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bildung IM GESPRÄCH
Corona-Maßnahmen kontra Menschlichkeit Mit einem kritischen Leserbrief Ende Mai sorgten Studierende der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Salzburg für viel Beachtung – innerhalb und außerhalb des Diakoniewerks. Barbara Amann und Karoline Pühringer-Steidl berichten von ihren Beweggründen die Stimme zu erheben – für Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf, aber auch für bessere Rahmenbedingungen für Pfleger*innen und Betreuer*innen Katharina Schönberger
Wie ist der Leserbrief „Maßnahmen kontra Menschlichkeit“ entstanden? Barbara Amann: Der Leserbrief ist im Rahmen einer UnterrichtsVideokonferenz entstanden. Wir haben festgestellt, dass uns in Zeiten des Fernunterrichts der Austausch untereinander fehlte. Während des Lock-Downs waren wir alle in einer Ausnahmesituation und haben uns ein wenig zurückgezogen. Bei der Videokonferenz ist es plötzlich aus jedem herausgebrochen und alle erzählten, wie herausfordernd die Situation war. Da haben wir erkannt, dass es auch den anderen so geht. Das tat gut. Karoline Pühringer-Steidl: Das Format Videokonferenz war für uns Student*innen zuerst sehr gewöhnungsbedürftig. Am Anfang herrschte Stille und jeder war etwas unsicher. Denn auch wir muss-
ten uns erstmal auf diese neue Situation einstellen. Es ging uns im Prinzip wie den Senior*innen und Menschen mit Behinderung. Im Leserbrief konnten wir dann alle unsere Erfahrungen der letzten Zeit einfließen lassen. Die Reaktionen darauf zeigten uns, dass wir nicht alleine mit unserer Erfahrung sind und das Thema auch andere beschäftigt. Das hat uns bestärkt.
Worauf bezieht sich Ihr Satz: Gerade das Soziale wird durch die medizinischen Schutzmaßnahmen unterdrückt und verhindert? Amann: Im Pflege- und Betreuungsberuf ist Mimik ein wesentlicher Teil des Alltags. Wir reagieren darauf, ob ein Mensch lacht oder traurig ist und sind teilweise auf nonverbale Kommunikation angewiesen. Das gilt nicht nur für
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die Mitarbeiter*innen, sondern genauso für die Senior*innen und Menschen mit Behinderung, die wir pflegen und betreuen. Durch die Maßnahmen wie das Tragen von Mund-Nasen-Schutz ziehen sich viele Leute zurück und das hat auch psychische Auswirkungen. Um Nähe und Menschlichkeit wiederaufzubauen, braucht es viel Zeit. Das wiederum benötigt Personalressourcen, die aufgrund des Personalmangels nicht vorhanden sind. Pühringer-Steidl: Gerade wir als Fach-Sozialbetreuerinnen haben unseren Schwerpunkt in den sozialen Komponenten und versuchen die Menschen im Inneren geistig und seelisch zu erreichen, zu berühren und aktiv zu halten. Wenn man dann kein Lächeln schenken kann, wird ein Großteil der Kommunikation weggenommen. Auch die sozialen Kontakte, die für Senior*innen so wichtig sind, wurden ihnen in Zeiten des LockDowns fast zur Gänze genommen. Diese Kontakte geben ihnen zum Beispiel Orientierung, die ihnen wiederum Sicherheit vermittelt. Amann: Wie wichtig soziale Kon-