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Über Schiller, seine „Räuber“ und das Nationaltheater Mannheim ....................... Seiten...65

genen Werken inspirierte. Dabei war der Verfasser selbst nach der Uraufführung nicht zufrieden mit seinem Werk. In einer Kritik, die er unter anderem Namen verfasste, ging Schiller mit dem Stück hart ins Gericht. Zu übertrieben sei alles, zu sehr auf den dramatischen Effekt hin zugespitzt. Tatsächlich liest sich „Die Räuber“ heute als das Werk eines jungen Mannes, dessen Talent unbestreitbar ist, der aber von der Meisterschaft seiner späteren Dramen noch weit entfernt ist. Anleihen bei Shakespeare sind unübersehbar, die Handlung ist verworren, manche Figuren bleiben blass. Der berühmte deutsche Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat „Die Räuber“ einmal als ein „durch und durch schlechtes Stück“ bezeichnet. Ein Stück allerdings, so fügte er hinzu, das wie kein anderes vom Jungsein zu erzählen vermöge. Das Motiv der Auflehnung einer jungen Generation gegen ihre Eltern sowie Schillers unnachahmliche, energiegeladene Sprache tragen dazu bei, dass sich das Stück bis heute in den Spielplänen der Theater hält.

Als Traum vom „noch-einmal-jung-sein“ hat Christian Weise, Hausregisseur am NTM, seine Interpretation der „Räuber“ angelegt, mit der wir die Spielzeit 2018/19 eröffneten. Eine Gruppe älterer Menschen, die in einem Fachwerkhaus irgendwo im Regenwald leben – in Brasilien etwa gibt es tatsächlich solche von deutschen Aussiedlern im 19. Jahrhundert gegründeten Siedlungen – träumt sich anhand von Schillers Drama in die eigene Jugendzeit zurück. Am Ende der Spielzeit 2021/22 wird die Aufführung noch einmal im Nationaltheater zu sehen sein, bevor wir das Gebäude für die Zeit der Generalsanierung verlassen müssen.

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Auch sonst nehmen wir das Erbe des Nationaltheaters, von manchen mitunter als „Schillerbühne“ bezeichnet, gerne an, auch wenn gerade jüngere Generationen immer seltener einen Zugang zu Schiller finden. Neben „Maria Stuart“ haben wir in der vergangenen Spielzeit Schillers „Jungfrau von Orleans“ herausgebracht und die junge polnische Regisseurin Ewelina Marciniak mit der Inszenierung beauftragt. Sie hat Schillers Text mit den Debatten um die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft aufgeladen. Auch diese Aufführung ist weiterhin in unserem Programm.

Zu seinen Lebzeiten war Schiller kein „Klassiker“, sondern ein Theaterrevolutionär, der Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte und die Themen und Konflikte seiner Zeit auf die Bühne brachte. Den Geist des Aufbruchs, der die Uraufführung der „Räuber“ zu einem unvergesslichen Moment der Theatergeschichte gemacht hat, gilt es auch heute mit jeder einzelnen neuen Produktion heraufzubeschwören. Schiller treu zu sein heißt daher nicht, seine Stücke textgetreu wiederzugeben. Sondern mit der Ernsthaftigkeit, mit der Schiller seiner Zeit einen Spiegel vorhalten wollte, zu versuchen, die Themen, Fragestellungen und Konflikte unserer Zeit auf die Bühne zu bringen. Wenn uns das in Mannheim hin und wieder gelingt, dann dürfen wir zu Recht den Namen „Schillerbühne“ tragen.

Christian Holtzhauer Intendant des Schauspiels und Künstlerischer Leiter der Internationalen Schillertage am Nationaltheater Mannheim

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