. Klaus Engel Ulrich Grillo Dr. Heinrich Hiesinger Martin Kannegiesser Otto Kentzler Dr. Walter Koch Friedhelm Loh Dr. Arend Oetker Randolf Rodenstock Prof. Dr. Dr. h. c. August-Wilhelm Scheer Jürgen R. Thumann Dr. h. c. Eggert Voscherau Matthias Wissmann Dr. E. h. Manfred Wittenstein

* Stand: 1. Januar 2011

Dr. Wolfgang Pütz Ausschuss Lohn- und Tarifpolitik Randolf Rodenstock Ausschuss Soziale Sicherung Margret Suckale Ausschuss Sozialpolitik in der EU

BDA | Geschäftsbericht 2010 | Aus dem Leben der BDA

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Organigramm

Präsident Prof. Dr. Dieter Hundt Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau T -1004 F -1005

Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Göhner

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Alexander Gunkel**

Sekretariat Anne-Katrin Biereigel T -1008 F -1015

Sekretariat Ulrike Kümpel-Moderau Marina Reikowski T -1007/1006 F -1005

hgf.mail@arbeitgeber.de

hgf.mail@arbeitgeber.de

Verwaltung und Verbandsorganisation

Soziale Sicherung

Volkswirtschaft | Finanzen | Steuern, Walter-RaymondStiftung

Arbeitsrecht

Lohn- und Tarifpolitik

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

organisation@arbeitgeber.de

soziale.sicherung@arbeitgeber.de

volkswirtschaft@arbeitgeber.de

arbeitsrecht@arbeitgeber.de

tarifpolitik@arbeitgeber.de

Kaufmännische Assistenz Katrin Altmann*

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Arbeitswissenschaft

Organisation Kornelia Wendt

Redaktion SAE Barbara Braun

Tarifarchiv Astrid Bohn Michaela Grebasch

Sekretariat

Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung

Ulrich Hüttenbach** Martin Pulm

Janet Wiecker T -1100 F -1105

Adressverwaltung Thomas Bieche Manuel Schiller

Dr. Volker Hansen Gert Nachtigal

Ingrid Schramm Heike Bozan T -1600 F -1605

Stefan Haussmann Dr. Martin Kröger Susanne Lexa Saskia Osing* Florian Swyter

Ottheinrich Freiherr von Weitershausen Dr. Oliver Perschau* Cornelia Hentschel T -1950 F -1955

Elisaveta Gomann Dr. Hans-Jürgen Völz

Roland Wolf Thomas Prinz*

Manuela Hahn Beate Murtezani Simone Scharf T -1200 F -1205

Nora Braun Martin Eckstein Katharina Ludewig Kerstin Plack Dr. Anita Schmitz-Witte

Rainer Huke*

Marina Fahrentholtz Katrin Franz T -1300 F -1305

Kora Kleine Paul Noll Dr. Mandy Reichel Natalia Stolz

Einkauf und Services

Sven Kochanowski einkauf.mail@arbeitgeber.de Bibliothek Anke Beyer-Stamm Service Frank Halup Astrid Leu

Finanzen

Martin Pulm Gudrun Häntsch Sirpa Ohm Viola Rieche finanzen.mail@arbeitgeber.de

Informations- und Kommunikationstechnik Martin Brüning Thomas Hyrbaczek Christian Seipp Hans-Jürgen Tunze iuk.mail@arbeitgeber.de

Personal

Astrid Zippel Katrin Rennicke personal.mail@arbeitgeber.de

Norbert Breutmann

Carola Wünsche T -1604 F -1605 soziale.sicherung@arbeitgeber.de

Ottheinrich Freiherr von Weitershausen

Sekretariat

Ellen Dumschat T -1954 F -1955 info@iswa-online.de


T +49 30 2033-0 F +49 30 2033-1055 bda@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Stand: 1. Januar 2011 ** Qualitätsmanagementkoordinator * Qualitätsmanagementbeauftragte

Mitglied der Hauptgeschäftsführung Peter Clever

Sekretariat Manuela Poniwaß T -1009 F -1015 hgf.mail@arbeitgeber.de

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Planung | Koordination | Grundsatzfragen

Arbeitsmarkt

Bildung | Berufliche Bildung

Europäische Union und Internationale Sozialpolitik

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Abteilungsleitung

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

Sekretariat

presse@arbeitgeber.de

grundsatz@arbeitgeber.de

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de

bildung@arbeitgeber.de

europa@arbeitgeber.de

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Referenten (m/w)

Leiter der Pressestelle

Büro des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers

Betriebliche Personalpolitik

Sekretariat

Sekretariat

Janine Schaefer T -1410 F -1405

Organisation Astrid Schwarz T +32 2 792 10 50 F +32 2 792 10 55

bph.mail@arbeitgeber.de

arbeitsmarkt@arbeitgeber.de

bruessel@arbeitgeber.de

Dr. Uwe Mazura* Jörg Swane

Claudia Jungkowski Claudia Kurschat T -1800 F -1805

Arne Franke Franziska Caroline Lerch Dr. Viktor Otto Andreas Timm

Dr. Viktor Otto

Christina Ramb** Kristian Schalter

Kati Hildebrandt T -1070 F -1075

Tabea Kölbel

Kristian Schalter Benjamin Koller

Sabrina Paul T -1020 F -1025

Dr. Jürgen Wuttke* Alexander Wilhelm

Susan Peronne Marion Blumauer T -1400 F -1405

Christian Dorenkamp Georgia Heine Torsten Petrak Silvia Schneider

Dr. Alexander Böhne Jana Schimke

Dr. Barbara Dorn Dr. Donate Kluxen-Pyta Tanja Nackmayr Katja Rasch Allmuth Rudolf Sevim Ünal T -1500 F -1505

Henning Dettleff Petra Gießler Yvonne Kohlmann Susanne Müller* Dr. Irene Seling

Renate Hornung-Draus Antje Gerstein* Matthias Thorns Bianca Voyé* Marion Hirte Janine Spolaczyk T -1900 F -1905

Anton Bauch Julia Kaute Stefan Sträßer

BDI/BDA The German Business Representation Antje Gerstein* Brigitte De Vita Andres Rojas del Rio


BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Mitglied von BUSINESSEUROPE Hausadresse: Haus der Deutschen Wirtschaft Breite Straße 29, 10178 Berlin Briefadresse: 11054 Berlin T +49 30 2033-1070 F +49 30 2033-1075 grundsatz@arbeitgeber.de www.arbeitgeber.de Redaktionsschluss: 20. Dezember 2010 Fotografie: Thomas Köhler | www.photothek.net Tobias Koch | www.fotostudio-koch.de DIHK; Jens Schicke vbw | www.vbw-bayern.de Foto Engler | www.pressefoto-engler.de Christian Kruppa | www.christiankruppa.de adisa, Aeolos, Nikada, Uko_Jesita | iStockphoto.com moonrun, Olly, RRF, SVLuma | fotolia.de misterQM | photocase.de

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