weltzeit 04_2010 Kultur aus Deutschland: Das ganze Paket

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„Wo die rasende Zeit für einen Moment stillsteht“ Bonn/Berlin – Die Deutsche Welle hat einen Kulturauftrag: Sie soll Kultur aus Deutschland vermitteln und den interkulturellen Dialog fördern. So will es das DW-Gesetz. Rainer Traube (Fernsehen) und Ramón Garcia-Ziemsen (Hörfunk und Internet) sind verantwortlich für Kulturformate im Angebot der DW. Fragen von Berthold Stevens.

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„Dem Dauerrauschen von Blogs

und Chats, Twitter und Facebook setze ich Grenzen. Die Lebenszeit ist in Bücher besser investiert“: Rainer Traube

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Was ist drin im Kulturpaket der DW? Rainer Traube: Alles ist drin, vom Wochenmagazin KULTUR.21 über Kulturnachrichten im Journal bis zur Lebensart in euromaxx. Dazu Spezialformate zu Kino, Pop und Klassik, manche regelmäßig, manche sporadisch. DW-TV ist auch ein Kulturprogramm. Ramón Garcia-Ziemsen: Das gilt ebenso für unser Internet-Angebot. Wir tun gut daran, den Kulturbegriff möglichst weit zu fassen, ohne dabei beliebig zu werden. „Die Kultur“ gibt es nicht. Kulturaffinität definiert sich über den Bezug zur Lebenswelt, über Nähe zum Thema. Das heißt für unsere Kulturredaktion: Wir müssen handwerklich sehr genau arbeiten, um für unsere Abnehmer – 30 Sprachredaktionen – deutlich zu machen, warum es jetzt beispielsweise sinnvoll ist, über diesen und nicht jenen Autor zu berichten. Unser Credo: Wenn die Nähe nicht da ist, muss ich sie mitliefern.

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Die Deutsche Welle wendet sich in erster Linie an Menschen, die in ihren Ländern Einf luss auf wesentliche Diskussionen und Entscheidungen haben. Können wir demnach Alltagskultur in Deutschland außen vor lassen? Traube: Natürlich nicht! Wie sich die Deutschen kleiden, was sie essen, wie sie feiern, welche Probleme sie mit ihren Kindern haben oder mit ihren Nachbarn, was sie lesen oder im Kino sehen – das alles interessiert den Durchschnittszuschauer in der Welt doch mehr als das Gesicht des neuen Regierungssprechers.

Garcia-Ziemsen: Ich denke auch, dass unsere Zielgruppen sehr genau wissen wollen, wie wir leben, wie wir ticken. Das müssen wir erzählen, ohne dabei werblich aufzutreten oder zu banal, etwa nach dem Motto: Schau mal, die Deutschen können auch unpünktlich sein. Traube: Das ist die eine Seite, der Boulevard im besten Sinne. Andererseits gibt es Debatten, neue Strömungen, Meilensteine der Kreativität. Kunstbiennalen oder Tanzfestivals gehören für die meisten Menschen nicht zur Alltagskultur, aber zum Kulturverständnis vieler in unseren Zielgruppen. Kultur, das erwarten sie von Deutschland. Weil die Kultur auf ihre Art ebenso viel Prestige und Glaubwürdigkeit „made in Germany“ besitzt wie ein Porsche, Fußball oder Bohrmaschinen.

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Information ist der Kern der DWAngebote. Da ist kein Raum für Autorenlesungen oder Opernpremieren im Fernsehen, für Theater im Internet, Konzerterlebnisse im Radio. Wie machen Sie Kultur aus Deutschland erlebbar? Garcia-Ziemsen: Indem wir versuchen, Geschichten zu erzählen, die auch Nicht-Eingeweihte erreichen. Indem wir der Kultur die Schwere nehmen, die sie in der deutschen Medienlandschaft oft hat. Und indem wir lernen, uns mit den Augen der anderen zu sehen. Es gibt übrigens noch etwas Besseres als Autorenlesungen – unsere Reihe „Deutsche Klassiker“… Traube: …oder unsere „Grand Tour“ in KULTUR.21, wo wir die Zuschauer mitnehmen auf zehn unterhaltsame Etappen durch den Kultursommer – wie in einem Roadmovie.

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Segen oder auch Fluch – wie sehen Sie die Rolle des Internets und der mobilen Empfangsmöglichkeiten zur Vermittlung deutscher Kultur? Garcia-Ziemsen: Weder als Segen noch als Fluch, vielmehr als eine Möglichkeit, nicht nur über Kultur zu reden, sondern sie auch zu zeigen. Das ist ein Paradigmenwechsel, besonders für


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