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Grüne Fassaden

Autorinnen und Autoren

Nicole Pfoser mit Beiträgen von: Martin Biedermann, Stefan Brandhorst, Markus Fierz, Yorck Förster, Rebecca Gohlke, Ferdinand Ludwig, Julia Noder-Schaab, Brigitte Reichmann, Sebastian Schmauck, Kilian van Lier, Friederike Well

Verlag

Redaktion, Layout und Lektorat: Steffi Lenzen (Projektleitung); Cosima Frohnmaier (Projektbeispiele), Jana Rackwitz (Theoriekapitel)

Redaktionelle Mitarbeit: Valerie D’Avis

Korrektorat: Sandra Leitte

Coverdesign nach einem Konzept von: Kai Meyer

Zeichnungen: Rana Aminian

Herstellung und Produktion: Simone Soesters

Reproduktion: ludwig:media, Zell am See (AT)

Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (DE)

Papier: Peydur lissé (Umschlag), Magno Volume (Innenteil)

Verlag:

DETAIL Business Information GmbH Messerschmittstr. 4, 80992 München detail.de

© 2023, erste Auflage

ISBN 978-3-95553-597-1 (Print)

ISBN 978-3-95553-598-8 (E-Book)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Dieses Fachbuch berücksichtigt die bei Redaktionsschluss gültigen Begriffe und den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Stand der Technik. Rechtliche Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Buchs nicht abgeleitet werden. Für Vollständigkeit und Richtigkeit aller Beiträge wird keine Gewähr übernommen.

Einzelne Inhalte basieren stellenweise auf Beiträgen, die bereits erschienen sind in „Pfoser, Nicole: Vertikale Begrünung. Fachbibliothek Grün. Stuttgart 2018“. Mit freundlicher Genehmigung der Eugen Ulmer KG, Stuttgart.

Titelfoto: Barkow Leibinger – Ina Reinecke

Vorwort

Gebäudebegrünung als wichtiges Bauund repräsentatives Gestaltungselement der sichtbaren Gebäudehülle bietet neue Möglichkeiten in der Architektur.

Gebäudebegrünung – dazu zählen Dach-, Wand- und Fassadenbegrünungen –hat sich durch die heute angebotenen Technologien zu einem wesentlichen Planungselement des ökologischen Bauens entwickelt. Insbesondere im dicht bebauten urbanen Raum mit zunehmenden Flächenkonkurrenzen, Hitzelasten und den erforderlichen Infrastrukturen einer wassersensiblen Stadt ist die Gebäudebegrünung ein wichtiger Bestandteil ökologischer Gebäude- und Gesamtkonzepte.

Bei der Vernetzung der Bausteine Energie, Wasser, Baustoffe, Grün und Abfall in ökologischen Gesamtkonzepten ist die Gebäudebegrünung von besonders übergreifender Bedeutung. Zu den vielen Vorteilen, die sie bietet, zählen u. a. die energetische Optimierung eines Gebäudes sowie die Verdunstungskühlung mit positiven Auswirkungen auf den Naturhaushalt und das Stadtklima. Auch die Integration in die Regenwasserbewirtschaftung zur Entlastung der Vorflut und der Abwasserkanäle sowie die Vernetzung mit Betriebswasser aus aufbereitetem Grauwasser zur Bewässerung von Pflanzen am und im Gebäude stellen wichtige Pluspunkte von Gebäudebegrünung dar.

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Technologien entwickelt, die diese Anforderungen erfüllen. Um sie in der Praxis zu etablieren, gilt es nun, Planungsschritte, institutionelle Rahmenbedingungen sowie Gesetze und Normen anzupassen und die Akteure zu qualifizieren. In der ersten Phase der Planung eines Bauvorhabens muss die Auswahl und Bewertung möglicher ökologisch wirk- samer Maßnahmen und Maßnahmenkombinationen erfolgen. Mit dem Bedarfsträger sind die nicht monetären Zielvorgaben für das Projekt abzustimmen. Hierzu wurden im Rahmen von Modellvorhaben in den letzten Jahren umfangreiche Erkenntnisse gewonnen, erfolgreich erprobt und veröffentlicht [1]. Die Grundsteine sind also gelegt und warten auf vielfältige Umsetzung.

Die zur Verfügung stehenden Maßnahmen der Gebäudebegrünung bedienen viele planerische Ziele, wie Erlebbarkeit und Identifikation, Umweltbildung, natürlicher Wasserhaushalt und Biodiversität. Sie unterscheiden sich im Neubau und in der Gebäudesanierung. Allen Maßnahmen gemein sind jedoch eine Planung, Umsetzung, Betrieb, Wartung und Pflege durch kompetente Fachplanende und -unternehmen.

Die fach- und themenübergreifende Erarbeitung von ökologischen Gesamtkonzepten auf der Gebäudeebene – mit dem wesentlichen Element der Gebäudebegrünung – ist einer der wesentlichen Bausteine für eine zukunftsfähige, lebenswerte Stadt.

Brigitte Reichmann im Dezember

2022

Anmerkungen [1] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (Hrsg.): Gebäudebegrünung. Maßnahmensteckbriefe. Berlin 2021; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (Hrsg.): Ökologischer Stadtplan. Gebäudebegrünung. Berlin 2021; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (Hrsg.): Maßnahmenkarten für die Planung blau-grün-grau gekoppelter Infrastrukturen in der wassersensiblen Stadt. Berlin 2020

5 Das Lise-Meitner-Haus in Berlin-Adlershof bewirtschaftet anfallendes Regenwasser direkt vor Ort.

6 Beispiele alternativer urbaner Wasserressourcen, die zur Bewässerung eingesetzt werden können

7 Lise-Meitner-Haus (Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin), Berlin (DE) 2003, Augustin und Frank Architekten

8 Stadtverwaltung Venlo (NL) 2016, Kraaijvanger Architects

9 Biesbosch Museum, Werkendam (NL) 2015, Studio Marco Vermeulen ermittelten Grundlagen den Gebäudeentwurf. Damit werden die blau-grünen Komponenten wie Wasserspeicher, offene Wasserflächen, Dach- und Fassadenbegrünung zu qualitativen, erlebbaren Bestandteilen der Architektur. Die integrierte Vorgehensweise erfolgt im interdisziplinären Team und stellt sicher, dass Funktionen (z. B. Wasserrückhalt bzw. -aufbereitung) und ökologische Qualitäten (Biodiversität / Mikroklima) Hand in Hand gehen.

Um alle Anforderungen und Zielsetzungen von Beginn an zu berücksichtigen, bildet eine umfassende Analyse der bestehenden und geplanten Wasserinfrastruktur sowie des Bestandsgrüns und der Begrünungspotenziale die Basis jedes blau-grünen Projekts. Diese Analyse gibt Aufschluss über Mengen, Qualitäten und Schwankungen in den Wasserverfügbarkeiten. Auch die Abschätzung von bestehenden und neu aufkommenden Wasserbedarfen, sei es durch Nutzungen im Gebäude oder durch Bewässerung von Grünsystemen, ist ein frühes Kriterium, um blaugrüne Schnittstellen bestmöglich abzustimmen.

Starkregenmanagement

Im Starkregenmanagement sind Retention (das Zurückhalten von Niederschlagswasser) und ausreichend bemessene Speicher die Mittel der Wahl. Dafür kommen konventionelle Speichermöglichkeiten (z. B. unterirdische Zisternen) und naturbasierte Systeme (z. B. Überflutungsflächen mit Sickermulden) zum Einsatz. Das Lise-Meitner-Haus in Berlin verfügt über ein entsprechendes Wasserkonzept, das mit der Fassadenbegrünung gekoppelt ist (Abb. 5 und 7). Fünf Zisternen und ein Regenwasserteich mit Überstauvolumen halten auch bei Starkregen den gesamten Niederschlag auf dem Grundstück zurück. Das Regenwasser wird sowohl zur Bewässerung der Fassadenbegrünung als auch zur Klimatisierung mithilfe adiabater Abluftkühlung (Kühlung durch Verdunstung) eingesetzt.

Alternative Wasserressourcen Vertikale Grünsysteme, zu denen neben der Fassadenbegrünung auch frei stehende Konstruktionen zählen, sind in den meisten Fällen auf eine künstliche Bewässerung angewiesen, da die Versorgung über den natürlichen Niederschlag nicht ausreicht. Steigende Temperaturen und länger anhaltende Hitzeperioden verstärken den Bewässerungsbedarf zusätzlich. Daher bezieht die Analyse der Wasserverfügbarkeiten in einer frühen Planungsphase alternative Wasserressourcen wie gering verschmutztes Abwasser aus dem Haushalt (Grauwasser) oder aus industriellen Produktionsprozessen (z. B. Kühlwasser) mit in die Betrachtung ein (Abb. 6) [4].

Die Stadtverwaltung im niederländischen Venlo befindet sich in einem 2016 fertiggestellten Gebäude, das nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip geplant wurde (Abb. 8). Grauwasser aus den Handwaschbecken wird in einer Pflanzenkläranlage aufbereitet und in Kombination mit Regenwasser für die Toilettenspülung und die Bewässerung der Fassadenbegrünung verwendet.

Auch das Biesbosch-Museum in den Niederlanden bereitet Grauwasser über ein naturbasiertes System direkt vor Ort auf (Abb. 9). Das Gebäude, das inmitten eines großen Nationalparks liegt, wurde 2015 umfassend saniert und erweitert. Das Süßwasser-Gezeitengebiet ist von schwankenden Wasserständen geprägt. Dieser fließende Umgang mit Wasser wurde architektonisch aufgegriffen. Das Wasser wird oberflächennah bewirtschaftet und auf dem Wasserspielplatz und an den offenen Wasserflächen erlebbar. Das Abwasser der Handwaschbecken wird über das Torfdach gefiltert und in die angrenzenden Feuchtbiotope abgeleitet. Ein veränderter Umgang mit Wasser birgt große Chancen zu einer positiven Veränderung der gebauten Umwelt. Die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind bisher weitgehend unsichtbar. Der Regelfall ist immer noch, dass hochqualitatives Trinkwasser zur Bewässerung und für andere Zwecke verwendet wird, für die auch geringerwertiges Brauchwasser zum Einsatz kommen könnte. Gleichzeitig wird Regenwasser, eine kostbare Ressource, Mischkanälen zugeführt und aus der Stadt abgeleitet. Das Zusammenführen von Wasser und Vegetation am Gebäude schafft Synergien in Bezug auf Klimawandelanpassung und Stadtökologie. Voraussetzung dafür ist, dass Vorurteile gegenüber naturbasierten Systemen abgebaut und diese funktional und gestalterisch integriert werden.

Anmerkungen

[1] Kuttler, Wilhelm; Oßenbrügge, Jürgen; Halbig, Guido: Städte. In: Brasseur, Guy P.; Jacob, Daniela; Schuck-Zöller, Susanne (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland. Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven. Berlin 2017, S. 225 – 234

[2] Well, Friederike; Ludwig, Ferdinand: Blue-Green Architecture. A Case Study Analysis Considering the Synergetic Effects of Water and Vegetation. In: Frontiers of Architectural Research, 1/2020, S. 191– 202, doi: 10.1016/j.foar.2019.11.001

[3] Definition entsprechend Europäische Kommission, Generaldirektion Umwelt: Eine grüne Infrastruktur für Europa. 2014. data.europa.eu/doi/10.2779/26307

[4] Eine umfassendere Zusammenstellung findet sich bei Ludwig, Ferdinand u. a.: Integrierte Planung blau-grüner Infrastrukturen. Ein Leitfaden. München 2021, S. 26 –29, doi:10.14459/

2021md1638459 alternative WasserressourceVerfügbarkeitQualität

Grauwasser (gering verschmutztes Abwasser aus Küche / Dusche / Waschbecken)

Niederschlagswasser (Dachablauf)

Niederschlagswasser (Ablauf von Straßen / Wegen) kontinuierlichje nach Nutzung teilweise Aufbereitung erforderlich sehr schwankendbis auf seltene Ausnahmen sehr gut sehr schwankendje nach örtlichen Gegebenheiten teilweise Aufbereitung erforderlich

Kondenswasser aus Klimaanlagenschwankendgrundsätzlich gut, sollte aber einmalig auf Schadstoffe überprüft werden

Abläufe aus industriellen Prozessenkontinuierlichje nach örtlichen Gegebenheiten sehr unterschiedlich

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