DDG Diabetes Kompakt 2024

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DIABETES KOMPAKT

Typ-2-Diabetes

Ist eine frühe

Diagnose besser?

Typ-1-Diabetes Ambulante Notfallbehandlung

Praxishilfe Substanzklassen im Überblick

Was hat das Potenzial, die Insulintherapie zu revolutionieren?

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Awiqli® ist eine eingetragene Marke der Novo Nordisk A/S, Dänemark.

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Diabetes. Umwelt. Leben. Perspektiven aus allen Blickwinkeln – so das Motto des 58. DiabetesKongresses vom 8. bis 11. Mai 2024 in Berlin. Besonders im Fokus standen auf der diesjährigen Veranstaltung die Themen Kardiovaskuläre Risikofaktoren, Bewegung, Ernährung, und Umwelt, die wir auf den Seiten 4, 8 und 26 aufgegriffen haben.

INHALT

Kardiovaskuläres Risiko und aktuelle Therapieoptionen bei Typ-1-Diabetes

Große Nachfrage nach "Abnehmspritzen" hält an – mit gefährlichen Folgen

Kontinuierliche Glukosemessung im Fokus

Ambulante Notfallbehandlung desTyp-1 Diabetes

Update: Rund um die diabetische Neuropathie

Neue Therapien bei diabetischer Nierenkrankheit

Typ-1-Diabetes-Screening: Chancen, Nutzen, Risiken

Praxishilfe Typ-2-Diabetes

Ältere mit Diabetes: Bewegung fördern - gewusst wie! 28 Pro & Kontra zur Diagnose von Typ-2-Diabetes: Bedeutet früher auch besser?

Medizinhistorisches Schlaglicht: Diabetes

Aber auch jenseits des Kongresses wird heftig diskutiert, nämlich über die große Nachfrage nach „Abnehmspritzen“ und deren gefährliche Folgen (S. 6). Außerdem beleuchten wir in unserem Pro & Kontra, ob eine frühe Diagnostik des Typ-2-Diabetes sinnvoll und hilfreich ist oder nur zu einer weiteren Überdiagnostik beiträgt (S. 28).

Als kleines „Schmankerl“ bieten wir unseren Lesern noch eine anwenderfreundliche Praxishilfe zu Typ-2-Diabetes (S. 23).

Wir haben ein interessantes Potpourri für Sie zusammengestellt. Freuen Sie sich auf eine spannende Lektüre! ▪

Ihr Redaktionsteam

HAUSARZT-LINK

Die Kongress-Nachlese zum 58. DDG-Kongress 2024 finden Sie als E-Paper unter: hausarzt.link/DDGdigital2024

Gender-Hinweis: Die Redaktion legt Wert darauf, dass sich alle Menschen durch die publizierten Inhalte angesprochen fühlen. Aus Gründen der Lesbarkeit wird jedoch auf eine konsequente, gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Dies stellt in keiner Weise eine Wertung dar.

Impressum Sonderbeilage in „Der Hausarzt“ 14/2024.

Berichte: Anne Bäurle, Dr. Marion Hofmann-Aßmus, Dr. Thomas Meißner, Ursula Armstrong.

Redaktion: Beate Huber, Layout: Gabi Kellner

V.i.S.d.P.: Johanna Dielmann-von Berg

Coverillustration: iStock.com/bgblue

Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Inhalte. © mm medizin + medien Verlag GmbH

Adipositas

Kardiovaskuläres Risiko und aktuelle Therapieoptionen bei Typ-1-Diabetes

Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes spielt das kardiovaskuläre und renale Risiko eine wichtige Rolle. Für großen Unmut sorgt daher, dass ausgerechnet die nephro- und kardioprotektiven SGLT2-Hemmer bei Typ-1-Diabetes nicht mehr verfügbar sind. Ketonsensoren und neue Therapeutika könnten hier einen Ausweg bieten.

Übergewicht und Adipositas nehmen weltweit zu – auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Besorgniserregend ist laut PD Dr. Angela Galler, Charité Berlin, dass davon nicht nur Erwachsene sondern auch immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen sind: In Deutschland und den USA sind 24 Prozent der 2- bis 18-Jährigen mit Typ-1-Diabetes übergewichtig und 12 Prozent adipös [1]. „Die Ursachen dafür sind zahlreich und komplex, doch eine wesentliche Rolle spielt die intensivierte Insulintherapie“, erklärte die Pädiaterin und Kinder-Diabetologin. Während die Adipositas-Prävalenz bei Typ-1-Diabetes initial niedriger ist, gleicht sie sich nach zwei Jahren unter intensivierter Insulintherapie an und liegt nach fünf Jahren höher als in der Kontrollgruppe ohne Diabetes [2]. Die Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas sind bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes vergleichbar. Insbesondere bei Männern besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen einem BMI von über 25 kg/m2 und dem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD), Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz, CVD-Mortalität und Gesamtmortalität [3].

Höheres Risiko bei jüngerem Erkrankungsalter

Das kardiovaskuläre Outcome bei Typ1-Diabetes wurde in einer Metaanalyse analysiert, die zehn Beobachtungsstudien mit über 150.000 Teilnehmern umfasste [4]. Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung zeigte sich bei Typ-1-Diabetes ein deutlich erhöhtes relatives Risiko (RR) für CVD (5-fach erhöht), koronare Herzerkrankung (CHD, 9-fach), Herzinfarkt (6-fach), Herzinsuffizienz (4-fach) und Schlaganfall (4-fach). Dabei lag das RR für kardiovaskuläre Komplikationen bei Frauen etwa doppelt so hoch wie bei Männern (Hintergrund: Frauen ohne Diabetes haben ein deutlich niedrigeres Risiko).

Aus einer schwedischen Registerstudie ging zudem hervor, dass das Risiko für CVD und Mortalität umso höher ist, je jünger die Betroffenen zu Krankheitsbeginn sind [5]. Tritt der Typ-1-Diabetes bereits in einem Alter von unter zehn Jahren auf, verlieren betroffene Frauen bis zu 17,7 Jahre und Männer bis zu 14,2 Jahre an Lebenszeit. „In den letzten Jahren hat die Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen zwar abgenommen, doch ist sie immer noch deutlich höher als bei Men -

schen ohne Typ-1-Diabetes“, berichtete Galler. Selbst wenn die beeinflussbaren Risikofaktoren wie HbA1c, Blutdruck, LDLCholesterol, Mikro – oder Makroalbuminurie und Rauchen im Zielbereich sind, besteht ein erhöhtes Risiko z.B. für Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz [6]. „Neben den traditionellen Risikofaktoren ist der HbA1c ein wichtiger Faktor, den wir im Blick behalten sollten“, betonte Galler.

GLP-1-Rezeptor Agonisten

Trotz des hohen Risikos für kardiale und renale Komplikationen können Patienten mit Typ-1-Diabetes bislang nicht von neuen Therapieoptionen wie GLP-1-Rezeptor Agonisten oder SGLT2-Hemmer profitieren. Denn aufgrund von Sicherheitsbedenken geben die Leitlinien aktuell keine Empfehlung für diese Substanzklassen [7]. Dessen ungeachtet gibt es aktuelle Studien zu GLP1-Rezeptor Agonisten bei Typ-1-Diabetes. So untersuchte eine Real-World-Studie langwirksame GLP-1-Rezeptor Agonisten (63 Prozent Semaglutid) bei 54 Teilnehmenden [8]. Nach sechs Monaten hatten die Probanden rund 3 kg Körpergewicht abgenommen. Allerdings brachen 28 Prozent die Behandlung insbesondere auf -

Eine Gewichtsabnahme ist immer hilfreich.

In Deutschland und den USA sind 24 Prozent der 2- bis 18-Jährigen mit Typ-1-Diabetes übergewichtig und 12 Prozent adipös.

grund gastrointestinaler Nebenwirkungen ab. „Die größten Effekte sind die um 12 Prozent bessere Time in Range und der signifikant verringerte HbA1c-Wert“, berichtete Prof. Thomas Danne, Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF), Lissabon. Eine Metaanalyse mit 11 randomisierten kontrollierten Studien lieferte vergleichbare Ergebnisse [9]. Als großen Durchbruch lässt sich dies nach Ansicht von Danne aber nicht bezeichnen. Andererseits wäre eine Gewichtsabnahme durchaus hilfreich.

Dilemma um SGLT2-Hemmer

Sehr verärgert zeigte sich der Pädiater darüber, dass der SGLT2-Hemmer Dapagliflozin

BESORGNISERREGEND!

Immer mehr Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes sind übergewichtig oder adipös. Eine wesentliche Rolle spielt dabei nicht nur der Lebensstil sondern auch die intensivierte Insulintherapie.

aufgrund einer Zulassungsänderung seitens des Herstellers nicht mehr für die Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 zugelassen ist. Hintergrund ist das häufige Auftreten diabetischer Ketoazidosen. „Meine Hoffnung ist, dass wir Ketonsensoren bekommen und damit eine drohende diabetische Ketoazidose rechtzeitig erkennen können“, erklärte Danne. Dies könne dann auch zu einer Neubewertung führen. Eine gute Nachricht sei dagegen, dass Sotaglifozin, ein SGLT1/2 Inhibitor dessen Zulassung auf Antrag des Herstellers ebenfalls zurückgenommen wurde, möglicherweise wieder auf den Markt komme.

Neue Therapeutika in Sicht

Finerenon ist ein nicht-steroidaler selektiver Antagonist des MineralokortikoidRezeptors, der seit Anfang 2023 für Erwachsene mit einer Nierenschwäche mit Albuminurie und Typ-2-Diabetes zugelassen ist. Aktuell untersucht die placebokontrollierte, randomisierte FINE-ONE Studie die Wirksamkeit und Sicherheit von Finerenon bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) und Typ-1-Diabetes. Danne erwartet die Ergebnisse der Studie im Jahr 2025. Zusätzlich wird die

Wirkung von Finerenon derzeit auch bei Kindern mit CKD, signifikanter Albuminurie und mit oder ohne Diabetes analysiert.

Der kovalente Menin-Inhibitor BMF-219 könnte möglicherweise ebenfalls eine neue Therapieoption bei Typ-1-Diabetes werden. Wie eine aktuelle Fallbeschreibung zeige, verbessere sich bei zwei ersten Patienten die Betazellfunktion und die Stoffwechsellage nach vier Wochen unter BMF-219. Zudem benötigten sie weniger Insulin. „Das sieht recht interessant aus, die FDA hat die Clearance für weitere Untersuchungen gegeben“, berichtete Danne. ▪ Dr. Marion Hofmann-Aßmus

Literatur

1. DuBose S et al. J Pediatrics 2015; 167(3):627-632.e4

2. Carlson NE et al. Diabetic Medicine 2022; 39: 14794

3. Edqvist J et al. Diabetes Care 2021; 42:1297

4. Cai X et al. J Diabetes Complications 2021; 35:107833

5. Rawshani A et al. Lancet 2018; 392:477

6. Rawshani A et al. Circulation 2017; 135:1522

7. S3-Leitlinie DDG: AWMF-Registernummer: 057-013, Stand: 2023

8. Mohandas D et al. Endocrines 2023; 4(1):93-101

9. Tan X et al. Front Pharmacol 2023; 14:975880

Quelle: Deutscher Diabetes Kongress (DDG) Session: Übergewicht, kardiovaskuläres Risiko und Typ-1-Diabetes am 08.05.2024 in Berlin und online.

Hohes Risiko

Lieferengpässe von „Abnehmspritzen“ mit gefährlichen Folgen

Menschen mit Diabetes, die ihre Medikamente nicht mehr erhalten, überhöhte Erwartungen an die „Abnehmspritzen“ und gefälschte Medikamente, die lebensgefährlich sein können – die hohe Nachfrage nach Ozempic® und Co. führt zu erheblichen Problemen.

Für GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid (Ozempic®) zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes besteht bereits seit dem Frühjahr 2023 eine eingeschränkte Verfügbarkeit. Zwar hat sich die Lieferfähigkeit von Ozempic® leicht gebessert, seit das höher dosierte Wegovy® zugelassen und für Menschen mit Adipositas auf den deutschen Markt gekommen ist, berichtet die Deutsche Presseagentur im Juli 2024. Dennoch gebe es weiter Lieferengpässe.

Komplexe Herstellung

Grund dafür ist die anhaltend stark erhöhte Nachfrage nach den „Abnehmspritzen“, die die Hersteller bislang wegen fehlender Produktionskapazitäten und der komplexen Herstellung nicht abfedern könnten. Zudem sei bei GLP-1Rezeptor agonisten teilweise ein Gebrauch außerhalb der Zulassung zu verzeichnen, also beispielsweise bei Adipositas und nicht bei Diabetes, wurde bei einer Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft Ende Februar berichtet. Ärztinnen und Ärzte müssten aufgrund der Lieferengpässe daher aktuell gut abwägen, ob sie Menschen mit Diabetes neu auf GLP-1-Rezeptoragonisten einstellten, rieten die Experten. Zwar gibt es GLP-1-Rezeptoragonisten, die auch

zur Therapie bei Adipositas zugelassen sind (z.B. Wegovy®/Semaglutid, Saxenda®/Liraglutid oder Mounjaro®/ Tirzepatid, ein GIP-/GLP-1-Rezeptoragonist), allerdings sind diese Präparate als sogenannte „Lifestyle-Arzneimittel“ bislang nicht auf Kosten der gesetzlichen Kassen verordnungsfähig.

Nebenwirkungen beachten!

„Die Verabreichung der GLP-1-Rezeptoragonisten dient der Unterstützung bei der Gewichtsabnahme, Verbesserung der Blutglukosekontrolle und soll die Entwicklung von Adipositas und Diabetes-assoziierten Komplikationen reduzieren“, erklärte Professorin Julia Szendrödi, Vizepräsidentin der DDG, im Februar. GLP-1-Rezeptoragonisten sollten in erster Linie für Personen in Betracht gezogen werden, bei denen

• andere Maßnahmen zur Gewichtsreduktion wie Ernährungsumstellung und Bewegung nicht ausreichend wirksam waren,

• bei denen ein signifikantes Gesundheitsrisiko aufgrund der Adipositas besteht,

• deren Blutglukose mit anderen Diabetesmedikamenten nicht gut eingestellt werden kann und/oder ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen haben.

Das könnten Menschen mit BMI über 30 kg/m² sein oder Menschen mit BMI über 27 kg/m² und Risikofaktoren wie Diabetes, Vorerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, oder solche, die hohe Dosen von Insulin benötigen, um ihre Blutglukose kontrollieren zu können. Man müsse allerdings die Nebenwirkungen der Substanzklasse beachten, einige Patientinnen und Patienten litten unter schwerer Übel-

keit, die eine Nahrungsaufnahme unmöglich mache. Auch gastrointestinale Beschwerden seien häufig (Erbrechen, Durchfall, Verstopfung, selten Pankreatitis oder Darmverschluss).

Womöglich tritt sehr selten eine nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie auf, dies ist aber noch nicht belegt. Keinen Zusammenhang sieht die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) derzeit dafür, dass GLP-1-Rezeptoragonisten Suizidgedanken fördern könnten.

Therapie muss ärztlich begleitet werden „Zum Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten in der Indikation Diabetes haben wir viele brauchbare Daten, die ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis zeigen. Hier können wir gut abwägen, bei welchen Patienten die Mittel in Frage kommen,“ so Szendrödi. „Wir können die Daten aber nicht einfach auf stoffwechselgesunde Menschen extrapolieren!“ Eine Therapie bei Adipösen müsse daher immer ärztlich begleitet werden, zudem gehörten zu einer Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten bei Adipositas immer Änderungen des Ernährungsverhaltens und der körperlichen Aktivität. „Außerdem müssen die Patienten wissen: der Abnehmeffekt hält nur so lange an, wie man das Medikament einnimmt.“ Bei adipösen Menschen könne es beispielsweise ein Einstieg in körperliche Bewegung sein, der andernfalls oft nicht möglich sei.

Anfang 2024 mussten in Apotheken gefälschte Pens überprüft werden.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) betont, wie wichtig die Aufklärung vor Behandlungsbeginn ist: „Natürlich beraten wir als Allgemeinärzte Menschen mit einem hohen BMI auch zu den neuen medikamentösen Abnehm-Optionen. Gleichzeitig ist es wichtig, ihnen klarzumachen, dass die Mittel dauerhaft eingenommen werden müssen und natürlich, wie alle Medikamente, Nebenwirkungen haben,“ sagt Dr. Til Uebel, Sprecher der AG Diabetes in der DEGAM. Allerdings: „Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht in eine Situation geraten, in der Übergewicht als etwas angesehen wird, das – die richtige Medikation vorausgesetzt – heute nicht mehr sein muss.“ Die Medikation sei zudem teuer: Die Kosten von rund 12.000 Euro – auf einen 10-Jahreszeitraum betrachtet – trügen die Menschen bei „Life-

style-Arzneimitteln“ privat. Trotzdem steige die Nachfrage auch bei Menschen, die wenig oder nicht adipös sind. Zuletzt hatten die Lieferengpässe bei GLP1-Rezeptoragonisten unter anderem dazu geführt, dass in Deutschland gefälschte Ozempic®-Pens aufgetaucht waren. Laut Martin Schulz von der ABDA gelangte allerdings kein gefälschtes Medikament zum Patienten. In Österreich hingegen musste ein Patient, der sich das gefälschte Medikament injiziert hatte, in einer Klinik behandelt werden. Um das zu verhindern, mussten in Deutschland bis Mitte Februar Ozempic®-Pens in den Apotheken überprüft werden. „Diese Fälschungen sind eine echte Katastrophe“, sagte Schulz. Zum einen sei der Aufwand erheblich gewesen, zum anderen das Vertrauen in die Arzneimittelsicherheit in Deutschland beschädigt worden. ▪ Anne Bäurle

FAZIT

• Auch weiterhin werden die Lieferengpässe bei den GLP-1-Rezeptoragonisten wohl bestehen bleiben.

• Teils werden GLP-1-Rezeptoragonisten außerhalb der Zulassung genutzt, Menschen mit Diabetes, die auf diese Medikamente angewiesen sind, haben daher dann Schwierigkeiten, ihre Arznei zu erhalten.

• Einige GLP-1-Rezeptoragonisten sind auch bei Adipositas zugelassen, dafür tragen die gesetzlichen Kassen aber nicht die Kosten.

• Die Behandlung geht vor allem mit gastro-intestinalen Nebenwirkungen einher. Der Effekt hält nur so lange man die Arznei einnimmt.

• Bei Menschen mit Adipositas sollte eine Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten, zu der immer Änderungen des Ernährungsverhaltens und der körperlichen Aktivität gehören, ärztlich begleitet werden.

Fit für CGM

Kontinuierliche Glukosemessung im Fokus

Bei Typ-1-Diabetes gehört die kontinuierliche Glukosemessung (Continuous Glucose Monitoring, CGM) bereits zum Alltag. Bei Typ-2-Diabetes stellt die CGM vor der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) eher eine Rarität dar. Doch das könnte sich bald ändern – zumal auch ältere Patienten profitieren.

„In den nächsten Jahren wird die CGM die Standard-Glukosemessung für alle Menschen mit Glukosestoffwechselstörungen werden,“, erklärte Dr. Thorsten Siegmund vom Isar Klinikum München und verwies auf die progressiven Empfehlungen der deutschen und US-amerikanischen Leitlinien [1,2]. Patienten mit basal unterstützter oraler Therapie (BOT) verwenden die CGM bislang kaum, obwohl inzwischen immer mehr Evidenz dafür vorliegt. Beispielsweise untersuchte eine retrospektive Studie den Effekt von CGM bei knapp 6.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes und Basalinsulintherapie [3]. „Insbesondere die Hospitalisierungen aufgrund akuter Diabetes-bedingter Ereignisse gingen hochsignifikant zurück, um 30 bis 40 Prozent“, berichtete der Diabetologe. Weitere Ereignisse wie Komas, Hypo- oder Hyperglykämien verbesserten sich ebenfalls, verglichen mit dem Verlauf vor der Einführung des Sensors. Auch eine offene, prospektive randomisierte Studie zeigt, dass Typ-2-Diabetes-Patienten unter BOT mit CGM signifikant geringere HbA1cWerte erreichen als ohne CGM [4]. Siegmund geht davon aus, dass zukünftig zunehmend mehr gesetzliche Krankenkassen die Kosten für die CGM bei Patienten mit BOT übernehmen werden.

CGM und orale Antidiabetika

Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die orale Antidiabetika (OADs) erhalten, wird CGM derzeit sehr selten angewandt. Doch auch hier liegen erste positive Studienergebnisse vor. Etwa in einer retrospektiven Beobachtungsstudie mit über 1.000 Typ-2-DiabetesPatienten, die entweder mit Basalinsulin oder ohne Insulin schlecht eingestellt waren [5]. "Durch Hinzunahme des CGM sieht man eine klare Verbesserung des HbA1cWerts“, erklärte Siegmund. Insbesondere die sehr schlecht eingestellten Patienten profitierten. Bei Patienten unter OAD empfiehlt Siegmund die CGM grundsätzlich in der Einstellungsphase zu nutzen, je nach Stoffwechsellage auch mehrfach im Jahr. „Zukünftig werden wir in den allermeisten Fällen CGM einsetzen“, betonte der Diabetologe und nannte folgende Gründe: „Weil wir dadurch eine unübertroffene Datendichte erhalten und anhand der Software eine Blickdiagnose stellen können, die auch für die Patienten verständlich sind. Zudem bekommen wir ein Biofeedback, das wir mit den Patienten besprechen können. Natürlich sei nicht jeder Patient dafür geeignet, allerdings gebe es ein breites Spektrum an Sonderindikationen – Prädiabetes, Diagnostik, Therapieüberprüfung, Schulung, Ernährung – in dem sich CGM erfolgversprechend nutzen lasse.

Die Jugend macht's vor.

Die CGM bietet aber auch Älteren einige Vorteile.

Laut Siegmund ist die CGM nicht nur als therapeutisches Werkzeug einsetzbar, sondern auch als „Lifestyle-Interventionstool“, da sich viele Patienten damit motivieren lassen. „Mit dieser technischen Anwendung sind wir in einer therapeutischen Liga mit anderen Medikamenten“, resümierte Siegmund.

Ältere: Fit genug für CGM?

„Alt ist nicht gleich alt“, betonte Prof. Susanne Reger-Tan, Universitätsklinikum Essen. Denn bei Älteren handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Menschen, die trotz gleicher Anzahl an Lebensjahren unterschiedlich fit sein können. Laut WHO bezeichnet man Menschen ab 65 Jahren als alt, wobei man die jungen Alten (65-75 Jahre) von den alten Alten (ab 75 Jahren) unterscheidet. In der Bewertung, ob eine CGM sinnvoll erscheint, spielen die körperliche und mentale Fitness, die Dauer der Diabeteserkrankung, Komorbiditäten sowie das Umfeld eine Rolle. Zu berücksichtigen sind etwa altersspezifische Aspekte wie Gebrechlichkeit, Technologie-Offenheit, eine mögliche Demenz und ob der Betroffene in einem Pflegeheim wohnt oder zu Hause – mit oder ohne Angehörigen. Bereits einfache altersbedingte Beeinträchtigungen können dazu führen, dass die CGM nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden kann. Dazu zählen das motorische Geschick, das erforderlich ist, um den Sensor zu applizieren, das Sehvermögen, um die CGM-Daten zu lesen, das Hörvermögen, um die Alarme wahrzunehmen sowie die mentale Fitness, um die Technik anzuwenden bzw. die zahlreichen Daten zu interpretieren. Sehr gut zu überlegen ist der Einsatz einer CGM bei Diabetes-Patienten mit Demenz, da diese aufgrund ihrer besonderen Einschränkungen unter Umständen von der CGM überfordert sind. „So kann beispielsweise trotz der Wahrnehmung der Daten, die Reaktion auf eine Hypo- oder Hyperglykämie ausbleiben“, verdeutlichte Reger-Tan.

Benefit für Ältere

Die CGM-Adhärenz ist mit 83 Prozent sehr hoch – das zeigt eine Studie, an der Patienten mit Typ-1-Diabetes teilnahmen, die mindestens 60 Jahre alt waren und seit im Mittel 36 Jahren unter Diabetes litten [6]. „Beim Nutzen hinsichtlich der Glukosekontrolle fiel auf, dass der gefährliche Bereich der Hypoglykämien verringert werden konnte, mit einer Reduktion der time-below-range von 30 Minuten pro Tag“, erklärte die Diabetologin. Der HbA1c verringerte sich signifikant (-0,3 Prozent) gegenüber der Gruppe mit konventioneller Blutglukosemessung (BGM). In Bezug auf Hypoglykämie-Ereignisse, Stürze, Frakturrate und Notfall-Einweisungen unterschieden sich die Gruppen nicht. Dass ältere Patienten mit Typ-2-Diabetes und BOT ebenfalls profitieren, belegt eine weitere Studie, die CGM mit BGM bei Teilnehmern ≥ 65 Jahren und < 65 Jahren verglich [7]. „Altersunabhängig war ein Benefit der CGM-Anwendung zu sehen, mit einem verbesserten HbA1c vergleichbarer Effektgröße“, berichtete Reger-Tan. Die zumeist positive Sicht der Betroffenen auf CGM veranschaulicht ein qualitatives Interview mit älteren Typ-1-Diabetes-Patienten (durchschnittlich 70 Jahre) [8]. „Ich habe keine Angst mehr, in der Nacht durch eine Hypo zu sterben“, lautete ein Zitat. Insgesamt, so die Experten, bietet die CGM Entlastungseffekte, deren Vorteile man auch älteren Patienten nicht vorenthalten sollte. ▪ Dr. Marion Hofmann-Aßmus

Literatur

1. S3-Leitlinie DDG: AWMF-Registernummer: 057-013, Stand: 2023

2. ADA: Diabetes Care 2024; 47(1):11-19

3. Guerci B et al. Diabetes Technol Ther 2023; (1):20-30

4. Martens T et al. JAMA 2021; 325(22):2262-2272

5. Wright EE et al. Diabetes Spectr 2021; 34(2):184-189

6. Pratley RE et al. JAMA 2020; 323(23):2397-2406

7. Bao S et al. Diabetes Technol Ther 2022; 24(5):299-306

8. Litchman ML et al. J Diabetes Sci Technol 2017; 11(5):988-995

Quelle: Deutscher Diabetes Kongress (DDG) Session: „Praktischer Nutzen von CGM in der Diabetestherapie“, am 10.06.2024 in Berlin und online.

Notfall

Ambulante Notfallbehandlung des Typ-1-Diabetes

Ein diabetologischer Notfall betrifft meist Patienten mit Typ-1Diabetes. Nicht immer ist eine Einweisung in die Klinik erforderlich – die Notfall-Erst-Diagnose des Typ-1-Diabetes bei Erwachsenen kann auch in der Hausarztpraxis versorgt werden. Kinder sollten rasch in die Klinik gebracht werden.

Die Notfallbehandlung in der Praxis ist Teamarbeit. „Extrem wichtig ist die Weichenstellung am Telefon oder am Empfang; wenn es da falsch läuft, kann das für den Patienten lebensbedrohlich werden“, betonte Dr. Matthias Kaltheuner, Kaarst. Die Angestellten sollten gut geschult sein und Bescheid wissen, auf welches Stichwort sie reagieren müssen. Laut Kaltheuner reichen drei bis vier Fragen, um die Notfallsituation zu erfassen und richtig einordnen zu können. Bei Typ-1-Diabetes mit akuter Stoffwechselentgleisung ist umgehend eine Urinprobe zu verlangen, um die Ketonkörper-Konzentration zu bestimmen. „In meiner Praxis hat es sich bewährt, dass die Diabetes-Assistentin bzw. das Laborpersonal dann sofort mit den Routineuntersuchungen wie Blutzucker-Bestimmung oder HbA1c-Messung beginnen“, berichtete der Diabetologe.

Stoffwechselentgleisung schnell in den Griff bekommen Zunächst ist eine klinische Einschätzung der Notfallsituation erforderlich: Liegt eine Ketose oder eine Ketoazidose vor? Um welchen Grad der Azidose geht es? Ist eine stationäre Behandlung erforderlich?

Dabei spielen auch soziale Kriterien wie Zuverlässigkeit oder Betreuungsmöglichkeiten nach der ambulanten Erstbehandlung eine Rolle.

Die patientennahe Sofortdiagnostik sollte folgende Analysen umfassen: HbA1c, Glukose, Azeton im Urin (ggf. im Blut), CRP, ggf. Blutgasanalyse, Kalium-Bestimmung, Blutbild. „Kommt man zu dem Schluss, dass ein neuer Typ-1-Diabetes vorliegt, sollte man sofort mit der Insulintherapie anfangen“, so Kaltheuner. Zudem kann eine Kaliumgabe und ggf. eine Rehydratation sinnvoll sein. Essenziell ist weiterhin die Instruktion zur Selbstmessung (z.B. von Keton), die Verordnung eines Geräts zur Selbstmessung der Blutglukose (SMBG) sowie eine abgestufte Erstschulung für die ersten Tage, die auch die seelische Situation des Betroffenen berücksichtigt.

Aggravierende Begleiterkrankungen wie z.B. eine schwere Harnwegsinfektion oder eine Pneumonie sollten mitbehandelt werden. „Nur wenn man ein gutes Gefühl dabei hat, kann man den Patienten nach Hause entlassen, sollte aber zeitnahe telefonische Kontakte oder Videokontakte vereinbaren“, erklärte Kaltheuner. Zusätz-

lich ist eine durchgehende Erreichbarkeit erforderlich, um den Betroffenen Sicherheit zu vermitteln.

Schwere Hyper- oder Hypoglykämie

Tritt im Verlauf des Typ-1-Diabetes eine schwere Hyperglykämie auf, sind die oben geschilderten Analysen erforderlich. Darüber hinaus ist es Kaltheuner zufolge wichtig, die zugrunde liegende Ursache zu ermitteln. Das können beispielsweise eine Infektion, ein Katheter-Abszess, Stress oder Medikamente sein. Unter Umständen ist eine konsequente Umsetzung der Therapie zu fordern und ggf. die Insulintherapie zu steigern.

Die Notfallbehandlung einer schweren Hypoglykämie erfolgt idR in der Klinik. Laut Kaltheuner ist eine sich anschließende stationäre Behandlung meist nicht nötig. Wichtig sei jedoch, die Genese posthoc zu klären. „Es reicht nicht, festzustellen – prima es geht Ihnen wieder gut!“, betonte der Diabetologe. Vielmehr sollte eine Schulung zur Eigen- oder Fremdversorgung durchgeführt werden. Auch die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) kann dabei helfen, zukünftige Hypoglykämien zu verhindern. In der HypoDE-

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Eine durchgehende Erreichbarkeit ist erforderlich, um den Betroffenen Sicherheit zu vermitteln.

Es muss eine patientennahe Sofortdiagnostik mit diversen Analysen (u.a. HbA1c, Glukose, Urin) erfolgen.

Bei übermäßigem Durst, Gewichtsverlust und Leistungsminderung sollten Eltern hellhörig werden.

Studie verringerte die CGM mit RealTime-Messgeräten die Inzidenz hypoglykämischer Ereignisse um 72 Prozent bei Patienten mit Typ-1-Diabetes [1]. Zu bedenken ist, dass die Wahrnehmung von Hypoglykämie-Anzeichen nachlässt, wenn wiederholt Unterzuckerungen auftreten.

Der pädiatrische Notfall

Jedes Jahr erkranken rund 4.000 Kinder neu an Typ-1-Diabetes, der Erkrankungsgipfel liegt für Mädchen bei 7–10 Jahren, für Jungs bei 11–13 Jahren. Die klassischen Symptome umfassen Polyurie, Nykturie, Polydipsie, Gewichtsverlust und Leistungsminderung. „Leider werden die betroffenen Kinder oft mehrmals vorstellig, weil die Symptome nicht richtig gedeutet wurden“, berichtete Dr. Julian Ziegler, Universitätsklinikum Tübingen. Zu den typischen Fehldiagnosen gehört die Gastroenteritis bei sehr kleinen Kindern, da diese Erkrankung häufig in der Kita vorkommt. Gleiches gilt für die Appendizitis (Pseudoperitonitis diabetica) im Rahmen einer schweren Ketoazidose. Die schwere Ketoazidose mit Kußmaul‘scher Atmung wird häufig mit einer obstrukti-

„Der Erkrankungsgipfel liegt für Mädchen bei 7–10 Jahren, für Jungs bei 11–13 Jahren.“
(Dr. Julian Ziegler)

ven Bronchitis verwechselt – selbst in der Notaufnahme. Während der Wachstumsphase in der Pubertät fällt ein Gewichtsverlust oft nicht auf; auch bei übermäßigem Durst kommen viele Eltern erst einmal nicht darauf, dass hier eine Erkrankung vorliegen könnte.

Wie Ziegler berichtete, liegen die Blutzuckerwerte der Kinder mit diabetischer Ketoazidose typischerweise bei 300–400 mg/dl und damit nicht dramatisch erhöht.

„Ein nicht zu vernachlässigender Anteil kommt aber mit einer schweren Ketoazidose mit pH-Werten unter 7“, erklärte der Kinder-Diabetologe. Die Häufigkeit der diabetischen Ketoazidose bei der Diagnosestellung eines Typ-1-Diabetes ist zuletzt

leicht angestiegen [2]. Ein höheres Risiko zeigen Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder unter sechs Jahren sowie Mädchen.

Diagnose und Primärversorgung

Zur Diagnose ist – neben der klinischen Symptomatik – in der Regel eine Urinuntersuchung mittels Urinteststreifen oder eine Blutzucker-Untersuchung ausreichend. Eine umfangreiche Labordiagnostik ist Ziegler zufolge meist nicht zielführend. „Schickt die Kinder rasch in die Klinik, wenn es ihnen gut geht; wenn es ihnen schlecht geht, holt einen Rettungsdienst. Bei sehr schlechtem Zustand, muss man zunächst den Kreislauf stabilisieren“, erklärte Ziegler. Dafür ist Kochsalz 0,9 Prozent 10 ml/kgKG über 30-60 min das Mittel der Wahl, im hypovolämischen Schock 20 ml/kgKG aus der Hand. ▪

Dr. Marion Hofmann-Aßmus

Literatur

1. Heinemann L et al. Lancet 2018; 391(10128):1367-1377

2. Segerer H et al. Dtsch Arztebl Int 2021; 118:367-72

Quelle: Deutscher Diabetes Kongress (DDG) Session: „Der diabetologische Notfall“, am 09.05.2024 in Berlin und online.

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Update

Rund um die diabetische Neuropathie

Lässt sich die diabetische Neuropathie verhindern? Worauf ist bei der Therapie der schmerzhaften Neuropathie zu achten und welche innovativen Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Diese praxisrelevanten Fragen diskutierten Experten auf dem diesjährigen Deutschen Diabetes Kongress.

Die diabetische Neuropathie ist eine häufige Komplikation, die zu einer deutlich erhöhten Gesamtmortalität und kardiovaskulärer Mortalität führt. In ca. 75 Prozent der Fälle handelt es sich um eine distalsymmetrische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN). Darunter leiden 10 bis 15 Prozent der Patienten mit Typ-2-Diabetes bereits bei der Diagnose, nach 10 Jahren ist rund die Hälfte von ihnen betroffen. Bei Typ-1-Diabetes zeigen nach 20 Jahren 20 Prozent eine DSPN.

Häufig geht die Erkrankung mit Beschwerden wie Missempfindungen, Krämpfen, Muskelschwäche oder Gangunsicherheit einher. Etwa ein Viertel der Betroffenen leidet auch unter Schmerzen. „Umso verwunderlicher ist es, dass diese Komplikation des Diabetes immer noch unterdiagnostiziert ist“, erklärte Dr. Gidon J. Bönhof, Universitätsklinikum Düsseldorf. Dabei lasse sich die schmerzhafte Neuropathie nur nach einer korrekten Diagnose adäquat behandeln. In der Praxisrealität erhalten viele Betroffene Medikamente ohne ausreichenden Wirknachweis wie ASS oder nicht indizierte Mittel wie NSAID [1]. Die am häufigsten verordneten Arzneistoffe Gabapentin und Pregabalin werden oft unterdosiert, Antidepressiva

zu selten eingesetzt und innovative Ansätze wie etwa Capsaicin kommen laut Bönhof nur selten zur Anwendung.

Prävention – was hilft?

Wie eine Studie über 24 Jahre zeigte, lässt sich das Auftreten einer Neuropathie bei Patienten mit Typ-1-Diabetes durch eine gute Blutzucker-Einstellung verzögern oder gar verhindern [2]. Für Typ-2-Diabetes besteht dagegen nach wie vor keine ausreichende Evidenz für vergleichbare Effekte. Allerdings ist Bönhof zufolge noch nicht abschließend geklärt, ob es tatsächlich keinen Effekt gibt oder nur die Endpunkte der Studien nicht adäquat gewählt wurden. Im Hinblick auf andere Komplikationen sei eine gute Einstellung des Diabetes dennoch wichtig. Hinsichtlich der Lebensstilveränderungen rücken Bewegung und Sport zunehmend in den Vordergrund. Welchen Einfluss sie auf die Entstehung von Neuropathien haben, untersuchte eine Studie, in der DiabetesPatienten ohne periphere Neuropathie in zwei Gruppen eingeteilt wurden: Eine Gruppe absolvierte vier Stunden pro Woche ein überwachtes Training (zügiges LaufbandGehen), die andere (Kontrollgruppe) nicht [3]. Nach vier Jahren hatten in der Kontroll-

gruppe deutlich mehr Diabetes-Patienten eine sensorische (29,8 vs. 6,5 Prozent) und motorische Neuropathie (17,0 vs. 0,0 Prozent) entwickelt. „Es braucht viel Disziplin, um einen Effekt auf messbare objektive Endpunkte der Neuropathie zu erreichen“, konstatierte der Diabetologe.

Schmerz-therapeutische Ansätze Im Praxisalltag kann es eine Herausforderung darstellen, die richtige Substanz für Patienten mit schmerzhafter Neuropathie zu finden. Dabei spielt das Risikoprofil eine wichtige Rolle. So sind bei Depressionen etwa Duloxetin und Amitriptylin wirksam, Pregabalin, Opioide und Capsaicin (8-%-Pflaster) hingegen nicht. „Amitriptylin hat recht viele Nebenwirkungen, aber auch eine gute analgetische Potenz“, erklärte Bönhof. Insgesamt erreichen Mono- bzw. Kombinationstherapien (aus Amitriptylin, Duloxetin, Pregabalin) jedoch nur in 56-68 Prozent der Fälle eine Schmerzreduktion von über 30 Prozent [4]. Kurzfristig (ca. sechs Wochen) kann die Alpha-Liponsäure erfolgreich zur Schmerzlinderung eingesetzt werden, bei einer längerfristigen Gabe beschränkt sich die Wirkung jedoch eher auf verbesserte neuropathische Defizite.

Die tiefe Rückenmarkstimulation zeigt bei therapierefraktärer diabetischer Neuropathie gute Ergebnisse.

Für einen innovativen Ansatz bei neuropathischen Schmerzen hält Bönhof das Capsaicin- 8-%-Pflaster. Alle zwei bis drei Monate werden bis zu vier Pflaster auf die schmerzhaftesten Hautareale aufgebracht und i.d.R. 30 Minuten dort belassen. Die deutschen Leitlinien empfehlen die Anwendung in der Erstlinientherapie, gleichwertig zu gängigen Medikamenten wie z.B. Pregabalin, Amitriptylin oder Duloxetin [5].

Neue Therapieoptionen

Bei therapierefraktärer schmerzhafter diabetischer Neuropathie ergab die tiefe Rückenmarkstimulation vielversprechende Ergebnisse. In einer aktuellen Studie reduzierte die Hochfrequenz-Stimulation (10 kHz) die Schmerzen nach 24 Monaten um durchschnittlich 79,9 Prozent verglichen mit den Ausgangswerten; 90,1 Prozent der Patienten berichteten von einer über 50-prozentigen Schmerzreduktion [6]. „Von einer solchen Responderrate können wir bei den Medikamenten nur träumen“, so Bönhof. Zusätzlich verbesserten sich die Lebensqualität, der Schlaf sowie neurologische Funktionen. Interessant ist auch die Gentherapie mit Engensis (VM202), einer Plasmid-DNA für

DIABETISCHES FU ß SYNDROM

Eine Infektion bzw. Ulcus im Fußbereich von DiabetesPatienten ist gekennzeichnet durch ein lokales Ödem oder Verhärtung, Erythem (>0,5 cm), lokalem Schmerz, Eiter und Fieber. Als Goldstandard gilt die Gewebe-Kultur, im Praxisalltag wird jedoch häufig nur eine Abstrich-Kultur angelegt. Die Therapie umfasst die Revaskularisierung (mittels Bypass-Operation oder Angioplastie), Druckentlastung (möglichst mit nicht-abziehbarem Cast), chirurgisches oder alternatives Debridement und die Infektionsbehandlung [8]. Bei der Antibiose wird zwischen milder und moderater/schwerer Infektion unterschieden und je nach klinischer Präsentation und mikrobiologischen Daten behandelt [9].

zwei Isoformen des Hepatocyte-GrowthFactors (HGF), die intramuskulär verabreicht wird. HGF soll sich positiv auf die Aufrechterhaltung von Neuronen und das Wachstum von Axonen auswirken. Wie eine Phase-III-Studie zeigte, verbesserten sich die Schmerzen in der Interventionsgruppe signifikant und klinisch relevant verglichen mit Placebo, insbesondere bei Teilnehmenden ohne gleichzeitige Therapie mit Gabapentin/Pregabalin [7]. „Der analgetische Effekt hielt bis acht Monate nach der letzten Injektion an, was möglicherweise auf einen krankheitsmodifizierenden Effekt schließen lässt“, berichtete Bönhof. ▪ Dr. Marion Hofmann-Aßmus

Literatur

1. Ziegler D et al. J Diabetes Investig. 2020; 11:1272-1277

2. Ziegler D et al. BMJ Open 2015; 5: e006559

3. Balducci S et al. J Diabetes Complications 2006; 20(4):216-223

4. Tesfaye S et al. Lancet 2022; 400(10353):680-690

5. Ziegler D et al. Diab Res Clin Pract 2022; 186:109063

6. Petersen EA et al. Diabetes Res Clin Pract 2023; 203:110865

7. Kessler JA et al. Clin Transl Sci 2021; 14:1176-1184

8. Chen P et al. Diabetes Metab Res Rev 2024; 40(3):e3644

9. IWGDF/IDSA Infection guideline (2023 update) https://iwgdfguidelines.org/infection-guideline-2023/

Quelle: Deutscher Diabetes Kongress (DDG) Session: „Diabetische Polyneuropathie neu gedacht“, am 09.05.2024 in Berlin und online.

Diabetic Kidney Disease

Neue Therapien bei diabetischer Nierenkrankheit

Wie gut lässt sich das Fortschreiten einer diabetischen Nephropathie bei Typ-2-Diabetes medikamentös begrenzen? Ein Problem ist bereits, jene Patienten zu identifizieren, die tatsächlich stark gefährdet sind. Der Nachweis von prognostischen Vorteilen neuer Medikamente ist dementsprechend anspruchsvoll.

Typ 2 Diabetes, zusammen mit einem hohen Blutdruck, ist im Langzeitverlauf die häufigste Ursache für das Auftreten einer chronischen Nierenschädigung.

Eine diabetische Nierenkrankheit (DKD –diabetic kidney disease) kann bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eines Typ-2-Diabetes (T2D) bestehen. Wichtig: „Eine andere Ätiologie sollte unwahrscheinlich sein“, sagte Dr. Christian Gerdes vom Universitätsklinikum Jena beim „Internationalen Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie“ in Jena. Letztlich handle es sich um eine Ausschlussdiagnose. Gekennzeichnet ist die DKD durch eine Albuminurie und/oder durch eine reduzierte eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) von <60 ml/min/1,73 m2 über drei Monate. Die Albuminurie (>30 mg/g Kreatinin oder >30 mg im 24-StundenSammelurin) sollte mehr als einmal festgestellt worden sein, da es sich um eine störanfällige Messung handle, sagte Gerdes. „Man sollte dies zweimal innerhalb eines Quartals messen.“ Einer relevanten Albuminurie vor der Diabetesdiagnose (>300 mg/g Kreatinin) oder auffälligem Sediment sollte labordiagnostisch, per Bildgebung oder auch per Nierenbiopsie nachgegangen werden.Behandlungsziel bei DKD ist es, das Fortschreiten der Nierenerkrankung und kardiovaskuläre Erkrankungen zu verhindern. Dafür schätzen Nephrologen gemäß KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Standard ab, wie hoch das Risiko ist, ein Nierenversagen zu entwickeln. In der Praxis sei dies für den Einzelfall jedoch trotz Anwendung von Wahrscheinlichkeitsrechnern kaum seriös einzuschätzen, warnten Gerdes und PD Dr. Christof Kloos aus Jena. Auch mit neueren experimentellen Biomarkern gelinge es bislang nicht, sich der individuellen Prognose einer DKD anzunähern.

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Das Dexcom G7 ist in einer mmol/L- und mg/dL-Ausführung verfügbar. | 1 Dexcom G7 Benutzerhandbuch. 2023;9:115. | 2 Thomas A, et al. Expertenaustausch zum Einsatz von kontinuierlichem Glukosemonitoring (CGM) im Diabetesmanagement: Eine aktuelle Bestandsaufnahme und Blick in die Zukunft. Diabetologie. 2022;1-12. | 3 Dexcom G7 Benutzerhandbuch. 2023;1:3. | 4 Garg SK, et al. Accuracy and Safety of Dexcom G7 Continuous Glucose Monitoring in Adults with Diabetes. Diabetes Technol Ther. 2022;24(6):373-380. | 5 https://www.dexcom.com/de-de/pumpen | Dexcom G7 Empfänger optional. | Kompatible Geräte sind separat erhältlich. Eine Liste kompatibler Geräte finden Sie unter: www.dexcom.com/compatibility | Dexcom, Dexcom Clarity, Dexcom Follow, Dexcom One, Dexcom Share, Share sind eingetragene Marken von Dexcom, Inc. in den USA und sind möglicherweise in anderen Ländern eingetragen. © 2024 Dexcom, Inc. Alle Rechte vorbehalten. | www.dexcom.com | +1.858.200.0200 | Dexcom, Inc. 6340 Sequence Drive San Diego, CA 92121 USA | MDSS GmbH, Schiffgraben 41, 30175 Hannover, Germany | MAT-3573 REV001/ 05. 2024 | Agenturfoto. Mit Model gestellt. Dexcom Deutschland GmbH | Haifa-Allee 2 | 55128 Mainz | Medizinischer Kontakt: +49 6131 4909065

Das bedeutet: Alle DKD-Patienten erhalten mehr oder weniger die gleiche Therapie. Und dies wiederum heiße, so Gerdes, dass diese Behandlung möglichst nebenwirkungsarm und sicher sein sollte.

Neue Therapieansätze

Lange Zeit standen bei DKD Lebensstilmodifikationen (Diät, körperliche Aktivität, Raucherentwöhnung, Gewichtsreduktion), die glykämische und Blutdruck-Kontrolle sowie das Lipidmanagement im Mittelpunkt. Gerdes wies darauf hin, dass bei Diabetes mit arterieller Hypertonie und Albuminurie ACE-Inhibitoren oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker stets ausdosiert werden sollten, sofern dies toleriert wird. Allerdings persistiert selbst bei optimierter Glukosestoffwechseleinstellung und Blockade des RAS (Renin-Angiotensin-System) ein inflammatorisches und profibrotisches Milieu. Dieses wird versucht mit neuen Therapieansätzen zu modulieren. So bewirken Inhibitoren von SGLT-2 (Natrium-Glukose-Kotransporter 2) außer einer Glukoseexkretion und einer negativen Salzund Wasserbilanz auch eine Reduktion der Fibrose. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Progression einer Niereninsuffizienz verlangsamt wird. Daher raten Fachgesellschaften bei T2D zur frühen Kombination mit einem SGLT-2-Inhibitor. In den KDIGO-Empfehlungen von 2022 neu hinzugekommen sind die Therapie mit Glucagon-like Peptide-1-RezeptorAgonisten (GLP-1-RA) sowie nichtsteroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (ns-MRA). GLP-1-RA sind demnach bei T2D zu bevorzugen, wenn Metformin und SGLT-2-Inhibitoren nicht ausreichen, um die glykämischen Ziele zu erreichen oder wenn deren Einnahme nicht möglich ist [1].

Ein ns-MRA kommt ergänzend dann infrage, wenn ein „hohes Restrisiko für das Fortschreiten der Nierenerkrankung und kardiovaskuläre Ereignisse“ besteht, heißt es in der Leitlinie. Dies ist bei persistierender Albuminurie (>30 mg/g Kreatinin)

WENN METFORMIN NICHT AUSREICHT

In den KDIGO-Empfehlungen 2022 neu hinzugekommen sind die Therapie mit Glucagon-like Peptide-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) sowie nichtsteroidalen Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (ns-MRA).

der Fall. Einzige zugelassene Substanz ist bislang Finerenon. Auf die Zulassungsstudien für dieses Präparat gingen Gerdes und Kloos kritisch ein.

Bekannt ist, dass die Antagonisierung von MR-Rezeptoren selbst bei bestehender RASBlockade eine zusätzliche Reduktion der Proteinurie bewirkt. Bislang spielten klassische MRA (Spirinolacton, Eplerenon) bei DKD keine Rolle, weil sie vermehrt mit Hyperkaliämie einhergehen und weil für sie keine Phase-III-Studien bei chronischer Niereninsuffienz mit und ohne Diabetes vorliegen. Die Besonderheit des nichtsteroidalen Finerenons im Vergleich zu den steroidalen MRA ist die selektive Wirkung am Rezeptor. Finerenon hat keine Affinität zu Glukokortikoid- oder Androgenrezeptoren. In den Zulassungsstudien FIDELIO und FIGARO bei T2D-Patienten war über alle DKD-Stadien hinweg eine Senkung des kardiovaskulären Risikos und eine verlangsamte Progression der Nephropathie nachgewiesen worden, verbunden mit verminderter Albuminurie.

Adäquate Vergleichstherapie fehlt Die Frage ist, welche Patienten tatsächlich für das Medikament qualifiziert sind. Gerdes wies auf die hohe Ausschlussquote von fast 60 Prozent beim Screening für die Studien hin. So durfte der KaliumWert bei maximal 4,8 mmol/l liegen, keine Herzinsuffizienz (NYHA II-IV), keine Leberzirrhose oder Nierenarterienstenose bestehen. Zum Zeitpunkt des Studiendesigns waren SGLT-2-Inhibitoren noch kein Standard, nur wenige Studienteilnehmer nahmen einen solchen Wirkstoff ein – insofern fehle aus heutiger Sicht die

adäquate Vergleichstherapie, so Gerdes und Kloos.

In FIDELIO profitierten von Finerenon nach Angaben der Internisten hinsichtlich des primären Endpunktes (eGFR-Abfall ≥40 Prozent oder renaler Tod oder Nierenversagen) lediglich Patienten mit einem Body Mass Index <30 kg/m2 sowie mit bereits bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen. Trotz der Einschlusskriterien und obwohl Kaliumbinder erlaubt waren, traten Hyperkaliämien (>5,5 mmol/l) signifikant häufiger auf als unter Placebo (ca. 22 Prozent vs. 12 Prozent). Leider sei nicht über das Hyperkaliämie-Risiko in Abhängigkeit von der Ausgangs-eGFR berichtet worden, kritisierte Gerdes.

Weiterhin habe der systolische Blutdruck im Mittel bei 138 mmHg gelegen und damit deutlich oberhalb der KDIGO-Empfehlung von <120 mmHg. Beim Vergleich der Gruppen ergebe sich in der FinerenonGruppe ein über die Zeit konsistent niedrigerer Blutdruck von knapp 3 mmHg im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Internisten wiesen außerdem darauf hin, dass mit dem ns-MRA kein dialysepflichtiges Nierenversagen verhindert werden konnte – bei allerdings relativ kurzer Studiendauer (mittlere Nachbeobachtungszeit: 2,6 Jahre).

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat keinen Zusatznutzen von Finerenon bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung im Stadium 3 und 4 mit Albuminurie in Verbindung mit T2D anerkannt. Er sah allerdings für Patienten mit leichter Nierenfunktionseinschränkung (Stadium 1 und 2) einen Anhaltspunkt für einen „nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“, und zwar mit Blick auf Vorteile bei der Gesamtmortalität sowie der Nierenfunktion. ▪ Dr. Thomas Meißner

Quellen:

Veranstaltung: XXXIV. Internationaler Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie, 22.-24.03.2024 in Jena

1. KDIGO 2022 Clinical Practice Guideline for Diabetes management in Chronic Kidney Disease. Kidney Int 2022; 102 (Suppl 5S):S1-S127

Ein Screening auf Typ-1-Diabetes im Frühstadium ist heute bereits möglich, über den Einsatz wird allerdings kontrovers debattiert.

Screening auf Typ-1-Diabetes: Nutzen oder Risiko?

Ein Antikörperscreening, mit dem sich Kinder in einem sehr frühen Stadium eines Typ-1-Diabetes erkennen lassen, wird in Deutschland bereits in Studien durchgeführt. Ein Beispiel ist die Fr1da-Studie aus Bayern, die seit 2015 läuft: Teilnehmende Eltern können ihre Kinder zwischen zwei und zehn Jahren im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung kostenfrei auf Typ-1-Diabetes im Frühstadium screenen lassen. Nutzen und Risiken eines solchen Screenings werden allerdings teils kontrovers diskutiert. Der höchste Nutzen eines Screenings wäre, wenn sich dadurch der Ausbruch einer Erkrankung verhindern ließe. Eine solche Therapie ist bei Typ-1-Diabetes zwar nicht in Sicht. In den USA ist jedoch kürzlich ein Antikörper zugelassen worden, der zumindest die Entwicklung eines Typ1-Diabetes um im Mittel rund zwei Jahre verzögern kann, aber auch Nebenwirkungen wie eine Lymphopenie haben kann: Teplizumab. In Europa ist der Antikörper, der die fortschreitende Zerstörung der Insulin-sezernierenden Inselzellen des

Pankreas durch autoreaktive T-Lymphozyten verhindert, bisher nicht zugelassen.

Typ-1-Diabetes verläuft in drei Stadien Verabreicht werden kann der Antikörper laut US-Zulassung an Personen ab acht Jahren, die an einem Typ-1-Diabetes im Stadium 2 leiden. Zur Erinnerung: Typ1-Diabetes verläuft in drei Stadien:

• In Stadium 1 sind zwei oder mehr für Typ-1-Diabetes spezifische Autoantikörper (z.B. gegen Insulin IAA, Glutamatdecarboxylase GADA oder Insulinomaassoziiertes Antigen 2 IA-2) nachweisbar, der oder die Betroffene ist aber noch normoglykämisch.

• In Stadium 2 ist neben den Inselautoantikörpern eine Dysglykämie nachweisbar.

• In Stadium 3 hat sich ein Typ-1-Diabetes manifestiert.

Professorin Annette-Gabriele Ziegler von der TU München, die die Fr1da-Studie leitet, sieht in Teplizumab einen echten Durchbruch. „Damit viele Menschen und insbesondere Kinder von einer solchen

Krankheits-verzögernden Therapie profitieren, sollte ein freiwilliges Screening auf Insel autoantikörper in der Regelversorgung angeboten werden“, resümierte die Diabetologin.

Doch ist das Screening sensitiv genug –und bietet es tatsächlich einen Nutzen oder doch mehr Risiken? In dieser Frage sind sich die Expertinnen und Experten uneins.

Mögliche Vorteile…

Ziegler berichtete von einer Sensitivität von 82 Prozent, wenn jeweils im Alter von zwei und sechs Jahren auf Typ-1-Diabetes-spezifische Autoantikörper gescreent werde. Die Gefahr falsch-positiver Ergebnisse und damit möglicherweise unnötiger Therapien sieht sie als sehr gering an, da das Ergebnis mehrfach überprüft werde:

Zwei Antikörper müssen in zwei unterschiedlichen Tests in zwei separaten Blutproben positiv sein. Vorteile des Screenings auf Typ-1-Diabetes im Frühstadium im Vergleich zu einer spontanen Diagnose sieht sie daher mehrere:

• Die Ketoazidose-Rate mit potenziell schweren Folgen bei Kindern könne reduziert werden: Zwischen 2015 und 2023 habe die Ketoazidose-Rate in der Fr1daStudie bei 4,3 Prozent gelegen, berichtete Ziegler. Im DPV-Register, in dem bundesweit über 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes erfasst sind, habe die Ketoazidose-Rate hingegen im Jahr 2019 bei 24 Prozent, im CoronaJahr 2020 sogar bei 44 Prozent gelegen.

• Die Betazell-Funktion bei klinischer Manifestation und die Stoffwechseleinstellung sei günstiger als bei einer spontanen Diagnose. Das zeige ein Vergleich mit Kindern aus der DiMelli-Studie.

• Die Lebensqualität der Eltern verbessere sich.

• Der Übergang zu einer Insulintherapie zum richtigen Zeitpunkt gestalte sich reibungsloser.

• Durch das Screening könne ein Zugang zu präventiven Therapien (wie Teplizumab) ermöglicht werden.

Anders sieht das Professorin Beate Karges von der RWTH Aachen. Als erfüllt betrachtet sie nur drei Punkte der von der von der WHO publizierten Kriterien (nach Wilson und Jungner [2], modifiziert nach [3]) für ein populationsbasiertes Screening, nämlich die Punkte 1, 5 und 9 (s. Kasten).

... und mögliche Nachteile

Karges identifizierte hingegen mehrere Risiken eines generellen Screenings:

• Ein Problem sei unter anderem das Phänomen der „transienten Betazell-Immunität“. Dabei handelt es sich um Typ1-Diabetes-spezifische Autoantikörper, die nur vorübergehend auftreten. Ein Forschungsteam aus Finnland habe in einer populationsbasierten Analyse über 27 Jahre festgestellt, dass 33 Prozent der GAD-Antikörper und 57 Prozent der IA2-Antikörper nur vorübergehend nachweisbar waren [4]. Hier bestehe das Risiko einer unnötigen Therapie – mit möglichen Nebenwirkungen:

• Denn eine Behandlung mit dem Anti -

12 KRITERIEN FÜR EIN POPULATIONSBASIERTES SCREENING

1. Die Erkrankung ist ein wichtiges Gesundheitsproblem,

2. die Zielpopulation ist definiert und erreichbar,

3. über das Screening lässt sich eine akzeptierte Therapie mit verbessertem Outcome erreichen,

4. Behandlungsmöglichkeiten sind vorhanden,

5. latentes oder früh symptomatisches Stadium der Erkrankung sind klar erkennbar,

6. es gibt einen geeigneten Test mit guter Performance, 7. dieser sollte in der Bevölkerung akzeptiert und

8. eindeutig interpretierbar sein,

9. die Pathogenese der Erkrankung sollte verstanden,

10. die Kosten ausgewogen, 11. der Gesamtnutzen größer als die Risiken sein und

12. es sollte möglich sein, das Screening-Programm dauerhaft zu verankern.

Quelle: [3]

körper könne schwere Infektionen, Lymphopenie sowie ein Zytokinfreisetzungssyndrom oder eine Hypersensitivitätsreaktion zur Folge haben.

• Hinzu komme, dass bei sieben bis 15 Prozent der Menschen mit Typ-1-Diabetes überhaupt keine Autoantikörper nachweisbar seien, diese würden von dem Test also gar nicht erfasst.

• Und: Es gebe mit Pumpentherapie und CGM (kontinuierlichem Glukose-Monitoring) schon heute effektive Therapieoptionen.

„Ein Screening ist sinnvoll, wenn die Krankheit in der präklinischen Phase heil-

bar oder die Prognose bei früher Diagnose und Behandlung erheblich besser ist“, so Karges. Dies sei bisher nicht der Fall. Daher sprach sich die Diabetologin weiter für einen Einsatz des Screenings lediglich im Kontext von Forschungsprojekten aus. ▪ Anne Bäurle

Quellen:

1. Diabetologia 2023, online 17. Juni; DOI: 10.1007/ s00125-023-05953-0

2. Wilson JM et al.The principles and practice of screening for disease; WHO 1968

3. Arch Dis Child 2022;107:790–795. DOI: 10.1136/ archdischild-2021-321864

4. Diabetes Care 2010; 33(6):1206–121; DOI: 10.2337/ dc09-1040

Ein Screening auf ein sehr frühes Stadium eines Typ-1-Diabetes bei Kindern wird heute bereits in Studien durchgeführt. Ob ein solches Screening in der Allgemeinbevölkerung einen Nutzen hat oder tatsächlich mehr Risiken birgt, wird von Expertinnen und Experten unterschiedlich bewertet. Mit Teplizumab könnte Kindern, die mittels Screening identifiziert werden, eine Therapieoption zur Verfügung stehen, die die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes zumindest verzögern kann. In Deutschland ist Teplizumab derzeit aber nicht zugelassen. Künftig könnten neue präventive Medikamente grundsätzlich aber dazu führen, dass das Screening den Weg in die Regelversorgung findet.

FAZIT

Praxishilfe Typ-2-Diabetes

1. Therapiealgorithmus:

Nach Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Basistherapie: Indikation zur medikamentösen Therapie unter Berücksichtigung individueller Therapieziele und unter Fortführung der nicht-medikamentösen Therapie

Abschätzung des Risikos für diabetesassoziierte kardiovaskuläre und/oder renale Ereignisse

Kein hohes Risiko

Hohes Risiko (z. B. klinisch relevante renale Erkrankung)

Klinisch relevante kardiovaskuläre Erkrankung

Metformin

Hinweis: Nach DEGAM/AkdÄ: ggf. weitere Intensivierung mit Sulfonylharnstoffen (DPP-4-Hemmer nur Ausnahme)

Individuelle Bewertung und gemeinsame Entscheidungsfindung

Metformin plus* SGLT2-Inhibitoren oder GLP-1-RA (Auswahl entsprechend der Effekte auf priorisierte Endpunkte, siehe Tabelle auf der Rückseite)

*Bei einem HbA1c von ≤ 7% (53 mmol/mol) liegen keine Daten für die Wirksamkeit einer Kombitherapie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Herzinsuffizienz vor.

Ggf. Intensivierung, wenn Therapieziel nach 3–6 Monaten nicht erreicht

2. Orientierende, vergleichende Betrachtung der Substanzklassen

Medikament Gesamtmortalität

SGLT-2Inhibitoren

Kardiovaskuläre Endpunkte

Mikrovaskuläre Endpunkte

Renale Endpunkte

Empagliflozin (Jardiance®, in Glyxambi®) + MACE**: + CV-Tod: + HHI***: + +

Canagliflozin (Invokana®, kein Vertrieb mehr in D)

Dapagliflozin (Forxiga®, in Xigduo®)

GLP-1-RA

Hypoglykämien*

HbA1c, Gewicht Sicherheitshinweise

HbA1c: + Gewicht: +  Risiko genitaler Infektionen, atypischer Ketoazidose, Fournier-Gangrän

MACE: + HHI: + Amputationen: –+ HbA1c: + Gewicht: +

HHI: + + HbA1c: + Gewicht: +

Liraglutid (Saxenda®, Victoza®) + MACE: + CV-Tod: + +

Exenatid (Bydureon®, Byetta®) +

Semaglutid s.c. (Ozempic®)

MACE: + Retinopathie: –+

Semaglutid oral (Rybelsus®, bisher in D nicht auf dem Markt) + CV-Tod: +

Lixisenatid (Suliqua®)

Albiglutid (Eperzan®, nicht mehr auf dem Markt)

Dulaglutid (Trulicity®)

Metformin

 bei Krankheit pausieren

 Gewichtsreduktion (bei Frailty unerwünscht)

HbA1c: + Gewicht: +  gastrointestinale Nebenwirkungen, Gallensteine

HbA1c: + Gewicht: +

HbA1c: + Gewicht: +

HbA1c: + Gewicht: +

HbA1c: + Gewicht: +

 bei den meisten Wirkstoffen Injektionen notwendig

 Gewichtsreduktion (bei Frailty unerwünscht)

MACE: +

MACE: + +

Sulfonylharnstoffe –

DPP-4Hemmer

Insulin –

HbA1c: + Gewicht: +

HbA1c: + Gewicht: +

HbA1c: + Gewicht: +  Risiko der Laktat azidose  bei Krankheit pausieren

HbA1c: + Gewicht: Risiko schwerer prolongierter Hypoglykämien

HbA1c: +  Risiko für Pankreatitis, entzündliche Darmerkrankungen

HbA1c: + (dosisabhängig) Gewicht: Risiko für Hypoglykämien, besonders zu Therapiebeginn  Lipohypertrophien  Injektionen nötig

Hinweis: Vereinfachte Tabelle nach NVL Typ-2-Diabetes; + weist auf einen eindeutig positiven Effekt hin (in Bezug auf Gewicht: Gewichtsabnahme), - auf einen eindeutig negativen. Daten ohne ausreichende Evidenz oder aus Studien mit niedriger methodischer Qualität wurden nicht berücksichtigt.

*Das Hypoglykämierisiko schätzt die NVL für alle Medikamente außer Sulfonylharnstoffe und Insulin als gering ein. Für Sulfonylharnstoffe und Insulin schätzt die NVL das Hypoglykämierisiko als erhöht ein, diese sind daher gesondert gekennzeichnet.

**MACE: i. d. R. kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, Myokardinfarkt (Definitionen teils heterogen)

***HHI: Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung

Erstellt von: Anne Bäurle Stand: 29.07.2024

Quellen: NVL Typ-2-Diabetes, Gelbe Liste

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1. Das Setzen eines Sensors erfordert ein Einführen des Sensorfilaments unter die Haut. Der Sensor kann bis zu 14 Tage lang getragen werden. 2. Eine zusätzliche Prüfung der Glukosewerte mittels eines BlutzuckerMessgeräts ist erforderlich, wenn die Symptome nicht mit den Messwerten oder den Alarmen des Systems übereinstimmen. 3. Kröger, J. et al. Diabetes Ther, 2020; 11(1):279–291. 4. Evans, M. et al. Diabetes Ther. 2022. https://doi.org/10.1007/s13300-022-01253-9. 5. Bolinder, J. et al. The Lancet. 2016; 388(10057):2254–2263. 6. Haak, T. et al. Diabetes Ther. 2017; 8(1):55–73.

Agenturfoto. Mit Model gestellt. Glukosedaten dienen zur Illustration, keine echten Patientendaten. Das Lesegerät oder die Apps der FreeStyle Libre Messsysteme sind sowohl in mg/dL als auch mmol/L erhältlich. Das Sensorgehäuse, FreeStyle, Libre und damit verbundene Markennamen sind Marken von Abbott. © 2024 Abbott. ADC-56178 v6.0

Behandlungsoptionen

Ältere mit Diabetes: Bewegung fördern – gewusst wie!

Regelmäßig bewegen und langes Sitzen vermeiden – das sind wichtige Empfehlungen für ältere Menschen, insbesondere solche mit Diabetes. Ein detaillierter Blick auf geeignete Sportarten zeigt, dass sich Multikomponenten-Aktivitäten wie Yoga oder Tai Chi auf verschiedene Gesundheitsbereiche auswirken. Sie helfen nicht nur dabei den Blutzucker zu senken, sondern haben auch positive Effekte auf die Psyche und die kognitiven Fähigkeiten.

Zahlreiche Erkrankungen älterer Menschen lassen sich mit Bewegung behandeln – für mindestens 26 davon existieren wissenschaftliche Belege [1]. Darunter finden sich kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Hypertonie, neurologische Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson sowie metabolische Erkrankungen wie Adipositas oder Typ-1und Typ-2-Diabetes. Laut Dr. Stephan Kress aus Landau in der Pfalz sollte sich die Bewegungsförderung an der individuellen körperlichen Fitness, dem Gebrechlichkeits-Status und den vorliegenden Erkrankungen orientieren. „Das macht eine differenzierte Betreuung des Trainings notwendig“, erklärte der Diabetologe. Die WHO rät für ältere Menschen über 65 Jahre zu mindestens 150 Minuten moderater oder 75 Minuten intensiver Bewegung pro Woche, zusätzlich zweimal wöchentlich Krafttraining und an mindestens drei Tagen eine abwechslungsreiche Mehrkomponenten-Bewegung mit funktionellem Gleichgewichts- und Krafttraining – um die funktionelle Leistungsfähigkeit zu verbessern und Stürzen vorzubeugen. Insbesondere sollten lange Sitzphasen vermieden bzw. durch körperliche Aktivität

regelmäßig unterbrochen werden [2]. Die aktuellen Zahlen sind allerdings ernüchternd: Nur 17,4 Prozent der Frauen und 23,6 Prozent der Männer ab 65 Jahren entsprechen diesen Empfehlungen zur Ausdauer- und Muskelkräftigung [3].

Alltagsaktivität steigern

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sollte die Bewegungsförderung überall dort erfolgen, wo sich ältere Erwachsene aufhalten. Also auch in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wie etwa Arztpraxen. Für die praktische Umsetzung rät Kress zu einem schriftlichen „Therapieplan für Bewegung“ der auf den Erfahrungen und Präferenzen der Patienten aufbaut*. Dieser sollte mit realistischen, kleinen Anforderungen beginnen und sich langsam steigern. „Der erste Schritt ist immer die Erhöhung der Alltagsaktivität“, erklärte Kress. Also beispielsweise die Treppe nehmen anstelle des Aufzugs, häufiger zu Fuß gehen oder radeln. Ein Bewegungstagebuch kann dabei helfen, abzuschätzen, ob Umfang und Art der Bewegung richtig bemessen wurden. Eine gute Rückmeldung vermitteln z.B. Schrittzähler, doch auch die Anwendung der kontinuier-

* Der Therapieplan für Bewegung ist bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft e. V. erhältlich (www.ddg.info Stichwort: „Therapieplan für Bewegung“).

BZGA-PROGRAMM „GESUND & AKTIV ÄLTER WERDEN “

Die BZgA unterstützt die Bewegungsförderung mit zahlreichen Online-Bewegungsangeboten und Tipps für einen bewegten Alltag. Zudem stellt sie zwei qualitätsgesicherte Bewegungsprogramme zur Verfügung, die sich an ältere Menschen ab 65 Jahren bzw. an Menschen mit Pflegebedarf richten. Mehr Informationen finden sich im Internet unter: www.gesund-aktiv-aelter-werden.de

lichen Glukosemessung (CGM) kann die Lebensstilverbesserung fördern, denn sie zeigt den Effekt von Bewegung auf die Glukosewerte sofort an.

Yoga verbessert glykämische Kontrolle „Verschiedene Tai Chi- oder Yoga-Übungen haben einen ähnlichen Trainingseffekt wie ein Spaziergang“, erklärte Dr. Ulrike Becker, Bonn. Da Spazierengehen vielen Patienten als moderat intensive Ausdaueraktivität empfohlen wird, könnten bestimmte Formen des Tai Chi oder Yoga also einen Teil dieser aeroben Aktivität ersetzen. Zu den allgemeinen Effekten von Yoga gehören laut Becker Stressreduktion, Verbesserung des Gleichgewichts, der Lungenfunktion und der Muskelkraft sowie eine Gewichtsabnahme.

Welchen Effekt Yoga bei Typ-2-Diabetes hat, untersuchte eine Metaanalyse mit 23 Studien und über 2.740 Teilnehmern [4]. Verglichen mit der Kontrollgruppe verringerten sich durch Yoga der HbA1c-Wert, das Lipidprofil, der diastolische Blutdruck, der Kortisolspiegel und der BMI signifikant. „Spannend finde ich, dass Programme, die zusätzlich Atemübungen und meditative Aspekte enthielten, bessere Ergebnisse bezüglich des BMI erzielten“, berichtete die Diabetologin. Wie eine weitere Metaanalyse zeigte, verbessert eine Yoga-Intervention neben dem Gleichgewicht, der Beweglichkeit und der Muskelkraft auch Depressionssymptome bei ≥ 60-Jährigen [5].

Bessere kognitive Funktion mit Tai Chi Die Bewegungslehre Tai Chi hat ebenfalls Effekte auf die glykämische Kontrolle bei Typ-2-Diabetes – das belegt eine Metaanalyse mit 1.300 Teilnehmern [6]. Im Vergleich zu aerobem Training (z.B. Nordic Walking, Joggen, Radfahren) fand sich zwar kein Unterschied beim Nüchternblutzucker, allerdings zeigt sich mit Tai Chi ein deutlich besserer HbA1c-Wert. Ein leichter Vorteil gegenüber aerober Aktivität (fitness walking) ergab sich auch hinsichtlich der kognitiven Funktion älterer Menschen mit Typ-2-Diabetes und milder kognitiver Beeinträchtigung [7]. Zwar verbesserten beide Bewegungsarten die kognitive Funktion, gemessen anhand des Montreal Cognitive Assessment (MoCA), doch zeigte nur Tai Chi einen länger anhaltenden Effekt bis zu 12 Wochen nach Beendigung der Intervention. Auch auf die bei älteren Menschen häufige Kniearthrose hat Tai Chi einen Einfluss: In einer Metaanalyse verbesserte sich die Gehgeschwindigkeit in der Gruppe mit Tai Chi im Vergleich zur inaktiven Kontrollgruppe [8]. „Tai Chi ist offensichtlich in der Lage, die Symptome der Gonarthrose deutlich zu lindern“, erklärte Becker Zur Frage, welche Bewegungsart man nun empfehlen sollte, erklärte Becker: "Sie können jede Bewegung empfehlen, ob Krafttraining, aerobes Training, Tai Chi oder Yoga – alle bringen etwas." Bei der Effektstärke schneiden Multikomponenten-Aktivitäten wie Tanzen, Tai Chi oder Yoga jedoch besonders gut ab [9]. ▪ Dr. Marion Hofmann-Aßmus

Literatur:

1. Pedersen BK, Saltin B. Scand J Med Sci Sports 2015; 25(3):1–72

2. Bull FC et al. Br J Sports Med 2020; 54(24):1451–1462

3. Richter A et al. J Health Monit 2021; 6(3):28-48

4. Thind H et al. Prev Med 2017; 105:116–126

5. Ko K et al. Int J Older people Nurse 2023; 18(5):e12562

6. Guo S et al. J Rehabil Med 2021; 53(3):jrm00165

7. Chen Y et al. JAMA Netw Open 2023; 6(4):e237004

8. You Y et al. Medicine (Baltimore) 2021;100(6):e25655

9. Chen FT et al. Sports Med 2020; 50(8):1451–1467

Quelle: Deutscher Diabetes Kongress (DDG) Session: „Bewegungsförderung von älteren Menschen – welche Bewegung für wen?“, am 11.05.2024 in Berlin und online.

Pro & Kontra

Diagnose Typ-2-Diabetes: Bedeutet früher auch besser?

Der Typ-2-Diabetes müsse pathophysiologisch als Kontinuum aufgefasst werden – von Adipositas, Prädiabetes bis hin zum manifesten Diabetes. Das sagen Befürworter einer möglichst frühen Diagnose. Mit dieser ließen sich vielfach manifeste Diabetes- und Folgeerkrankungen verhindern. Dafür gebe es keine ausreichenden Belege, sagen Gegner dieser These. Das Konzept des Prädiabetes sei falsch. Schon jetzt gebe es eine Überdiagnostik, aktuelle Grenzwerte seien fragwürdig.

Pro

Das Verständnis des Typ-2-Diabetes (T2D) habe sich in den vergangenen Jahren gewandelt, konstatierte Privatdozentin Johanna Brix vom Diabeteszentrum Wienerberg in Wien beim „Internationalen Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie“ in Jena. Adipositas, Prädiabetes und manifester T2D müssten als Kontinuum aufgefasst werden: während der Nüchternblutzucker über Jahre vorerst stabil bleibt, nimmt die Insulinresistenz von Muskel-, Leber- und Fettzellen sukzessive zu. Übermäßige Kalorienzufuhr führt zu Fettablagerungen in Leber und Pankreas mit gesteigerter Glukoneogenese und erhöhter Lipotoxizität, die Betazellfunktion nimmt allmählich ab.

Prädiabetischer Stoffwechsel mit Langzeitschäden

Bereits die prädiabetische Stoffwechsellage sei mit kardiovaskulären und chronischen Nierenerkrankungen sowie mit vermehrtem Auftreten von Herzinsuffizienz assoziiert, sagte Brix. Die Entwicklung vom prädiabetischen Zustand hin zum manifesten

T2D erhöhe das Herzinsuffizienzrisiko um 50 Prozent, die Rückkehr zur Normoglykämie reduziere das Herzinsuffizienzrisiko um 39 Prozent, so die Endokrinologin [1]. Bei frühzeitig guter Glukosestoffwechseleinstellung könne mit weniger Spätfolgen eines Diabetes gerechnet werden, so Brix mit Verweis auf Studien wie DCCT (Diabetes Control and Complication Trial) sowie EDIC (Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications Trial). „Eine frühe intensive glykämische Kontrolle ist mit einem verringerten Risiko von mikrovaskulären Komplikationen und Myokardinfarkt verbunden.“ Ein um absolut ein Prozent höherer HbA1c zu Beginn des T2D war in der UKPDS-Studie nach 20 Jahren mit einem 36 Prozent höherem Mortalitätsrisiko assoziiert – Diabetologen sprechen vom „Legacy-Effekt“ (legacy, engl.: Vermächtnis, Erbe, Nachlass) [2]. Eine Metaanalyse aus 129 Studien, die 10 Millionen Teilnehmer umfassten, hat die Assoziation zwischen Prädiabetes und erhöhter Gesamtmortalität sowie kardiovaskulärer Erkrankungen bestätigt [3]. Die Au-

Privatdozentin Dr. Johanna Brix, Diabeteszentrum Wienerberg, Wien

toren der britischen Whitehall-II-Studie erklären die verschlechterte Prognose von Personen mit Prädiabetes mit einer Häufung kardiometabolischer Risikofaktoren, die mit Hyperglykämie einhergehen [4]. Als weiteres Argument führte Brix Langzeitstudien nach bariatrischer Chirurgie an, die über 20 Jahre eine Reduktion mikrovaskulärer Komplikationen in allen Subgruppen anzeigen – am meisten profitierten jene Patienten, die zu Beginn eine prädiabetische Stoffwechsellage hatten [5].

In der deutschen Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie (PLIS) führte eine mehr als fünfprozentige Gewichtsabnahme – das schafften ein Viertel der Teilnehmenden – zu einer Reduktion des Diabetesrisikos um bis zu 58 Prozent. 43 Prozent derjenigen, die mehr als fünf Prozent abgenommen hatten, erreichten eine normale Glukosetoleranz. Bei Medikamenten, die theoretisch zur Diabetesprävention geeignet wären, gebe es positive Studienerfahrungen mit Metformin, Pioglitazon sowie GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid und Semaglutid, erklärte Brix. ▪

Kontra

Dagegen erklärte der Internist und Hausarzt Dr. Kai Mehrländer aus Barmstedt, dass es keinen nachgewiesenen Nutzen eines populationsbezogenen Screenings auf Diabetes gebe. Ein prospektives Diabetes-Screening in der ADDITION-Studie bei 40- bis 69-jährigen Menschen mit moderatem und hohem Risiko hatte bei leitliniengerechter Therapie über knapp zehn Jahre keinen Einfluss auf die kardiovaskuläre oder Diabetes-assoziierte Mortalität [6].

Kritisch bewertet der Koautor der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Typ2-Diabetes zudem die derzeitigen Glukose-Grenzwerte. So war 2003 vor allem wegen der präanalytischen Glykolyse nach der Blutentnahme der Grenzwert der Nüchternplasmaglukose auf zuletzt ≥100 mg/dl (5,6 mmol/l) gesenkt worden. Die WHO, ebenso wie auch die DEGAM und AKdÄ, favorisiert hingegen einen Grenzwert von 110 mg/dl. Der Nüchternblutzucker schwanke intraindividuell von Tag zu Tag stark. Zudem ist die Bestimmung der Nüchternplasmaglukose nur nach sofortiger Zentrifugation des Serums oder in Röhrchen mit Glykolyse-hemmenden Zusätzen gestattet [7]. Damit sei die damalige Begründung für die Absenkung des Nüchterngrenzwerts obsolet, meint Mehrländer.

Nicht jeder leicht erhöhte Blutzucker führt zu einem manifesten Diabetes Außerdem sei der orale Glukosetoleranztest (OGTT) nur dann mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und retinaler Mikroangiopathie assoziiert, wenn eine Glukosetoleranzstörung tatsächlich in einen T2D münde. Daher liefere der OGTT – außer beim Gestations-diabetes – keinen therapierelevanten Zusatznutzen. Dafür sei er aufwendig, teuer und schlecht reproduzierbar, die Schwankung beträgt etwa 15 Prozent.

Auch den „Graubereich“ zwischen 100 bzw. 110 und 125 mg/dl kritisiert Mehrländer. Denn nicht jeder im Graubereich erhöhte Blutzucker mündet in einen manifesten Diabetes: die jährlichen Progressionsraten liegen bei fünf bis zehn Prozent, ein ähnlicher Prozentsatz erreicht die Remission zur Normoglykämie [8]. Es sei absurd, ein Medikament gegen eine Erkrankung zu geben, die noch gar nicht bestehe, meint Mehrländer.

Reviews und Metaanalysen bei erhöhtem Nüchternzucker haben keine wesentlichen Effekte von Diät oder Bewegung allein auf das Diabetesrisiko oder auf das Risiko Diabetes-assoziierter Erkrankungen ergeben, allenfalls die Kombination von intensiver Diät und Bewegung kann die Häufigkeit von Diabeteserkrankungen leicht vermindern [9, 10]. Ebenso sieht Mehrländer keine relevanten Effekte für Medikamente wie Metformin, DPP4-Hemmer oder Insulinsekretagoga auf das Risiko Diabetes-assoziierter Erkrankungen.

„Aus gesunden Menschen werden Kranke gemacht“

Der Internist warnte vor Schäden durch Überdiagnosen und Übertherapie. Aus asymptomatischen, gesunden Menschen würden Kranke gemacht, verbunden mit Angst, Stigmatisierung sowie einem Eingriff in den persönlichen Lebenswandel. Eine erhöhte Nüchternplasmaglukose oder eine Glukosetoleranzstörung sei weder eine Erkrankung noch eine Vorstufe des Diabetes mellitus, sondern allenfalls ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes. Ein Prädiabetes existiere nicht und werde auch in der NVL nicht mehr erwähnt. Er plädierte daher für die Abschaffung des „Graubereiches“ bis 126 mg/dl. ▪

Dr. Kai Mehrländer, Internist und Hausarzt in Barmstädt, Koautor der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2Diabetes

Veranstaltung: XXXIV. Internationaler Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie, 22.–24.03.2024 in Jena

Mögliche Interessenkonflikte Dr. Johanna Brix: Honorare von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Eli Lilly, MSD, Novo Nordisk, Sanofi Aventis Dr. K. Mehrländer hat keine Interessenkonflikte angegeben.

Literatur:

1. Huang JY et al. Diabetes Care 2023; 46:190–96

2. Lind M et al. Diabetes Care 2021; 44:2231–2237

3. Cai X et al. BMJ 2020; 370:m2297

4. Vistisen D et al. Diabetes Care 2018; 41:899–906

5. Carlsson LMS et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5:271–279

6. Simmons RK et al. Lancet 2012; 380:1741–48

7. Kantartzis K et al. Innere Medizin 2023; 64:636–641

8. Richter B et al. Cochrane Database Syst Rev 2018; 10:CD012661

9. Hemmingsen B et al. Cochrane Database Syst Rev 2017; 12:CD003054

10. Zucatti KP et al. Diab Care 2022; 45:2787–95

Charles Herbert Best (1899-1978), links im Bild, und Frederick Grant Banting (1891-1941) 1960 in jenem Labor, wo sie 1921 das Insulin isolierten.

Medizinhistorisches Schlaglicht:

Diabetes

Vor etwa 100 Jahren gelang zum ersten Mal die Isolierung von Insulin. Damit konnte Diabetikern das Leben gerettet werden. Obwohl die Zuckerkrankheit selbst seit Tausenden von Jahren bekannt ist, war Typ-1-Diabetes doch bis zum 20. Jahrhundert ein Todesurteil.

1921, Toronto, Kanada. Frederick Grant Banting, ein 29-jähriger kanadischer Chirurg und Veteran des Ersten Weltkriegs, war entschlossen, einen Weg zu finden, um Diabetikern zu helfen. Inzwischen war bekannt, dass dem Insulin eine Schlüsselrolle bei der Krankheit zukam. Aber noch war es nicht gelungen, das Hormon aus dem Pankreas zu isolieren.

Bei Isolationsversuchen waren stets die Insulin-produzierenden Inselzellen zerstört worden. Banting hatte nun die Idee, den Eingang zur Bauchspeicheldrüse abzuschnüren, um die Inselzellen zu retten.

Bantings Ansatz überzeugte den Leiter des physiologischen Instituts in Toronto, den renommierten schottischen Physiologen John James Rickard Macleod (18761935). Er stellte Banting ein Labor zur Verfügung und gab ihm einen Assistenten, den acht Jahre jüngeren amerikanischen Arzt Charles H. Best.

Erste Erfolge beim Hund Banting und Best machten sich in den Sommermonaten 1921 an die Arbeit. Schon Ende Juli kam der Erfolg: Die beiden jungen Forscher isolierten ihren ersten Pankreasextrakt. Sie spritzen ihn

einem pankreatektomierten Hund. Der Hund war schwer Diabetes-krank und dem Tode nahe. Nach der Spritze sank sein Blutzuckerspiegel schnell. Nach wenigen Stunden wedelte er mit dem Schwanz und bellte.

Die Forscher testeten das Insulin dann in Eigenversuchen. Doch sie stellten fest, dass das vorhandene Fremdeiweiß giftig war. Institutsleiter Macleod holte daraufhin den kanadischen Biochemiker James Bertram Collip (1892-1965) ins Team. Der verfeinerte nicht nur die Extraktionsmethode, sondern hatte auch die Idee, Pankreata von Kälberfeten zu verwenden statt die von erwachsenen Hunden wie bisher. Denn Feten produzieren noch keine Verdauungsenzyme.

Schließlich war die Forschergruppe soweit: Ende Januar 1922 wurde Insulin zum ersten Mal erfolgreich bei einem Menschen eingesetzt. Mit einer täglichen Spritze Insulin war der Diabetes unter Kontrolle. Eine echte Sensation, die schon ein Jahr später belohnt wurde: 1923 erhielten Banting und Macleod den

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Das rekonstruierte Labor, in dem Best und Banting 1921 in Toronto arbeiteten.

Sir Frederick Grant Banting. Der Forscher wurde 1934 vom britischen König George V geadelt.

Medizinnobelpreis. Die beiden waren enttäuscht, dass Bests und Collips Anteil an dem Erfolg nicht mitgewürdigt wurde. Deshalb teilten sie wenigstens das Preisgeld mit den Kollegen. Von nun an konnte Diabetikern zum ersten Mal geholfen werden. Bis zum 20. Jahrhundert war Typ1-Diabetes ein Todesurteil.

Die Zuckerkrankheit ist seit Jahrtausenden bekannt. Vor über 3.000 Jahren schrieben zum Beispiel indische Ärzte von einer Krankheit namens „Honigharn“. Sie hatten beobachtet, dass Fliegen und Ameisen durch den süßen Urin bestimmter Patienten angelockt wurden.

Um 250 bis 300 v. Chr. prägte der griechische Arzt Apollonius in Memphis in Ägypten den Begriff „Diabetes“, Durchfluss, da die Patienten einen starken Harndrang hatten. Das Beiwort „mellitus“, honigsüß, wurde dann hinzugefügt, da der Urin von Diabetikern auffallend süß war. Im ersten Jahrhundert n.Chr. unterschied der griechische Arzt Aretaios von Kappadokien dann zwischen verschiedenen Varianten. Er vermutete, es

handele sich um eine Krankheit des Magens und empfahl Milchkuren, Wein und Abführmittel. Außerdem riet er zu Rosenöl, Datteln, rohen Quitten und Haferschleim.

Ernährung ist entscheidend Auch die indischen Ärzte um 500/600 n. Chr. unterschieden zwei Formen der Krankheit: Ihnen war aufgefallen, dass eine Variante vor allem bei wohlhabenden und gut genährten Menschen auftrat, die andere dagegen bei mageren Patienten und in diesen Fällen auch rasch zum Tode führte. Therapeutisch wurde die erste Patientengruppe auf Diät gesetzt, den Patienten der zweiten Gruppe wurde dagegen eine „Reismast“ verordnet. Dass Ernährung entscheidend war, war also von Anfang an bekannt. Auch an anderen Heilversuchen gab es keinen Mangel. Ein Heilmittel aus dem 17. Jahrhundert zum Beispiel enthielt „Gelatine von Vipernfleisch, zerstoßene rote Koralle, süße Mandeln und frische Blüten von Taubnesseln“.

Mit der richtigen Ernährung wurde bis in unsere Zeit experimentiert. Der amerikanische Arzt Frederick Madison Allen (1879-1964) setzte auf die Reduzierung von Kalorien: Diabetiker sollten nur 450 Kalorien am Tag zu sich nehmen. Das verlängerte zwar ihr Leben, schwächte sie aber sehr. Der erste Diabetologe der USA, Elliott P. Joslin (1869-1962), glaubte, dass Diabetiker keine Kohlenhydrate vertrugen. Seine Diätempfehlung: Zwei Prozent Kohlenhydrate, 20 Prozent Eiweiß und 70 Prozent Fett. Das Gegenteil wurde in den 1970er Jahren empfohlen: nicht mehr als 30 Prozent der Kalorien im Form von Fett. Das führte dazu, dass die Patienten immer dicker wurden.

Trotz aller diätetischen und anderen Therapieversuchen blieb die Prognose der Typ-1-Diabetiker Jahrtausende lang schlecht, meist führte die Krankheit zum Tode. Die ersten echten Fortschritte kamen im 19. Jahrhundert. 1889 wurde entdeckt, dass die Krankheit mit dem Pankreas zusammenhängt: Hunde, denen die Bauchspeicheldrüse entfernt wurde, beka-

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men die typischen diabetischen Symptome. Schon 1869 hatte der deutsche Pathologe Paul Langerhans (1847-1888) inselartige Zellhaufen im Pankreas entdeckt, die 1893 zu seinen Ehren „Langerhanssche Inseln“ genannt wurden. Ihre Funktion blieb allerdings zunächst unklar. Erst 1902 fanden Wissenschaftler heraus, dass in diesen Inseln eine Substanz produziert wurde, deren Mangel zu DiabetesSymptomen führte. Das Insulin war entdeckt.

Der nächste große Durchbruch war Banting und Bests sensationeller Erfolg. Von nun an konnte Millionen von Diabetikern das Leben gerettet werden und es ging rasant weiter. Schon 1923 begann das US-Unternehmen Eli Lilly and Company, Insulin zu produzieren und es unter dem Namen „Iletin“ zu vermarkten. 1935 war klar, dass es wirklich zwei Typen von Diabetes gibt. 1953 kamen Urinteststreifen auf den Markt. Seit 1969 gibt es in den Notfallzentren von Krankenhäusern Messgeräte für Blutglukose. Insulinpumpen kamen 1976 auf. Und 1978 wurde zum ersten Mal synthetisches Insulin hergestellt. ▪

Ursula Armstrong

Quellen u.a.:

De Leiva, Alberto et al : „The discovery of insulin: Continued controversies after ninety years”. Endocrinología y Nutrición (English Edition). 2011. Holler, Claus: „Geschichte der Ernährungstherapie des Diabetes mellitus“. Journal für Ernährungsmedizin (Ausgabe für Österreich). 2000. Paul, Gill: „Die Geschichte der Medizin in 50 Objekten“. Haupt Verlag, Bern, 2016.

WEITERE PIONIERE

Außer dem kanadischen Team um Frederick Banting und Charles H. Best gab es einen weiteren Entdecker des Insulins: Der rumänische Physiologe Nicolae Paulescu (1869-1931) hatte sogar als erster einen Extrakt aus dem Pankreas von Rindern isoliert. Schon 1916 behandelte er erfolgreich diabetische Hunde mit dem „Pankrein“, wie er seinen Extrakt nannte. An Patienten testete er ihn allerdings nicht. 1921 publizierte Paulescu über seine Studien auf Französisch. 1922 ließ er das Herstellungsverfahren von Pankrein in Bukarest patentieren. Dennoch wurde der Rumäne 1923 bei der Vergabe des Nobelpreises nicht berücksichtigt.

Paulescu beschwerte sich beim Nobelpreiskomitee. Es stellt sich heraus, dass die kanadischen Forscher die Arbeit des Rumänen sogar gekannt, aber aus seiner Publikation falsch zitiert hatten. Banting entschuldigte sich persönlich und berief sich auf sein schlechtes Französisch.

Paulescu starb 1931 und geriet in Vergessenheit. Erst in den 60er Jahren wurden der Rumäne und seine Arbeit wiederentdeckt. Dieses Mal reagierte das Nobelpreiskomitee: Es sei korrekt, dass Paulescu als erster Entdecker des Insulins den Preis verdient hätte, doch der Preis könne nur an Wissenschaftler vergeben werden, die dafür nominiert waren. Auch die International Diabetes Federation (IDF) erkannte Paulescus Leistung nun an. Geplant war, etwa einen internationaler Preis nach ihm zu benennen.

2003 sollte in Paris, wo der Rumäne studiert hatte, ein Denkmal für Paulescu enthüllt werden. Doch nun schalteten sich mehrere jüdische Organisationen, darunter das Simon-Wiesenthal-Zentrum, ein und machten darauf aufmerksam, dass Paulescu ein glühender Antisemit gewesen war und in Schriften zur Ausrottung der Juden aufgerufen hatte. Die Zeremonie in Paris wurde abgesagt. Und 2005 beschloss die IDF, sich nicht mehr auf Paulescu zu berufen.

Übrigens hat auch ein deutscher Forscher sich 1923 beim Nobelpreiskomitee beschwert, dass sein Beitrag nicht gewürdigt worden sei: Der Berliner Internist Georg Ludwig Zülzer (1870-1949) war ein echter Diabetes-Pionier. Bereits 1906 und 1907 hatte er Diabetes-Patienten einen Extrakt aus Kälberpankreas gespritzt. Nach kurzzeitiger Besserung waren die Patienten allerdings gestorben. Weshalb, wurde nicht geklärt. Aus seinem „Zülzer-Extrakt“ wurde später in veränderter Form ein wirksames Medikament für Diabetiker entwickelt.

Kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD) stellen trotz zahlreicher Therapiefortschritte hierzulande nach wie vor die häufigste Todesursache dar [6]. Bei Patienten mit Typ2-Diabetes kann Semaglutid nachweislich das Risiko für kardiovaskuläre (CV) Ereignisse senken [1]. Die wegweisende Studie SELECT (Semaglutide Effects on Heart Disease and Stroke in Patients With Overweight or Obesity) untersuchte, ob der Glucagon-like Peptide-1(GLP-1)-Rezeptoragonist Semaglutid das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (major adverse cardiac events, MACE) bei Patienten mit Übergewicht und Adipositas und etablierter kardiovaskulärer Erkrankung - aber ohne Diabetes - verringern kann [3].

Größte Studie von Novo Nordisk Die doppelblinde, placebokontrollierte, Überlegenheits-gepowerte SELECT-Studie mit insgesamt 17.604 Teilnehmenden wurde in 804 Zentren aus 41 Ländern durchgeführt [3,5,7]. Haupteinschlusskriterien waren Zustand nach Myokardinfarkt oder Schlaganfall oder symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Alter ≥45 Jahre sowie Übergewicht oder Adipositas (BMI ≥27 kg/m2). Fast 70% hatten in der Vergangenheit bereits einen Myokardinfarkt, knapp 25% litten unter chronischer Herzinsuffizienz [3]. Randomisiert erhielten die Teilnehmenden zusätzlich zur Standardtherapie entweder einmal wöchentlich eine

SELECT: CV und renale Benefits bei Menschen ohne Diabetes

Semaglutid trägt nicht nur zur Gewichtsreduktion bei, es kann auch das Risiko für kardiovaskuläre und renale Ereignisse bei Patienten mit Typ-2-Diabetes senken [1]. Wie aktuelle Studien belegen, gilt dies auch für übergewichtige/adipöse Patienten ohne Diabetes [2-4]. Somit hat die SELECT-Studie das Potenzial, neue Ansätze zur Verringerung des kardiovaskulären und renalen Risikos bei gleichzeitiger Bekämpfung der Fettleibigkeit voranzutreiben [5].

subkutane Gabe Semaglutid 2,4 mg (Semaglutid-Gruppe, n=8.803) oder Placebo (Placebo-Gruppe, n=8.801) über durchschnittlich 34,2 Monate und einem mittleren Follow-up von 39,8 Monaten.

Signifikant geringeres MACE-Risiko Der zusammengesetzte, primäre kardiovaskuläre Endpunkt – die MACE-Inzidenz*–wurde erreicht: Im Vergleich zu Placebo reduzierte Semaglutid das relative Risiko für MACE signifikant um 20% (Hazard Ratio

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(HR) 0,80 95%-KI: 0,72; 0,9; p<0,001 für Überlegenheit) bei Personen mit etablierter CVD und Übergewicht oder Adipositas (ohne Typ-2-Diabetes) (Abb. 1). Darüber hinaus verbesserte Semaglutid im Vergleich zu Placebo mehrere modifizierbare Risikofaktoren, die kardiovaskuläre Ereignisse begünstigen können: Der Blutdruck sank um 3,3 mmHg (systolischer Blutdruck) bzw. 0,6 mmHg (diastolischer Blutdruck). Das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP) verringerte sich unter Semaglutid um

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Experten: Prof. Matthias Blüher, Leipzig, Chair und AdipositasExperte, Prof. Susanne Reger-Tan, Essen, Adipositas-Expertin, Dr. Florian Kahles, Aachen, Experte für Kardiologie

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37,8%, der Lipidstatus verbesserte sich ebenfalls (Gesamtcholesterin -2,8%, Triglyzeride -15,6%). Die Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten entsprachen denen früherer Semaglutid-Studien.

Renale Benefits durch Semaglutid

Bei Menschen mit chronischen Nierenerkrankungen (CKD) und Typ-2-Diabetes kann Semaglutid die Nierenfunktion verbessern [1]. Auch hier stellte sich die Frage, ob die positiven Effekte von Semaglutid bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas ohne Typ-2-Diabetes ebenfalls zu beobachten sind. Dazu liegt nun eine kürzlich auf dem 61. Kongress der European Renal Association (ERA) 2024 vorgestellte und zugleich hochkarätig publizierte Sekundäranalyse der SELECT-Studie vor [4].

Unter den Teilnehmenden der SELECT-Studie wiesen rund ein Fünftel zu Studienbeginn eine Nierenerkrankung auf, mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) <60 ml/min/1,73 m2 oder einen UACR (Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio)-Wert

≥30 mg/g. Der präspezifizierte primäre Endpunkt der Sekundäranalyse setzte sich aus fünf Komponenten zusammen: Der Zeit von der Randomisierung bis zum Tod aufgrund einer Nierenerkrankung, der Zeit, bis eine chronische Nierenersatztherapie (Dialyse oder Transplantation) erforderlich wurde, dem Beginn einer anhaltenden eGFR von <15 ml/min/1,73m², einer anhaltenden Verringerung der eGFR um ≥ 50% im Vergleich zum Ausgangswert oder dem Beginn einer anhaltenden Makroalbuminurie. Das mediane Follow-up betrug ca. 42 Monate (182 Wochen). In der SemaglutidGruppe lag die Wahrscheinlichkeit, den primären zusammengesetzten Endpunkt zu entwickeln, mit 1,8% gegenüber 2,2% deutlich niedriger als in der Placebo-Gruppe (HR 0,78; 95%-KI: 0,63, 0,96; p=0,02) [4]. Zu einem vorab festgelegten Zeitpunkt –Woche 104 – hatte der eGFR-Wert in der Semaglutid-Gruppe weniger abgenommen als im Placebo-Arm (-0,86 ml/min /1,73 m2 versus -1,61 ml/min/1,73 m2), was einem Behandlungsvorteil von 0,75 ml/min/

Patientinnen/Patienten unter Risiko

HR 0,80 (95% KI: 0,72; 0,90) p<0,001 für Überlegenheit

Placebo Semaglutid 2,4 mg

Monate seit Randomisierung

Abb. 1: Relatives MACE-Risiko von Semaglutid 2,4 mg versus Placebo (mod. nach [3]).

1,73 m 2 für die Gesamtpopulation entspricht (95%-KI: 0,43, 1,06; p< 0,001). Unabhängig vom eGFR-Wert zu Studienbeginn wurde in der Semaglutid-Gruppe kein erhöhtes Auftreten von akutem Nierenversagen beobachtet.

Der ebenfalls zu Woche 104 ermittelte UACR-Wert war bei den Patienten aus der Semaglutid-Gruppe in geringerem Umfang angestiegen als unter Placebo, entsprechend einem Nettobehandlungsvorteil von -10,7% (95%-KI: -13,2, -8,2; p< 0,001) für die Gesamtpopulation. In der Subgruppe von Patienten, die entweder mit einem UACR-Wert von ≥30 bis <300mg/g oder mit UACR ≥ 300mg/g in die Semaglutid-Gruppe randomisiert worden waren, lag der Behandlungsunterschied bei -27,2% bzw. -31,4%. Insgesamt verringerte sich in der Gruppe mit subkutan verabreichtem Semaglutid 2,4 mg der zusammengesetzte renale Endpunkt um 22%.

Den Autoren zufolge zeigen diese Daten erstmals, dass Semaglutid auch bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas, aber ohne Typ-2-Diabetes, einen positiven Effekt auf die Nierenfunktion ausüben kann [4].

* MACE, definiert als Zeit bis zum ersten Ereignis eines nicht tödlichen Myokardinfarkts oder nicht tödlichen Schlaganfalls oder eines CV-bedingten Todes.

Literatur

1. Kristensen SL et al. Lancet Diabetes Endokrinol. 2019;7(10):776-785

2. Ryan DH et al. Nat Med 2024;7:2049-57

3. Lincoff AM et al. N Engl J Med. 2023;389:2221–32

4. Colhoun HM et al. Nat Med 2024;7:2058-66

5. Ryan DH et al. Am Heart J. 2020;229:61-69

6. Todesursachen in Deutschland: https:de.statista. com/themen/69/todesursachen Letzter Zugriff: 01.08.2024

7. Lingvay I et al. Obesity (Silver Spring) 2023;31: 111-122

Impressum

Report in der Beilage „Diabetes“ 14/2024

Bericht: Dr. Marion Hofmann-Aßmus

V.i.S.d.P.: J. Dielmann-von Berg

Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Inhalte Mit freundlicher Unterstützung von

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Mehr Infos a Mounjaro® ist angezeigt als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zum Gewichtsmanagement, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei Erwachsenen mit einem Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) von ≥ 30 kg/m2 (Adipositas) oder ≥ 27 kg/m2 bis < 30 kg/ m2 (Übergewicht) bei Vorliegen mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung (z. B. Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, Herz-KreislaufErkrankung, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mellitus).1 b Prozentuale Gewichtsreduktion vom Ausgangsgewicht unter Mounjaro® 15 mg nach 72 Wochen. Unter Placebo Gewichtsreduktion um 2,4 % (-2,4 kg) in diesem Zeitraum. Bei kalorienreduzierter Ernährung und erhöhter körperlicher Aktivität.1,2 c Die WirksamkeitsEstimand (Efficacy Estimand) für die Einzeldosen wurde mit Ausnahme des Taillenumfangs bei Mounjaro® 10 mg und 15 mg nicht multiplizitätsadjustiert.2 1. Fachinformation Mounjaro®, aktueller Stand. 2. Jastreboff AM, et al. N Engl J Med. 2022; 387(3): 205–216.

Bezeichnung der/s Arzneimittel/s: Mounjaro® 2,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 7,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 10 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 12,5 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 15 mg Injektionslösung in einer Durchstechflasche, Mounjaro® 2,5 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen, Mounjaro® 5 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen, Mounjaro® 7,5 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen, Mounjaro® 10 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen, Mounjaro® 12,5 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen, Mounjaro® 15 mg/Dosis KwikPen® Injektionslösung in einem Fertigpen. Zusammensetzung: Durchstechflasche, Einzeldosis; arzneilich wirksamer Bestandteil:Jede Durchstechflasche enthält 2,5 mg (5 mg/ml), 5 mg (10 mg/ml), 7,5 mg (15 mg/ml), 10 mg (20 mg/ml), 12,5 mg (25 mg/ml) oder 15 mg (30 mg/ml) Tirzepatid in 0,5 ml Lösung; sonstigeBestandteile: Dinatriumhydrogenphosphat 7 H2O (E339), Natriumchlorid, Konzentrierte Salzsäure (zur pH-Wert Einstellung), Natriumhydroxid (zur pH-Wert Einstellung), Wasser für Injektionszwecke. Fertigpen (KwikPen®), Mehrfachdosis; arzneilich wirksamer Bestandteil: Jede Dosis enthält 2,5 mg, 5 mg, 7,5 mg, 10 mg, 12,5 mg oder 15 mg Tirzepatid in 0,6 ml Lösung. Jeder Mehrfachdosis-Fertigpen enthält 10 mg (4,17 mg/ml), 20 mg (8,33 mg/ml), 30 mg (12,5 mg/ml), 40 mg (16,7 mg/ml), 50 mg (20,8 mg/ml) oder 60 mg (25 mg/ml) Tirzepatid in 2,4 ml. Jeder Pen gibt 4 Dosen zu je 2,5 mg, 5 mg, 7,5 mg, 10 mg, 12,5 mg oder 15 mg ab; sonstige Bestandteile: Dinatriumhydrogenphosphat 7 H2O (E339), Benzylalkohol (E1519), Glycerin, Phenol, Natriumchlorid, Salzsäure 36 % (zur pH-Wert Einstellung), Natriumhydroxid (zur pH-Wert Einstellung), Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Typ-2-Diabetes mellitus: Mounjaro ist angezeigt zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes mellitus als Ergänzung zu Diät und Bewegung als Monotherapie, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen nicht angezeigt ist, zusätzlich zu anderen Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes mellitus. Studienergebnisse hinsichtlich Kombinationen, Auswirkungen auf die glykämische Kontrolle, sowie auf die untersuchten Populationen, sind in den Abschnitten 4.4, 4.5 und 5.1 der Fachinformation zu finden. Gewichtsmanagement: Mounjaro ist angezeigt als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Diät und erhöhter körperlicher Aktivität zum Gewichtsmanagement, einschließlich Gewichtsabnahme und Gewichtserhaltung, bei Erwachsenen mit einem Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) von ≥ 30 kg/m2 (Adipositas) oder ≥ 27 kg/m2 bis < 30 kg/m2 (Übergewicht) bei Vorliegen mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung (z. B. Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, HerzKreislauf-Erkrankung, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mellitus). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder gegen einen der genannten sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Hypoglykämie1* bei Anwendung mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin; Übelkeit, Diarrhoe. Häufig: Überempfindlichkeitsreaktionen; Hypoglykämie1* bei Anwendung mit Metformin und SGLT2-Inhibitoren, verminderter Appetit1; Schwindel2, Hypotonie2, Bauchschmerzen, Erbrechen, Dyspepsie, Verstopfung, Blähungen, Aufstoßen, Flatulenz, gastroösophageale Refluxkrankheit; Haarausfall2, Fatigue (umfasst die Begriffe Müdigkeit, Asthenie, Unwohlsein und Lethargie), Reaktionen an der Injektionsstelle; erhöhte Herzfrequenz, erhöhte Lipase- und Amylasewerte. Gelegentlich: Hypoglykämie1* bei Anwendung mit Metformin, Gewichtsverlust1; Cholelithiasis, Cholezystitis, akute Pankreatitis; Schmerzen an der Injektionsstelle; erhöhter Calcitonin-Wert. Selten: Anaphylaktische Reaktion#, Angioödem#. [* Klinisch signifikante Hypoglykämien (Blutzucker < 3,0 mmol/l (< 54 mg/dl)) oder schwere Hypoglykämien (die Hilfe einer anderen Person erfordern); 1 Nebenwirkung, die nur auf Patienten mit Typ-2Diabetes mellitus (T2DM) zutrifft; 2 Nebenwirkung, die hauptsächlich auf Patienten mit Übergewicht oder Adipositas mit oder ohne T2DM zutrifft. # Über Berichte nach Markteinführung.]. Warnhinweise: Arzneimittel fürKinder unzugänglich aufbewahren, weitere Warnhinweise siehe Fachinformation. Verschreibungspflichtig. Zulassungsinhaber: Eli Lilly Nederland B.V., Papendorpseweg 83, 3528 BJ Utrecht, Niederlande; Ansprechpartner in Deutschland: Lilly Deutschland GmbH, WernerReimers-Str. 2-4, D-61352 Bad Homburg. Stand der Information: April 2024

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