STRATEGISCHE HANDLUNGSFELDER
3.1.1 Strategische Handlungsfelder für die Wiederverwendung und Verwertung In den nachfolgenden Abschnitten werden die Wege der Wiederverwendung und der Verwertung nacheinander detailliert betrachtet und jeweils mögliche Handlungsfelder für die verschiedenen am Bauprozess beteiligten Akteure aufgezeigt. Die ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Potenziale werden zunächst für beide Wege gemeinsam aufgeführt. Potenziale der Wiederverwendung und Verwertung Ökologisch ▪▪ Reduzierung der „grauen Energie“ ▪▪ Reduzierung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden ▪▪ Reduzierung des Ressourcenverbrauchs ▪▪ Reduzierung des Flächenverbrauchs (Abbau- und Deponieflächen) ▪▪ Vermeidung von Abfällen Ökonomisch ▪▪ Vermeidung von steigenden Entsorgungs-/ Deponiekosten
▪▪ Unabhängigkeit von künftigen Preisschwankungen als Folge einer geringeren Ressourcenverfügbarkeit
▪▪ Wachsendes Marktpotenzial: Die Wiederverwendung stellt baupraktisch aktuell noch einen Nischenmarkt dar, es wird jedoch erwartet, dass das Marktsegment durch eine künftig steigende Nachfrage wachsen wird. Aktuell basiert das Angebot an wiederverwendbaren Bauteilen und Baustoffen in der Regel auf Bauteilbörsen und vergleichbaren Initiativen, die den Startpunkt für eine weitere Marktentwicklung darstellen können. Ein kontinuierlicher Ausbau würde eine Skalierung ermöglichen und wiederverwendete Bauteile einer breiteren Masse zugänglich machen. Das Marktsegment bietet großes Potenzial für neue Geschäftsmodelle und für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Soziokulturell
▪▪ Lokale Wertschöpfung: Ein Ausbau der Wiederverwendung und Verwertung bietet Potenzial für die Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen und sollte mit der Schulung von Fachkräften einhergehen.
24 CIRCULAR ECONOMY – JANUAR 2019
■■ Neues Verständnis von Baukultur: Eine Steigerung der Wertschätzung von Gebäuden und einzelnen Bauteilen kann zu einer zunehmenden Identifikation des Nutzers mit der gebauten Umwelt führen. Die neue Rolle des Architekten schließt eine verstärkte Kommunikation des Werts der gebauten Umwelt mit ein. »Soll der enorme Ressourcenverbrauch im Bauwesen auf ein nachhaltiges Maß reduziert werden, ist ein Paradigmenwechsel im Bauen erforderlich. […] [E]s ist […] notwendig, die Kreislauffähigkeit von Bauwerken als Entwurfsparameter zu begreifen.« Anja Rosen (Atlas Recycling, Edition DETAIL 2018)46
WIEDERVERWENDUNG
Die Wiederverwendung von Baustoffen und Bauteilen bietet große Potenziale in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit (s.o.). In der Praxis scheitert eine Umsetzung in der Regel aktuell jedoch vor allem an der inneren Haltung der am Bauprozess beteiligten Akteure sowie der Gebäudenutzer, da Bauteile, die bereits verwendet wurden, häufig noch automatisch mit einer niedrigeren Qualität in Verbindung gebracht werden. Hinderlich sind auch die bestehende Unsicherheit und Unwissenheit bezüglich der Rechtslage bei dem Wiedereinsatz gebrauchter Bauteile und Baustoffe sowie die Tatsache, dass die bestehenden Prozesse häufig noch nicht wirtschaftlich und dementsprechend noch nicht skalierbar sind. Darüber hinaus besteht heute ein Verfügbarkeitsproblem: Nicht immer sind die entsprechenden Materialien oder Produkte in der erforderlichen Menge mit den gleichen Qualitätsniveaus überhaupt vorzufinden. Eine Wiederverwendung von Bauteilen in kleinem Maßstab bzw. im privaten Bereich lässt sich in der Regel über Bauteilbörsen mit regionalen Lagern abdecken. Im Bereich der historischen Bauteile und für den Einsatz von ausgesuchten Einzelstücken stehen auch historische Baustoffhändler als Ansprechpartner zur Verfügung. In beiden Fällen ist die Wiederverwendung mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf in den Planungsprozess einzubeziehen, um passende Materialien ausfindig zu machen und deren Einsatz im Projekt angemessen vorzubereiten.