White Paper: focus Musik - Neue Töne der Musikwirtschaft

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Musik und …

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werBung: fallstudie „guvera“ von peter tschmuck (universität für Musik und darstellende kunst wien)

der  Musik-onlinedienst  „guvera“  wurde  2008  von  claes  Loberg  an  der  australischen  gold  coast  im  Bundesstaat  Queensland  gegründet,  um  den  MusiktauschbörsennutzerInnen  ein  legales  Musikangebot  als  Alternative  zur  verfügung  zu  stellen,  das  obendrein  frei  von  Werbespots  (im  gegensatz  zu  spotify)  ist,  und  dennoch  von  werbetreibenden  firmen  fi nanziert  wird   das  grundkonzept  besteht  darin,  dass  Markenunternehmen  ein  Musikangebot,  in  „guveras“ diktion „Branded Music channels“, fi nanzieren  und  bereitstellen,  das  von  den  NutzerInnen  gratis  in  guter  MP3-Qualität  (mit  einer  Bitrate  von  256 kbps)  drM-frei  heruntergeladen  werden  kann   dazu  müssen  sich  die  NutzerInnen  registrieren  und  ihre demografi schen daten weitergeben sowie auch  Angaben  zu  ihrem  Lebensstil  machen   Je  mehr  sie  von  sich  preisgeben,  desto  höher  wird  das  Punktekonto,  mit  dem  sie  dann  Musik  erwerben  können   Haben sie ihr Punktekonto in einem kanal erschöpft,  können sie zu einem kanal einer anderen werbetreibenden  firma  wechseln  und  durch  die  Angaben  zu  ihrer  Person  ihr  Punktekonto  wieder  auffüllen  und  damit  Musik  herunterladen   genau  genommen  ist  der  Musikdownload  nicht  gratis,  sondern  wird  mit  der  Preisgabe  personenbezogener  daten  „bezahlt“   die  unternehmen  erhalten  auf  diese  Weise  genaue  Profi le  der  MusiknutzerInnen  und  können  zielgruppenbezogene  Werbekampagnen  entwickeln  oder  direct-Mail-Maßnahmen  setzen   der  vorteil  für  die  firmen liegt auf der Hand: es wird nicht wie bei anderen werbefi nanzierten gratismusik-Angeboten die  Werbebotschaft mit entsprechenden streuverlusten  verbreitet, sondern zielgruppengenau  so können auf  Basis  der  gewonnenen  daten  z B   25-jährige  skateboarder einer bestimmten region mit einer Musik angesprochen  werden,  die  ihrem  Lifestyle  entspricht

ende Jänner 2010 in Australien sowie seit dem Launch  des services ende März 2010 in den usA als sponsoren  der Musikkanäle aktiv geworden  sie zahlen dabei pro  Person in der von ihnen angesprochenen Zielgruppe  einen von ihnen festgelegten Betrag  Aus den Allgemeinen geschäftsbedingungen geht hervor, dass die  sponsoren für jenen kanal, den sie eröffnen wollen,  mindestens  20 Musiktracks anbieten müssen, wobei  nicht mehr als vier Titel pro künstlerIn im gesamtangebot inkludiert sein dürfen  darüber hinaus wird darauf Wert gelegt, dass bei den MusikkonsumentInnen  nicht der eindruck eines Naheverhältnisses zwischen  künstlerIn, Label, verlag bzw  komponistIn oder TextautorIn und dem werbetreibenden unternehmen entstehen darf Zwei Musik-Majors – universal Music group und eMI –

haben  bereits  ihr  repertoire  für  „guvera“  lizenziert, aber auch die Independent online distribution  Alliance  (IodA),  der  us-onlinemusikvertrieb  The  orchard,  INgrooves  sowie  die  australischen  IndieLabels  Mushroom/Liberation  und  shock  records  stellen  ihre  kataloge  zur  verfügung   In  den  usA  sind  zudem  alle  relevanten  Musikverwertungsgesellschaften – AscAP,  BMI,  Harry  fox  Agency  und  sesAc – Partnerschaften mit „guvera“ eingegangen,  sodass  das  service  mittlerweile  über  3 Mio   Musiktitel zum download/stream anbieten kann   Trotz aller Anfangserfolge muss sich erst zeigen, ob  das werbefi nanzierte australische Musik-onlineportal sich nachhaltig am digitalen Musikmarkt etablieren kann  der innovative Ansatz, wonach werbetreibende  firmen  die  Möglichkeit  bekommen,  sich  an  eine ausgewählte Zielgruppe zu wenden, wird dann  zum  erfolg  führen,  wenn  ausreichend  attraktives  repertoire  angeboten  und  damit  rasch  die  Anzahl  der NutzerInnen erhöht werden kann  Wenn das gelingen sollte, dann ist „guvera“ möglicherweise der  vorreiter  für  ein  vermarktungskonzept  für  Musik,  das man aus der frühzeit des kommerziellen radios

American  express,  Microsoft,  Mcdonalds,  Harleydavidson,  Activision,  schweppes,  Bacardi,  Nestlé,  Johnson & Johnson,  fox  News  und  einige  weitere  namhafte  Markenartikelhersteller  sind  bereits  seit

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