BDI/BDA Brüssel Aktuell 05|2015

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Europäischer Rat im Zei­ chen der Migrationspolitik Schwierige Diskussionen zur Migrationspolitik prägten das Treffen der EUStaats- und Regierungschefs vom 26.-27. Juni 2015 in Brüssel. Ferner standen Sicherheit und Verteidigung, die Schaffung eines Digitalen Binnenmarktes, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und das geplante britische Referendum auf der Tagesordnung. >> Seite 2

EU-Ratspräsidentschaft

Industriepolitik

Finanzpolitik

Eine Union für die Bürger – Luxemburgs Prioritäten

Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit

Junckers Investitionsplan für Europa beschlossen

Am 1. Juli 2015 hat Luxemburg die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union übernommen.

In einem Brief an die EU-Mitgliedstaaten skizziert EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska Maßnahmen zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit.

Am 24. Juni 2015 haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments den Verordnungsentwurf der Kommission über den EFSI angenommen.

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Handelspolitik

Weitere Themen

Aktionsplan zur Unternehmensbesteuerung >> Seite 5

Aktionärsrechterichtlinie

EP verabschiedet TTIPResolution

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EU-Kommission baut Führungsebene um Das EP hat am 8. Juli mit 436 Ja-Stimmen bei 241 Nein-Stimmen und 32 Enthaltungen eine Resolution zu den TTIPVerhandlungen verabschiedet. >> Seite 4

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Europäischer Rat vom 26. – 27. Juni 2015 im Zeichen der Migrationspolitik Schwierige Diskussionen zur Migrationspolitik prägten das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs vom 26.-27. Juni 2015 in Brüssel. Ferner standen Sicherheit und Verteidigung, die Schaffung eines Digitalen Binnenmarktes, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und das geplante britische Referendum auf der Tagesordnung. Zu Griechenland wurden keine Beschlüsse gefasst. Das Thema »Migration« hat aufgrund der zunehmenden Flüchtlingsströme über das Mittelmeer im Europäischen Rat an Bedeutung gewonnen. Strittig war, wie verbindlich und nach welchen Kriterien die Umverteilung von Flüchtlingen aus Südeuropa auf alle EU-Mitgliedstaaten erfolgen soll. Nach einer ungewöhnlich kontrovers geführten Diskussion einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf die Verteilung von 60.000 schutzbedürftigen Flüchtlingen (40.000 aus Italien und Griechenland sowie 20.000 Neuankömmlinge). Auf Druck einiger mittelosteuropäischer Staaten wurde die Vereinbarung auf zwei Jahre begrenzt und die Verteilung erfolgt auf freiwilliger Basis. Bis Ende Juli 2015 wollen sich die Mitgliedstaaten einstimmig auf die Details der Verteilung einigen. Zudem wurden Italien und Griechenland aufgefordert, die Erfassung von Anträgen von Migranten und deren Identifizierung voranzutreiben. Die schwierige Diskussion zeigt, wie schwer sich die EU-Mitgliedstaaten aktuell damit tun, Kompromisse zu politisch sensiblen Themen im Spannungsfeld zwischen Verantwortung und Solidarität zu finden. Die weiteren Themen des Europäischen Rates wurden zügig abgehandelt. Die Staats- und Regierungschefs beauftragten die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, eine neue außen- und sicherheitspolitische Strategie bis Juni 2016 auszuarbeiten. Die deutsche Industrie spricht sich für mehr Europa in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und insbesondere für einen funktionierenden Binnenmarkt für Sicherheits- und Verteidigungsgüter aus. Ferner wurde die Stra-

tegie der EU-Kommission für einen Digitalen Binnenmarkt unterstützt und die Bedeutung der Digitalisierung der Industrie betont. Keine Beschlüsse gab es zum Bericht zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion, den die Präsidenten von Kommission, Europäischem Rat, EZB, Eurogruppe und EP vorgelegt hatten. Ferner wurde die Diskussion zum geplanten Referendum in UK mangels substantieller Vorschläge der Regierung Cameron auf Dezember 2015 vertagt. Der Rat hat das diesjährige Europäische Semester abgeschlossen und dabei die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission gebilligt. Die Einigung zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) wurde begrüßt und dessen schnelle Umsetzung gefordert. Ansprechpartner: Anne Meister (BDA), a.meister@abeitgeber.de Mitja Schulz (BDI), m.schulz@bdi.eu

Eine Union für die Bürger – Luxemburgs Prioritäten für die EU-Ratspräsidentschaft Am 1. Juli 2015 hat Luxemburg die Ratspräsidentschaft übernommen. Damit setzt sich die Trio-Ratspräsidentschaft der Länder Italien, Lettland und Luxemburg fort. Die luxemburgische Präsidentschaft setzt in ihrem Arbeitsprogramm für die zweite Jahreshälfte 2015 folgende sieben Schwerpunkte: - Investitionen für mehr Wachstum und Beschäftigung freisetzen - Europas soziale Dimension vertiefen - Migration bewältigen, Freiheiten, Recht und Sicherheit miteinander verbinden - Wiederbelebung des Binnenmarkts durch Digitalisierung - Europas Wettbewerbsfähigkeit an einem globalen und transparenten Rahmen ausrichten


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- Prinzip der Nachhaltigkeit fördern - Präsenz der Europäischen Union in der Welt stärken

Energiepolitik wird sich Luxemburg um die Umsetzung einer robusten »Governance« bemühen.

Luxemburg will sich während seiner Ratspräsidentschaft außerdem für die von der Kommission vorgeschlagene Kapitalmarktunion einsetzen. Im Bereich der europäischen Industriepolitik will sich Luxemburg auf die Umsetzung des »Fahrplans« der Kommission für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren. In der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik wird sich der Rat voraussichtlich mit der Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen beschäftigen. Zudem widmet er sich der Gleichbehandlungsrichtlinie und der Strategie für Arbeitsschutz und –gesundheit. Zusätzlich soll am Ende der Ratspräsidentschaft das Arbeitsmobilitäts-Paket behandelt werden.

Es ist zu hoffen, dass die Präsidentschaft den Fokus auf wachstumsorientierte Prioritäten der Juncker-Kommission legen wird. Insbesondere bei der Digitalisierung der Industrie und der Energieunion sollte die Chance genutzt werden, um einen Impuls für Wettbewerbsfähigkeit zu geben. Das Arbeitsprogramm der luxemburgischen Ratspräsidentschaft finden Sie hier. Ansprechpartnerinnen: Julia Callies (BDI), j.callies@bdi.eu Anne Meister (BDA), a.meister@arbeitgeber.de

Mehr Investitionen in Humankapital, v.a. »digitale Kompetenzen« sind ein weiteres Ziel der Präsidentschaft. Der luxemburgische Ratsvorsitz unterstützt die Kommission in der Entwicklung des digitalen Binnenmarkts, damit Europa zu einem Motor der digitalen Revolution werden kann. Im Bereich der europäischen

Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit Der nun vorgelegte Brief von Kommissarin Bieńkowska nennt drei Kernziele zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Integration von Unternehmen in den Binnenmarkt und die globalen Wertschöpfungsketten, Modernisierung der europäischen Industrie und Schaffung eines unternehmensfreundlichen Umfelds. Ferner werden zahlreiche Maßnahmen wie der Abschluss von Handelsabkommen, die Digitalisierung industrieller Verfahren, die Förderung der Kreislaufwirtschaft, Finanzierungsmöglichkeiten für KMU oder eine Bessere Rechtsetzung genannt, die bei der Erreichung dieser Ziele helfen sollen.

In einem Brief an die EU-Mitgliedstaaten vom 22. Juni 2015 skizziert die für Industrie und Binnenmarkt zuständige EU-Kommissarin, Elżbieta Bieńkowska, Maßnahmen der EU-Kommission zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten die EU-Kommission bereits im März 2014 aufgefordert, bis zum Frühjahr 2015 einen Fahrplan zur Reindustrialisierung Europas zu erarbeiten. Dieser Aufforderung ist die EU-Kommission nicht nachgekommen.

Der Bieńkowska-Brief beschränkt sich weitgehend auf eine Beschreibung bekannter Initiativen aus dem Arbeitsprogramm 2015 der EU-Kommission. Um das Ziel von Kommissionspräsident Juncker zu erreichen, den Anteil der Industrie auf 20 Prozent der Bruttowertschöpfung zu erhöhen, und den politischen Fokus auf die Bedeutung der Industrie für Wachstum und Beschäftigung zu legen, sollte die EU-Kommission zügig einen wirklichen Fahrplan zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Europa vorlegen. Ansprechtpartner: Joscha Ritz (BDI), j.ritz@bdi.eu


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Junckers Investitionsplan für Europa beschlossen nanziert bereits die ersten Projekte aus eigenen Mitteln. Die Finanzierungskriterien wurden bewusst sehr breit gewählt. Typischerweise kommen Vorhaben in Betracht, die ein höheres Risiko als das übliche EIB-Geschäft aufweisen. Auch der Mittelstand (Klein- und Mittelunternehmen sowie Midcaps bis 3.000 Beschäftigte) kann sich über den EFSI finanzieren. Insbesondere bei Innovationsprojekten wie Modernisierungen von Fertigungsanlagen oder Produktentwicklungen bestehen Potentiale. Mittelständische Finanzierungen starten bei der Hausbank des Unternehmens, der KfW oder einem Risikokapitalfonds, der mit der EIB eine Vereinbarung hat. Nach Bewilligung erfolgt die Abwicklung wie bei bisherigen EIB-Projekten.

Am 24. Juni 2015 haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments den Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) angenommen. Damit kann der 21-Milliarden-Euro schwere Fonds, der unter dem Dach der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet wird, wie geplant spätestens Ende August 2015 starten. Mit dem EFSI sollen langfristige Infrastrukturvorhaben sowie Projekte des Mittelstands im Ausmaß von 315 Milliarden Euro finanziert werden. Die Mitgliedstaaten sind nunmehr aufgerufen, Investitionsprojekte für eine mögliche Förderung durch den EFSI einzureichen und sich auch an der Finanzierung des Fonds direkt oder über ihre Förderbanken zu beteiligen. Acht Mitgliedstaaten haben dies bereits angekündigt: Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien, Slowakei, Luxemburg und Bulgarien. Die EIB fi-

Der Juncker-Plan ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Investitionstätigkeit in Europa. Das Investitionsvolumen in der EU liegt real rund 15 Prozent unter dem Höchststand vor der Krise. Durch die wachsende Investitionslücke in der EU droht sonst der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Jobs. Das Paket muss jedoch von zusätzlichen Maßnahmen flankiert werden. Neben der Liquiditätsbereitstellung durch den EFSI ist es daher essentiell zu tragfähigen öffentlichen Finanzen in der EU zurückzukehren, um das Vertrauen der Investoren zu stärken. Auch die Umsetzung von Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit muss konsequent weitergeführt und ein besseres Investitionsklima geschaffen werden. Die Kapitalmarktunion kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die Belebung des Verbriefungsmarktes, die Vereinfachung der Prospektrichtlinie und die Harmonisierung von Rechtsvorschriften werden die Kapitalaufnahme von Unternehmen erleichtern. Ansprechpartner: Dr. Wolfgang Eichert (BDI), w.eichert@bdi.eu Elisaveta Gomann (BDA), e.gomann@abeitgeber.de

Europäisches Parlament verabschiedet TTIP-Resolution Das Europäische Parlament hat am 8. Juli nach wochenlangen Verhandlungen mit 436 Ja-Stimmen bei 241 Nein-Stimmen und 32 Enthaltungen eine Resolution zu den TTIP-Verhandlungen verabschiedet. Darin sprechen sich die Parlamentarier für ein ambitioniertes Abkommen aus, das den Marktzugang europäischer Unternehmen in den USA erhöht, globale Standards entwickelt und so auch den multilateralen Prozess stärken kann. BDI-Präsident Grillo hat die Resolution begrüßt: »Es ist erfreulich, dass das Europäische Parlament ein umfassendes und faires Handels- und Investitionsabkommen mit den USA unterstützt. Damit stärkt das Parlament die demokratische Legitimation der Verhandlungen und den Gestaltungsanspruch Europas. Mit der Resolution machen die Parlamentarier den Weg für echte Chancen und klare Regeln im transatlantischen Handel frei.«

Marktzugang, regulatorische Zusammenarbeit, Investitionsschutz Konkret fordert das Parlament, Zölle im Industriegüterbereich umfassend abzubauen und den Zugang zu den US-amerikanischen Vergabemarkt zu verbessern. Im Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit fordert das Parlament, die Zusammenarbeit bei der Erarbeitung von Regulierungen und Standards zu intensivieren. Allerdings macht das Parlament zahlreiche Ausnahmen, etwa im Bereich der Chemieindustrie. Dies schränkt das Potential der regulatorischen Zusammenarbeit erheblich ein. Die Positionierung zu Investitionsschutz und Schiedsgerichten gehörte zu den umstrittensten Teilen im Parlament. In der Resolution sprechen sich die Abgeordneten dafür aus, das


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Hohe Standards, Schutz des Gemeinwohls

derzeitige System des Investor-Staats-Schiedsmechanismus (ISDS) mit einem neuen System zu ersetzen, das Transparenz, die Auswahl unabhängiger Richter, die Möglichkeit der Berufung und der Schutz der Allgemeinwohlinteressen sicherstellt. Diese Forderung lässt Spielraum für die Ausgestaltung eines modernen Investitionsschutzkapitels in TTIP, wie es die Industrie seit langem aktiv fordert. Dabei ist es aus unserer Sicht wichtig, dass ausländische Investoren ihr Recht weiterhin unmittelbar gegenüber Staaten durchsetzen können.

Die Abgeordneten verdeutlichen in der Resolution, dass TTIP das europäische Niveau im Bereich Daten-, Umwelt- und Verbraucherschutz nicht schwächen darf. Sie stellen zudem klar, dass der politische Handlungsspielraum für die EU und ihre Mitgliedstaaten durch TTIP nicht unterminiert werden darf. Auch die Industrie hat dies stets gefordert. Hinsichtlich der ILO-Kernarbeitsnormen, zu denen die Wirtschaft sich ausdrücklich bekennt, ist darauf hinzuweisen, dass deren Ratifizierung in den USA aufgrund der föderalen Struktur rechtlich sehr kompliziert ist und deshalb wenig Aussicht auf Erfolg besteht. Deshalb ist eine zu rigide Forderung nach Ratifizierung aller ILO-Kernarbeitsnormen durch die USA wenig zielführend, zumal bereits wirksame Mechanismen in Kraft sind: Als ILO-Mitgliedstaat und Unterzeichner der ILO-Erklärung von 1998 müssen auch die USA jährlich über ihre Aktivitäten zur Durchsetzung der Grundprinzipien berichten. Das Votum des Parlaments ist nicht bindend. Da das Europäische Parlament TTIP nach Abschluss der Verhandlungen zustimmen muss, kommt der Resolution jedoch eine große Bedeutung zu. Ansprechpartner: Antje Gerstein (BDA), a.gerstein@arbeitgeber.de Fabian Wendenburg (BDI), f.wendenburg@bdi.eu

Aktionsplan der EU-Kommission zur Unternehmensbesteuerung Die Kommission bereitet die Umsetzung des OECD/G20-Projekts zu »Base Erosion and Profit Shifting« (BEPS) innerhalb der EU vor. Zudem unterbreitet sie einen neuen Vorschlag zur Einführung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB). Mit dem ursprünglichen Ziel, die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Wettbewerb zu verbessern, haben die Maßnahmen nicht mehr viel gemein. Der im Juni vorgestellte Aktionsplan umfasst fünf kurz-, mittelund langfristige Initiativen bzw. Kernelemente, die die Kommission als Ansatzpunkte für die Verbesserung von Fairness und Effizienz der Unternehmensbesteuerung in der EU identifiziert hat. Die derzeitigen Rahmenbedingungen führen nach Einschätzung der Kommission zu einer Erleichterung der Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Niedrigsteuerländer. Ziel der von der Kommission angestrebten Reform des Steuersystems ist daher, besser gegen »aggressive Steuerplanung« vorgehen zu können. Der BDI unterstützt einen fairen Steuerwettbewerb innerhalb der EU. Die Maßnahmen des Aktionsplans gehen aber darüber hinaus und benachteiligen grenzüberschreitend tätige Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Mit den vorgelegten Vorschlägen für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer (GKKB) verliert die Kommission etwa ihr ursprüngliches Ziel aus den Augen. Sie war angetreten, die Rah-

menbedingungen für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind, zu verbessern. Stattdessen zielt die neue Strategie in erster Linie auf Missbrauchsvermeidung. Kritisch sind auch die Pläne für erweiterte Offenlegungspflichten in großen Unternehmen (Country-by-Country-Reporting). Der Austausch von häufig sensiblen Unternehmensdaten für eine korrekte Besteuerung muss in den Händen der zuständigen staatlichen Stellen liegen. Nur dann sind die Vertraulichkeit der Daten und der verantwortungsvolle Umgang damit gewährleistet. Die Unternehmen sind gegenüber den Steuerbehörden vollständig transparent; Transparenzanforderungen sind immer im Lichte des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses zu sehen. Ansprechpartnerin: Dr. Karoline Kampermann (BDI), k.kampermann@bdi.eu


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Europäisches Parlament einigt sich zur Aktionärsrechterichtlinie Statt eines verbindlichen Votums über den Vergütungsbericht wird nun eine beratende Abstimmung der Aktionäre vorgesehen. Der im Kommissionsvorschlag vorgesehen und heftig kritisierte Vorschlag zu Art. 9c – Recht auf Abstimmung über Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen – wurde bereits zur Abstimmung im Rechtsausschuss gegenüber dem Kommissionsvorschlag erheblichen Veränderungen unterzogen, um Unternehmen mehr Flexibilität im Bereich von Konzernverträgen zu ermöglichen.

Das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 8. Juli 2015 über den Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre (COM(2014)213 final) abgestimmt. Dem vorausgegangen waren umfangreiche und langwierige Kompromissverhandlungen zwischen den Fraktionen, um Verbesserungen des im federführenden Rechtsausschuss am 7. Mai 2015 verabschiedeten Berichts zu erzielen. Die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (S&D) konnten sich schließlich auf Kompromisse einigen, die verglichen zum Bericht des Rechtsausschusses und dem Kommissionsvorschlag insgesamt positiv zu bewerten sind. Bisher kritische Aspekte wurden teilweise entschärft. Bei Art. 9a zur Vergütungspolitik wurde u.a. ein Mitgliedstaatenwahlrecht eingeführt, dass statt einer verbindlichen, die Möglichkeit einer beratenden Abstimmung der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik vorsieht. Der im Kommissionvorschlag vorgesehene Kriterienkatalog zur Festlegung der Vergütungspolitik wurde insgesamt gekürzt. Der Aspekt der »Ratio« (Offenlegung und Begründung des Verhältnisses der Vergütung eines Mitglieds der Unternehmensleitung zur durchschnittlichen Vergütung eines Vollzeitbeschäftigten) wurde gestrichen. Gleiches gilt für das Kriterium der Höchstbeträge der Gesamtvergütung und dem durch den Rechtsausschuss aufgenommenen Aspekt, dass wichtige Interessenträger, insbesondere Beschäftigte zum Vergütungsbericht konsultiert werden sollten. Neu hinzugekommen ist u.a., dass in der Vergütungspolitik auch Programme und Ergebnisse im Zusammenhang mit der sozialen Verantwortung der Unternehmen berücksichtigt werden sollen.

Das Plenum des Europäischen Parlaments votierte mehrheitlich für die Aufnahme eines sog. »Country-by-Country-Reporting«. Dies umfasst insbesondere den Vorschlag zur Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Einführung einer neuen Offenlegungs- und Auditierungspflicht für große Unternehmen und Unternehmen von öffentlichem Interesse in den Anhängen des Jahresabschlusses in Bezug auf verschiedene Kriterien wie Umsatz, Anzahl der Lohn- und Gehaltsempfänger in Vollzeitäquivalenten, Gewinn oder Verlust vor Steuern, Steuern auf Gewinn oder Verlust, erhaltene staatliche Beihilfen oder ein Verzeichnis der in jedem Mitgliedstaat oder Drittstaat tätigen Tochterunternehmen. Darüber hinaus sollen große Unternehmen noch »wesentliche Bestandteile von und Informationen über Steuerabsprachen« veröffentlichen. Eine entsprechende Definition des Begriffs »Steuerabsprache« wird vorgesehen. Ausnahmeregelungen werden für Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern vorgesehen oder für Unternehmen, die bereits einer entsprechenden Offenlegungspflicht nach nationalem Recht unterliegen. Nach der Sommerpause wird das Dossier in den Trilog (Verhandlungen zwischen Rat, Europäischen Parlament und EUKommission) gehen. Prioritär sollen sich die Mitgliedstaaten auf Ratsebene dafür stark machen, dass der kritische Artikel im abgestimmten Text zu »Country-by-Country-Reporting« aus der Richtlinie gestrichen wird. BDI und BDA hatten sich aktiv in die Debatte um die Aktionärsrechterichtlinie eingebracht und werden auch die Kompromissfindung im Trilog umfassend mitbegleiten. Ansprechpartnerin: Carolina Müller (BDI), c.mueller@bdi.eu


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EU-Kommission baut Führungsebene um - Alexander Italianer wird neuer Generalsekretär Am 24. Juni hat die Europäische Kommission die Umbesetzung (»reshuffle«) ihrer obersten Führungsebene bekannt gegeben. Eine Schlüsselposition wird dabei der Niederländer Alexander Italianer als neuer Generalsekretär einnehmen. Italianer, der bereits stellvertretender Generalsekretär des Generalsekretariats und anschließend Generaldirektor der GD Wettbewerb war, wird zum 1. September 2015 die Nachfolge von Catherine Day antreten, die in den Ruhestand geht. Italianer soll dabei eng mit Kommissionspräsident Juncker und dem ersten Vizepräsidenten Timmermanns zusammenarbeiten. Weitere wichtige personelle Veränderungen: - Jonathan Faull (GB) wird Generaldirektor der wichtigen »Task Force für strategische Fragen im Zusammenhang mit dem Referendum im Vereinigten Königreich« im Generalsekretariat. Er wird dem Präsidenten direkt unterstellt sein. Zuvor war er u.a. Generaldirektor der GD Finanzstabilität, Finanzdienstleistung und Kapitalmarktunion. - Marianne Klingbeil (DE) wird Generaldirektorin zuständig für den »Ausschuss für Regulierungskontrolle« im Generalsekretariat. - Maarten Verwey (NL) wird Generaldirektor zuständig für den »Strukturreformunterstützenden Dienst« im Generalsekretariat. - Johannes Laitenberger (DE), ehemaliger Kabinettchef von Kommissionspräsident Barroso, wird Generaldirektor der GD Wettbewerb.

- Olivier Guersent (F) wird Generaldirektor der GD Finanzstabilität, Finanzdienstleistung und Kapitalmarktunion. - Lowri Evans (GB) wird Generaldirektorin der GD Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU. - Martine Reicherts (LUX) wird Generaldirektorin der GD Bildung und Kultur. Die Umstrukturierung des Generalsekretariats ist von besonderer Bedeutung. Nicht nur die personelle Besetzung, sondern auch die Struktur wurde entscheidend geändert. Juncker hat das Generalsekretariat weiter gestärkt und so strukturiert, dass alle wesentlichen politischen Prozesse dort gesteuert werden. In Bezug auf die niedrige Frauenquote in der Führungsetage der EU-Kommission, betont Vizepräsidentin für Haushalt und Personal Kristalina Georgieva, dass sie sich für einen 40-prozentigen Anteil weiblicher Führungskräfte bis zum Ende dieses Mandats einsetzen werde. Die offizielle Pressemitteilung der Kommission finden Sie hier. Ansprechpartnerinnen: Julia Callies (BDI), j.callies@bdi.eu Brigitte De Vita (BDA), b.de_vita@arbeitgeber.de

Bildnachweise: Fotolia/tashka2000 (1,2), © Europäische Union 2015 - EP (1,2) URL-Link , Plainpicture (1,3), Adpic/ B. Leitner (1,4), Fotolia/Errol Hogenkamp (1,5), Adpic (6) Redaktion: Leonie Dack, Joscha Ritz (V.i.S.d.P.) Die Verantwortung für die Inhalte der Fremdbeiträge tragen die jeweiligen Autoren. Herausgeber: Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Breite Straße 29; 10178 Berlin; www.bdi.eu


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