Deutsche Umschau 1-2018

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Landsmannschaften

Hessen, das Patenland der Wolgadeutschen 100 Jahre Gründung der Wolgarepublik Im September 2015 überbrachte Margarete Ziegler-Raschdorf, Landesbeauftragte der hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, anlässlich des 250. Jahrestages der Gründung der ersten Ansiedlung von Deutschen an der Wolga die herzlichsten Glück- und Segenswünsche für Hessen, dem Patenland der Wolgadeutschen. „Ich bin beeindruckt und dankbar, mit eigenen Augen nachzuvollziehen, was deutsche Siedler in der Wolgarepublik aufgebaut und zur Vollendung gebracht haben. Sie brachten ihre Fertigkeiten in die Region mit, den Tabakanbau und das Bierbrauen zum Beispiel und brachten unter immensen Anstrengungen und mit großem Fleiß und Durchhaltevermögen die Steppe zum Blühen“, erklärte die Landesbeauftragte. Heute seien ihre Dörfer größtenteils verwaist und die Häuser verfallen. In diesem Jahr begeht das Land Hessen gemeinsam mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im kommenden September „100 Jahre Gründung der Wolgarepublik“ im Hessischen Landtag.

Der Verein zur Förderung politischer und kultureller und sozialer Beziehungen macht aus Anlass dieses Jubiläums auf eine wissenschaftliche Tagung am 12. und 13.06.18 in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in der Berliner Kronenstraße mit folgendem Hinweistext darauf aufmerksam: „Die Autonomie war ein Ergebnis starker Bestrebungen nach Wiedererlangung und Sicherung bürgerlicher Rechte der Deutschen im Russischen Reich, die nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in zunehmendem Maß eingeschränkt wurden. Unter anderem weckte die Februarrevolution die Hoffnungen auf eine Rücknahme der sog. Liquidationsgesetze sowie auf die Wiedereinführung des Deutschen als Amts-, Unterrichts- und Gottesdienstsprache. Während die deutschen Sozialisten lange Zeit über die Zukunft der Wolgadeutschen im neuen Staat uneinig blieben, versuchten die Bolschewiki nach ihrer Machtübernahme im Oktober 1917 die Autonomiebestrebungen unter ihrer Kontrolle zu bringen.

Ein „Kommissariat für deutsche Angelegenheiten im Wolgagebiet“ wurde mit zuverlässigem Kader besetzt und sollte die Grundlagen für Sowjetisierung der wolgadeutschen Selbstverwaltung vorbereiten und die Sowjetisierung durchsetzen. Mit der Erhebung zu einer Autonomen Republik 1924 wurde Deutsch als Amtssprache etabliert, auch andere kulturelle Institutionen wie Theater und Museen wurden gegründet. Neben der gesetzlich festgeschriebenen politischen Vertretung schuf die territoriale Autonomie feste Rahmenbedingungen für sprachliche, soziokulturelle und intellektuelle Entwicklungsperspektiven. Diese kamen auch den Deutschen aus anderen Regionen der Sowjetunion zugute. Die geplante Konferenz gehört zu einer Veranstaltungsreihe, die die Deutsche Gesellschaft gemeinsam mit wissenschaftlichen Einrichtungen und mit der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland plant und durchführt. Das Ziel der diesjährigen Tagung „100 Jahre Gründung der Wolgarepublik“ ist es, einen Blick auf die Geschichte der wolgadeutschen Autonomie zu werfen, zugleich aber auch die Frage zu diskutieren, welche Bedeutung die Autonomie sowie auch andere Formen nationaler Selbstverwaltung für die Geschichte der Deutschen in/aus der Sowjetunion für ihre kulturelle und nationale Entwicklung und für Identität hatte. Nicht weniger interessant scheint auch der außenpolitische Aspekt der Geschichte der deutschen Autonomie an der Wolga, die ja von der sowjetischen Führung als Muster für die Sowjetunion betrachtet wurde. Auch seit Mitte 1980er Jahre stand eine mögliche Wiederherstellung der Autonomie im Zentrum der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Die Veranstaltung wird als wissenschaftliche Tagung mit Expertinnen und Experten aus der Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft durchgeführt.“ ■

Deutsche Umschau Nr. 1 – 2018

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