weltzeit 05_2009: Internationale Medienförderung - Investition in Freiheit und Entwicklung

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weltzeit 05_2009

man muss gut sein, um in Deutschland erfolgreich zu werden. Das simple Erfolgsmodell birgt aber Schwierigkeiten, die man zu überwinden hat. Mit jeder neuen Hürde öffnet sich mir das Land mehr und ich lerne gern. Mein Deutschlandbild ist nicht scharf. Auf der Oberfläche liegen Stereotypen, die man aus dem Ausland mitbringt. Aber bevor man tiefer geht und die realen Dinge verinnerlicht, vergehen Jahre. Die Frage nach der Wahrnehmung wird oft gestellt. Es scheint, die Deutschen interessieren sich sehr dafür, was die anderen über sie denken. „Stimmt es, dass die Russen so viel Wodka trinken, wie wir Bier?“ Bis heute ist es mir nicht gelungen festzustellen, ob sich in dieser Frage Begeisterung, Wundern, Angst um das Wohlbefinden der russischen Bevölkerung oder ein tiefes Bedauern verbergen. Die Generation, zu der ich gehöre, betrachtet Deutschland aus neuen Perspektiven. Deutschland – das Land der Ideen für Studium, Berufserfahrung und Kulturaustausch. Studieren an einer deutschen Elite-Universität? Praktikum bei einem Global Player oder forschen bei einem renommierten Institut? Einiges ist heute möglich, man muss nur die Initiative ergreifen. Nach Deutschland zu kommen mit einem Ziel ist eine Sache. In Deutschland eine Idee zu entwickeln, eröffnet andere Perspektiven – nicht zuletzt mit Blick auf eine Umsetzung im eigenen Land. Mit Deutschland allein als Marke kann man die jungen Leute, das junge Publikum nicht erreichen. Mein Deutschlandbild ist nicht vollendet. Das Land ist zu interessant, die Leute sind zu unterschiedlich. Im Hinterkopf kursieren bei mir schon Gedanken, wie man in meiner Heimat den Menschen das Deutschlandbild näher bringen kann: Deutschland leben, und das Leben in Deutschland lieben. Natürlich fehlt mir das Riesenland Russland. Ein Deutschlandbild zu „zeichnen“ ist für mich eine Herausforderung, vor allem wegen der großen Vielfalt regionaler und ­lokaler B ­ esonderheiten.

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»Mit Deutschland allein als Marke kann man die ­jungen Leute nicht erreichen.« Marina Borisowa ist seit drei Jahren Mitarbeiterin der Russischen Redakti­ on der Deutschen Welle. Im Juli wurde sie in München mit dem renommierten Peter-Boenisch-Gedächtnispreis aus­ gezeichnet. Der Preis wird jährlich im Rahmen des Peters­ burger Dialogs an junge Journalisten aus Deutschland und Russland vergeben. Die 25-jährige DW-Redakteurin wurde für eine multimedial aufbereitete Beitragsreihe aus dem Bereich „Campus und Karriere“ gewürdigt. Marina Borisowa studierte Publizistik an der LomonossowUniversität und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Plehanow-Wirtschaftsakademie in Moskau sowie Wirt­ schaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe. An der Plehanow-Wirtschaftsakademie bereitet sie parallel zur journalistischen Tätigkeit derzeit ihre Promotion vor. Thema der Dissertation: Wettbewerbsfähigkeit Deutsch­ lands bei Informations- und Kommunikationstechnologien. Bevor sie zur Deutschen Welle kam, war Marina Borisowa über ein Jahr im Bereich Internationale Wirtschaftsförde­ rung der Stadt Karlsruhe tätig.

Im Süden heißt es „Grüß Gott“, im Norden schlicht „Moin“. Für mich ist klar: Man muss lieben, um in Deutschland zu leben – die Menschen, den Alltag, die Ordnung. Aber nicht unbedingt das deutsche Essen. Eine Currywurst beispielsweise ist nicht mein Ding. Da reicht mir ein Ausflug ins Curry­w urst-Museum. —— Marina Borisowa


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