DiALOG - Das Magazin für EIM, Ausgabe 2016

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Auf dem Weg in die Zukunft

Digitalisierung — was geht, was kommt?

Die Neuvermessung der Wirtschaft Jacques Ziegler, BIT Magazin für Geschäftsprozess- und Output-Management

Waren die vergangenen 50 Jahre in den Unternehmen geprägt von Prozessinnovationen, so werden zukünftig innovative Geschäftsmodelle und kundenorientierte Services zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor. Die Digitalisierung, ihre Bedingungen und ihre Folgen - ein Ausblick von Jacques Ziegler.

Bewährungsprobe für Volkswirtschaften Wie dramatisch dieser Umstand für eine Volkswirtschaft ist, wird am Beispiel Siemens deutlich. Der Traditionskonzern rangiert mit Platz 88 auf den hintersten Rängen der 100 wertvollsten Unternehmen. Der älteste europäische Hightechkonzern gilt mittlerweile als verletzlicher Riese, dessen Schicksal auch über die Zukunftsfähigkeit Deutsch-

„In den nächsten fünf Jahren wird mehr passieren als in den vergangenen fünf Jahrzehnten“, ist sich Günther Oettinger, der für Digitalisierungsfragen zuständige EU-Kommissar, sicher. Noch nie gelang es Newcomern so schnell, etablierten Unternehmen ihre gefestigte Position streitig zu machen, selten konnten innovative GeKlaus Schmitz, Beratungsunternehmen Arthur D. Little schäftsmodelle sich so schnell am Markt durchsetzen. Auf die technologischen und organisatorilands entscheidet. Der SPIEGEL, schen Paradigmenwechsel, folgt nun ein Ausgabe 49/2015 befindet sogar: „Kann fundamentaler Umbruch der Wirtschaft, Siemens in dem weltweiten Wettlauf um ja ganzer Volkswirtschaften. die technologische Vorherrschaft nicht mithalten, wäre das ein Menetekel für Dass die Digitalisierung nicht nur ganz Europa.“ die Kräfteverhältnisse im gewohnten Wettbewerbsumfeld zu erschüttern verAuch der neue VW-Chef Matthias mag, sondern globale Marktstrukturen Müller fürchtet, dass Deutschland und verändern kann, zeigt das Ranking der Europa für den fundamentalen Wandel weltweit wertvollsten Konzerne, das die durch Digitalisierung und Vernetzung Beratungsgesellschaft Ernest & Young nicht gerüstet sind. In der traditionellen Ende Dezember 2015 vorlegte. So erreiIsny-Runde warnte er: „Die wirtschaftchen die amerikanische Digitalkonzerne lichen Gewichte werden in der Welt Amazon, Apple, Facebook, Google gerade neu verteilt.“ Vielen Branchen, und Microsoft zusammen eine größere auch der Autoindustrie stehe eine TransMarktkapitalisierung an der Börse als formation nach dem Muster der Unteralle 30 im Dax gelisteten deutschen haltungselektronik bevor. Hier wurde Unternehmen. die analoge Hardware (Schallplatte) zur digitalen Hardware (CD), die digitale Hardware zur Software (Musikdatei)

um letztlich über Cloud-StreamingDienste zum Nutzungszeitpunkt zur Verfügung gestellt zu werden. Für Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser gilt der alte Glaubenssatz, dass der Große den Kleinen frisst und der Schnelle den Langsamen, längst nicht mehr. „Nicht die Schnellsten und Größten werden überleben, sondern die, die sich am besten ihrer veränderten Umgebung anpassen.“ Damit Großkonzerne im flinken Spiel der digitalen Newcomer mithalten können, beteiligen sie sich gerne an den Start-ups, wie es kürzlich auch Siemens tat. Die Erfolgspotentiale können jedoch nur realisiert werden, wenn die Kreativität und der Innovationsmut des jungen Teams nicht durch hierarchische Regelwerke eingeengt werden.

„Digitalisierung ist nicht nur eine Technologie, sie ist eine Waffe, um bestehende Geschäftsmodelle anzugreifen.“

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DiALOG - Ausgabe März 2016

Aber wenn selbst für Großkonzerne wie Siemens kein einziges Geschäftsfeld sicher ist und man sich nicht mehr auf seinen technologischen Vorsprung verlassen kann, wie steht es dann um die Wettbewerbsfähigkeit von mittelständischen Unternehmen? Nochmal Joe Kaeser im SPIEGEL: „Wir erleben so gravierende technologische Veränderungen wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr“. Plötzlich und unerwartet Sie kommen wie aus dem Nichts, die neuen Wettbewerber für etablierte Unternehmen. Oft sind sie klein, smart und agil, ohne hierarchische Strukturen aber mit verblüffenden Geschäftsmodellen. Facebook, erst 2004 gegründet ist heute die größte Plattform für Inhalte


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